Bundesgesetz
über das Bundesgericht
(Bundesgerichtsgesetz, BGG)


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Art. 95 Schweizerisches Recht

Mit der Be­schwer­de kann die Ver­let­zung ge­rügt wer­den von:

a.
Bun­des­recht;
b.
Völ­ker­recht;
c.
kan­to­na­len ver­fas­sungs­mäs­si­gen Rech­ten;
d.
kan­to­na­len Be­stim­mun­gen über die po­li­ti­sche Stimm­be­rech­ti­gung der Bür­ger und Bür­ge­rin­nen und über Volks­wah­len und ‑ab­stim­mun­gen;
e.
in­ter­kan­to­na­lem Recht.

BGE

133 I 201 (8C_76/2007) from 6. Juli 2007
Regeste: Art. 9 und 29 Abs. 2 BV; § 4 Abs. 1 des thurgauischen Gesetzes über die Kinder- und Ausbildungszulagen; § 20 Abs. 1 des thurgauischen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege; Eröffnung einer Verfügung über Kinderzulagen. Die Verfügung über Kinderzulagen, welche dem Arbeitnehmer zustehen, ist diesem zu eröffnen. Eine Zustellung an den Arbeitgeber mit der Bitte, die Verfügung an den Arbeitnehmer weiterzuleiten, genügt nicht. Dieses Vorgehen verletzt das Willkürverbot und den Anspruch auf rechtliches Gehör (E. 2.1). Offengelassen, ob eine Heilung des Mangels im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich möglich wäre. Jedenfalls genügt es nicht, wenn dem Arbeitnehmer lediglich der Entscheid einer gerichtlichen Rechtsmittelinstanz zugestellt wird, welche nur über eingeschränkte Kognition verfügt (E. 2.3).

133 I 286 () from 7. August 2007
Regeste: Trennung Jugendlicher von Erwachsenen in der Untersuchungshaft, Jugendstrafprozessordnung des Kantons Basel-Stadt und Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht, Vorrang des Bundesrechts; Art. 49 Abs. 1 BV, Art. 10 Ziff. 2 lit. b UNO-Pakt II, Art. 37 lit. c KRK. Die als staatsrechtliche Beschwerde erhobene Beschwerde gegen den Erlass der Jugendstrafprozessordnung wird als Beschwerde gemäss Art. 82 lit. b BGG entgegengenommen (E. 1). Zulässigkeit der Beschwerde gegen kantonale Erlasse im Allgemeinen (E. 2). Die Jugendstrafprozessordnung, welche in Ausnahmefällen die gemeinsame Unterbringung von Jugendlichen und Erwachsenen während der Untersuchungshaft vorsieht, ist mit dem Jugendstrafgesetz nicht vereinbar (E. 3 und 4). Das Jugendstrafgesetz sieht für die Trennung der Jugendlichen von den Erwachsenen keine Übergangsfrist vor (E. 5).

133 II 249 (1C_3/2007) from 20. Juni 2007
Regeste: Art. 82 lit. a und Art. 89 Abs. 1 i.V.m. Art. 42, 95-97, 105 f. BGG; Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten; Baubewilligung; Nachbarbeschwerde; Sachurteilsvoraussetzungen (Beschwerdegründe, Legitimation, Beschwerdebegründung). Pflicht des Nachbarn eines Bauprojekts, seine Beschwerdebefugnis darzulegen (E. 1.1). Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auf dem Gebiet des Raumplanungs- und Baurechts; Übersicht über die möglichen Beschwerdegründe (E. 1.2). Legitimation des Nachbarn zur Anfechtung eines Bauprojekts mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (E. 1.3.1); Auswirkungen auf die Zulässigkeit von Beschwerdegründen (E. 1.3.2). Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts und grundsätzliche Beschränkung auf die Beurteilung der vorgebrachten Rügen (E. 1.4.1). Anforderungen an Verfassungs- und Sachverhaltsrügen (E. 1.4.2 und 1.4.3).

133 III 393 (5A_52/2007) from 22. Mai 2007
Regeste: Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft (Art. 172 ff. ZGB); Art. 72 Abs. 1, Art. 90, 98, 99 Abs. 1, Art. 106 Abs. 2 BGG. Die Anordnung von Eheschutzmassnahmen ist eine Zivilsache im Sinne von Art. 72 Abs. 1 BGG (E. 2). Noven (E. 3). Eheschutzentscheide sind Endentscheide im Sinne von Art. 90 BGG (E. 4). Eheschutzentscheide sind Entscheide über vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 98 BGG; gegen sie kann nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (E. 5). Aus Art. 106 Abs. 2 BGG ergibt sich, dass klar und detailliert darzulegen ist, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (E. 6). Im Falle einer Art. 98 BGG unterstehenden Beschwerde kommt eine Berichtigung oder Ergänzung von Sachverhaltsfeststellungen nur dann in Frage, wenn die kantonale Instanz verfassungsmässige Rechte verletzt hat (E. 7.1).

133 III 462 (4A_61/2007) from 13. Juni 2007
Regeste: Haftung des Staates für die Tätigkeit von Spitalärzten; Rechtsweg; entgangene Chance. Die Beschwerde in Zivilsachen steht offen gegen in Anwendung von kantonalem öffentlichem Recht ergangene Entscheide über die Verantwortlichkeit des Gemeinwesens für rechtswidrige Handlungen von in öffentlichen Spitälern angestellten Ärzten (Art. 72 Abs. 2 lit. b BGG; Art. 31 Abs. 1 lit. d BGerR; E. 2.1). Die Übernahme der Theorie der entgangenen Chance in das schweizerische Recht erscheint mindestens problematisch. Die Ablehnung dieser Theorie stellt insofern keine willkürliche Anwendung des kantonalen Rechts über die Verantwortlichkeit des Staates für medizinische Tätigkeiten dar (E. 3 und 4).

133 III 539 (4A_107/2007) from 22. Juni 2007
Regeste: Zivilgerichtsbarkeit. Immunität der internationalen Bediensteten von der Gerichtsbarkeit (Art. 31 des Wiener Übereinkommens vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen). Die Zivilgerichtsbarkeit über eine Person bildet eine Prozessvoraussetzung, welche von Amtes wegen zu berücksichtigen ist (E. 4.2). Die Bestimmung des für die Prüfung der Prozessvoraussetzungen massgeblichen Zeitpunkts ist eine Frage des Bundesrechts, wenn sich die zu beachtende Prozessvoraussetzung selbst aus Bundesrecht ergibt. Um eine einheitliche Anwendung von Art. 31 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen zu gewährleisten, ist der massgebliche Zeitpunkt, in welchem die Zivilgerichtsbarkeit über eine Person gegeben sein muss, das Datum, an welchem das Sachurteil gefällt wird (E. 4.3-4.5). Anwendung dieses Grundsatzes im zu beurteilenden Fall (E. 4.6).

133 III 545 (4A_12/2007) from 3. Juli 2007
Regeste: a Bundesgerichtsgesetz (BGG); Zulässigkeit der Beschwerde in Zivilsachen nach Art. 72 ff. BGG. Übergangsrecht (E. 1). Zulässigkeitsvoraussetzungen der Beschwerde in Zivilsachen (E. 2.1). Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts im Verfahren der Beschwerde in Zivilsachen (E. 2.2-2.4). Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (E. 5).

133 III 585 (5A_36/2007, 5A_391/2007) from 20. August 2007
Regeste: Eheschutz; Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht; Kanton Zürich; letztinstanzlicher kantonaler Entscheid. Mit der Nichtigkeitsbeschwerde (§ 281 ff. ZPO/ZH) gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich über Eheschutzmassnahmen an das Kassationsgericht des Kantons Zürich können alle vor Bundesgericht zulässigen Rügen erhoben werden. Einzig der Beschluss des Kassationsgerichts gilt demnach als letztinstanzlicher Entscheid im Sinn von Art. 75 Abs. 1 BGG (E. 3). Anforderungen an die Begründung der Beschwerde in Zivilsachen gegen den Entscheid über vorsorgliche Massnahmen im Sinn von Art. 98 BGG (E. 4.1).

133 III 589 (5A_134/2007) from 5. Juli 2007
Regeste: Beschwerde gegen den abweisenden Arrestentscheid. Der Arrestentscheid ist eine vorsorgliche Massnahme im Sinn von Art. 98 BGG (E. 1).

133 III 634 (4A_232/2007) from 2. Oktober 2007
Regeste: Voraussetzungen, unter denen die Beschwerde in Zivilsachen gegen Zwischenentscheide der über die Nichtigkeitsbeschwerde gemäss nationalem Schiedsverfahren urteilenden Behörde zulässig ist (Art. 36 ff. KSG; Art. 93 Abs. 1 BGG). Ein Zwischenentscheid, der nicht die Zuständigkeit oder ein Ausstandsbegehren betrifft, kann nur nach Massgabe von Art. 93 Abs. 1 BGG Gegenstand einer Beschwerde in Zivilsachen bilden. Da die Nichtigkeitsbeschwerde in einem nationalen Schiedsverfahren kassatorischer Natur ist, kann das Bundesgericht bei Gutheissung der Beschwerde nur einen Endentscheid herbeiführen, wenn die für die Nichtigkeitsbeschwerde zuständige Behörde selbst hätte entscheiden können oder das Schiedsurteil von der Gutheissung nicht betroffen ist (E. 1.1 und 1.2).

133 III 687 (5A_86/2007) from 3. September 2007
Regeste: Art. 172 Ziff. 3 SchKG; Abweisung des Konkursbegehrens zufolge Tilgung oder Stundung. Anfechtung von Entscheiden des Konkursrichters mit Beschwerde in Zivilsachen (E. 1.2). Anfechtung eines vor dem 1. Januar 2007 ergangenen Entscheides des oberen kantonalen Gerichts gemäss Art. 100 Abs. 6 BGG (E. 1.3 und 1.4). Unter die Kosten, welche der Schuldner gemäss Art. 172 Ziff. 3 SchKG zu tilgen hat, kann die Entschädigung an den Gläubiger für die Konkursverhandlung fallen (E. 2).

133 IV 150 (6B_46/2007) from 29. Mai 2007
Regeste: Art. 51 StGB; Anrechnung der Untersuchungshaft. Auf die Strafe ist auch die Untersuchungshaft anzurechnen, die in einem anderen Verfahren angeordnet worden ist. Zu entziehende Freiheit ist wenn immer möglich mit bereits entzogener Freiheit zu kompensieren (E. 5).

133 IV 278 (6B_226/2007) from 12. August 2007
Regeste: a Art. 29 Abs. 3 und Art. 33 BGerR; Zuständigkeit der Strafrechtlichen Abteilung. Die vor der Einleitung einer Voruntersuchung angeordnete Einziehung von Vermögenswerten ist ein Endentscheid, der materielles Strafrecht betrifft (E. 1.1).

133 V 515 (8C_168/2007) from 17. August 2007
Regeste: Art. 13 Abs. 1 AVIG: Mit dem Kanton im Hinblick auf die Eröffnung einer neuen Rahmenfrist abgeschlossener Temporärarbeitsvertrag und Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung. Keine beitragspflichtige Beschäftigung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 AVIG übt aus, wer auf Grund eines mit dem Kanton im Wesentlichen zur Eröffnung einer (neuen) Rahmenfrist abgeschlossenen Temporärarbeitsvertrags einen Lohn bezieht, ohne dass die vereinbarte Entlöhnung an die tatsächliche Ausübung einer Tätigkeit für den Arbeitgeber gebunden wäre (E. 2).

133 V 624 (8C_192/2007) from 22. Oktober 2007
Regeste: Art. 9 IVG; Art. 1 lit. b und Art. 5 Abs. 3 FZA: Eingliederungsmassnahmen und passive Dienstleistungsfreiheit. Die Dienstleistungsfreiheit, wie sie der EG-Vertrag und die zu dessen Anwendung ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften regelt, bildet nicht Bestandteil des "acquis communautaire", welchen sich die Schweiz zu übernehmen verpflichtet hat. Das FZA sieht nur eine teilweise Liberalisierung von Dienstleistungen vor. Ein von einem Geburtsgebrechen (Ziff. 390 GgV-Anhang) betroffener Minderjähriger kann sich daher nicht auf diese Rechtsprechung berufen, um die Übernahme (eines Teils) der Kosten einer in Deutschland erfolgten ambulanten Behandlung zu beanspruchen (E. 4.2-4.3.7).

134 I 65 (8C_92/2007) from 14. Dezember 2007
Regeste: Art. 12 BV; Art. 2 Abs. 2, Art. 289 Abs. 2, Art. 328 und 329 ZGB; Art. 3c Abs. 1 lit. g ELG. Sozialhilfe an einen zum Bezug von Ergänzungsleistungen zur AHV berechtigten Vater, der freiwillig auf einen Teil seines Vermögens verzichtet hat, indem er diesen seinen Kindern als Erbvorbezug überlassen hat. Da kein offensichtlicher Rechtsmissbrauch vorliegt, darf das in Art. 12 BV garantierte Existenzminimum nicht verweigert werden. Regressmöglichkeit gegenüber den Kindern gestützt auf Art. 328 und 329 ZGB (E. 2-7).

134 I 140 (1C_407/2007, 1C_409/2007) from 31. Januar 2008
Regeste: Art. 82 ff. BGG; Art. 5 und 6 EMRK; Art. 9, Art. 10 Abs. 2, Art. 29 Abs. 1 und 2, Art. 31 und 32 BV; § 5, 6, 9 und 11 GSG/ZH; Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten; Schutzmassnahmen gegen häusliche Gewalt nach dem zürcherischen Gewaltschutzgesetz. Zur Überprüfung von Massnahmen, die gestützt auf das zürcherische Gewaltschutzgesetz ergangen sind, ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegeben (E. 2). Die im vorliegenden Fall auferlegten Gewaltschutzmassnahmen (Rayon- und Kontaktverbot) fallen weder unter den Begriff der Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 5 EMRK und Art. 31 BV (E. 3) noch unter den Begriff der strafrechtlichen Anklage im Sinne von Art. 6 EMRK (E. 4). Mit der Auferlegung von Gewaltschutzmassnahmen besteht die Möglichkeit der Gefährdung des durch das Zivil- und Strafrecht geschützten "guten Rufs". Der gute Ruf stellt ein "civil right" dar und fällt daher in den Schutzbereich von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 5.2). § 9 Abs. 3 GSG/ZH geht über den bundes- und konventionsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör hinaus und garantiert das Recht des Gesuchsgegners, nach Möglichkeit mündlich angehört zu werden. Im vorliegenden Fall wurde die Gehörsverletzung geheilt (E. 5.3-5.5). § 9 Abs. 4 GSG/ZH garantiert keinen über Art. 29 Abs. 2 BV hinausgehenden absoluten Anspruch auf Beweisabnahme (E. 5.6 und 5.7). Das angeordnete Rayonverbot stellt keine unverhältnismässige Einschränkung der persönlichen Freiheit des Beschwerdeführers dar (E. 6).

134 I 153 (2C_704/2007) from 1. April 2008
Regeste: Art. 5 Abs. 2 und Art. 9 BV; Art. 95 lit. a BGG; Kognition des Bundesgerichts bei der Verhältnismässigkeitsprüfung von kantonalrechtlichen Anordnungen. Ausserhalb von Grundrechtseingriffen (Art. 36 Abs. 3 BV) schreitet das Bundesgericht wegen Verletzung des Verhältnismässigkeitsgebots nur dann ein, wenn die kantonalrechtliche Anordnung offensichtlich unverhältnismässig ist und damit gleichzeitig gegen das Willkürverbot verstösst (E. 4).

134 I 159 (9C_84/2008) from 8. Mai 2008
Regeste: a Art. 82 lit. a und Art. 89 Abs. 1 BGG; Beschwerdelegitimation. Der vom kantonalen Gericht beauftragte Gutachter, dessen Honorarforderung im Entscheid in der Hauptsache gekürzt wird, ist zur Erhebung der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten legitimiert (E. 1.1 und 1.3).

134 I 313 (8C_790/2007) from 23. Juli 2008
Regeste: Gewaltenteilungsprinzip; Art. 9 des Einführungsgesetzes des Kantons Waadt zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung; Vollzugsverordnung des Regierungsrats. Gesetzmässigkeit einer kantonalen Verordnungsbestimmung, nach welcher das anrechenbare Einkommen einer im Konkubinat lebenden Person unter Berücksichtigung der Einkünfte beider im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen zu berechnen ist (E. 3-5).

134 I 331 (2C_391/2008) from 1. September 2008
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Staatshaftung; Anspruch auf eine öffentliche Gerichtsverhandlung. Der Anspruch auf Durchführung einer mündlichen öffentlichen Verhandlung ist noch nicht verwirkt, wenn eine solche erst im zweiten Schriftenwechsel ausdrücklich verlangt wird. Ein während des ordentlichen Schriftenwechsels gestellter Antrag ist grundsätzlich rechtzeitig (E. 2 und 3).

134 II 124 (2C_583/2007) from 6. März 2008
Regeste: Art. 9 BV, Art. 89 Abs. 2 lit. d, Art. 90, 93 Abs. 1 lit. a und Art. 95 lit. a BGG sowie Art. 12 und 73 StHG; kantonalrechtliche, das Steuerharmonisierungsgesetz ergänzende Regelung der bei der Grundstückgewinnsteuer massgeblichen Besitzesdauer. Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen einen Steuerentscheid, mit dem die Streitsache an die untere Instanz zurückgewiesen wird (E. 1). Die kantonale Steuerverwaltung ist gemäss der entsprechenden Legitimationsbestimmung im Steuerharmonisierungsgesetz zur Beschwerde an das Bundesgericht berechtigt, und zwar unabhängig davon, ob es um eine vom Steuerharmonisierungsgesetz abschliessend geregelte Frage oder um eine solche geht, in der den Kantonen ein gewisser Gestaltungsspielraum verbleibt (E. 2). Die zur Beschwerde berechtigte Behörde kann, im Rahmen ihres Aufgabenbereichs, jede Rechtsverletzung geltend machen, die mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gerügt werden kann, mithin auch eine Verletzung von Bundesverfassungsrecht und insbesondere des Willkürverbots (E. 3). Prüfung der Auslegung einer kantonalen übergangsrechtlichen Ordnung zur Berechnung der für die Grundstückgewinnsteuer massgeblichen Besitzesdauer auf Willkür hin (E. 4).

134 II 207 (2C_648/2007) from 15. Mai 2008
Regeste: Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 StHG; Bewertungsvorschriften im Bereich der Vermögenssteuer natürlicher Personen; Besteuerung einer zum Geschäftsvermögen eines Selbständigerwerbenden gehörenden Liegenschaft; Genfer Gesetzgebung. Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen die Entscheide gemäss Art. 73 Abs. 1 StHG (E. 1). Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 2). Verhältnis zwischen den Buchhaltungsvorschriften und dem Steuerrecht (E. 3.3). Besteuerung der zum Geschäftsvermögen Selbständigerwerbender gehörenden Liegenschaften zum Verkehrswert/Ertragswert im Sinne von Art. 14 Abs. 1 StHG, unter Ausschluss des Buchwertes (E. 3.4 und 3.5); Spielraum der Kantone bei der Bewertung (E. 3.6); Vereinbarkeit der einschlägigen Genfer Gesetzgebung mit dem Bundesrecht (E. 3.7-3.9).

134 II 235 (2C_5/2008) from 2. April 2008
Regeste: Disziplinarbusse; Einwilligung des aufgeklärten, einsichtsfähigen Patienten. Der Wille des minderjährigen Patienten ist zu respektieren, soweit er urteilsfähig ist (E. 4.1). Fall, in dem sich eine 13 Jahre und zwei Monate alte Jugendliche in unzweideutiger Weise einer Behandlung widersetzte, ohne dass der intervenierende Osteopath dem Rechnung getragen hätte, da er allein auf die Zustimmung der beim Eingriff anwesenden Mutter abstellte (E. 4.2). Begriff der Urteilsfähigkeit im Sinne von Art. 16 ZGB; die betroffene Jugendliche war trotz ihres Zustands fähig, die Natur ihrer Verletzung und der vorgeschlagenen Behandlung sachgerecht und verständig einzuschätzen (E. 4.3). Verhältnismässigkeit der dem behandelnden Osteopathen auferlegten Disziplinarbusse (E. 4.4).

134 II 249 (1C_48/2008) from 9. Juli 2008
Regeste: Art. 8 Abs. 2, Art. 35 Abs. 3, Art. 190 BV; Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG); Art. 117 BauG/AR; Erneuerung von öffentlich zugänglichen Bauten oder Anlagen. Auslegung des Begriffs des Zugangs gemäss Art. 2 Abs. 3 BehiG bei Bauten und Anlagen im Sinne von Art. 3 lit. a BehiG (E. 3.3). Verhältnis von Art. 3 lit. a zu Art. 7 Abs. 1 BehiG (E. 3.4 und 3.5). Umfang der Anpassungspflicht nach Art. 7 Abs. 1 lit. a BehiG, wenn nur ein Teil der öffentlich zugänglichen Bereiche des Gebäudes bzw. der entsprechenden Anlagen erneuert wird (E. 4).

134 II 297 (2D_64/2008) from 5. November 2008
Regeste: Art. 5 OR; Vertrag über Dienstleistungen für die Abfallentsorgung; verspäteter Akzept. Behandlung von Beschwerden in Zivilsachen durch die II. öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts (E. 1). Öffentlich vergebener Auftrag für den Abtransport von Hauskehricht als privat- oder verwaltungsrechtlicher Vertrag (E. 2 und 3)? Keine Bindungswirkung der Vertragsofferte über einen Zeitraum von mehr als zwei Monaten (E. 4). Schadenersatz gemäss Art. 404 Abs. 2 OR wegen Kündigung zur Unzeit (E. 5).

134 III 102 (4A_48/2007) from 23. Oktober 2007
Regeste: Übergang der Arbeitsverhältnisse (Art. 333 OR). Ist Art. 333 OR anwendbar, wenn die Betriebsübertragung im Rahmen eines Verfahrens des Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung erfolgt? Frage offengelassen (E. 2.2). Wenn die Arbeitsverhältnisse infolge einer vorzeitigen Pensionierung des Arbeitnehmers vor dem Betriebsübertrag erlöschen, gehen die daraus fliessenden Rechte und Pflichten nicht auf den Erwerber über (E. 3).

134 III 141 (5A_42/2007, 5A_432/2007) from 25. Januar 2008
Regeste: Art. 75 und 130 BGG; Beschwerde gegen zürcherische Rechtsöffnungsentscheide. Der Kanton Zürich hat im genannten Bereich die nach Art. 75 Abs. 2 und Art. 111 Abs. 3 BGG erforderlichen Anpassungen noch nicht vorgenommen. Das Obergericht tritt jedoch während der Übergangsfrist von Art. 130 Abs. 2 BGG auf kantonale Nichtigkeitsklagen ein, weshalb dieses Rechtsmittel auszuschöpfen ist. Soweit das Obergericht Rügen mit engerer Kognition als das Bundesgericht prüft, ist der erstinstanzliche Entscheid in der Beschwerde in Zivilsachen mitanzufechten (E. 2).

134 III 267 (5A_234/2007) from 5. Februar 2008
Regeste: a Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG; Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Hat das Bundesgericht eine Frage bislang nicht entschieden, bestehen diesbezüglich unterschiedliche kantonale Praxen und ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Frage dem Bundesgericht je unterbreitet werden kann, infolge der Streitwertgrenze äusserst gering, so liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (E. 1.2.3).

134 III 379 (4D_81/2007) from 17. März 2008
Regeste: Bundesgerichtsgesetz; beschwerdefähiger Entscheid; Umwandlung des Rechtsmittels; Anforderungen an die in der Rechtsschrift enthaltenen Anträge. Der Entscheid über die Verweigerung der Streitverkündung stellt einen Teilentscheid nach Art. 91 lit. b BGG dar (E. 1.1). Die unrichtige Bezeichnung eines Rechtsmittels schadet dem Beschwerdeführer nicht, sofern die Prozessvoraussetzungen desjenigen Rechtsmittels, das hätte eingereicht werden müssen, erfüllt sind und es möglich ist, das Rechtsmittel als Ganzes umzuwandeln (E. 1.2). Der Beschwerdeführer darf sich nicht darauf beschränken, die Aufhebung des angefochtenen Entscheids zu beantragen, sondern muss grundsätzlich auch Anträge in der Sache stellen, es sei denn, das Bundesgericht wäre im Fall der Gutheissung der Beschwerde nicht in der Lage, in der Sache selbst zu entscheiden (E. 1.3).

134 III 608 (5A_374/2008) from 11. August 2008
Regeste: Pfändung einer österreichischen Alterspension; Art. 8 Abs. 1 und 2 BV, Art. 93 Abs. 1 SchKG, Art. 20 Abs. 1 und Art. 153a AHVG, Art. 20 und 32 ELG. Die ausgerichteten AHV-Renten und die Ergänzungsleistungen sind unpfändbar (E. 2.4 und 2.5). Die österreichische Alterspension ist dagegen beschränkt pfändbar (E. 2.6.1). Das Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV) und das von Art. 8 Abs. 2 BV und den Staatsverträgen mit der Europäischen Gemeinschaft gewährleistete Diskriminierungsverbot sind nicht verletzt (E. 2.6.3-2.6.5).

134 IV 36 (6B_89/2007) from 24. Oktober 2007
Regeste: Art. 81 und 95-98 BGG; Beschwerderecht und Rügemöglichkeiten der Staatsanwaltschaft. Voraussetzung der Verfahrensteilnahme vor Vorinstanz gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a BGG in Bezug auf die Staatsanwaltschaft (E. 1.3). Der Staatsanwaltschaft steht das Beschwerderecht in Strafsachen nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG ohne Einschränkung zu. Sie kann alle Beschwerdegründe nach Art. 95-98 BGG vorbringen (E. 1.4).

134 IV 48 (6F_8/2007) from 13. November 2007
Regeste: Art. 123 Abs. 2 lit. b BGG, Art. 229 Ziff. 1 lit. a BStP; Revisionsgesuch gegen einen Entscheid des Bundesgerichts in Strafsachen wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel. Die Revision eines Entscheides des Bundesgerichts in Strafsachen wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel kommt nur in Betracht, wenn das Bundesgericht im vorangegangenen Verfahren nicht nur das Urteil der Vorinstanz, sondern gestützt auf Art. 105 Abs. 2 BGG auch ihre Sachverhaltsfeststellung abgeändert hat. Vorbehalten bleiben erhebliche Tatsachen betreffend die Zulässigkeit der Beschwerde, die von Amtes wegen abzuklären sind. In den übrigen Fällen müssen neue Tatsachen oder Beweismittel mit einem Begehren um Wiederaufnahme des Verfahrens im Sinne von Art. 385 StGB geltend gemacht werden (E. 1).

134 IV 121 (6B_347/2007) from 29. November 2007
Regeste: Art. 2 und 64 StGB, Ziff. 2 Abs. 1 der Schlussbestimmungen der Änderung vom 13. Dezember 2002; Art. 7 Ziff. 1 EMRK; Art. 15 Abs. 1 UNO-Pakt II; Geltung des Rückwirkungsverbots für die Verwahrung. Das Rückwirkungsverbot gilt auch für die Verwahrung (E. 3.3.3). Das neue Recht ist hinsichtlich der Anordnung der Verwahrung und der Entlassung aus dieser Massnahme nicht strenger als das alte Recht. Die Schlussbestimmung der Änderung vom 13. Dezember 2002, welche die rückwirkende Anwendung des neuen Rechts auf noch nicht beurteilte Straftäter vorsieht, verstösst daher nicht gegen das Rückwirkungsverbot (E. 3.4).

134 V 53 (8C_274/2007) from 8. Januar 2008
Regeste: a Art. 89 Abs. 1 lit. c, Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG; Art. 62 Abs. 1bis ATSG und Art. 38 ELV; Prozessführungsbefugnis eines kantonalen Durchführungsorgans auf dem Gebiete der Ergänzungsleistungen. Das Amt für betagte Personen des Kantons Genf (OCPA) ist zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auf dem Gebiete der bundesrechtlichen Ergänzungsleistungen berechtigt (E. 2.2 und 3). Kein solches Beschwerderecht besteht im Bereiche der kantonalrechtlichen Ergänzungsleistungen (E. 2.3).

134 V 199 (9C_654/2007) from 28. Januar 2008
Regeste: Art. 95 BGG; Art. 73 Abs. 4 BVG (in Kraft bis 31. Dezember 2006). Das kantonale und kommunale öffentliche Berufsvorsorgerecht wird vom Bundesgericht frei überprüft, jedenfalls soweit es um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen geht (E. 1).

134 V 223 (9C_568/2007) from 14. März 2008
Regeste: a Art. 99 Abs. 1 und 2 BGG; Art. 41 Abs. 2 und Art. 49 Abs. 2 Ziff. 6 BVG; Art. 142 OR. Die im Streit um Invalidenleistungen der beruflichen Vorsorge erstmals vor Bundesgericht erhobene und hier nicht von Amtes wegen zu berücksichtigende Verjährungseinrede ist, als neue Tatsache (Art. 99 Abs. 1 BGG) oder als neues Begehren (Art. 99 Abs. 2 BGG) betrachtet, unzulässig, soweit die Verjährung nicht erst nach dem angefochtenen Entscheid eingetreten ist (E. 2).

134 V 250 (9C_538/2007) from 28. April 2008
Regeste: Art. 3 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 AHVG; Art. 17 und 23 AHVV; Art. 18 Abs. 2 DBG; Beitragspflicht auf Mieterträgen von sich im Geschäftsvermögen befindenden Liegenschaften. Mieterträge aus Liegenschaften, die zum Geschäftsvermögen gehören, unterliegen kraft dieses Umstandes als Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit der AHV-Beitragspflicht (E. 4.3). Belassen die Erben von Liegenschaften diese nach dem Erbgang im Geschäftsvermögen, so müssen sie sich AHV-rechtlich - gleich wie im Steuerrecht - eine selbstständige Erwerbstätigkeit entgegenhalten lassen, selbst wenn sie die Geschäftstätigkeit des Erblassers nicht fortsetzen (E. 5.2).

134 V 369 (9C_874/2007) from 20. August 2008
Regeste: Art. 15 Abs. 1 lit. b Ziff. 2 FZV; Art. 20a Abs. 1 lit. a BVG; begünstigte Personen für Hinterlassenenleistungen. Eine Lebensgemeinschaft im Sinne von Art. 20a Abs. 1 lit. a BVG und Art. 15 Abs. 1 lit. b Ziff. 2 FZV können auch Personen gleichen Geschlechts bilden (E. 6.3). Eine ständige ungeteilte Wohngemeinschaft bildet kein begriffsnotwendiges (konstitutives) Element für eine Lebensgemeinschaft im berufsvorsorgerechtlichen Sinne (E. 7.1).

134 V 418 (8C_566/2007) from 28. August 2008
Regeste: Art. 18c Abs. 1 AVIG; Art. 32 AVIV; Anrechnung einer Leistung der beruflichen Vorsorge bei vorzeitiger Pensionierung an die Leistungen der Arbeitslosenversicherung; Leistung in Kapitalform. Eine bei vorzeitiger Pensionierung bis zum Erreichen des AHV-Rentenalters (Art. 21 AHVG) ausbezahlte Überbrückungsrente, die alsdann während einer Dauer von zehn Jahren, längstens aber bis zum Tode des Rentenbezügers, durch Abzüge von der Altersrente rückerstattet wird, ist kein gewöhnliches Darlehen. Ein derartiger Vorschuss bildet vielmehr eine Altersleistung der beruflichen Vorsorge, welche gemäss Art. 18c Abs. 1 AVIG von den Leistungen der Arbeitslosenversicherung abgezogen werden muss (E. 4). Auch wenn die Altersleistung als Überbrückungsleistung in Kapitalform erbracht wird, muss sie an die Leistungen der Arbeitslosenversicherung angerechnet werden, dies auf der Basis einer durch Umrechnung ermittelten Monatsrente (E. 3.3 und 5).

135 I 19 (1C_291/2008) from 17. Dezember 2008
Regeste: Art. 34 Abs. 2 BV, Art. 2 lit. x KV/SG; Anspruch auf unverfälschte Stimmabgabe; direkte Wahl der Volksvertreter nach Proporzsystem; Grundsatz des freien Mandats. Erneuerungswahl des St. Galler Kantonsparlaments: Gültigkeit der Wahl einer Kandidatin, die auf der Liste einer Partei gewählt wird, aber zwischen Wahltermin und Konstituierung des Parlaments zu einer Partei mit konkurrierender Liste übertritt (E. 3-5).

135 I 71 (1B_344/2008) from 20. Januar 2009
Regeste: Art. 10 Abs. 2, Art. 31 Abs. 1 und Art. 36 BV; Art. 369 StGB; Vortatenerfordernis beim strafprozessualen Haftgrund der Wiederholungsgefahr. Art. 369 StGB ist auch vom Haftrichter zu beachten mit der Wirkung, dass aus dem Strafregister entfernte Vorstrafen bei der Prüfung des strafprozessualen Haftgrundes der Wiederholungsgefahr grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind (E. 2).

135 I 91 (6B_611/2008) from 5. Dezember 2008
Regeste: Unentgeltliche Rechtspflege im Strafverfahren; Art. 29 Abs. 3 BV, Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK. Weder Art. 29 Abs. 3 BV noch Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK verpflichten den Staat, endgültig auf die Rückzahlung von Kostenvorschüssen zu verzichten, die dem Empfänger der unentgeltlichen Rechtspflege für die amtliche Verteidigung gewährt worden sind. Voraussetzungen, unter denen die letzte kantonale Instanz diese Kosten dem Empfänger der unentgeltlichen Rechtspflege auferlegen kann (E. 2).

135 I 143 (2C_693/2008) from 2. Februar 2009
Regeste: Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG, Art. 126 AuG, Art. 8 EMRK und Art. 13 BV; Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung einer ausländischen Mutter gestützt auf ihre Beziehung zum schweizerischen Kind. Zulässigkeit und Modalitäten der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (E. 1). Voraussetzungen der Verweigerung der Bewilligung bzw. der Zulässigkeit eines Eingriffs in den Anspruch auf Achtung des Familienlebens, Interessenabwägung unter Berücksichtigung spezieller familiärer Verhältnisse: Die Bewilligung kann nur verweigert werden, wenn nebst der Zumutbarkeit der Ausreise aller Beteiligten ordnungs- oder sicherheitspolizeiliche Gründe gegeben sind (E. 2-4).

135 I 161 (9C_463/2008) from 30. April 2009
Regeste: Art. 2 Abs. 2 UNO-Pakt I; Art. 8 Abs. 2 und 4, Art. 190 BV; Art. 21 Abs. 2 IVG; Art. 14 IVV; Art. 2 HVI; Ziff. 9.02 HVI-Anhang; Anspruch auf Abgabe eines Rollstuhl-Zuggeräts. Bei Wochenaufenthalter/innen in einer Eingliederungsstätte (Wohn- und Arbeitszentrum) beziehen sich die gesetzlichen Eingliederungsziele der "Fortbewegung" und der "Herstellung des Kontakts mit der Umwelt" räumlich auf die ausserhalb der Einrichtung nächstgelegene Örtlichkeit, an der die üblichen sozialen Kontakte der ansässigen Bevölkerung stattfinden (E. 6).

135 I 187 (5A_780/2008) from 9. Februar 2009
Regeste: a Art. 76 Abs. 1 BGG; Beschwerdeberechtigung. Der Betreibungsgläubiger, der am vorinstanzlichen Verfahren nicht teilnehmen konnte, ist zur Beschwerde gegen die Aufhebung der Nachpfändung berechtigt (E. 1.3).

135 II 1 (2C_306/2008) from 12. November 2008
Regeste: Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG, Art. 7 Abs. 1, Art. 17 Abs. 2, Art. 9 Abs. 3 und 4 ANAG; ausländerrechtliche Auswirkungen der Nichtigerklärung einer Einbürgerung. Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (E. 1). Mit der Nichtigerklärung der Einbürgerung wird die davon betroffene Person ausländerrechtlich, unter Vorbehalt allfälliger Untergangsgründe, in die gleiche Rechtsstellung wie vor der Einbürgerung versetzt (E. 3). Eine aufgrund der Ehe mit einem Schweizer erworbene Niederlassungsbewilligung erlischt nicht automatisch mit dem Wegfall der Ehe, sondern fällt nur dahin, wenn ein ausländerrechtlicher Untergangstatbestand vorliegt. Insbesondere ist ein Widerruf der Bewilligung nur zulässig, wenn die spezifischen ausländerrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind (E. 4).

135 II 145 (2C_504/2008, 2C_505/2008) from 28. Januar 2009
Regeste: a Art. 89 Abs. 1 und Art. 111 Abs. 1 BGG; Beschwerderecht des Mandanten, dessen Anwalt wegen Interessenkonflikts diszipliniert worden ist. Beschwerderecht gegen einen Nichteintretensentscheid (E. 3); zulässige Beschwerdegründe (E. 4). Das Beschwerderecht vor den kantonalen Instanzen muss mindestens demjenigen vor Bundesgericht entsprechen (E. 5). Das gegenüber dem Anwalt verhängte Verbot, einen Klienten zu vertreten, berührt Letzteren nur mittelbar, womit ihm die Beschwerdeberechtigung im Sinne von Art. 89 Abs. 1 BGG fehlt. Der kantonale Entscheid, der ihm diese Berechtigung abspricht, verletzt Art. 111 BGG nicht (E. 6).

135 II 243 (2C_506/2008) from 2. Februar 2009
Regeste: Art. 3 lit. a Anhang 7 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen; Art. 63 LwG und Art. 21 Abs. 3 der Weinverordnung; Ausdehnung einer kontrollierten Ursprungsbezeichnung (KUB/AOC) für den Weinbau über die Landesgrenzen hinaus; Herkunftsangabe. Beschwerderecht gegen einen kantonalen Erlass (E. 1.2). Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 2). Die Ausdehnung einer kontrollierten Ursprungsbezeichnung über die Landesgrenzen hinaus ist nicht mit dem bilateralen Abkommen über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen vereinbar (E. 3). Sie widerspricht ebenfalls dem Bundesrecht; das ergibt sich namentlich aus der historischen Auslegung von Art. 21 Abs. 3 der Weinverordnung (E. 4.4) und aus den Anforderungen, welche an das System der kontrollierten Ursprungsbezeichnung gestellt werden, vor allem mit Blick auf die Weinlesekontrolle (E. 5.2), sowie aus dem Anliegen des Konsumentenschutzes (E. 5.3). Zudem können die Kantone nach Art. 63 LwG ab dem Weinjahrgang 2008 keine Weine mehr mit einer Klassierung herstellen und etikettieren lassen, die - wie die Herkunftsbezeichnung - im neuen Recht nicht mehr vorgesehen ist (E. 7).

135 II 313 (2C_787/2008) from 25. Mai 2009
Regeste: Art. 7 BGBB; Art. 9 Abs. 1 LBV; Sömmerungsbetrieb. Anwendbares Recht (E. 2). Unterscheidung landwirtschaftliches Gewerbe (Art. 7 BGBB) - Sömmerungsbetrieb (Art. 9 Abs. 1 LBV; E. 4). Charakteristische Merkmale des landwirtschaftlichen Gewerbes. Der in Frage stehende Betrieb bildet nicht Existenzgrundlage des Bewirtschafters, weshalb er nicht als landwirtschaftliches Gewerbe gelten kann. Er unterliegt damit nicht dem Realteilungsverbot (E. 5). Charakteristische Merkmale des Sömmerungsbetriebes (E. 6).

135 II 384 (2C_422/2008) from 7. Oktober 2009
Regeste: Art. 20, 80 Abs. 2 lit. b, Art. 120 Abs. 2 BV; Art. 89 Abs. 1 und Abs. 2 lit. d, Art. 102 Abs. 1 BGG; Art. 13 Abs. 1 und 2, Art. 18 aTSchG; Art. 61 Abs. 3, Art. 62 Abs. 3 aTSchV; Tierversuch mit nicht-menschlichen Primaten. Stellung einer kantonalen Tierversuchskommission im bundesgerichtlichen Verfahren (E. 1). Einschränkung der Kognition bei der Auslegung offener Normierungen und beim "technischen Ermessen" (E. 2.2). Von der Beurteilung eines Gesuchs durch die kantonale Tierversuchskommission soll nur aus triftigen Gründen abgewichen werden (E. 3.4). Art. 61 Abs. 3 lit. d aTSchV verlangt immer eine konkrete Interessenabwägung zwischen dem mit dem Versuch angestrebten Erkenntnisgewinn und den damit verbundenen Schmerzen und Leiden (E. 3.1-3.3 und E. 4.3). Zur Bestimmung des Erkenntnisgewinns ist auf den konkret beantragten Einzelfall und nicht auf das Resultat einer Vielzahl von Versuchen abzustellen (E. 4.4). Bei der Interessenabwägung muss die besondere Nähe der nicht-menschlichen Primaten zum Menschen und die Würde der Kreatur berücksichtigt werden (E. 4.6).

135 III 127 (5A_20/2008) from 30. September 2008
Regeste: Kollokationsklage im Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung (Art. 321 Abs. 1 i.V.m. Art. 250 Abs. 1 SchKG); Sistierung. Zulässigkeit der Beschwerde in Zivilsachen und Beschwerdegründe (E. 1). Für die Kollokation ist einzig der Ausgang des Kollokationsprozesses und nicht derjenige eines in Belgien pendenten Prozesses massgebend. Die Sistierung des Kollokationsprozesses kommt daher nur in Betracht, wenn sie mit dem verfassungsmässigen Anspruch auf Beurteilung innert angemessener Frist vereinbar ist (E. 2-4).

135 III 378 (4A_548/2008) from 11. März 2009
Regeste: Feststellungsklage; Feststellungsinteresse. Ausnahmsweise ist ein Feststellungsinteresse selbst dann gegeben, wenn eine Leistungs-, Gestaltungs- oder Unterlassungsklage zur Verfügung steht. Ausnahmesituation vorliegend verneint, da die blosse Feststellung eines Pfandrechts weder den Streit beendet noch die künftige Betreibung auf Pfandverwertung erleichtert (E. 2).

135 III 397 (4A_14/2009) from 2. April 2009
Regeste: Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG; Art. 45 Abs. 1 OR; Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung; Bestattungskosten. Eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung liegt vor, wenn diese zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führt und daher dringend einer Klärung durch das Bundesgericht bedarf (E. 1). Wer den Tod einer Person zu verantworten und die Bestattungskosten zu ersetzen hat (Art. 45 Abs. 1 OR), kann nicht als Umstand, für den der Geschädigte einstehen muss (Art. 44 Abs. 1 OR), geltend machen, dass der Tod in nächster Zeit aus einem anderen Grund ohnehin eingetreten wäre, namentlich aufgrund des hohen Alters des Opfers (E. 2).

135 III 410 (4A_9/2009) from 7. April 2009
Regeste: Art. 33 VVG, Art. 18 OR; Berufshaftpflichtversicherungsvertrag (Anwalt); Vertragsauslegung; herkömmliche Tätigkeit des Anwalts. Die herkömmliche Tätigkeit des Anwalts ist durch juristische Beratung geprägt, durch die Verfassung von juristischen Urkunden wie auch durch Unterstützung oder Vertretung von Personen vor einer Verwaltungs- oder Gerichtsbehörde (E. 3.3). Wer als geschäftsführendes Organ von Offshore-Gesellschaften Bankkonten eröffnet und Formulare unterzeichnet, handelt als Verwalter, nicht als Anwalt (E. 3.4).

135 III 430 (5A_50/2009) from 27. März 2009
Regeste: Art. 295 Abs. 1 SchKG; Art. 46 Abs. 2 und Art. 98 BGG; Nachlassstundung; Fristenlauf. Die Nachlassstundung ist eine vorsorgliche Massnahme, aufgrund welcher der gesetzliche Fristenstillstand für die Beschwerdeführung beim Bundesgericht nicht gilt (E. 1).

135 III 513 (5A_34/2009, 5A_59/2009, 5A_60/2009) from 26. Mai 2009
Regeste: Art. 288-291 SchKG; Absichtsanfechtung; Genossenschaftsanteilscheine. Voraussetzungen der Absichtsanfechtung im Falle des Verkaufs von Genossenschaftsanteilscheinen verbunden mit der Mitgliedschaft in der Genossenschaft (E. 3-6). Klage gegen den Vertragspartner des Schuldners und gegen den bösgläubigen Dritterwerber (E. 7 und 8). Art und Umfang der Rückerstattung (E. 9).

135 III 578 (5A_23/2009) from 20. Mai 2009
Regeste: Kostenfestsetzung im Aufsichtsverfahren über den Willensvollstrecker. Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Bei der Festsetzung der Kosten geniesst der Kanton grosses Ermessen. Es erweist sich aber als willkürlich, den Streitwert der Willensvollstreckerbeschwerde mit dem Nachlasswert gleichzusetzen (E. 6).

135 III 663 (5A_515/2009) from 5. November 2009
Regeste: Pflichten des Schuldners bei der Pfändung; Art. 91 SchKG. Gegenstand und Umfang der Auskunftspflicht des Schuldners (E. 3).

135 III 670 (5A_530/2008) from 22. Oktober 2009
Regeste: Vollstreckbarerklärung von ausländischen vorsorglichen Massnahmen gemäss LugÜ. Zulässigkeit der Beschwerde in Zivilsachen und Beschwerdegründe (E. 1). Der Sequestro conservativo nach italienischem Zivilprozessgesetz stellt als vorsorgliche Massnahme eine Entscheidung im Sinne von Art. 25 LugÜ dar, die in der Schweiz nach Art. 31 LugÜ vollstreckt werden kann. Der Gesuchsteller hat im Rahmen von Art. 29 Abs. 2 BV Anspruch darauf, dass sein Gutachten zur Vollstreckbarkeit im Ursprungsstaat vom schweizerischen Richter berücksichtigt wird (E. 2 und 3).

135 V 2 (9C_27/2008) from 20. Oktober 2008
Regeste: Art. 89 Abs. 1 lit. b BGG; Art. 22 Abs. 2 lit. a ATSG; Art. 164 Abs. 1 OR; Art. 85bis IVV; Abtretung der Nachzahlung von Leistungen des Sozialversicherers an die bevorschussende Sozialhilfebehörde. Die Gemeinde ist durch die Verweigerung der von ihr verlangten Drittauszahlung direkt in ihren vermögensrechtlichen Interessen als Sozialhilfebehörde berührt und zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten berechtigt (E. 1.1). Der Begriff der Abtretung, wie er in Art. 22 ATSG verwendet wird, stimmt mit demjenigen der Zession nach Art. 164 ff. OR überein (E. 6.1). Die zivilrechtlichen Abtretungsregeln mit Bezug auf künftige Forderungen gelten auch im Anwendungsbereich von Art. 22 Abs. 2 ATSG. Deshalb ist die Abtretung künftiger Leistungen des Sozialversicherers im Rahmen einer Globalzession zulässig, wenn die Abtretungserklärung alle Elemente enthält, nach welchen sich die Nachzahlungsforderung bezüglich Inhalt, Schuldner und Rechtsgrund bestimmen lässt (E. 6.1.2). In casu rechtsgültige Zession einer künftigen IV-Rentennachzahlung (E. 7.2).

135 V 23 (9C_139/2008, 9C_184/2008) from 27. Oktober 2008
Regeste: Art. 66, Art. 73 Abs. 1 und 2 BVG; Klageverfahren vor dem kantonalen Berufsvorsorgegericht. Aufgrund der im Klageverfahren herrschenden Dispositionsmaxime steht es nach Eintritt des Leistungsfalles im Belieben der klagenden Partei, den Streitgegenstand zu definieren und zu entscheiden, ob sie ihren Arbeitgeber auf Erfüllung der Beitragspflicht oder ihre Vorsorgeeinrichtung auf Zahlung der Leistungen der beruflichen Vorsorge einklagen will (E. 3). Das kantonale Berufsvorsorgegericht ist innerhalb des Streitgegenstandes an die Parteibegehren im Klageverfahren nicht gebunden (E. 3.1 und 4).

135 V 39 (9C_312/2008) from 24. November 2008
Regeste: Art. 61 KVG; Art. 89 ff. KVV; Beschwerdeverfahren bei Streitigkeit betreffend einen im Einzelfall in Anwendung eines Prämientarifs der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ergangenen Entscheid. Die Genehmigung der Prämientarife der obligatorischen Krankenpflegeversicherung durch das Bundesamt für Gesundheit begründet die Vermutung, dass die betreffenden Tarife angemessen sind. Der Versicherte kann diese Vermutung nur durch strikten Beweis des Gegenteils widerlegen (E. 6.2). Angesichts der gebotenen richterlichen Zurückhaltung bei der konkreten Überprüfung der Rechtmässigkeit einer Tarifklausel darf dieser die Gültigkeit im Einzelfall nur bei schwerer Regelwidrigkeit, welche eine erhebliche Korrektur der Prämienhöhe nach sich zieht, versagt werden (E. 4.4 und 6.3).

135 V 94 (8C_449/2008) from 16. Dezember 2008
Regeste: Art. 59 AsylG; Art. 24 Ziff. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge; Art. 1 Abs. 5 des bernischen Gesetzes vom 5. März 1961 über Kinderzulagen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer; kantonale Familienzulagen. Ein vorläufig aufgenommener Flüchtling hat gestützt auf Art. 59 AsylG i.V.m. Art. 24 Ziff. 1 der Flüchtlingskonvention mit der Anerkennung als Flüchtling Anspruch auf Familienzulagen wie eine Person mit Schweizer Bürgerrecht; massgebender Zeitpunkt ist dabei die Anerkennung als (vorläufig aufgenommener) Flüchtling durch die Behörden (E. 3 und 4).

135 V 124 (9C_781/2008) from 25. März 2009
Regeste: Art. 89 Abs. 1 und 2, Art. 56 Abs. 1 und 2 sowie Art. 32 Abs. 1 KVG; Art. 116 und 139 OR; Art. 46 Abs. 1 und Art. 83 Abs. 2 SchKG; sachliche und örtliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts zur Beurteilung der Aberkennungsklage eines Leistungserbringers. Ein einzelrichterlicher Nichteintretensentscheid mangels örtlicher oder sachlicher Zuständigkeit ist im Verfahren nach Art. 89 KVG unzulässig (E. 3). Das Schiedsgericht nach Art. 89 KVG ist sachlich zuständig zur Beurteilung der Aberkennungsklage eines Leistungserbringers betreffend eine vom Krankenversicherer auf dem Betreibungsweg geltend gemachte Forderung gestützt auf eine Vereinbarung im Zusammenhang mit einer behaupteten Verletzung des Gebots der wirtschaftlichen Behandlung (Art. 56 Abs. 1 und 2 sowie Art. 32 Abs. 1 KVG), auch wenn die Vereinbarung alle Merkmale einer Neuerung im Sinne von Art. 116 OR aufweist (E. 4.3.1). Der Gerichtsstand nach Art. 89 Abs. 2 KVG (Kanton, in welchem die ständige Einrichtung des Leistungserbringers liegt) geht dem Gerichtsstand des Betreibungsortes nach Art. 83 Abs. 2 SchKG vor (E. 4.3.2). Fristwahrung durch Klage beim örtlich unzuständigen Gericht (Art. 139 OR analog; E. 5).

135 V 153 (8C_769/2008) from 18. März 2009
Regeste: Art. 100 Abs. 5 BGG; Art. 58 ATSG; Art. 28 UVG; Gerichtsstand für Beschwerden der Hinterlassenen. Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wegen eines negativen Kompetenzkonflikts zweier kantonaler Versicherungsgerichte über die örtliche Zuständigkeit zur Beurteilung der Beschwerde der Hinterlassenen, welche Leistungen aus dem Unfallversicherungsgesetz geltend machen (E. 1-4).

135 V 172 (8C_366/2008) from 1. April 2009
Regeste: a Art. 3 Abs. 2 und Art. 17 Abs. 2 lit. k FamZG; § 18 des Gesetzes des Kantons Luzern vom 8. September 2008 über die Familienzulagen (FamZG/LU); Lastenausgleich. Die Beiträge, welche gestützt auf Art. 11 ff. FamZG erhoben werden, dürfen nicht dazu dienen, auf kantonalem Recht beruhende Familienzulagen für (nichtlandwirtschaftliche) Selbstständigerwerbende im Rahmen eines allfälligen Lastenausgleichs nach Art. 17 Abs. 2 lit. k FamZG mitzufinanzieren (E. 6).

135 V 194 (8C_934/2008) from 17. März 2009
Regeste: Art. 99 Abs. 1, Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG; Unzulässigkeit von Noven bei Geldleistungen der Militär- und Unfallversicherung. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen auch im Verfahren um Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- und Unfallversicherung nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (E. 2 und 3).

135 V 201 (8C_502/2007) from 26. März 2009
Regeste: Art. 8, 17 und 53 ATSG; Art. 28 IVG; Auswirkungen der Rechtsprechung zur somatoformen Schmerzstörung (BGE 130 V 352) auf laufende Renten. Eine rechtskräftige Verfügung über eine Dauerleistung ist nur ausnahmsweise zu Ungunsten der versicherten Person an eine geänderte Gerichtspraxis anzupassen. Eine Ausnahme setzt zunächst voraus, dass die neue Praxis eine allgemeine Verbreitung erfährt. Darüber hinaus ist erforderlich, dass die frühere Praxis nur noch auf einige wenige Personen Anwendung findet, so dass diese als in stossender Weise privilegiert erscheinen, oder dass sich die damalige Leistungszusprechung aus Sicht der neuen Praxis schlechterdings nicht mehr vertreten lässt (E. 6, insbesondere E. 6.4). Die mit BGE 130 V 352 begründete Rechtsprechung bildet keinen Grund für die Herabsetzung oder Aufhebung einer laufenden Rente unter dem Titel der Anpassung an geänderte Rechtsgrundlagen (E. 7).

135 V 215 (9C_1009/2008) from 1. Mai 2009
Regeste: Art. 7 Abs. 2 ATSG; Begriff der Erwerbsunfähigkeit. Bestätigung von BGE 135 V 201, wonach die Rechtsprechung gemäss BGE 130 V 352 keinen ausreichenden Grund darstellt, um - unter dem Titel der Anpassung an eine veränderte Rechtsgrundlage - auf laufende Invalidenrenten zurückzukommen (E. 6). Art. 7 Abs. 2 ATSG ändert den Begriff der Erwerbsunfähigkeit nicht und bildet ebenfalls keinen hinreichenden Rückkommenstitel (E. 7).

135 V 249 (9C_188/2008, 9C_190/2008) from 10. Juni 2009
Regeste: Art. 13 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 42 Abs. 1 AHVG (in der seit 1. Januar 2003 geltenden Fassung) sowie mit Art. 39 Abs. 1 und Art. 42 Abs. 1 IVG (Letzterer in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung); Art. 25 Abs. 2 ZGB; Begriff des Wohnsitzes als Voraussetzung des Anspruchs auf eine ausserordentliche Rente und eine Hilflosenentschädigung der Invalidenversicherung. Im Zusammenhang mit dem Anspruch auf eine ausserordentliche Rente und eine Hilflosenentschädigung der Invalidenversicherung schliesst der Begriff des Wohnsitzes "nach den Artikeln 23-26 des Zivilgesetzbuches", auf welche Art. 13 Abs. 1 ATSG verweist, entgegen dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung den abgeleiteten Wohnsitz bevormundeter Personen gemäss Art. 25 Abs. 2 ZGB nicht mit ein (Bestätigung der in BGE 130 V 404 publizierten Rechtsprechung; E. 2 und 4).

135 V 353 (8C_644/2008) from 19. August 2009
Regeste: Art. 112 Abs. 2 BGG; Art. 61 lit. h ATSG; a§ 8a des luzernischen Gesetzes vom 3. Juli 1972 über die Organisation des Verwaltungsgerichts (VGOG; SRL Nr. 41 [in der bis 31. Dezember 2008 in Kraft gestandenen Fassung]); Entscheidbegründungspflicht der kantonalen Sozialversicherungsgerichte. a§ 8a Abs. 1 VGOG, wonach das Gericht in klaren Fällen Urteile und Entscheide ohne Begründung zustellen kann, ist mit Blick auf Art. 112 Abs. 2 BGG bundesrechtskonform (E. 3-5).

135 V 373 (9C_763/2008) from 24. Juli 2009
Regeste: Art. 56a Abs. 1, Art. 73 Abs. 1 lit. d BVG; sachliche Zuständigkeit; doppelrelevante Tatsachen. Die sachliche Zuständigkeit des Berufsvorsorgegerichts zur Beurteilung einer Rückgriffsklage des Sicherheitsfonds ist bereits gegeben, wenn die zur Begründung des eingeklagten Anspruchs vorgebrachten Tatsachen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorliegen (E. 3.4).

136 I 49 (2C_274/2008) from 25. September 2009
Regeste: Art. 8 Abs. 1, Art. 127 Abs. 2 und Art. 190 BV, Art. 7 Abs. 1 StHG; Dividendenbesteuerung; abstrakte Normenkontrolle; verfassungsrechtliches Anwendungsgebot von Bundesgesetzen. Formelles (E. 1 und 2). Das Steuerharmonisierungsgesetz des Bundes erlaubt den Kantonen die Privilegierung qualifizierter Anteilseigner von Unternehmungen bei der Besteuerung von Dividenden im Rahmen der Einkommenssteuer. Das verfassungsrechtliche Anwendungsgebot von Bundesgesetzen schliesst die Überprüfung einer vom Bundesgesetz abgedeckten kantonalen Regelung im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle aus, auch wenn das Bundesgesetz erst ein Jahr später in Kraft getreten ist (E. 3 und 4). Die im kantonalen Recht vorgesehene Bevorzugung der Dividendeneinkünfte qualifizierter Anteilseigner von Unternehmungen mit Sitz in der Schweiz (gegenüber solchen mit Sitz im Ausland) sowie die Privilegierung von Beteiligungen, die sich nicht quotenmässig (prozentual), sondern betragsmässig (nach einer bestimmten Summe) berechnen, finden im Bundesgesetz keine Grundlage und sind rechtsungleich und damit verfassungswidrig (E. 5). Dasselbe gilt für die im kantonalen Recht vorgesehene Entlastung qualifizierter Beteiligungen an Unternehmungen bei der Vermögenssteuer (E. 6). Rechtsfolgen (E. 7.1).

136 I 65 (2C_49/2008) from 25. September 2009
Regeste: Art. 8 Abs. 1, Art. 127 Abs. 2 und Art. 190 BV, Art. 7 Abs. 1 StHG; Dividendenbesteuerung; konkrete Normenkontrolle; verfassungsrechtliches Anwendungsgebot von Bundesgesetzen. Formelles (E. 1 und 2). Tragweite des verfassungsrechtlichen Anwendungsgebotes von Bundesgesetzen im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle betreffend eine kantonale Regelung, die auf einer fünf Jahre später in Kraft getretenen harmonisierungsrechtlichen Gesetzesbestimmung des Bundes beruht. Auch wenn das Bundesgesetz das kantonale Recht inzwischen abdeckt, ist dessen Verfassungsmässigkeit rückblickend zu überprüfen (E. 3 und 4). Die selektive Bevorzugung der Dividendeneinkünfte qualifizierter Anteilseigner von Unternehmungen bei der Einkommenssteuer führt zu unhaltbaren Unterscheidungen bei der Besteuerung und ist verfassungswidrig. Eine Gleichstellung der benachteiligten Anteilseigner gestützt auf den Grundsatz der Gleichbehandlung im Unrecht ist aber ausgeschlossen, solange und soweit das nachmalige Bundesgesetz die kantonale Regelung nunmehr abdeckt, was die kantonalen Behörden künftig davor bewahrt, die verfassungswidrige Praxis anpassen zu müssen (E. 5). Rechtsfolgen (E. 6).

136 I 241 (1C_491/2009) from 2. Juni 2010
Regeste: Art. 178B KV/GE; Genfer Gesetz betreffend Verbot, in öffentlichen Räumen zu rauchen; Art. 95 lit. c BGG. Art. 178B KV/GE betreffend den Schutz vor Passivrauchen räumt keine direkt anrufbaren verfassungsmässigen Rechte ein (E. 2.2 und 2.3). Das Bundesgericht prüft lediglich unter dem Gesichtswinkel der Willkür, ob das kantonale Ausführungsgesetz der Verfassungsbestimmung entspricht (E. 2.4 und 2.5). Das Gesetz erlaubt in den öffentlichen Restaurationsbetrieben Fumoirs, allerdings unter Bedingungen, sodass das von der Verfassungsnorm verfolgte Ziel der öffentlichen Gesundheit nicht beeinträchtigt wird (E. 3).

136 I 297 (8C_133/2010) from 31. August 2010
Regeste: Art. 4 Abs. 3 FamZG; Art. 7 Abs. 1 FamZV; Art. 8 Abs. 1 und 2 BV; Art. 3 Abs. 1 und Art. 26 des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (KRK). Art. 7 Abs. 1 FamZV, wonach keine Familienzulagen ausgerichtet werden für Kinder mit Wohnsitz in einem Staat, mit welchem die Schweiz kein entsprechendes Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat, hält sich im Rahmen von Art. 4 Abs. 3 FamZG (E. 4) und verletzt weder Art. 8 Abs. 1 und 2 BV (E. 6 und 7) noch Art. 3 Abs. 1 und Art. 26 KRK (E. 8).

136 I 316 (2C_833/2009) from 19. Juli 2010
Regeste: Gebührenordnung der Einwohnergemeinde Zermatt für das Wasser und das Abwasser: Verweisung auf private Normen; Art. 9 BV. Nach dem kantonalen Recht sind die Gemeinden im Kanton Wallis für die Erhebung von Wasseranschluss- und Kanalisationsanschlussbeiträgen autonom (E. 2.1). Unterschied zwischen statischen und dynamischen Verweisungen; Voraussetzung derer Zulässigkeit (E. 2.4.1). Im vorliegenden Fall handelt es sich aufgrund der Auslegung um eine statische Verweisung; willkürliche Annahme einer dynamischen Verweisung durch die Vorinstanz (E. 2.4.2 und 2.4.3).

136 I 364 (1C_253/2010) from 8. November 2010
Regeste: Wahl eines Einwohnerrates, Verhältniswahlrecht, Sitzzuteilungsverfahren; Art. 34 BV. Ausgestaltung von Wahlverfahren und Anforderungen an Proporzverfahren im Allgemeinen (E. 2.1 und 2.2). Sitzzuteilungsverfahren nach der Methode Doppelter Pukelsheim (E. 3.2) und nach kantonalem Recht (E. 3.3). Die Durchführung der einzelnen Operationen zur Bestimmung der Mandate pro Liste hält vor den Anforderungen von Art. 34 Abs. 2 BV stand (E. 4).

136 II 5 (2C_196/2009) from 29. September 2009
Regeste: Art. 7 lit. d FZA sowie Art. 3 und 5 Anhang I FZA; Nachzug von Familienmitgliedern mit Drittstaatsangehörigkeit; Anpassung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung an die geänderte Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften; Voraussetzungen, unter denen eine Bewilligung verweigert werden kann. Prozessuales (E. 1). Tatsächliches (E. 2). Regelung des Familiennachzuges nach dem Freizügigkeitsabkommen (E. 3.1-3.3). Berücksichtigung der nachträglichen Entwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften: Zur Gewährleistung einer parallelen Rechtslage zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und zwischen derselben und der Schweiz kann nicht an der Voraussetzung festgehalten werden, dass sich das Familienmitglied mit Drittstaatsangehörigkeit, das ein Angehöriger eines EU-Staates in die Schweiz nachziehen will, vorgängig bereits rechtmässig in der Schweiz oder einem anderen Vertragsstaat aufgehalten hat (Änderung der Rechtsprechung gemäss BGE 130 II 1 und BGE 134 II 10 in Anpassung an das Urteil des EuGH i.S. Metock; E. 3.4-3.7). Voraussetzungen des Freizügigkeitsabkommens für die Verweigerung einer Bewilligung, auf die Anspruch besteht, insbesondere Erfordernis einer gegenwärtigen und hinreichend schweren Gefährdung der öffentlichen Ordnung (Fortführung von BGE 129 II 215 und BGE 130 II 176; E. 4). Rechtsfolgen (E. 5.1).

136 II 65 (2C_269/2009) from 5. Januar 2010
Regeste: Art. 7 lit. d FZA sowie Art. 3 und 5 Anhang I FZA; Nachzug von Kindern mit Drittstaatsangehörigkeit des Ehegatten des Angehörigen eines Vertragsstaates (Stiefkinder mit Drittstaatsangehörigkeit). Prozessuales (E. 1). Das freizügigkeitsrechtliche Nachzugsrecht hängt nicht von einem vorherigen rechtmässigen Aufenthalt des nachzuziehenden Angehörigen in einem Mitgliedstaat ab (Bestätigung von BGE 136 II 5; E. 2). Zur Gewährleistung einer parallelen Rechtslage zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und zwischen derselben und der Schweiz, insbesondere in Analogie zur Rechtsprechung des EuGH (Urteil Baumbast) und aufgrund der systematischen Zusammenhänge, erstreckt sich das Nachzugsrecht auch auf die Stiefkinder mit Drittstaatsangehörigkeit (E. 3 und 4). Voraussetzungen, unter denen dieses Nachzugsrecht geltend gemacht werden kann (E. 5).

136 II 101 (2C_911/2008) from 1. Oktober 2009
Regeste: Art. 12 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1986 über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel (JSG); Bewilligung zum Abschuss von Graureihern. Beschwerdelegitimation des SVS und der Pro Natura (E. 1). Beweismassnahmen vor dem Bundesgericht (E. 2). Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 3). Vorgesehene Massnahmen des Art. 12 JSG (Regulierungsmassnahmen, Selbsthilfemassnahmen, ausserordentliche Massnahmen) und deren Umsetzung durch die freiburgische Gesetzgebung (E. 5).

136 II 281 (1C_212/2009, 1C_214/2009) from 2. Juni 2010
Regeste: Art. 89 Abs. 1 und Art. 111 Abs. 1 BGG; Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG; Art. 11 Abs. 2 USG; Beschwerde- und Einspracheberechtigung von Anwohnern einer Deponie. Personen, die an der Zufahrtsstrasse zur Deponie wohnen und den zusätzlichen Lastwagenverkehr deutlich wahrnehmen können, sind befugt, Rechtsmittel gegen das Vorhaben zu ergreifen. Gestützt auf das Vorsorgeprinzip ist eine Erschliessungsachse zu wählen, die unter den Gesichtspunkten der Lärm- und Luftbelastung, der Verkehrssicherheit und der Rücksichtnahme auf bestehende Siedlungen zu möglichst wenig Beeinträchtigungen führt (E. 2.5.3). Der zusätzliche Lastwagenverkehr verändert die Verkehrszusammensetzung und ist deutlich wahrnehmbar, auch wenn sich der Beurteilungspegel rein rechnerisch um weniger als 1 dB(A) erhöht (E. 2.5.4).

136 II 304 (2C_77/2009, 2C_78/2009) from 11. März 2010
Regeste: Art. 2 lit. a und Art. 20 BEHG (in den beiden Fassungen vom 24. März 1995 sowie vom 22. Juni 2007), Art. 9, 10, 12 und 13 BEHV-EBK, Art. 15 Abs. 1 lit. c BEHV-FINMA; Art. 89 Abs. 1 lit. c und Art. 95 BGG, Art. 1 und 18 VwVG; börsenrechtliche Meldepflicht. Formelles, insbesondere Streitgegenstand, Legitimation und Kognition (E. 1 und 2). Überprüfung der tatsächlichen Feststellungen (E. 3-5). Anwendbare Rechtsgrundsätze und zu gewährende Parteirechte im Rahmen der Vorabklärungen vor Eröffnung des ordentlichen Verwaltungsverfahrens über die Feststellung einer Verletzung der Meldepflicht (E. 6). Der die börsenrechtliche Meldepflicht auslösende indirekte Erwerb einer massgeblichen Beteiligung schliesst alles geschäftliche Handeln ein, das den Aufbau einer entsprechenden Beteiligung trotz Auseinanderfallens der wirtschaftlichen und formalen Berechtigung objektiv ermöglicht bzw. das im Ergebnis das Stimmrecht über die Beteiligungspapiere vermitteln kann, wenn aufgrund der Umstände darauf geschlossen werden muss, dass eine solche Beteiligung auch angestrebt wird. Beurteilung eines Geschäftsverhaltens, bei dem verschiedene miteinander verbundene Gesellschaften unter Verwendung eines für die Schweiz neuen Finanzinstruments (sog. "contract for difference", CFD) mit Blick auf die gleiche Zielgesellschaft koordiniert vorgingen (E. 7).

136 II 405 (2C_27/2010) from 24. Juli 2010
Regeste: Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland, EU- oder EFTA-Staatsangehörige. Art. 5 Abs. 1 lit. a BewG: Prüfung der Voraussetzung des rechtmässigen und tatsächlichen Wohnsitzes in der Schweiz (E. 4.2 und 4.3). Tragweite der in Art. 2 Abs. 2 BewV vorgesehenen Voraussetzung einer Aufenthaltsbewilligung (E. 4.4). Im vorliegenden Fall kann die Beschwerdeführerin nicht als Person mit Wohnsitz in der Schweiz im Sinne von Art. 23 Abs. 1 ZGB betrachtet werden (E. 4.5 und 4.6).

136 II 447 (1C_271/2010) from 31. August 2010
Regeste: a Art. 16b Abs. 1 und Art. 16c Abs. 1 SVG; Überfahren der Sicherheitslinie und Schwere der Widerhandlung. Das Überfahren einer Sicherheitslinie stellt aus objektiver Sicht eine schwere Verkehrsregelverletzung dar. Im vorliegenden Fall überfuhr der Beschwerdeführer die Sicherheitslinie vorsätzlich, einzig weil es für ihn persönlich zweckmässig war. Seine Widerhandlung kann nicht als leicht bezeichnet werden, selbst wenn das Manöver keine konkrete Gefährdung bewirkte (E. 3).

136 II 497 (2C_84/2010) from 1. Oktober 2010
Regeste: a Art. 42 Abs. 1, Art. 43 Abs. 1 und Art. 47 Abs. 1 AuG, Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG; massgebender Zeitpunkt für die Bestimmung des Alters des Kindes als Voraussetzung für den Anspruch auf Familiennachzug. Das Alter des Kindes im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs um Bewilligung des Familiennachzugs ist massgebend für den Entscheid über den (materiell-rechtlichen) Anspruch auf Familiennachzug sowie für die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, welche diesen Anspruch voraussetzt. Die Praxis zum alten Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer ist entsprechend beizubehalten (E. 3).

136 II 508 (1C_285/2009) from 8. September 2010
Regeste: Art. 82 ff. BGG, Art. 3 lit. a, Art. 4 Abs. 3 und 4, Art. 12 Abs. 2 lit. a und Art. 13 DSG; unzulässige Persönlichkeitsverletzung durch das Bearbeiten von Daten über P2P-Netzwerkteilnehmer. Eine Empfehlung des EDÖB im Privatrechtsbereich nach Art. 29 DSG betrifft eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit im Sinne von Art. 82 ff. BGG (E. 1.1). Voraussetzungen, unter denen IP-Adressen als Personendaten im Sinne von Art. 3 lit. a DSG zu qualifizieren sind (E. 3). Ist das Sammeln von Daten über P2P-Netzwerkteilnehmer für diese nicht erkennbar, verletzt dies die Grundsätze der Zweckbindung und der Erkennbarkeit nach Art. 4 Abs. 3 und 4 DSG (E. 4). Trotz ihres Wortlauts sind in der Bestimmung von Art. 12 Abs. 2 lit. a DSG (wie in lit. b und c) Rechtfertigungsgründe nicht ausgeschlossen; ihre Annahme erfolgt jedoch nur unter grosser Zurückhaltung (E. 5). Die von der Beschwerdegegnerin mit ihrer Datenbearbeitung begangene Persönlichkeitsverletzung kann nicht durch überwiegende private oder öffentliche Interessen gerechtfertigt werden (E. 6).

136 V 131 (9C_848/2009) from 6. Januar 2010
Regeste: Art. 90 und 98 BGG; Art. 26 Abs. 4 BVG; Anfechtbarkeit eines Entscheides über die Vorleistungspflicht; Regressanspruch der vorleistungspflichtigen Vorsorgeeinrichtung. Der Entscheid über die Vorleistungspflicht einer Vorsorgeeinrichtung ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG. Er ist nicht ein Entscheid über eine vorsorgliche Massnahme im Sinne von Art. 98 BGG (E. 1.1 und 1.3.1). Die Vorsorgeeinrichtung, welche Vorleistungen erbracht hat, kann unmittelbar von Gesetzes wegen im Umfang der geleisteten Zahlungen einen Regressanspruch gegen die leistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung geltend machen (E. 3.6).

136 V 362 (9C_55/2010) from 8. Oktober 2010
Regeste: Art. 99 Abs. 1 und 2 BGG; Art. 21 ATSG; Eintreten auf den vor Bundesgericht neu gestellten Antrag der Rentenkürzung. Der erstmals in der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gestellte Antrag der Durchführungsstelle auf Kürzung der Invalidenrente gestützt auf Art. 21 Abs. 1 ATSG (wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand) ist zulässig, auch wenn die Kürzung weder Gegenstand der Verwaltungsverfügung noch des vorinstanzlichen Entscheides war. Streitgegenstand ist die Rente, deren betragliche Kürzung ein Teilaspekt. Als solcher bildet die Kürzung ein neues rechtliches Argument im Rahmen des Streitgegenstandes (E. 3.4.4), welches jedenfalls dann zulässig ist, wenn sich der Antrag auf Rentenkürzung auf aktenkundige Tatsachen stützt (E. 4.1).

137 I 58 (8C_70/2010) from 20. Dezember 2010
Regeste: Art. 70 des Reglements vom 11. Oktober 1977 für das Personal der kommunalen Verwaltung der Stadt Lausanne. Befugnis des kantonalen Gerichts, die Verfügung eines öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers insofern abzuändern, als eine Kündigung mit sofortiger Wirkung in eine Kündigung aus wichtigen Gründen mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten umgewandelt wird (E. 4.3).

137 I 77 (1C_415/2010) from 2. Februar 2011
Regeste: Art. 40 Abs. 1 KV/ZH, § 36 Abs. 3 GOG/ZH, Art. 82 lit. b und Art. 95 lit. c BGG; Wählbarkeitsvoraussetzungen für Mitglieder des Handelsgerichts, abstrakte Normenkontrolle. Die kantonale Gesetzesbestimmung, welche die Voraussetzungen für die Wählbarkeit als Handelsrichter durch das Parlament bezeichnet, unterliegt der Beschwerde gegen Erlasse (E. 1.1). Art. 40 Abs. 1 KV/ZH, wonach in die obersten kantonalen Gerichte wählbar ist, wer in kantonalen Angelegenheiten stimmberechtigt ist, kann als verfassungsmässiges Recht angerufen werden (E. 1.3). Die zusätzlichen Voraussetzungen gemäss § 36 Abs. 3 GOG/ZH schränken die Wählbarkeit als Handelsrichter stark ein und schliessen zahlreiche gut qualifizierte Personen von diesem Amt aus. Die Bestimmung ist mit Art. 40 Abs. 1 KV/ZH nicht vereinbar (E. 3).

137 I 296 (2C_745/2010) from 31. Mai 2011
Regeste: Art. 89 Abs. 1 und Art. 111 Abs. 3 BGG; Art. 5 Ziff. 4 und 5, Art. 8 und 13 EMRK; Freilassung während des Rekursverfahrens vor der letzten kantonalen Instanz; aktuelles Rechtsschutzinteresse; Grundsätze der Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges und der Einheit des Verfahrens. Der Grundsatz der Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges (Art. 111 Abs. 3 BGG) gilt als eingehalten, wenn der Beschwerdeführer vor der letzten kantonalen Instanz sämtliche Rügen vorbringen konnte, die er in der Folge auch vor Bundesgericht erheben kann. Um festzustellen, ob die kantonale Behörde den vorliegenden Rekurs zu Recht nicht materiell behandelt hat, ist zu prüfen, wie das Bundesgericht in einer vergleichbaren Situation vorgegangen wäre. Bei Vorliegen besonderer Umstände nimmt das Bundesgericht eine materielle Prüfung vor, obwohl der Beschwerdeführer kein aktuelles Rechtsschutzinteresse mehr hat. Mit Hinblick auf den Grundsatz der Einheit des Verfahrens ist dies etwa dann der Fall, wenn der Beschwerdeführer hinreichend substantiiert und in vertretbarer Weise eine Verletzung der EMRK behauptet ("grief défendable"; vgl. Art. 13 EMRK i.V.m. Art. 5 Ziff. 4 EMRK) (E. 4 und 5). Entsteht bei materieller Prüfung der Eindruck, dass die ausgestandene Haft illegal war, so ist dies festzuhalten. Bezüglich eines allfälligen Entschädigungsbegehrens kann die mit dem Rekurs befasste kantonale Instanz entweder aus verfahrensökonomischen Gründen selbst einen Entscheid fällen oder die Angelegenheit an die für Staatshaftungsfragen zuständige Behörde überweisen (E. 6).

137 II 30 (1C_296/2010) from 25. Januar 2011
Regeste: a Beschwerdelegitimation (Art. 89 BGG). Die Nachbarin kann die Überprüfung eines Bauvorhabens im Lichte all jener Rechtssätze verlangen, die sich rechtlich oder tatsächlich auf ihre Stellung auswirken können. Entscheidend ist, dass ihr im Fall des Obsiegens ein praktischer Nutzen entsteht (E. 2.2.3).

137 II 58 (1C_58/2010 und andere) from 22. Dezember 2010
Regeste: a "Vorläufiges Betriebsreglement" für den Flughafen Zürich; fehlende Koordination des Betriebsreglements mit dem (noch hängigen) Sachplanverfahren Infrastruktur Luft für den Flughafen Zürich (SIL-Objektblatt Zürich). Vor Abschluss des Sachplanverfahrens (und des damit koordinierten Richtplanverfahrens) können notwendige Anpassungen des Flugbetriebs bewilligt werden; dazu gehören insbesondere Massnahmen zum Ausgleich der von Deutschland einseitig angeordneten Überflugbeschränkungen. Dagegen können keine neuen zusätzlichen Kapazitäten bewilligt werden (E. 3). Konsequenzen im Einzelnen: - Südanflüge (E. 4.1); - Pistenflexibilisierung (E. 4.2); - neue Schnellabrollwege (E. 4.3).

137 II 122 (1C_420/2010) from 25. Januar 2011
Regeste: Art. 11 Abs. 3 aOHG, Art. 17 Abs. 1 OHG, Art. 23 ff. ZGB; opferhilferechtlicher Wohnsitzbegriff. Der Begriff des Wohnsitzes in Art. 11 Abs. 3 aOHG (vgl. auch Art. 17 Abs. 1 OHG) richtet sich grundsätzlich nach Art. 23 ff. ZGB (E. 3.5 und 3.6). Allein aus der Unmöglichkeit der regelmässigen Rückkehr eines in Saudi-Arabien Studierenden zu schliessen, dieser habe seinen Wohnsitz in der Schweiz aufgegeben, verletzt Art. 23 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 26 ZGB (E. 3.7).

137 II 313 (2C_783/2010) from 11. März 2011
Regeste: Art. 83 lit. f BGG; Art. 37 VGG i.V.m. Art. 48 Abs. 1 lit. c VwVG; Art. 16 und 29 BöB; Art. 13 Abs. 1 lit. c VöB; öffentliches Beschaffungswesen des Bundes; Legitimation zur Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen Freihandvergaben. Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 83 lit. f Ziff. 2 BGG bejaht (E. 1.1). Gegen den freihändigen Zuschlag ist die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig, soweit der Zuschlag im Anwendungsbereich des BöB erfolgte (E. 2.3). Das Bundesverwaltungsgericht hat die Legitimation der Beschwerdeführerinnen zu Recht verneint: Wird geltend gemacht, das Freihandverfahren sei unzulässigerweise durchgeführt worden, steht die Beschwerdelegitimation nur den potenziellen Anbietern des von der Vergabestelle definierten Beschaffungsgegenstandes zu (E. 3.3 und 3.4). Indem das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen des Eintretens prüfte, ob das Produkt, welches die Beschwerdeführerinnen anbieten, dem von der Vergabestelle umschriebenen Beschaffungsgegenstand entspreche und ob die anbieterbezogene Einschränkung des Beschaffungsgegenstandes unzulässig sei, hat es keine unzulässige Umkehr der Beweislast vorgenommen (E. 3.5). Die Beschwerdeführerinnen haben weder konkret ein Alternativprodukt angeboten noch dessen funktionale und wirtschaftliche Gleichwertigkeit dargelegt (E. 3.6).

137 II 353 (2C_628/2010, 2C_645/2010) from 28. Juni 2011
Regeste: Art. 127 Abs. 2 BV; Art. 58 Abs. 1 lit. a und Art. 79 DBG; Art. 662a OR; Begriff der Zahlungsunfähigkeit; ausserordentliche Abschreibungen nach unterlassener Bilanzkorrektur; Grundsätze der Bilanzvorsicht, der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Steuerperiodizität. Unterscheidung zwischen Zahlungsunfähigkeit und Liquiditätsschwierigkeiten eines Schuldners (E. 5). Im Steuerrecht ruft ein zeitlich vorübergehender Wertverlust (Verlustrisiko auf einer Forderung) nach einer Wertberichtigung, ein dauernder Wertverlust nach einer Abschreibung auf dem entsprechenden Aktivum (E. 6.4.1). Das steuerrechtliche Periodizitätsprinzip steht einer verspäteten Korrektur entgegen (E. 6.4.2-6.4.4). Aufgrund des Prinzips der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit kann steuerrechtlich eine ausserordentliche Abschreibung einer uneinbringlichen Forderung jedoch nicht unbeachtlich bleiben, nur weil der Steuerpflichtige es unterliess, eine vorübergehende Wertberichtigung vorzunehmen, als ihre Einbringlichkeit erst zweifelhaft erschien. Eine solche Abschreibung darf steuerrechtlich berücksichtigt werden, wenn sie in der Steuerperiode verbucht wurde, in welcher der Gläubiger - unter Berücksichtigung des ihm einzuräumenden Beurteilungsspielraums - nach Treu und Glauben davon ausgehen musste, dass die Schuld dauernd uneinbringlich geworden ist (E. 6.4.5 und 6.4.6).

137 III 193 (5A_882/2010) from 16. März 2011
Regeste: a Art. 72 Abs. 2 lit. b, Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 95 und 98 BGG; Rechtsnatur eines Entscheides über eine Schuldneranweisung gemäss Art. 291 ZGB. Die Schuldneranweisung gemäss Art. 291 ZGB stellt eine privilegierte Zwangsvollstreckungsmassnahme sui generis dar, die in engem Zusammenhang mit dem Zivilrecht steht und vermögensrechtlicher Natur ist (E. 1.1). Das Urteil über eine solche Schuldneranweisung ist grundsätzlich ein materielles Endurteil und keine vorsorgliche Massnahme (E. 1.2).

137 III 226 (4A_16/2011) from 18. März 2011
Regeste: Produktehaftpflicht; ersatzfähiger Schaden (Art. 1 PrHG); Nachweis eines Fabrikationsfehlers (Art. 4 Abs. 1 PrHG); Ausnahme von der Haftung nach Art. 5 Abs. 1 lit. e PrHG. Eine Person, der eine Hüftprothese implantiert worden ist, kann den Ersatz des Folgeschadens verlangen, der sich aus einer durch die fehlerhafte Prothese verursachten Körperverletzung ergibt, und zwar ohne dass geprüft werden müsste, ob es sich beim Implantat um eine zum privaten Gebrauch des Patienten bestimmte Sache handelt (E. 2). Der Geschädigte hat den Fehler zu beweisen. Auch wenn mitunter kein strikter Beweis verlangt werden kann, kommt es nicht zu einer Umkehr der Beweislast. Der Geschädigte kann daher der Herstellerin nicht vorwerfen, ihre Produktionsverfahren nicht aufgezeigt zu haben, nachdem ihm der Beweis eines Produktionsfehlers misslungen ist, weil er die strittige Prothese nicht vorweisen konnte (E. 3). Eine Produktehaftpflicht für Entwicklungsrisiken ist ausgeschlossen, mithin für unvorhersehbare Risiken, die im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produkts nach dem damaligen Stand der Wissenschaft sowie der Technik nicht erkennbar waren (E. 4).

137 III 580 (4A_314/2011) from 3. November 2011
Regeste: Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG, Art. 269b und 270c OR; Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, Mietzinserhöhung, indexierte Mietzinse. Begriff der Streitigkeit, die eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (Zusammenfassung der Rechtsprechung; E. 1). Wenn ein Mietvertrag, der eine Indexklausel enthält, stillschweigend für eine Mindestdauer von fünf Jahren verlängert wird, ist die nächste Mietzinserhöhung ausgehend vom Stand des offiziellen schweizerischen Landesindexes der Konsumentenpreise im Zeitpunkt der letzten Mietzinsfestsetzung zu berechnen, ohne Rücksicht auf die seither erfolgte stillschweigende Verlängerung (E. 2).

137 III 614 (5A_317/2011) from 22. November 2011
Regeste: Art. 275 und 276 Abs. 1 ZPO, aArt. 137 Abs. 1 und 2 ZGB; Wirkungen vorsorglicher Massnahmen bei Abschluss des Scheidungsprozesses ohne Urteil; Abgrenzung der Zuständigkeiten von Massnahmengericht und Eheschutzgericht. Endet die Rechtshängigkeit der Scheidungsklage, ohne dass ein Urteil ergangen wäre, wirken die zur Regelung des Getrenntlebens angeordneten vorsorglichen Massnahmen so lange weiter, wie die Ehegatten getrennt bleiben und keiner von ihnen beim nunmehr zuständigen Eheschutzgericht die Abänderung verlangt (E. 3).

137 IV 122 (1B_141/2011) from 16. Mai 2011
Regeste: Haftgrund der Ausführungsgefahr (Art. 221 Abs. 2 StPO); Ersatzmassnahme der Aufenthaltsbeschränkung (Art. 237 Abs. 2 lit. c StPO). Der dringende Tatverdacht (E. 3) und der besondere Haftgrund der Kollusionsgefahr (E. 4) sind zu bejahen. Hingegen liegt keine Ausführungsgefahr gemäss Art. 221 Abs. 2 StPO vor; denn die Möglichkeit der Anordnung von Präventivhaft entfällt, wenn sich die Drohung "lediglich" auf die Ausführung eines Vergehens im Sinne von Art. 10 Abs. 3 StGB bezieht (E. 5.2 und 5.3). Die Aufenthaltsbeschränkung gemäss Art. 237 Abs. 2 lit. c StPO besteht entweder in der Verpflichtung, ein bestimmtes Gebiet nicht zu verlassen (Eingrenzung), oder in jener, eine bestimmte Gegend nicht zu betreten (Ausgrenzung; E. 6.2). Eine Eingrenzung auf ein bestimmtes Gebiet kommt primär bei Fluchtgefahr in Betracht. Geht es demgegenüber darum einer Kollusionsgefahr in Form der möglichen Beeinflussung des mutmasslichen Opfers zu begegnen, genügt in aller Regel eine Ausgrenzung als mildere Massnahme (E. 6.4).

137 V 31 (9C_697/2010) from 4. Januar 2011
Regeste: Art. 25 KVG; Art. 20 und 20a KLV; Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL; Anhang 2 KLV); ärztliche Behandlung mittels Michiganschiene. Die direkt mit der Michiganschiene selbst und ihrer Herstellung verbundenen Leistungen sind nicht kostenvergütungspflichtig; nicht unter die obligatorische Leistungspflicht fallen namentlich sämtliche unter Ziff. L 4177 des Zahnarzttarifs abgerechneten Leistungen (Präzisierung der Rechtsprechung gemäss BGE 136 V 84; E. 2).

137 V 57 (9C_592/2010) from 23. März 2011
Regeste: Art. 69 Abs. 1bis IVG; Kostentragung bei vollständigem Obsiegen bei Rückweisung. Bei einer Rückweisung zu ergänzenden Abklärungen, die von Bundesrechts wegen als vollständiges Obsiegen gilt, bleibt auch unter der Geltung von Art. 69 Abs. 1bis IVG kein Raum für eine kantonale Regelung zur teilweisen Kostenauferlegung an die obsiegende Partei (E. 2.2).

137 V 71 (9C_280/2010) from 12. April 2011
Regeste: Art. 16 ATSG; Überprüfung des Ausmasses einer Herabsetzung des Invalideneinkommens. Kognition des Bundesgerichts (E. 5.1) und der kantonalen Versicherungsgerichte (E. 5.2) hinsichtlich der Überprüfung von Abzügen auf Invalideneinkommen, die auf statistisch ermittelten Lohnansätzen beruhen, im Bereich der Invalidenversicherung (BGE 126 V 75).

137 V 143 (8C_930/2010) from 30. März 2011
Regeste: Art. 13, Art. 14 Abs. 1 und Art. 30 ZUG; Kostenersatzpflicht des Wohnkantons für vom Aufenthaltskanton im Rahmen der Unterstützung eines Bedürftigen im Notfall übernommenen Kosten eines Sanitätstransports. Eine kantonale Praxis, nach erfolglosem Versuch des Leistungserbringers, die Transportkosten bei der unterstützten Person auf betreibungsrechtlichem Weg einzufordern (Erhalt eines Verlustscheins), von der Bedürftigkeit der Person auszugehen, verletzt weder den bundesrechtlichen Begriff der Bedürftigkeit noch das Subsidiaritätsprinzip staatlicher Unterstützungsleistungen. Umfang der diesbezüglichen Abklärungspflicht des Aufenthaltskantons (E. 3 und 4).

137 V 314 (9C_310/2011) from 18. Juli 2011
Regeste: Art. 61 lit. d ATSG; Art. 28 IVG; reformatio in peius bei Rückweisungsentscheiden in IV-Rentenstreitigkeiten. Der Beschwerde führenden Partei ist auch dann Gelegenheit zum Rückzug der Beschwerde zu geben, wenn eine rentenzusprechende (z.B. Viertelsrente) Verfügung aufgehoben und die Sache zu weiterer Abklärung und neuer Entscheidung an die IV-Stelle zurückgewiesen werden soll (Änderung der Rechtsprechung; E. 3.2).

137 V 383 (9C_902/2010) from 14. September 2011
Regeste: Art. 20a Abs. 1 lit. a und Art. 49 Abs. 2 Ziff. 3 BVG; begünstigte Personen für Hinterlassenenleistungen. Es ist den Vorsorgeeinrichtungen - in den Schranken von Rechtsgleichheitsgebot und Diskriminierungsverbot - grundsätzlich erlaubt, den Kreis der zu begünstigenden Personen (etwa solche, die mit dem Versicherten in den letzten fünf Jahren bis zu seinem Tod ununterbrochen eine Lebensgemeinschaft geführt haben) enger zu fassen als im Gesetz umschrieben (E. 3.2). Bei einer Lebensgemeinschaft ist in Bezug auf das zusätzliche Erfordernis eines unmittelbar vor dem Tod während mindestens fünf Jahren ununterbrochen geführten gemeinsamen Haushalts massgebend, ob die Lebenspartner den manifesten Willen hatten, ihre Lebensgemeinschaft, soweit es die Umstände ermöglichen, als ungeteilte Wohngemeinschaft im selben Haushalt zu leben (E. 3.3). Auslegung und Anwendung des reglementarischen Begriffs, dass während mindestens fünf Jahren "ununterbrochen ein gemeinsamer Haushalt geführt wurde" (E. 5).

138 I 143 (2C_770/2011) from 25. Januar 2012
Regeste: Art. 50 Abs. 1 BV, Art. 83 lit. f, Art. 89 Abs. 1 und Art. 90 BGG, Art. 6 BöB und kantonalzürcherisches Vergaberecht, Art. 85 KV/ZH; Beschwerdebefugnis der Gemeinde, Gemeindeautonomie, Zulässigkeit des Kriteriums "Public Voting". Das Bundesgericht bejaht im konkreten Fall die Voraussetzungen, unter denen die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auf dem Gebiet der öffentlichen Beschaffungen zulässig ist (Schwellenwert, Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung), das Vorliegen eines Endentscheids trotz Rückweisung, und es erachtet die beschwerdeführende Gemeinde als hierzu legitimiert (E.1.1-1.3). Kognition des Bundesgerichts (E. 2.). Autonomie der zürcherischen Gemeinden im öffentlichen Beschaffungswesen (E. 3). Beim so genannten "Public Voting" wählen interessierte Bürgerinnen und Bürger unter öffentlich aufgelegten Projektstudien ihr bevorzugtes Projekt aus, hier für die Erstellung eines Gemeindehauses. Zwar kann dies nicht mit einer Volksabstimmung gleichgesetzt werden und wird dadurch nur eine grobe Einschätzung der Akzeptanz einer Projektstudie bei der Bevölkerung ermöglicht. Dennoch erscheint es zweckmässig, dass die Behörde den Willen der Bevölkerung bereits für die Ausarbeitung des Vorprojekts in angemessener Weise berücksichtigt. Es verletzt die Gemeindeautonomie, wenn die kantonale Rechtsmittelinstanz das Zuschlagskriterium "Public Voting" für grundsätzlich unzulässig erklärt (E. 4.1-4.4).

138 I 225 (9C_881/2011) from 27. Juni 2012
Regeste: Art. 14 ELG; § 8 Abs. 3 ELG/SZ; Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten im Rahmen von Ergänzungsleistungen. Die Limitierung der Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten in Verweisung auf Art. 14 ELG verletzt weder das Gleichbehandlungsgebot von Art. 8 Abs. 1 BV und Art. 14 EMRK noch das Recht auf Familienleben gemäss Art. 13 Abs. 1 BV und Art. 8 Ziff. 1 EMRK (E. 3.5-3.9).

138 I 274 (2C_415/2011) from 3. Juli 2012
Regeste: Aushängen von Plakaten im Bahnhof: öffentlich-rechtliche Angelegenheit; Benützung öffentlicher Sachen; Meinungsfreiheit; Zensurverbot; Art. 16 Abs. 2 und Art. 35 Abs. 2 BV; Art. 82 lit. a BGG. Die Regelung der Zulässigkeit und des Umfangs einer ausserordentlichen Nutzung der öffentlichen Sachen i.e.S. ist öffentlich-rechtlicher Natur (Art. 82 lit. a BGG; E. 1.1-1.4). Aushängen von Plakaten zu aussenpolitischen Themen stellt eine Form der Meinungsäusserung dar, die in den Schutzbereich der Meinungsäusserungsfreiheit fällt; die SBB sind grundrechtsgebunden (E. 2.2). Die SBB sehen vor, dass die öffentliche Sache i.e.S. auch ausserordentlich für die Plakatierung genutzt werden kann; das Ausscheiden von Plakatanschlagstellen muss durch die SBB aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung (einschliesslich der zweckmässigen Nutzung der öffentlichen Anlage) erfolgen. Sind die Stellen für den Plakataushang bezeichnet, so ist das einzelne Plakat nur noch unter polizeilichen Gesichtspunkten zu prüfen (E. 2.3). Ein generelles Verbot von Plakaten mit aussenpolitischen Themen ist nicht zulässig (E. 3.4). Das konkrete Plakat ist nicht zu beanstanden (E. 3.5).

138 I 378 (2C_485/2010) from 3. Juli 2012
Regeste: Art. 27, 51 Abs. 2, Art. 94, 98 Abs. 3, Art. 189 Abs. 4 BV; Art. 1 ff. VVG; Art. 2 VAG; Versicherungsabkommen Schweiz-EU; Wirtschaftsfreiheit; Zulässigkeit einer unternehmerischen Tätigkeit des Staates im Allgemeinen und der Kantonalen Sachversicherung Glarus (Glarnersach) im Besondern; Prüfungsbefugnisse des Bundesgerichts nach Gewährleistung einer Kantonsverfassung durch die Bundesversammlung. Überprüfung einer Kantonsverfassung (E. 5). Tritt ein staatliches Unternehmen mit gleichen Rechten und Pflichten wie ein privater Unternehmer und im Wettbewerb zu diesem auf, so entsteht den Privaten bloss ein weiterer Konkurrent, was keine Einschränkung der individualrechtlichen Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) darstellt, solange das private Angebot durch die staatliche Massnahme nicht geradezu verdrängt wird (E. 6.2). Mit dem Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit (Art. 94 Abs. 4 BV) ist eine unternehmerische Tätigkeit des Staates vereinbar, sofern eine formell-gesetzliche Grundlage besteht, die Tätigkeit im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist und der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität gewahrt bleibt (E. 6.3). Die Ausdehnung des Tätigkeitsgebietes der Glarnersach entspricht dem Willen des Gesetzgebers des Kantons Glarus (E. 7), was im vorliegenden Zusammenhang ein genügendes öffentliches Interesse darstellt, zumal dieses jedenfalls nicht rein fiskalischer Natur ist (E. 8). Die Wettbewerbsneutralität der unternehmerischen Staatstätigkeit verbietet systematische Quersubventionierungen zwischen Monopol- und Wettbewerbsbereich (E. 9.1-9.3). Eine öffentliche Versicherungsanstalt untersteht auch im Wettbewerbsbereich nicht dem Versicherungsaufsichtsgesetz (E. 9.5). Keine Verletzung des Versicherungsabkommens Schweiz-EU (E. 10). Versicherungsverträge im Wettbewerbsbereich unterliegen dem Versicherungsvertragsgesetz (E. 11.2).

138 II 331 (1C_237/2011) from 6. Juni 2012
Regeste: Art. 11 und 25 USG, Art. 7 und Anhang 6 LSV; Berücksichtigung von nicht ständig auftretenden Lärmspitzen im Baubewilligungsverfahren. Eintretensvoraussetzungen (E. 1). Für die Zulässigkeit des von einer Anlage erzeugten Lärms ist anhand der Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob auf die effektive Betriebsdauer der Lärmquelle selbst oder des Gesamtbetriebes abgestellt wird. Eine auch als "Lärmverdünnung" bezeichnete Umrechnung des Lärms kommt namentlich bei Verkehrsanlagen in Frage. Damit sind maschinelle Lärmspitzen nicht vergleichbar. Wenn der während der effektiven Betriebszeit verursachte Lärm den zulässigen Planungswert und sogar den Immissionsgrenzwert übersteigt, steht dies der Erteilung einer Baubewilligung grundsätzlich entgegen (E. 2-4). Eine Ausnahme ist nur zulässig, wenn die Lärmspitzen von der Dauer und Häufigkeit her zeitlich beschränkt auftreten (E. 5).

138 II 536 (2C_176/2012) from 18. Oktober 2012
Regeste: Art. 95 und 96 BGG; Vorfrage des ausländischen Rechts; Art. 15 ZBStA (SR 0.641.926.81); Auslegung des Begriffs der Kapitalgesellschaft gemäss Zinsbesteuerungsabkommen; Art. 5 Abs. 1 der Verordnung über die Steuerentlastung; Wirkung der Verwirkungsfrist. Kognition des Bundesgerichts im Fall einer Vorfrage des ausländischen Rechts (E. 5.4.1). Um zu klären, ob es sich bei einem Unternehmen aus einem Staat der EU um eine Kapitalgesellschaft im Sinne von Art. 15 ZBStA handelt, ist das Richtlinienrecht der EU heranzuziehen, welches die Dividendenzahlungen regelt (E. 5.4.2). Nach diesem Richtlinienrecht gelten die Genossenschaften des italienischen Rechts als Kapitalgesellschaften. Die "società cooperativa per azioni" ist eine solche Genossenschaft und dementsprechend eine Kapitalgesellschaft gemäss Art. 15 ZBStA (E. 5.4.3). Wird die Ausrichtung der Dividende nach Ablauf der Frist von Art. 5 Abs. 1 der Verordnung über die Steuerentlastung gemeldet, entfällt das Recht auf Beanspruchung des Meldeverfahrens, soweit es um die verspätet gemeldeten Dividenden geht. Das Gesuch um Bewilligung des Meldeverfahrens bleibt zulässig für künftige Dividenden (E. 6).

138 III 252 (4A_648/2011) from 4. April 2012
Regeste: a Art. 316 Abs. 2, Art. 250 lit. c Ziff. 8 und Art. 253 ZPO; zweiter Schriftenwechsel vor der Rechtsmittelinstanz. Die Berufungsinstanz verfügt über einen weiten Ermessensspielraum beim Entscheid darüber, ob sie einen zweiten Schriftenwechsel anordnen will; das Bundesgericht kann einen solchen kantonalen Entscheid nur mit Zurückhaltung überprüfen. Es rechtfertigt sich, einen zweiten Schriftenwechsel nur einschränkend zuzulassen, dies erst recht, wenn die Berufung im summarischen Verfahren ergriffen worden ist (E. 2.1).

138 III 471 (4A_66/2012) from 29. Mai 2012
Regeste: a Handelsgericht, Ausnahme vom Grundsatz der "double instance cantonale" (Art. 75 Abs. 1 und 2 lit. b BGG; Art. 6 ZPO). Zulässigkeit der direkten Beschwerde gegen Entscheide eines Fachgerichts für handelsrechtliche Streitigkeiten (E. 1).

138 III 489 (5A_473/2011) from 29. Mai 2012
Regeste: Art. 19 und 95 IPRG; Erbvertragsstatut und ausländisches Erbvertragsverbot. Massgebend für den Erbvertrag ist das Recht am Wohnsitz des Erblassers bzw. der Verfügenden zur Zeit des Vertragsabschlusses und nicht im Zeitpunkt des Todes (E. 3). Im zu beurteilenden Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass das brasilianische Erbvertragsverbot zwingend anzuwenden ist und damit den nach schweizerischem Recht gültig abgeschlossenen Erbvertrag als nichtig erscheinen lässt (E. 4).

138 III 620 (4A_273/2012) from 30. Oktober 2012
Regeste: Art. 257 ZPO, Art. 8 ZGB; Verfahren betreffend Rechtsschutz in klaren Fällen; Einreden und Einwendungen des Beklagten. Anforderungen an die Bestreitung des eingeklagten Anspruchs in tatsächlicher Hinsicht (E. 5.1.1). Konsequenz für das Gelingen des Beweises der anspruchsbegründenden Tatsachen durch den Kläger (E. 6.2).

138 IV 13 (6B_345/2011) from 17. November 2011
Regeste: Grobe Verletzung von Sitte und Anstand in der Öffentlichkeit (Art. 19 des Strafrechts des Kantons Appenzell A.Rh.), "Nacktwandern"; Gesetzgebungskompetenz der Kantone auf dem Gebiet des Übertretungsstrafrechts (Art. 335 Abs. 1 StGB); Bestimmtheitsgebot (Art. 1 StGB); persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV); Verbotsirrtum (Art. 21 StGB); Strafbefreiung wegen fehlenden Strafbedürfnisses (Art. 52 StGB). Die Kantone sind gestützt auf Art. 335 Abs. 1 StGB befugt, das "Nacktwandern" im öffentlichen Raum unter Strafe zu stellen (E. 3). Eine Norm, welche demjenigen Strafe androht, der "öffentlich Sitte und Anstand grob verletzt", ist hinreichend bestimmt (E. 4). Das "Nacktwandern" kann willkürfrei als grobe Verletzung von Sitte und Anstand qualifiziert werden (E. 5). Der Tatbestand setzt nicht voraus, dass der "Nacktwanderer" auf einen Menschen trifft, der dadurch in seinem Anstandsgefühl verletzt wird (E. 6). Verletzung des Grundrechts der persönlichen Freiheit verneint (E. 7). Verbotsirrtum verneint (E. 8). Keine Strafbefreiung wegen fehlenden Strafbedürfnisses (E. 9).

138 V 67 (9C_365/2011) from 17. Januar 2012
Regeste: Art. 10 Abs. 2 lit. b ELG; Betrag für persönliche Auslagen. Art. 4 Abs. 2 der Verordnung zum Einführungsgesetz des Kantons Genf über die bundesrechtlichen Ergänzungsleistungen zur AHV/IV widerspricht Bundesrecht, soweit diese Bestimmung vorsieht, dass die Höhe des Pauschalbetrags für persönliche Auslagen der in Heimen oder Spitälern lebenden anspruchsberechtigten Personen von deren tatsächlichen Ausgaben abhängt (E. 4).

138 V 74 (9C_131/2011) from 19. Dezember 2011
Regeste: a Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK; Art. 25 Abs. 2 zweiter Satz ATSG; Unschuldsvermutung, "in dubio pro reo"; Rückerstattung unrechtmässig bezogener Sozialversicherungsleistungen, längere strafrechtliche Verjährungsfrist. Die verfassungsmässigen Anforderungen an die Beweiswürdigung im Strafprozess gelten auch im sozialversicherungsgerichtlichen Rückerstattungsverfahren, wenn es um die vorfrageweise vorzunehmende Prüfung geht, ob sich der Rückforderungsanspruch aus einer strafbaren Handlung herleite, für welche das Strafrecht eine längere Verjährungsfrist als diejenigen von Art. 25 Abs. 2 erster Satz ATSG vorsieht (E. 7).

138 V 98 (9C_676/2011) from 3. Februar 2012
Regeste: Art. 20a Abs. 1 lit. a und Art. 49 Abs. 2 Ziff. 3 BVG; § 39 des Dekrets vom 22. April 2004 über die berufliche Vorsorge durch die Basellandschaftliche Pensionskasse; Begünstigung auf Hinterlassenenleistungen (Lebenspartnerrente). Die Vorsorgeeinrichtungen können die Ausrichtung von Hinterlassenenleistungen an den Lebenspartner der verstorbenen versicherten Person unter die doppelte Voraussetzung stellen, von dieser in erheblichem Masse unterstützt worden zu sein und mit ihr in den letzten fünf Jahren bis zu ihrem Tod ununterbrochen eine Lebensgemeinschaft geführt zu haben (E. 4). Die Träger der beruflichen Vorsorge, bei öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen der Gesetzgeber, dürfen umschreiben, wann eine Person als vom oder von der verstorbenen Versicherten "in erheblichem Masse unterstützt" zu gelten hat (E. 5.2). Massgeblichkeit der individuellen und nicht der gemeinsamen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit für die Bestimmung und Quantifizierung von allfälligen Unterstützungsleistungen (E. 6.2.2). Im konkreten Fall wird eine Unterstützung in erheblichem Masse im Sinne der einschlägigen kantonalen Gesetzesbestimmung bei einem Beitrag der verstorbenen Versicherten an die Lebenskosten des Lebenspartners von deutlich weniger als 20 % verneint (E. 6.3).

138 V 122 (9C_792/2011) from 21. Februar 2012
Regeste: Art. 69 Abs. 1bis Satz 2 IVG; Kostenrahmen im kantonalen Beschwerdeverfahren. Der Kostenrahmen von 200-1'000 Franken darf vom kantonalen Gericht nicht unterschritten werden und gilt auch, wenn der Verfahrensaufwand nur minimal war. Indessen bleibt es den Kantonen unbenommen, auf die grundsätzlich geschuldeten Gerichtskosten zu verzichten, z.B. diese ganz oder teilweise zu erlassen, sofern das kantonale Recht eine entsprechende Regelung kennt und die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (E. 1).

138 V 292 (9C_321/2012) from 11. Juli 2012
Regeste: Art. 59 ATSG; Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG; Art. 35 Abs. 1 IVG; Art. 82 IVV und Art. 71ter Abs. 3 AHVV; Art. 7 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 ELV; Art. 20 Abs. 1 ELV und Art. 67 Abs. 1 AHVV; Beschwerdelegitimation des Kindes einer Ergänzungsleistungen beziehenden Person, für das Anspruch auf eine Kinderrente der Invalidenversicherung besteht. Das erforderliche Rechtsschutzinteresse des mündigen Kindes, für das Anspruch auf eine Kinderrente der Invalidenversicherung besteht, an der Anfechtung der für dieses gesondert vorgenommenen Berechnung der Ergänzungsleistung (EL) ergibt sich aus dessen Befugnis, die Eltern zum EL-Bezug anzumelden (E. 4). Frage offengelassen, ob Art. 71ter Abs. 3 AHVV sinngemäss auch im EL-Bereich anwendbar ist, da selbst ein Anspruch des mündigen Kindes auf Auszahlung der gesondert berechneten Ergänzungsleistung an sich nicht ohne weiteres die den grundsätzlichen und umfangmässigen Leistungsanspruch als solchen betreffende Beschwerdebefugnis vermittelte (E. 4.2.2).

139 I 2 (1C_273/2012) from 7. November 2012
Regeste: Art. 34 BV; Stimmrechtsbeschwerde zur Umsetzung einer Planungsinitiative und zu den entsprechenden Erläuterungen des Gemeinderates zuhanden der Gemeindeversammlung. Bei der Umsetzung einer angenommenen Planungsinitiative ist eine Vorlage eines Planerlasses oder von Plananpassungen auszuarbeiten, die dem mit der Initiative angestrebten planerischen Ergebnis entsprechen und grundsätzlich mit dem höherrangigen Recht, insbesondere der Eigentumsgarantie, vereinbar erscheinen. Hinsichtlich des räumlichen Ausmasses einer Umzonung kommt den Gemeindebehörden ein gewisser Ermessensspielraum zu (E. 5). Vereinbarkeit von Abstimmungserläuterungen mit der Garantie der politischen Rechte (E. 6).

139 I 72 (2C_484/2010) from 29. Juni 2012
Regeste: Art. 30, 32 und 96 BV, Art. 6 und 7 EMRK, Art. 15 UNO-Pakt II, Art. 2 Abs. 1bis, Art. 4 Abs. 2, Art. 7 Abs. 1 und 2 lit. b, Art. 26 ff. und 49a KG. Kartellrechtliche Sanktionen nach Art. 49a KG haben einen strafrechtlichen bzw. strafrechtsähnlichen Charakter. Die Garantien von Art. 6 und 7 EMRK sowie Art. 30 und 32 BV sind bei solchen Sanktionen anwendbar (E. 2). Anforderungen von Art. 6 EMRK können in einem Kartellsanktionsverfahren auch erst im Verwaltungsgerichtsverfahren erfüllt werden; Anforderungen an die Kognition des Verwaltungsgerichts (E. 4). Frage der genügenden Bestimmtheit von Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 lit. b KG für Sanktionen nach Art. 49a KG (E. 8). Relevanter Markt und marktbeherrschende Stellung (E. 9). Diskriminierung von Handelspartnern bei Preisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen als missbräuchliches Verhalten (Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 lit. b KG; E. 10).

139 I 195 (1C_561/2013) from 10. Juli 2013
Regeste: Art. 34, 39 und 49 BV; Stimmrechtsverletzung in Bezug auf eine Vorlage zur Neuregelung des Proporzwahlverfahrens für den Kantonsrat. Zulässigkeit der Beschwerde gegen eine Abstimmungsvorlage des Kantonsrats, nach welcher ein als bundesverfassungswidrig beurteiltes Wahlverfahren beibehalten werden soll (E. 1.3). Möglichkeiten der Ausgestaltung des Proporzwahlverfahrens für den Kantonsrat (E. 3.1). Die umstrittene Abstimmungsvorlage ist unzulässig, weil sie darauf ausgerichtet ist, die Einführung eines bundesverfassungskonformen Proporzwahlverfahrens zu verhindern (E. 4).

139 II 7 (8C_448/2012) from 17. Januar 2013
Regeste: Art. 6 ArG; Art. 26 ArGV 3; Art. 29 Abs. 1 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Einsatz eines Überwachungsprogrammes zur Kontrolle der Informatikaktivitäten eines Arbeitnehmers; Verwertbarkeit unrechtmässig erlangter Beweismittel und Interessenabwägung; Entlassung. Der verdeckte Einsatz eines Überwachungsprogrammes zwecks Bestätigung des Verdachts, ein Arbeitnehmer missbrauche die ihm im Informatikbereich zur Verfügung gestellten Mittel für dienstfremde Zwecke, ist unzulässig (Art. 26 Abs. 1 ArGV 3) oder zumindest unverhältnismässig (Art. 26 Abs. 2 ArGV 3; E. 5.5-5.5.4). Abwägung zwischen öffentlichem Interesse an der Wahrheitsfindung und privatem Interesse des Arbeitnehmers am Schutz seiner Persönlichkeit (E. 6). Mit der Verneinung der Verwertbarkeit eines auf diese Weise widerrechtlich erlangten Beweismittels fällt die Grundlage für eine Entlassung dahin (E. 7).

139 II 373 (2C_243/2011) from 1. Mai 2013
Regeste: Art. 127 Abs. 3 BV; Art. 97 Abs. 1, Art. 99 Abs. 1, Art. 100 Abs. 5, Art. 105 Abs. 1 BGG, Art. 12 Abs. 4 StHG; interkantonale Doppelbesteuerung; Liegenschaftenhändler; Verrechnung eines Geschäftsverlustes mit Liegenschaftsgewinnen. Anforderungen an das kantonale Verfahren, wenn eine interkantonale Doppelbesteuerung gerügt wird (E. 1.4-1.7). Den Kantonen mit monistischem System der Grundstückgewinnbesteuerung steht es nach Art. 12 Abs. 4 StHG frei, ob sie einen innerkantonalen Geschäftsverlust bei der Grundstückgewinnsteuer berücksichtigen wollen oder nicht. Gegen die Verweigerung einer solchen Verlustverrechnung steht die Beschwerde wegen interkantonaler Doppelbesteuerung nicht offen (E. 3.5). Zwecks Schaffung vergleichbarer Verhältnisse im interkantonalen Verhältnis hat aber der Kanton in seiner Steuerausscheidung die Grundstückgewinne und Geschäftsverluste vollumfänglich zu berücksichtigen (E. 4).

139 II 404 (2C_269/2013) from 5. Juli 2013
Regeste: Art. 43, 84a, 89 Abs. 1 und Art. 103 BGG; Art. 6 EMRK; Art. 26 DBA-USA 96; internationale Amtshilfe in Steuerfragen mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Verfahrensgrundsätze: Anwendbares Recht und Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (E. 1). Beschwerdelegitimation des Kontoinhabers und des wirtschaftlich Berechtigten (E. 2). Keine aufschiebende Wirkung der Beschwerde von Gesetzes wegen (E. 4). Keine Möglichkeit der nachträglichen Ergänzung der Beschwerdeschrift (E. 5). Die strafprozessualen Garantien sind auf das Verfahren der internationalen Amtshilfe in Steuerfragen nicht anwendbar (E. 6). Ein gerichtliches Urteil über die Verweigerung der Amtshilfe entfaltet nur eine eingeschränkte materielle Rechtskraft und hindert den ersuchenden Staat nicht, ein neues, verbessertes Gesuch in der gleichen Sache zu stellen (E. 8). Auf Rechtsmittel, die stellvertretend für einen Dritten eingereicht werden, ist nicht einzutreten (E. 11). Verfahren betreffend die internationale Amtshilfe in Steuerfragen sind Streitigkeiten mit Vermögensinteresse (E. 12). Gruppenanfragen: Auf ein auf das DBA-USA 96 gestütztes Amtshilfegesuch, welches die Namen der betroffenen Steuerpflichtigen nicht erwähnt, ist grundsätzlich einzutreten, sofern die Darstellung des Sachverhalts genügend detailliert ist, um einen Verdacht auf Betrugsdelikte und dergleichen zu ergeben und die Identifikation der gesuchten Personen zu ermöglichen (E. 7.2). Der nicht namentlich genannte Informationsinhaber muss mit einem für den ersuchten Staat zumutbaren Aufwand identifiziert werden können (E. 7.3). Betrugsdelikte und dergleichen: Die von den Vereinigten Staaten von Amerika erhobene Quellensteuer auf Zinsen und Dividenden aus amerikanischen Wertschriften fällt in den Anwendungsbereich des DBA-USA 96 (E. 9.2). Begriff der Betrugsdelikte und dergleichen gemäss Art. 26 DBA-USA 96 (E. 9.3-9.5). Die vom IRS beschriebene Vorgehensweise der betroffenen Steuerpflichtigen erfüllt die Anforderungen des Abgabe- und des Steuerbetrugs; sie war nicht nur darauf ausgerichtet, die normale Einkommenssteuer der an der Gesellschaft wirtschaftlich berechtigten Personen zu hinterziehen, sondern auch den vom IRS zur Absicherung dieser Einkommenssteuerpflicht eingerichteten Kontrollmechanismus zu hintergehen (E. 9.7 und 9.8); das dazu benutzte Formular hat Urkundencharakter (E. 9.9).

139 III 110 (4A_443/2012) from 5. Februar 2013
Regeste: Art. 26 Abs. 1 lit. a PatGG; Art. 72 f. PatG; sachliche Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für gegen den Staat gerichtete Patentverletzungsklagen. Massgebende Haftungs- und Zuständigkeitsordnung für vermögensrechtliche Ersatzansprüche gegen den Staat wegen angeblicher Patentverletzung (E. 2.2). Anwendbarkeit des Patentgesetzes sowie Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für Unterlassungsklagen (Art. 72 PatG) gegen den Bund (E. 2.3).

139 III 182 (4A_607/2012) from 21. Februar 2013
Regeste: a Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG; Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Ob Art. 116 Abs. 1 ZPO dem kantonalen Recht erlaubt, das Zusprechen einer Parteientschädigung auszuschliessen, stellt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (E. 1.1-1.3).

139 III 252 (4A_655/2012) from 25. Februar 2013
Regeste: Art. 72 Abs. 2 lit. b und Art. 75 Abs. 2 BGG; Haftung des Staates für die Tätigkeit von Spitalärzten; Rechtsweg, Erfordernis des doppelten kantonalen Instanzenzugs. Die Beschwerde in Zivilsachen steht offen gegen in Anwendung von kantonalem öffentlichem Recht ergangene Entscheide über die Verantwortlichkeit für rechtswidrige Handlungen von in öffentlichen Spitälern angestellten Ärzten (E. 1.1-1.5; Bestätigung der Rechtsprechung). In diesen Fällen hat das kantonale Recht, wenn sie ab dem 1. Januar 2011 entschieden wurden, ein Rechtsmittel an ein oberes Gericht zuzulassen. Die Kantone bleiben jedoch frei in der Bestimmung der ersten Instanz (E. 1.6).

139 III 273 (4A_28/2013) from 3. Juni 2013
Regeste: Art. 3, 59, 60 und 209 Abs. 1 ZPO. Eine durch die Schlichtungsbehörde erteilte gültige Klagebewilligung ist eine Prozessvoraussetzung, welche das Gericht von Amtes wegen zu prüfen hat (E. 2.1). Das Bestimmen der zuständigen Schlichtungsbehörde ist eine Frage der Justizorganisation, die nach Art. 3 ZPO Sache der Kantone ist (E. 2.2). Die Klagebewilligung nach Art. 209 ZPO kann weder mit Berufung noch mit Beschwerde angefochten werden (E. 2.3).

139 IV 186 (1B_36/2013) from 6. März 2013
Regeste: Art. 227 Abs. 7 und Art. 231 Abs. 2 StPO; keine periodische automatische Überprüfung der Sicherheitshaft während des Berufungsverfahrens. Mangels Verweis auf Art. 227 Abs. 7 StPO erfolgt keine periodische Überprüfung der Sicherheitshaft, sobald das Berufungsgericht mit der Sache befasst ist (E. 2).

139 V 58 (9C_883/2012) from 12. Februar 2013
Regeste: Art. 64 Abs. 1 und 2 AHVG; Art. 121 Abs. 2 AHVV; Kassenwechsel. Zulässigkeit des Wechsels eines in die Selbständigkeit entlassenen kantonalen Spitals (neu in der Rechtsform einer privatrechtlichen Aktiengesellschaft, wobei der Kanton eine qualifizierte Mehrheit des Aktienkapitals und der Aktienstimmen hält) von der kantonalen Ausgleichskasse zur Ausgleichskasse eines regionalen zwischenberuflichen Verbandes, dessen Mitglieder Arbeitgeber und Selbständigerwerbende aus Industrie, Handel und Gewerbe bzw. aus dem Dienstleistungssektor sind (E. 3).

139 V 331 (8C_17/2013) from 31. Mai 2013
Regeste: Art. 20 Abs. 2 und 3 UVG; Art. 32 Abs. 2 UVV; Komplementärrente. Keine analoge Anwendung von Art. 32 Abs. 2 UVV auf den Fall, in welchem der eine Invalidenrente begründende Unfall (wenn auch nur kurz) vor dem die Hinterlassenenrente der AHV auslösenden Ereignis stattgefunden hat (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 4).

139 V 505 (9C_333/2013) from 30. Oktober 2013
Regeste: Art. 11 Abs. 1 lit. c und g ELG; Vermögensverzicht zu Lebzeiten des verstorbenen Ehegatten. Das Vermögen, auf das der verstorbene Ehegatte zu Lebzeiten verzichtet hat, stellt auch bei Ausschlagung der Erbschaft (Art. 573 Abs. 1 ZGB) und Überschuldung des Nachlasses im Umfang der Erbquote des überlebenden Ehegatten (mindestens die Hälfte [Pflichtteil]; Art. 471 Ziff. 3 ZGB) anrechenbares (Verzichts-)Vermögen dar (E. 2).

140 I 320 (8C_340/2014) from 15. Oktober 2014
Regeste: Art. 9 BV; Art. 34 des Bildungsgesetzes des Kantons Obwalden vom 16. März 2006; Art. 2 der Verordnung des Kantons Obwalden vom 25. April 2008 über das Anstellungsverhältnis der Lehrpersonen (Lehrpersonenverordnung) in Verbindung mit Art. 42 der Personalverordnung des Kantons Obwalden vom 29. Januar 1998. Verweist eine kantonale Norm des öffentlichen Personalrechts auf eine Bestimmung des OR, so gilt Letztere als kantonale Norm (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3.3). Ein kantonaler öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber handelt nicht willkürlich, wenn er im Rahmen einer fristlosen Kündigung eine Sozialfrist gewährt (E. 7 und 8).

140 II 7 (1C_135/2013) from 16. Dezember 2013
Regeste: Art. 2 Abs. 1 aOHG, Art. 117 StGB; Opferhilfe, fahrlässige Tötung. Fall eines Mannes, der Anfang der 1970er Jahre als Jugendlicher während den Schulferien in einem Betrieb arbeitete, dabei Asbeststaub ausgesetzt war und als Folge davon 2007 starb. Fahrlässige Tötung durch die Betriebsverantwortlichen und damit Opferstellung bejaht (E. 3).

140 II 298 (8C_864/2013) from 14. Mai 2014
Regeste: § 71 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes des Kantons Zürich vom 24. Mai 1959 (VRG) in der seit 1. Januar 2011 geltenden Fassung in Verbindung mit Art. 404 ZPO. Ausführungen zur Frage der Rechtshängigkeit eines Verwaltungsverfahrens (E. 5).

140 III 16 (4A_225/2013) from 14. November 2013
Regeste: a Art. 105 Abs. 1 BGG; Bindung an den vorinstanzlich festgestellten Prozesssachverhalt. Die vorinstanzlichen Feststellungen über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens sind für das Bundesgericht verbindlich (E. 1.3.1).

140 III 115 (4A_408/2013) from 17. Januar 2014
Regeste: Art. 1 Abs. 2 IPRG und Art. 5 Nr. 1 Bst. b zweiter Spiegelstrich LugÜ. Internationale Zuständigkeit. Konventionsautonome Bestimmung des Gerichtsstands am Erfüllungsort der vertragscharakteristischen Leistung bei einem internationalen (Retro-) Rückversicherungsvertrag (E. 3-7).

140 III 159 (4A_29/2014) from 7. Mai 2014
Regeste: Richterliches Ermessen bei der Verfahrensleitung; Zeitpunkt der Ansetzung einer Frist zur Klageantwort; unnötige Kosten. Ist das Gericht gehalten, mit der Zustellung der Klage an die Gegenpartei und der Ansetzung einer Frist zur Klageantwort zuzuwarten, bis der Kostenvorschuss bezahlt ist, um dem Kläger allenfalls unnötige Kosten (Parteientschädigung) zu ersparen? Frage namentlich unter Berücksichtigung der Bestimmungen von Art. 59 Abs. 2 lit. f und Art. 60 ZPO sowie von Art. 65, 98, 101 Abs. 2 und Art. 124 Abs. 1 ZPO verneint (E. 2 und 4).

140 III 234 (5A_758/2013) from 15. April 2014
Regeste: Art. 17 und 140 Abs. 2 SchKG; Art. 37 Abs. 2 und Art. 40 VZG; Lastenbereinigung. Unterscheidung zwischen Beschwerde und Klage betreffend die Bestreitung des Lastenverzeichnisses (E. 3.1); Pflicht des Betreibungsamtes, das Lastenverzeichnis gemäss dem Ergebnis des Prozesses zu berichtigen oder zu ergänzen (E. 3.2).

140 III 264 (5A_909/2013) from 4. April 2014
Regeste: Art. 157, 160 und 164 ZPO; Art. 105 Abs. 1 und Art. 97 BGG. Beweiswürdigung bei unberechtigter Verweigerung der Mitwirkung einer Partei. Verbindlichkeit der vorinstanzlichen Beweiswürdigung für das Bundesgericht. Es bestehen keine Vorgaben (Art. 157 ZPO), welche Schlüsse der Sachrichter aus dem Umstand ziehen soll, dass eine Partei bei der Beweiserhebung unberechtigterweise nicht mitwirkt. Die vor Bundesgericht erhobene Rüge, Art. 157 oder 164 ZPO sei verletzt, ändert nichts daran, dass das Ergebnis der vorinstanzlichen Beweiswürdigung für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich ist (Art. 105 Abs. 1 BGG). Voraussetzungen der Anfechtung der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen (Art. 97 BGG) und Begriff der Willkür (Art. 9 BV) im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung (E. 2.3).

140 III 267 (4A_35/2014) from 28. Mai 2014
Regeste: Interne Schiedsgerichtsbarkeit; Beschwerde an das kantonale Gericht (Art. 390 ZPO). Die Frage, ob eine gültige Zuständigkeitsvereinbarung im Sinne von Art. 390 Abs. 1 ZPO geschlossen wurde, kann dem Bundesgericht mit Beschwerde gegen den nach Anfechtung des internen Schiedsentscheids ergangenen Rechtsmittelentscheid des kantonalen Gerichts unterbreitet werden (E. 1). Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 390 Abs. 1 ZPO (E. 2).

140 III 385 (5A_356/2014) from 14. August 2014
Regeste: Art. 450 ff. ZGB; Anspruch auf Parteientschädigung im Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz. Der Bundesgesetzgeber hat die Regelung der Parteientschädigung im Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz den Kantonen überlassen. Regelung im Kanton Zürich (E. 2-5).

140 III 501 (4A_374/2013) from 23. September 2014
Regeste: Art. 106 ZPO, Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG; Auferlegung der Parteientschädigung an den Kanton im Rechtsmittelverfahren um unentgeltliche Rechtspflege, Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Ob die ZPO in einem (Rechtsmittel-)Verfahren um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege eine Grundlage für die Auferlegung der (vollen) Parteikosten an den Kanton als unterliegende Partei bietet, stellt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (E. 1.3). Obsiegt die um unentgeltliche Rechtspflege nachsuchende Partei im Beschwerdeverfahren, ist ihr vom Kanton die volle Parteientschädigung auszurichten (E. 4).

140 IV 57 (1B_326/2013, 1B_327/2013) from 6. März 2014
Regeste: a Strafprozessuale Zwangsmassnahmen (Art. 196 ff. und 263 ff. StPO); Überprüfung durch das Bundesgericht mit freier Kognition (Art. 36 und 190 BV, Art. 95 lit. a, Art. 98 und 106 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht überprüft Entscheide über strafprozessuale Zwangsmassnahmen mit freier Kognition (Art. 196 lit. a-c StPO). Die nach Art. 98 BGG (für vorsorgliche Massnahmen) vorgeschriebene Beschränkung der Rügegründe und das Rügeprinzip im Sinne von Art. 106 Abs. 2 BGG sind nicht anwendbar. Dies gilt auch für die Beschlagnahme von Gegenständen oder Vermögenswerten (Art. 263 ff. StPO; E. 2.2).

140 V 136 (8C_789/2013) from 10. März 2014
Regeste: a Art. 97 Abs. 1 und 2, Art. 105 Abs. 2 und 3 BGG; Kognition. Das Bundesgericht urteilt mit eingeschränkter Kognition, wenn lediglich die Auszahlungsmodalität einer unbestrittenen Geldleistung (Waisenrente) streitig ist (E. 1.2).

140 V 193 (9C_850/2013) from 12. Juni 2014
Regeste: Art. 6 ATSG; Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit. Aufgabenteilung von rechtsanwendender Stelle und begutachtender Arztperson bei der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit als Grundlage für den Anspruch auf Invalidenrente (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3.1 und 3.2). Anwendungsfall (E. 3.3).

140 V 348 (9C_91/2014) from 16. Juli 2014
Regeste: Art. 49 BVG; Verzinsung von Altersguthaben. Die Verhältnismässigkeit eines Nullzinsbeschlusses darf nicht leichthin angenommen werden (E. 5.1). Anwendungsfall zur Rechtsprechung gemäss BGE 140 V 169, wonach eine Nullverzinsung auch bei einer Überdeckung innerhalb bestimmter Schranken zulässig ist. In casu verneint (E. 4 und 5).

141 I 1 (8D_1/2014) from 4. Februar 2015
Regeste: Art. 8 Abs. 1 und 2, Art. 41 Abs. 1 lit. e und Abs. 4 BV; Art. 39A des Gesetzes des Kantons Genf vom 4. Dezember 1977 über das Wohnungswesen und den Mieterschutz; Aufhebung des Anspruches auf Mietbeihilfen für Bezüger von Ergänzungsleistungen zur AHV/IV. Das im genferischen Recht enthaltene Verbot der Kumulation von Mietbeihilfen und bundes- sowie kantonalrechtlichen Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung ist nicht bundesrechtswidrig (E. 5).

141 I 36 (2C_291/2014) from 15. Dezember 2014
Regeste: Art. 50 Abs. 1 BV; Art. 3, 65 und 89 KV/GR; Art. 82 lit. b, Art. 89 Abs. 1, Art. 95, 111 Abs. 1 BGG. Art. 32 des Gesetzes des Kantons Graubünden vom 21. März 2012 über die Volksschulen, wonach ein Wechsel der Schulsprache vom Rumantsch Grischun zum Idiom oder umgekehrt aufbauend von Schuljahr zu Schuljahr erfolgt, verletzt die Gemeindeautonomie nicht. Besteht eine kantonale Verfassungsgerichtsbarkeit, kann im bundesgerichtlichen Verfahren (Art. 82 lit. b BGG) nicht nur die Aufhebung des letztinstanzlichen kantonalen Entscheids, sondern auch des zu überprüfenden kantonalen Erlasses beantragt werden, und richtet sich die Beschwerdelegitimation nach den Grundsätzen des abstrakten Normenkontrollverfahrens (E. 1.2.2). Private können sich auf die Gemeindeautonomie berufen, soweit diese Garantie eine Auswirkung auf ihre rechtliche oder tatsächliche Stellung haben kann (E. 1.2.4). Eine kantonale Regelung, welche die Autonomiebeschwerde nur den Gemeinden zugesteht, ist bundesrechtswidrig (E. 5.1). Kognition des Bundesgerichts bei Beschwerden wegen Verletzung der Gemeindeautonomie (E. 5.3 und 5.4). Den Gemeinden des Kantons Graubünden kommt bei der Festlegung der Schulsprache eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit und damit Autonomie zu (E. 5.5). Der gesetzliche Ausschluss eines Sprachwechsels für bereits eingeschulte Kinder (E. 5.6.1) beruht auf der die Gemeindeautonomie relativierenden verfassungsrechtlichen Vorgabe von Art. 3 Abs. 3 KV/GR, wonach die Schulsprache in Zusammenwirken mit dem Kanton festzusetzen ist (E. 5.6.2 und 5.6.3), und auf der pädagogischen Überlegung, dass die Kinder im Verlaufe der Schulzeit nicht zu einem Wechsel der Schulsprache gezwungen werden sollen (E. 5.6.4-5.6.6). Die sachlich gerechtfertigte Regelung verletzt die Gemeindeautonomie nicht (E. 5.7).

141 I 70 (8C_310/2014) from 31. März 2015
Regeste: Art. 29 Abs. 3 BV; unentgeltliche Rechtspflege, Stellvertretung. Die Kürzung des geltend gemachten Aufwandes der im kantonalen Verfahren richterlich eingesetzten unentgeltlichen Rechtsbeiständin um denjenigen Aufwandanteil, welchen eine Anwaltskollegin mit Substitutionsvollmacht aufgrund einer internen büropartnerschaftlichen Stellvertretungsvereinbarung, jedoch ohne gerichtliche Bewilligung des Rechtsbeistandswechsels, für die unentgeltliche Rechtsbeiständin erbracht hatte, ist nicht willkürlich (E. 6).

141 I 78 (2C_1194/2013, 2C_645/2014) from 30. März 2015
Regeste: Art. 8 Abs. 1, Art. 127 Abs. 2 und Art. 129 Abs. 2 BV; Art. 53 Abs. 1, Art. 56 Abs. 1bis und Art. 57b Abs. 1 StHG; reduzierte Steuersätze bei strafloser Selbstanzeige gemäss Art. 309e und 314e des Steuergesetzes des Kantons Tessin vom 21. Juni 1994; "kantonale Steueramnestie". Legitimation zur Anfechtung eines kantonalen Erlasses, mit dem ein Steuertarif geändert wird; Bestätigung der Rechtsprechung, wonach die im betreffenden Kanton ansässigen Steuerpflichtigen zur Beschwerde befugt sind (E. 3.1 und 3.2). Ausstandsgründe, wenn ein ehemaliger nebenamtlicher Bundesrichter Beschwerde erhebt; Bestätigung der Rechtsprechung, wonach die blosse Kollegialität unter Gerichtsmitgliedern keine Ausstandspflicht begründet (E. 3.3). Die Einführung reduzierter Steuersätze bei strafloser Selbstanzeige verletzt die entsprechenden Bestimmungen des StHG, und die Anwendung dieser Steuersätze kann nicht durch Anrufung von Art. 129 Abs. 2 BV gerechtfertigt werden (E. 7). Verstoss der Einführung reduzierter Steuersätze bei strafloser Selbstanzeige gegen Art. 8 Abs. 1 und Art. 127 Abs. 2 BV und Unmöglichkeit, die Verletzung dieser Bestimmungen gestützt auf allgemeine finanzpolitische Ziele zu rechtfertigen; deren Verwirklichung hätte einschneidende Folgen für die Anwendung der gesamten Tarife und würde offensichtlich jene begünstigen, die Steuern hinterzogen haben (E. 9).

141 I 105 (6B_307/2014) from 4. Mai 2015
Regeste: Art. 9 BV (Willkür); Festlegung der Gerichtskosten, Äquivalenzprinzip. Gerichtskosten sind Kausalabgaben, die dem Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip genügen müssen (E. 3.3.2). Ob die Verdoppelung der Gebühr für den Fall der schriftlichen Begründung des erstinstanzlichen Urteils zulässig und mit Art. 80 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 82 Abs. 2 StPO vereinbar ist, kann offenbleiben (E. 3.5.1). Die Anzahl Verhandlungstage hat grundsätzlich keinen Einfluss auf den Begründungsaufwand eines Entscheids. Bei mehrtägigen Verhandlungen darf mit Blick auf das Äquivalenzprinzip und das Gleichbehandlungsgebot lediglich der Aufwand für die zusätzlichen Verhandlungstage berücksichtigt werden (E. 3.5.2). Verletzung des Äquivalenzprinzips im vorliegenden Fall (E. 3.6).

141 I 124 (6B_730/2014) from 2. März 2015
Regeste: Art. 27 und 29 Abs. 3 BV; Art. 132 und 135 Abs. 1 StPO; Wirtschaftsfreiheit, Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand, Entschädigung der amtlichen Verteidigung. Die amtliche Verteidigung erfüllt eine staatliche Aufgabe und fällt nicht in den Geltungsbereich von Art. 27 BV (E. 4.1). Sie wird nach dem Anwaltstarif des Bundes oder desjenigen Kantons entschädigt, in dem das Strafverfahren geführt wurde. Ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand besteht nur, soweit es zur Wahrung der Rechte notwendig ist (E. 3.1). Es ist in erster Linie Sache der kantonalen Behörden, die Angemessenheit anwaltlicher Bemühungen zu beurteilen. Ihnen steht bei der Festsetzung des Honorars ein weites Ermessen zu (E. 3.2). Die Festsetzung des Honorars im Rahmen einer Pauschale ist zulässig und verletzt als solche das Recht auf wirksame Verteidigung nicht (E. 4.2 und 4.3).

141 II 14 (2C_380/2014) from 15. September 2014
Regeste: Art. 83 lit. f BGG, Art. 48 VwVG; Monte Ceneri-Eisenbahn-Basistunnel (öffentliches Beschaffungswesen): Voraussetzungen für die Beschwerdelegitimation der nicht berücksichtigten Anbieter gegen die Zuschlagsverfügung. Eignungskriterien: Auslegung der in den Ausschreibungsunterlagen enthaltenen Anforderungen. Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (erreichter Auftragswert und Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung; E. 1.1-1.5). Anwendbare Bestimmungen zum Verfahren der öffentlichen Beschaffung (E. 2.1-2.3). Streitfrage: Sind nicht berücksichtigte Anbieter allein schon aufgrund ihrer Teilnahme am Verfahren zur Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht legitimiert, oder setzt die Beschwerdelegitimation voraus, dass der Beschwerde führende übergangene Anbieter seinerseits geeignet wäre, den Zuschlag zu erhalten (E. 3.1-3.3)? Einem nicht berücksichtigten Anbieter fehlt es an einem schutzwürdigen Beschwerdeinteresse, wenn er auch bei Obsiegen seiner Anträge den Zuschlag selber nicht erhalten könnte. Das Bundesverwaltungsgericht hätte deshalb vor dem Bejahen der Beschwerdelegitimation prüfen müssen, ob die Bietergemeinschaft Rhomberg Sersa überhaupt eine reelle Chance hat, den Zuschlag zu erhalten (E. 4.1-4.9). Nach der Theorie des doppelrelevanten Sachverhalts war diese nämlich zur Beschwerde nur legitimiert, wenn glaubhaft dargelegt ist, dass sie seinerseits die Eignungskriterien erfüllt; ob dies der Fall ist, kann aufgrund der vom Bundesgericht vorgenommenen materiellen Prüfung offengelassen werden (E. 5.1 und 5.2). Namentlich auf Grund des Wortlauts der Eignungskriterien und unter Berücksichtigung des effektiven Verhaltens aller Verfahrensbeteiligten ist die von der AlpTransit Gotthard AG vertretene Auslegung der in den Ausschreibungsunterlagen enthaltenen Anforderungen eher zutreffend als diejenige der Vorinstanz; zumindest ist sie gleichermassen vertretbar, so dass ihr der Vorzug zu geben ist (E. 6 und 7). Mit der Anforderung, ein nicht abgeschlossenes Projekt könne nur dann als gültig betrachtet werden, wenn zusätzliche Referenzauskünfte eingeholt worden seien, hat die Vorinstanz in unzulässiger Weise in den Ermessensspielraum der Vergabestelle eingegriffen (E. 8.1-8.4). Die Zuschlagsempfängerin ARGE cpc hat vielmehr - bei richtiger Auslegung der Ausschreibungsunterlagen - genügend gültige Referenzen für die einzelnen Leistungspakete vorgelegt (E. 9), und es liegt auch kein unzulässiges verstecktes Abgebot vor (E. 10).

141 II 113 (2C_1131/2013) from 31. März 2015
Regeste: Art. 83 lit. f und Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG; Art. IX und XV GPA; Art. 12bis Abs. 1 und Art. 13 lit. a IVöB; Art. 3, 5 und 9 Abs. 2bis BGBM; öffentliches Beschaffungswesen; Rechtmässigkeit der Durchführung eines Einladungsverfahrens wegen Dringlichkeit; Beschwerdebefugnis der Eidgenössischen Wettbewerbskommission (WEKO). Interkommunales Vergabeverfahren in Bezug auf die Einführung einer verbrauchsabhängigen "Sackgebühr" für Siedlungsabfälle. Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung in Bezug auf die "Gründe äusserster Dringlichkeit", aufgrund welcher die ausschreibende Behörde von einem offenen Vergabeverfahren absehen kann. Beschwerdebefugnis der WEKO, um festzustellen zu lassen, ob ein Entscheid den Zugang zum Markt in unzulässiger Weise beschränkt (E. 1). Anwendbares Recht und Beschwerdegegenstand (E. 3 und 4). Nichteinhalten der Bedingungen, unter welchen die ausschreibende Behörde - aus Gründen der Dringlichkeit - ein freihändiges Verfahren hätte einleiten dürfen (E. 5). Verletzung der Ausschreibungsregeln und des Transparenzgebots (E. 6). Feststellung der unberechtigten Marktbeschränkung durch das Bundesgericht (E. 7).

141 II 307 (2C_919/2014, 2C_920/2014) from 21. August 2015
Regeste: Art. 89, 95 und 110 BGG, Art. 3, 5 und 9 Abs. 2bis BGBM. Öffentliches Beschaffungsrecht; Einladungsverfahren; Beschwerdebefugnis der Anbieterin, die an einem Einladungsverfahren teilgenommen hat; Rechtsanwendung von Amtes wegen. Zulässigkeit des Einladungsverfahrens (E. 5). Die Beschwerdelegitimation richtet sich auch für das kantonale Verfahren mindestens nach Art. 89 BGG. Das schutzwürdige Interesse, welches die Legitimation begründet, besteht dabei im praktischen Nutzen, der sich ergibt, wenn die Beschwerdeführerin mit ihren Anliegen obsiegt. Sind die Voraussetzungen von Art. 89 BGG erfüllt, ist die Beschwerdeführerin mit sämtlichen in Art. 95 BGG vorgesehenen Rügen zum Verfahren zugelassen. Diese allgemeinen Regeln gelten auch im Beschaffungsrecht (E. 6.1- 6.4). Muss das gesamte Verfahren wiederholt werden, könnte die im Einladungsverfahren unterlegene Anbieterin ein neues Angebot einreichen und ihre Chancen auf den Zuschlag erhöhen sich; es entsteht ihr ein praktischer Nutzen. Sie ist deshalb befugt, die Durchführung eines offenen Verfahrens zu beantragen. Tritt das kantonale Gericht auf die Beschwerde ein, hat es das Recht von Amtes wegen anzuwenden und muss offensichtliche rechtliche Mängel bei der Wahl des Vergabeverfahrens selbst ohne entsprechende Rüge der Beschwerdeführerin beseitigen (E. 6.5-6.8).

141 III 195 (6B_490/2014) from 27. April 2015
Regeste: Art. 699 Abs. 1 ZGB; Betreten von Wald und Weide; richterliches Verbot. Richterliche Verbote erwachsen nicht in materielle Rechtskraft. Sie können von einem beschuldigten Störer in einem allfälligen Strafverfahren angefochten werden, so dass deren Rechtmässigkeit vom Gericht zu überprüfen ist (E. 2.2). Bewirtschaftungsweg, der zuerst über eine Weide (Dauerwiese) und danach über eine extensiv genutzte Wiese (Ökowiese) führt, bevor er in den Wald einmündet. Den Zutritt zum Bewirtschaftungsweg nur deshalb zu verbieten, weil das angrenzende Land auf einem kurzen Wegabschnitt eine extensiv genutzte Wiese ist, widerspricht Sinn und Zweck von Art. 699 Abs. 1 ZGB. Das richterliche Verbot, welches das Betreten des Bewirtschaftungswegs untersagt, verstösst daher gegen Art. 699 Abs. 1 ZGB (E. 2.3-2.8).

141 III 444 (4A_65/2015) from 28. September 2015
Regeste: a Art. 356 Abs. 2 lit. a und Art. 362 Abs. 3 ZPO, Art. 75 Abs. 2 BGG; interne Schiedsgerichtsbarkeit; Gesuch um Ernennung eines Schiedsrichters; Prüfungsbefugnis des "juge d'appui"; Beschwerde ans Bundesgericht. Der Entscheid, mit dem sich der "juge d'appui" weigert, einen Schiedsrichter zu ernennen oder auf das ad hoc Gesuch nicht eintritt, kann im Rahmen der internen Schiedsgerichtsbarkeit direkt mit Beschwerde in Zivilsachen am Bundesgericht angefochten werden (E. 2). Prüfungsbefugnis des "juge d'appui" (E. 3).

141 III 596 (4A_643/2014) from 25. November 2015
Regeste: Vorausverzicht auf die Anhebung einer Beschwerde an das Bundesgericht. Wirkungslos ist die Vertragsklausel, mit der die Parteien im Voraus darauf verzichten, einen allfälligen staatlichen Entscheid einer letzten kantonalen Instanz betreffend Ansprüche, die ihrer freien Verfügung unterliegen, an das Bundesgericht weiterzuziehen (E. 1).

141 IV 249 (6B_1122/2014) from 29. Juni 2015
Regeste: Art. 11 und 117 StGB; fahrlässige Tötung; unechtes Unterlassungsdelikt; Garantenstellung aus Vertrag. Voraussetzungen einer Garantenpflicht im Allgemeinen. Unterscheidung zwischen Obhuts- und Überwachungspflichten (E. 1.1). Eine Garantenstellung aus Vertrag entsteht nicht schon durch die Vereinbarung als solche, sondern erst durch die faktische Übernahme der Stellung (E. 1.4.1).

141 IV 298 (6B_791/2014) from 7. Mai 2015
Regeste: Art. 119a BGG und Art. 410 ff. StPO; Revision eines Strafbefehls der Bundesanwaltschaft. Das Bundesgericht ist in analoger Anwendung von Art. 119a BGG für die Behandlung von Revisionsgesuchen gegen Strafbefehle der Bundesanwaltschaft zuständig (E. 1).

141 IV 305 (6B_978/2014) from 23. Juni 2015
Regeste: Illegaler Abbruch eines schützenswerten Einfamilienhauses; Verjährung der Einziehung bei Übertretungen; Berechnung der Ersatzforderung; Art. 26 und 36 Abs. 3 BV; Art. 97 Abs. 3, Art. 70 f. und 109 StGB. Verjährung der Einziehung bei Übertretungen (E. 1). Anwendung des Brutto- oder Nettoprinzips bei der Festlegung einer Ersatzforderung (Zusammenfassung und Bestätigung der Rechtsprechung; E. 6.3.3). Kognition des Bundesgerichts bei Ersatzforderungen in Anwendung kantonalen Rechts (E. 6.4). Der Beschwerdeführer liess das Einfamilienhaus im Wissen um die verweigerte Entlassung des Objekts aus dem kommunalen Inventar der schützenswerten Kulturobjekte abreissen, um darauf eine gewinnbringende Überbauung vornehmen zu können. Nicht als willkürlich oder unverhältnismässig zu beanstanden ist unter diesen Umständen, wenn die Kosten des Abbruchs, d.h. der eigentlichen Straftat, und der Wert des abgebrochenen Gebäudes bei der Berechnung der Ersatzforderung nicht zum Abzug zugelassen werden. Unerheblich war, dass im Zeitpunkt des Einziehungsentscheids noch nicht mit letzter Sicherheit feststand, ob das Immobilienprojekt mit der höheren Ausnutzung überhaupt verwirklicht werden kann (E. 6.5). Ermittlung des Verkehrswerts des unüberbauten Grundstücks nach der Lageklassenmethode (E. 6.6).

141 IV 317 (6B_988/2014 und andere) from 23. Juni 2015
Regeste: Illegaler Abbruch eines schützenswerten Einfamilienhauses; Berechnung der Ersatzforderung gegenüber Drittbetroffenen; Art. 26 und 36 Abs. 3 BV; Art. 70 f. StGB. Illegaler Abbruch eines schützenswerten Einfamilienhauses durch einen Eigentümer und Vertreter des Baukonsortiums, wobei die weiteren Eigentümer (Drittbetroffene) das Haus bloss auf legale Weise zerstören wollten. Kognition des Bundesgerichts bei Ersatzforderungen in Anwendung kantonalen Rechts (E. 5.4). Anwendung des Brutto- oder Nettoprinzips bei der Festlegung einer Ersatzforderung (Zusammenfassung und Bestätigung der Rechtsprechung; E. 5.8.2). Das Nettoprinzip drängt sich vorliegend bei der Berechnung der Ersatzforderungen der Drittbetroffenen aus Gründen der Verhältnismässigkeit auf und ist auch mit dem Grundsatz "Verbrechen soll sich nicht lohnen" vereinbar. Es ist daher zumindest der von diesen bezahlte Kaufpreis für das Grundstück bzw. der Marktwert des Grundstücks vor Abbruch des Einfamilienhauses zum Abzug zuzulassen (E. 5.8.3-5.8.5).

141 IV 349 (6B_573/2015) from 17. Juli 2015
Regeste: Rechtswidrige Haftbedingungen; Wiedergutmachung nach Einritt der Rechtskraft des Strafurteils. Die Grundsätze zur Wiedergutmachung bei rechtswidrigen Bedingungen der Untersuchungshaft oder der geschlossenen stationären Behandlung sind mutatis mutandis auch auf den Strafvollzug anwendbar (E. 2.1). Nach Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils kann jedoch der vom Gefangenen aufgrund rechtswidriger Haftbedingungen während der Untersuchungshaft oder des Strafvollzugs erlittene Schaden grundsätzlich nicht mehr mit einer vorzeitigen Entlassung wiedergutgemacht werden. Vorbehalten bleiben ausserordentliche Umstände (E. 2.2). Sofern damit nicht in die Kompetenzen des Zwangsmassnahmengerichts gemäss Art. 18 Abs. 1 StPO eingegriffen wird, erscheint es nicht bundesrechtswidrig, die für den Straf- und Massnahmevollzug zuständige Behörde für die Beurteilung eines nach Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils gestellten Gesuchs um Feststellung der rechtswidrigen Bedingungen der Untersuchungshaft zuständig zu erklären (E. 3.1). Prüfung des Feststellungsinteresses des Gefangenen im Beschwerdeverfahren (E. 3.4). Ersucht ein Gefangener nach Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils um Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Haftbedingungen während der Untersuchungshaft sowie des Strafvollzugs, und hat die für den Straf- und Massnahmevollzug zuständige Behörde bereits über den ersten Zeitraum entschieden, ist es nicht überspitzt formalistisch, ihn für den zweiten Zeitraum an die nach kantonalem Recht zuständige Administrativbehörde zu verweisen (E. 4).

141 V 155 (9C_586/2014) from 3. März 2015
Regeste: Art. 4 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1, 2 und 5 lit. a ELG; Art. 7 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 ELV; Anspruch auf gesondert berechnete Ergänzungsleistungen. Der Anspruch auf eine im Sinne von Art. 7 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 ELV gesondert berechnete jährliche Ergänzungsleistung setzt nicht einen bestehenden EL-Anspruch des (AHV- oder IV-)rentenberechtigten Elternteils voraus (E. 3 und 4).

141 V 175 (9C_686/2014) from 17. März 2015
Regeste: Art. 64a KVG; Art. 105i KVV; Nichtbezahlung von Prämien und Kostenbeteiligungen. Art. 105i KVV bildet eine hinreichende gesetzliche Grundlage, um Verfügungen über die Ausrichtung von Ergänzungsleistungen zur AHV/IV und von Sozialhilfe einem Verlustschein gleichzusetzen (E. 4.2). Die Übernahme durch den Kanton von 85 % der Forderungen aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung, die zur Ausstellung eines Verlustscheines oder eines gleichwertigen Rechtstitels geführt haben, greift nicht in die vertragliche Beziehung zwischen Krankenversicherer und Versicherten ein. Der Krankenversicherer allein bleibt berechtigt, die Bezahlung von unbezahlten Forderungen zu bewirken. Ein Kanton hat nicht die Befugnis, einen Krankenversicherer daran zu hindern, einen Versicherten zu betreiben (E. 4.4).

141 V 191 (9C_660/2014) from 5. März 2015
Regeste: Art. 64 Abs. 6 AHVG; Art. 203 AHVV, in Kraft gestanden bis 31. Dezember 2006; Art. 52 und 55 Abs. 2 ATSG; Art. 5 Abs. 1 und Art. 44 VwVG; Entscheid über die Zugehörigkeit zu einer Ausgleichskasse. Das Verfahren vor dem BSV bei Streitigkeiten über die Kassenzugehörigkeit richtet sich nach dem VwVG. Es ist somit kein Einspracheverfahren durchzuführen. Die Verfügungen des Bundesamtes unterliegen der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (E. 3).

141 V 234 (9C_765/2014) from 23. März 2015
Regeste: Art. 9 Abs. 1 AHVG und Art. 20 Abs. 3 AHVV. Nachdem im Gesetzgebungsverfahren betreffend das Bundesgesetz über die kollektiven Kapitalanlagen (KAG) eine Anpassung des AHV-Beitragsrechts nicht thematisiert wurde, besteht (vorerst) kein Grund, von der ständigen Praxis abzuweichen, wonach für eine Beitragspflicht gestützt auf Art. 20 Abs. 3 AHVV der erwerbliche Charakter einer Personengemeinschaft entscheidend ist. Es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, die AHV-rechtliche Beitragspflicht weiter zu fassen als der Gesetz- und Verordnungsgeber (E. 5.4). Investitionen in kollektive Kapitalanlagen sind allerdings - analog der Rechtsprechung zu den Wertschriften- und Liegenschaftenhändlern - von erwerblichem Charakter und unterliegen somit der AHV-Beitragspflicht, wenn ein gewerbsmässiger Investor unter Einsatz erheblicher Mittel eine Vielzahl kollektiver Risikokapitalanlagen tätigt, die zumindest teilweise einen engen Bezug zur Arbeitgeberfirma aufweisen (E. 6.3.3).

141 V 281 (9C_492/2014) from 3. Juni 2015
Regeste: Art. 4 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 6-8 ATSG (insbesondere Art. 7 Abs. 2 ATSG); psychosomatische Leiden und rentenbegründende Invalidität. Feststellung der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung: Bedeutung der diagnostischen Voraussetzungen, auch für die Einschätzung der funktionellen Auswirkungen (E. 2.1). Tragweite der Ausschlussgründe nach BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 51 (E. 2.2). Beurteilung der Arbeits(un)fähigkeit (E. 3-5): Aufgabe der Überwindbarkeitsvermutung (Änderung der Rechtsprechung; E. 3.4 und 3.5). Das bisherige Regel/Ausnahme-Modell wird durch einen strukturierten normativen Prüfungsraster ersetzt (E. 3.6). Unveränderte Geltung der Grundsätze betreffend die Zumutbarkeit; Betonung der Konzepte der indirekten Beweisführung sowie der objektivierten Betrachtungsweise bei materieller Beweislast der rentenansprechenden Person (E. 3.7). Anpassung des Beurteilungsrasters, Rechtsnatur und Systematik des Indikatorenkatalogs; Erweiterung der Indikatoren im Hinblick auf die Erfassung von Ressourcen (E. 4.1). Anwendungsgebiet (E. 4.2). Auf den funktionellen Schweregrad bezogene Indikatoren (Änderung der Rechtsprechung betreffend die Elemente primärer Krankheitsgewinn und Komorbidität; E. 4.3). Auf die Konsistenz der funktionellen Beeinträchtigungen bezogene Indikatoren (E. 4.4). Zuständigkeiten von Recht und Medizin: rechtliches Anforderungsprofil auf medizinischer Grundlage; erforderliche Umsetzung in medizinische Leitlinien (E. 5.1). Zusammenwirken bei der konkreten Invaliditätsbemessung (E. 5.2). Zusammenfassung (E. 6). Kognition des Bundesgerichts (E. 7). Intertemporalrechtliches (E. 8).

141 V 343 (9C_620/2014) from 11. Mai 2015
Regeste: Art. 11 Abs. 1 lit. g ELG; Art. 14a Abs. 2 ELV; Anrechnung von Verzichtseinkommen bei Teilinvaliden. Das hypothetische Invalideneinkommen, das der Ermittlung des Invaliditätsgrades zugrunde liegt, kann nicht als Verzichtseinkommen im Rahmen der Berechnung der Ergänzungsleistungen herangezogen werden, wenn eine teilinvalide Person ihre Resterwerbsfähigkeit nicht ausschöpft. Solches kann insbesondere nicht aus BGE 140 V 267 abgeleitet werden. Den Sachverhalt der fehlenden oder unzureichenden Verwertung der Resterwerbsfähigkeit regelt Art. 14a Abs. 2 ELV (E. 5.4).

141 V 365 (8C_863/2014) from 16. März 2015
Regeste: Art. 17 Abs. 1, Art. 30 Abs. 1 lit. c und Abs. 3 AVIG; Art. 45 Abs. 3 und 4 AVIV; Art. 19 Abs. 4 AVG; Einstellungsdauer. Bei fehlenden Arbeitsbemühungen vor Ablauf eines auf drei Monate befristeten Temporäreinsatzes ist die Einstellung in der Anspruchsberechtigung analog dem für Arbeitsverhältnisse mit dreimonatiger Kündigungsfrist geltenden Einstellraster des SECO zu bemessen (E. 4.5).

141 V 416 (9C_486/2014) from 21. Mai 2015
Regeste: Art. 1e BVV 2; Geltung der Grundsätze der beruflichen Vorsorge auch für Vorsorgeeinrichtungen mit freier Wahl der Anlagestrategien im rein überobligatorischen Bereich. Welche Zahl von Anlagestrategien pro Vorsorgeplan oder Vorsorgewerk eine Vorsorgeeinrichtung im Rahmen von Art. 1e BVV 2 anbieten darf, hat der Bundesrat nicht ziffernmässig festgelegt. Die Verordnungsbestimmung darf aber nicht durch exzessive Auslegung ausgehöhlt und auf diesem Weg der Grundsatz der Kollektivität ausser Kraft gesetzt werden. Sammelstiftungen mit vielen angeschlossenen Vorsorgewerken ist es verwehrt, ein derart grosses Angebot vorzusehen, dass die Kollektivität praktisch nicht mehr realistisch ist (E. 5.3). Auch Vorsorgelösungen mit frei gewählter Anlagestrategie haben die Angemessenheit der Vorsorge einzuhalten. Verlangt die Aufsichtsbehörde eine entsprechende Vorabprüfung jeder einzelnen Strategie durch den Experten, ist dies weder unangemessen noch sonst wie bundesrechtswidrig (E. 6.5).

141 V 439 (9C_867/2014) from 11. August 2015
Regeste: Art. 82 Abs. 2 BVG; Art. 1 Abs. 1 BVV 3; Bestimmung des Erwerbsunfähigkeitsgrades in der Säule 3a. Die in der obligatorischen beruflichen Vorsorge geltenden Grundsätze zur Bindung der Vorsorgeeinrichtung an die Entscheidungen der IV-Organe (BGE 132 V 1 E. 3.2 S. 4) sind in der Säule 3a nicht subsidiär heranzuziehen (E. 4.2).

141 V 589 (9C_906/2014) from 17. September 2015
Regeste: Art. 48e BVV 2; Bildung von versicherungstechnischen Rückstellungen bei Teilliquidation einer Vorsorgeeinrichtung. Die gesetzeskonformen Bestimmungen des Rückstellungsreglements einer Vorsorgeeinrichtung sind bei der Erstellung der Teilliquidationsbilanz zu berücksichtigen (E. 4.2.2). Die vertragliche Verpflichtung eines Arbeitgebers zur ratenweisen und befristeten Ausfinanzierung einer Unterdeckung ist kein gleichwertiger Ersatz für die reglementarisch gebotene Bildung der Rückstellung "technischer Zinssatz" (E. 4.4 und 4.5).

141 V 657 (9C_229/2015) from 6. Oktober 2015
Regeste: Art. 73 BVG; Art. 2 Abs. 4 lit. a des Bundesratsbeschlusses über die Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeitsvertrages für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (GAV FAR); Klagelegitimation für Beitragsforderungen und Unterstellung. Die Stiftung FAR ist befugt, auch in Bezug auf Forderungen, die vor dem 1. September 2006 entstanden, in eigenem Namen Klage zu erheben (E. 3.5.3). Auslegung des Begriffs "Betriebsteil" (E. 4.5). Im konkreten Fall fällt das Unternehmen mit seinem Betriebsteil "Erdsondenbohrungen" in den betrieblichen Geltungsbereich von Art. 2 Abs. 4 lit. a AVE GAV FAR (E. 4.7).

142 I 1 (8C_455/2015) from 8. März 2016
Regeste: a Art. 12 BV; grundrechtlicher Anspruch auf Nothilfe bei Nichtteilnahme an nicht entlöhntem Beschäftigungsprogramm. Wird die Nothilfe (im Sinne des absolut Notwendigen) wegen Nichtbefolgung der Weisung, an einem Beschäftigungsprogramm teilzunehmen, verweigert, verstösst dies, wenn die Teilnahme am Programm nicht entlöhnt wäre und das Subsidiaritätsprinzip daher nicht zur Anwendung gelangt, gegen Art. 12 BV (Bestätigung und Präzisierung der Rechtsprechung; E. 7.1-7.2.4, 7.2.6). Frage, ob die Nothilfe wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der sie beanspruchenden Person verweigert werden könnte, weiterhin offengelassen (E. 7.2.5). Erwägungen zu denkbaren anderen Sanktionen (etwa Erbringung der Nothilfe in Naturalleistungen; Verbindung von Auflagen/Weisungen mit einer Strafandrohung) bei renitentem Verhalten der Nothilfe beanspruchenden Person (E. 7.2.5).

142 I 135 (2C_207/2016) from 2. Mai 2016
Regeste: Art. 5 Ziff. 1 und Ziff. 4 EMRK, Art. 10 Abs. 2 und Art. 31 Abs. 4 BV, Art. 76a und Art. 80a AuG, Art. 83 lit. d Ziff. 1 BGG; Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts betreffend die Anordnung von Administrativhaft durch das SEM; Anspruch auf möglichst rasche richterliche Prüfung der Haft; Haftvoraussetzungen im Dublin-Verfahren. Gegen die Anordnung von Administrativhaft ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auch dann zulässig, wenn die Haft in funktionellem Zusammenhang mit einem Asylverfahren steht und die richterliche Haftprüfung nicht durch eine kantonale Vorinstanz, sondern durch das Bundesverwaltungsgericht erfolgte (E. 1). Verlangt der Betroffene erstmals die richterliche Prüfung der Haftanordnung, hat diese so rasch wie möglich zu erfolgen. Die 8-tägige Frist gemäss Art. 80a Abs. 4 AuG betrifft nicht die erstmalige richterliche Prüfung der Haft, sondern die Beurteilung eines späteren Haftentlassungsgesuchs (E. 3). Allein der Umstand, dass eine Person in einem anderen Dublin-Staat ein Asylgesuch gestellt hat, rechtfertigt eine Haft nicht. Für eine Haftanordnung gestützt auf Art. 76a AuG müssen konkrete Anzeichen einer erheblichen Gefahr des Untertauchens bestehen (E. 4).

142 I 177 (2C_886/2015) from 16. November 2016
Regeste: Art. 50 Abs. 1, Art. 75 Abs. 1 BV; § 44 Abs. 2, § 45 Abs. 1, § 116 Abs. 4, § 130 Abs. 1 KV/BL; Art. 5 Abs. 1 RPG; Gemeindeautonomie für Aufgaben von lokaler Bedeutung im Bereich der Raumplanung; Begrenzung durch übergeordnetes Recht; Erhebung einer Mehrwertabgabe durch eine Gemeinde, wenn der Kanton seinen Gesetzgebungsauftrag nicht erfüllt. Gemeindeautonomie (E. 2 und 3.1). Aufgaben von Bund, Kantonen und Gemeinden im Bereich der Raumplanung (E. 4.1). Die Erhebung einer Mehrwertabgabe entspricht einem durch die Bundesgesetzgebung (Art. 5 Abs. 1 RPG) und die kantonale Verfassung (§ 116 Abs. 4 KV/BL) vorgesehenen Gesetzgebungsauftrag an die kantonale Legislative, dem diese im Kanton Basel-Landschaft bislang nicht nachgekommen ist (E. 4.2 einleitend). Solange der Kanton von seiner Kompetenz zur Erhebung einer Mehrwertabgabe nicht Gebrauch macht, kann den Gemeinden nicht verwehrt sein, diese Aufgabe in eigener Kompetenz wahrzunehmen, weil sie eng mit der ihnen obliegenden Ortsplanung verknüpft ist (E. 4.2.1-4.2.3). Finanzkompetenz der Gemeinden im Bereich der Mehrwertabgaben (E. 4.3).

142 II 49 (8C_376/2015) from 24. März 2016
Regeste: Art. 8 Abs. 3 Satz 3 BV; Art. 3 Abs. 2, Art. 6 GlG; Lohngleichstellung von Mann und Frau im Einzelfall. Kognition des Bundesgerichts und der kantonalen Verwaltungsgerichte hinsichtlich der Überprüfung des Lohngleichheitsgebots im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisses (E. 4). Die gestützt auf Art. 8 Abs. 3 Satz 3 BV und Art. 3 Abs. 2 GlG geltend gemachten bundesrechtlichen Ansprüche dürfen nicht durch kantonalrechtliche Verwirkungs- und Verjährungsbestimmungen erschwert werden (E. 5.2). Glaubhaftmachung einer Lohndiskriminierung nach Art. 6 GlG im Vergleich mit dem Amtsvorgänger oder -nachfolger (E. 6.2). Berücksichtigung von Anfangs- und Schlusslöhnen im Rahmen der Glaubhaftmachung (E. 7.2).

142 II 243 (2C_739/2015) from 25. April 2016
Regeste: Art. 3 lit. a, Art. 33 FINMAG; Art. 29 Abs. 2 BV; Art. 35, Art. 61 VwVG; Art. 9 Abs. 2 aBankV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Art. 14 Ziff. 3 lit. g UNO-Pakt II. Verfahren auf Erlass eines finanzmarktrechtlichen Berufsverbots; Selbstbelastungsverbot. Eine im Verfahren gegen die Beaufsichtigte ergangene Verfügung kann der für die Beaufsichtigte tätigen oder tätig gewesenen natürlichen Person im anschliessend gegen sie geführten Verfahren nicht im Sinne einer rechtskräftig beurteilten Vorfrage entgegengehalten werden (E. 2). Anforderungen an die Begründungsdichte im Falle von aufsichtsrechtlich relevanten Unterlassungen (E. 3.1). In auf Auferlegung eines Berufsverbots gerichteten Verfahren kann auf Aussagen abgestellt werden, welche die natürliche Person im gegen die Beaufsichtigte geführten Verfahren getätigt hat: Das Selbstbelastungsverbot steht einer Verwertung dieser Aussagen nicht entgegen, weil das Berufsverbot hinsichtlich seiner Art und Schwere eine wirtschaftspolizeirechtlich motivierte Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit und nicht eine strafrechtliche Anklage i.S.v. Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist (E. 3.2-3.4).

142 II 355 (2C_419/2015) from 3. Juni 2016
Regeste: Art. 65 DBG; verdecktes Eigenkapital; Darlehen eines Dritten, das durch Liegenschaften der kreditnehmenden Gesellschaft gesichert ist und für welches eine nahestehende Person gemeinschaftlich und solidarisch haftet. Der Ansatz des Kreisschreibens Nr. 6 der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 6. Juni 1997 zum verdeckten Eigenkapital, gemäss welchem die von einem Aktionär oder einer nahestehenden Person geleistete Sicherheit für das Darlehen eines Dritten gleich zu behandeln ist wie ein Darlehen des Aktionärs oder der nahestehenden Person (vgl. E. 7.1), lässt sich mit Art. 65 DBG insoweit vereinbaren, als der geleisteten Sicherheit wirtschaftlich betrachtet die Funktion eines Darlehens zukommt (E. 7.2). Falls das Darlehen des Dritten von einer dinglichen Sicherheitsleistung der kreditnehmenden Gesellschaft erfasst wird, diese Sicherheitsleistung jedoch nicht den gesamten Darlehensbetrag abzudecken vermag, so erhellt, dass der ungedeckte Teil des Darlehens der Gesellschaft aufgrund der persönlichen Mithaftung des Aktionärs resp. der nahestehenden Person zugestanden wurde und somit verdecktes Eigenkapital darstellt. Der Nachweis, dass die Rahmenbedingungen der Mittelbeschaffung marktkonform sind, bleibt vorbehalten (E. 7.3). Anwendung dieser Grundsätze auf den konkreten Fall (E. 7.4 und 7.5).

142 II 369 (2C_6/2016) from 18. Juli 2016
Regeste: Ist die Aargauische Pensionskasse bei der Vergabe von Unterhaltsarbeiten an Liegenschaften ihres Anlagevermögens dem kantonalen Vergaberecht unterstellt? Beurteilung der Frage nach Staatsvertrags-, Bundes-, und kantonalem Recht. Zulässigkeit der Beschwerde (E. 1.1-1.4). Beschwerdelegitimation der Aargauischen Pensionskasse im Sinne von Art. 89 Abs. 1 BGG bejaht (E. 1.5). Kognition und Rügen (E. 2). Eine Unterstellung unter das Vergaberecht ergibt sich nicht bereits aus dem Staatsvertragsrecht (E. 3). Das kantonale Recht kann den subjektiven Geltungsbereich des Vergaberechts weiter fassen als das Staatsvertrags-, Bundes- und interkantonale Recht. Es ist nicht willkürlich, die Pensionskasse als Anstalt des Kantons in Bezug auf die streitbetroffenen Aufträge dem kantonalen Vergaberecht zu unterstellen (E. 4). Die Unterstellung verstösst nicht gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechts (Art. 49 BV) bzw. nicht gegen Art. 111 und Art. 113 BV, ebenso wenig gegen das BVG (E. 5). Frage der Grundrechtsträgerschaft (Art. 27 BV) der Pensionskasse offengelassen, da die Aargauische Pensionskasse mehrheitlich nicht im Wettbewerb tätig ist (E. 6). Gerichtskosten: Submissionsrechtliche Angelegenheiten gelten als Fälle mit Vermögensinteresse (Art. 68 Abs. 1 und 4 BGG), auch wenn es bloss um die Frage geht, ob das Beschaffungsrecht anwendbar ist (E. 7).

142 III 110 (5A_619/2015) from 21. Dezember 2015
Regeste: Art. 106 ff. ZPO; Prozesskostenverteilung im Einparteienverfahren. Obsiegt die Partei in einem Einparteienverfahren vor der Rechtsmittelinstanz, so hat ihr der Kanton unter Vorbehalt von Art. 116 ZPO eine Parteientschädigung für das Rechtsmittelverfahren auszurichten (E. 3.1-3.4).

142 III 153 (5A_52/2015) from 17. Dezember 2015
Regeste: Art. 299 f. ZPO; Verordnung des zürcherischen Obergerichts vom 8. September 2010 über die Anwaltsgebühren (AnwGebV): Kriterien für die Bemessung der Entschädigung des Verfahrensbeistandes des Kindes im Ehescheidungsverfahren seiner Eltern. Abgeltung des notwendigen Aufwandes; Bedingungen für die Zulässigkeit eines pauschalisierenden Tarifes (E. 2.5, 3.2, 3.3 und 4). Berücksichtigung der prozessualen Natur und der Funktion der Kindervertretung (E. 5.1 und 5.2). Möglichkeit des Gerichts, bei der Mandatierung und bei der Prozessinstruktion den Aufgabenumfang des Verfahrensbeistandes zu steuern (E. 5.3.2 und 5.3.3). Berücksichtigung der beruflichen Qualifikation; Bestellung eines Anwaltes als Ausnahme (E. 5.3.4). Rahmenbedingungen für eine neue Beurteilung und Festsetzung des Honorars (E. 6).

142 III 234 (5A_326/2015) from 14. Januar 2016
Regeste: Art. 17 Abs. 2 und Art. 20a Abs. 2 Ziff. 3 SchKG; Beschwerdeverfahren, Zulässigkeit neuer Begehren vor der Aufsichtsbehörde. Von Bundesrechts wegen sind neue Anträge, die vor der Aufsichtsbehörde nach Ablauf der Beschwerdefrist gestellt werden, grundsätzlich unzulässig (E. 2.2).

142 III 284 (4A_422/2015) from 16. März 2016
Regeste: Art. 378 Abs. 2 und Art. 393 lit. d ZPO; interne Schiedsgerichtsbarkeit; Verzicht auf das Schiedsverfahren; rechtliches Gehör. Rechtsnatur des Entscheids, mit dem das Schiedsgericht das Verfahren abschreibt und über die Verfahrenskosten entscheidet, nachdem eine Partei nach Art. 378 Abs. 2 ZPO auf das Schiedsverfahren verzichtet hat (E. 1.1). Zulässige Rüge gegen einen solchen Entscheid (E. 3.2). Das Schiedsgericht kann im Hinblick auf den Anspruch auf rechtliches Gehör einen entsprechenden Entscheid nicht erlassen, ohne den Parteien vorgängig die Gelegenheit zu geben, ihre Argumente hinsichtlich der Kosten- und Entschädigungsfolgen des gegenstandslos gewordenen Schiedsverfahrens vorzubringen (E. 4).

142 III 413 (4A_619/2015) from 25. Mai 2016
Regeste: Art. 310, 311, 316, 317, 328 ZPO; Verfahren und Novenrecht in der Berufungsinstanz. Grundsätze des Berufungsverfahrens (E. 2.2.1 und 2.2.2); Kognition des Berufungsgerichts und letztmöglicher Zeitpunkt, in dem im Berufungsverfahren Noven vorgebracht werden können (E. 2.2.3-2.2.5); Verhältnis zur Revision (E. 2.2.6).

142 III 705 (9C_300/2016) from 13. Oktober 2016
Regeste: Art. 306 Abs. 1 Ziff. 2 und Abs. 2, Art. 307 Abs. 1 und Art. 310 Abs. 1 SchKG; Nachlassvertrag, der bezüglich einer eingegebenen Forderung an einem auf das Verhalten der Sachwalterin zurückzuführenden Mangel leidet. Der bestätigte Nachlassvertrag, der unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist, kann privilegierten Forderungen, die eingegeben, vom Sachwalter aber eigenmächtig nicht im ganzen Betrag aufgenommen wurden, entgegengehalten werden (E. 4).

142 IV 70 (6B_845/2015) from 1. Februar 2016
Regeste: Art. 17 Abs. 1 und Art. 311 Abs. 1 Satz 2 StPO; Zuständigkeit für den Erlass von Übertretungsstrafbefehlen. Art. 17 Abs. 1 und Art. 311 Abs. 1 Satz 2 StPO richten sich an den kantonalen Gesetzgeber. Hat ein Kanton von der in Art. 17 Abs. 1 und Art. 311 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgesehenen Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, gelangen für die Verfolgung und Beurteilung von Übertretungen die gewöhnlichen Bestimmungen der StPO zur Anwendung, d.h. für die Beweiserhebung und den Erlass des Strafbefehls ist der mit dem Fall befasste Staatsanwalt zuständig (E. 3). Die Kantone können den Erlass von Übertretungsstrafbefehlen in analoger Anwendung von Art. 17 Abs. 1 StPO an Untersuchungsbeauftragte der Staatsanwaltschaft delegieren. Eine kantonale Regelung, wonach bei Übertretungen innerhalb der Staatsanwaltschaft nicht die Staatsanwälte, sondern andere Mitarbeiter für den Erlass von Strafbefehlen zuständig sind, verstösst nicht gegen übergeordnetes Recht. Erforderlich ist jedoch ein gültiger kantonaler Erlass, der dies explizit vorsieht (E. 4).

142 IV 237 (6B_1061/2014) from 18. April 2016
Regeste: Art. 429 Abs. 1 lit. b StPO; Entschädigung der wirtschaftlichen Einbussen. Wird die beschuldigte Person ganz oder teilweise freigesprochen, hat der Staat den gesamten Schaden wiedergutzumachen, der mit dem Strafverfahren in einem adäquaten Kausalzusammenhang steht (E. 1.3.1). Nicht erforderlich ist, dass die wirtschaftliche Einbusse der beschuldigten Person auf eine bestimmte Verfahrenshandlung zurückzuführen ist (E. 1.3.3). Auch der durch den Verlust der Arbeitsstelle entstandene Schaden ist grundsätzlich zu entschädigen (E. 1.3.4). Ansprüche auf Entschädigung und Genugtuung beurteilen sich grundsätzlich nach der im Zeitpunkt ihres Entstehens massgebenden Rechtsgrundlage. Es kann ausnahmsweise zulässig sein, den gesamten Anspruch nach dem neuen Recht zu beurteilen, sofern dieses für die beschuldigte Person nicht nachteiliger ist (E. 1.4). Die Strafbehörden tragen keine Verantwortung für ein Fehlverhalten anderer Behörden. Adäquater Kausalzusammenhang zwischen dem Strafverfahren und der sachlich nicht gerechtfertigten Entlassung eines Lehrers verneint (E. 1.5.3).

142 V 2 (9C_381/2015) from 17. Dezember 2015
Regeste: a Art. 49 Abs. 2 ATSG; Feststellungsverfügung; Begriff des schützenswerten Interesses. Eine versicherte Person hat ein schützenswertes Interesse, durch die zuständige Ausgleichskasse klären zu lassen, ob die ihr derzeit gewährten Sozialversicherungsleistungen im Falle des Wegzugs ins Ausland weiterhin ausgerichtet werden (E. 1).

142 V 26 (9C_417/2015) from 14. Dezember 2015
Regeste: Art. 65d Abs. 1bis KVV (in der von 1. Juni 2013 bis 31. Mai 2015 in Kraft gestandenen Fassung) i.V.m. Art. 32 Abs. 1 und 2 KVG; dreijährliche Überprüfung der Bedingungen für die Aufnahme in die Spezialitätenliste. Wesentlich für den Begriff der Wirtschaftlichkeit gemäss Art. 32 Abs. 1 KVG ist der komparative Charakter (E. 5.2.1). Sofern mehrere Arzneimittel gleicher Indikation oder ähnlicher Wirkungsweise zur Auswahl stehen, ist die vergleichende Wertung bzw. die Prüfung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses unabdingbares Element bei der Prüfung der Bedingungen für die Aufnahme in die Spezialitätenliste (E. 5.2.2). Die periodische Überprüfung gemäss Art. 32 Abs. 2 KVG hat umfassend zu erfolgen, unter Einschluss einer Kosten-Nutzen-Analyse (E. 5.2.3). Eine indirekte Kosten-Nutzen-Analyse findet mittels therapeutischem Quervergleich statt (E. 5.3). Art. 65d Abs. 1bis KVV, welcher im Regelfall eine ausschliesslich preisbezogene Überprüfung vorsieht, hält vor dem Legalitätsprinzip nicht stand (E. 5.4).

142 V 94 (9C_235/2015) from 17. Dezember 2015
Regeste: Art. 25a Abs. 5 KVG; Restfinanzierung der Pflegekosten. Eine freiberufliche Pflegefachperson erbrachte nach einer Reduktion des von der öffentlichen Hand zu tragenden Restfinanzierungsbeitrages weiterhin Leistungen. Sie war aus diesem Grund im kantonalen Verfahren beschwerdelegitimiert. Da es sich um eine konkrete, nicht um eine abstrakte (Leistungs-)Streitigkeit handelt, ist die II. sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts für die Behandlung der letztinstanzlichen Beschwerde zuständig (E. 1). Eine kantonale Regelung, wonach die Gemeinden höchstens den für Vertragsleistungserbringer geltenden Restfinanzierungsbeitrag zu übernehmen haben, wenn und soweit diese geeignete Pflegeleistungen anbieten, hält sich innerhalb der den Kantonen in Art. 25a Abs. 5 KVG übertragenen Regelungskompetenz (E. 5.3).

142 V 118 (9C_720/2015) from 26. Februar 2016
Regeste: Art. 41 Abs. 2 und Art. 66 Abs. 3 BVG; Nachforderung von Beiträgen, die nicht vom Lohn abgezogen worden sind, durch den Arbeitgeber; Verjährung. Die Nachforderung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer über Beiträge der beruflichen Vorsorge, die nicht vom Lohn abgezogen worden sind, beruht auf Art. 66 Abs. 3 BVG (E. 5). Sie untersteht der fünfjährigen Verjährungsfrist nach Art. 41 Abs. 2 BVG (E. 6).

142 V 178 (9C_632/2015) from 4. April 2016
Regeste: Art. 28a IVG in Verbindung mit Art. 16 und 17 ATSG; Einkommensvergleich; Festsetzung der hypothetischen Einkommen aufgrund der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung 2012 des Bundesamtes für Statistik (LSE 2012). Unterschiede zwischen der LSE bis 2010 und der LSE 2012 (E. 2.5.3). Anwendbarkeit der LSE 2012 auf alle Fälle erstmaliger Invaliditätsbemessung und auf Neuanmeldungen nach vorausgegangener rechtskräftiger Ablehnung oder nach Aufhebung der Invalidenrente sowie im Revisionsverfahren (mit Entstehung des potentiellen oder Veränderung des laufenden Rentenanspruchs im Jahr 2012 oder später). Laufende, gestützt auf die LSE bis 2010 rechtskräftig zugesprochene Invalidenrenten dürfen nicht allein zufolge Anwendung der Tabellenlohnwerte gemäss LSE 2012 in Revision gezogen werden (E. 2.5.7 und 2.5.8.1). Das IV-Rundschreiben Nr. 328 des BSV vom 22. Oktober 2014, das eine integrale Anwendbarkeit der LSE 2012 im Revisionsfall vorsieht, ist in dem Sinne einzuschränken, dass die LSE 2012 für die Invaliditätsbemessung im Revisionsverfahren betreffend eine laufende, gestützt auf die LSE bis 2010 rechtskräftig zugesprochene Invalidenrente anwendbar ist, ausser wenn sich allein durch ihre Verwendung eine anspruchsrelevante Änderung des Invaliditätsgrades ergibt (E. 2.5.8.1).

142 V 349 (9C_583/2015) from 17. Juni 2016
Regeste: Art. 14 und 16 ELG; Art. 19b ELV; Art. 5 und 8 des Tessiner Einführungsgesetzes vom 23. Oktober 2007 zum Bundesgesetz vom 6. Oktober 2006 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung; Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten durch die Kantone im Rahmen der Ergänzungsleistung, wenn eine Hilflosenentschädigung ausgerichtet wird. Seit dem 1. Januar 2008 obliegt es den Kantonen, die Art und Weise der Vergütung der Krankheits- und Behinderungskosten näher zu regeln. Mangels einer spezifischen bundesrechtlichen Vorschrift sind die Kantone insbesondere frei festzulegen, ob eine Hilflosenentschädigung von den Kosten nach Art. 14 Abs. 1 lit. b ELG abzuziehen ist, wenn diese weniger als Fr. 25'000.- betragen. Bundesrechtlich vorgeschrieben ist ein solcher Abzug nur in den in Art. 14 Abs. 4 ELG und Art. 19b ELV vorgesehenen Fällen (E. 6.3). Das Recht des Kantons Tessin kennt bei der Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten, für welche nicht eine andere Versicherung aufkommt, keinen Abzug der Hilflosenentschädigung (E. 7.2).

142 V 407 (9C_44/2016) from 7. Juli 2016
Regeste: Art. 10 Abs. 2 lit. a und b ELG; Art. 25a Abs. 1 ELV; Art. 3 Abs. 1, Art. 4 ff., 8, 12 und 13 PAVO; § 4 Abs. 3 des Gesetzes des Kantons Thurgau vom 25. April 2007 über Ergänzungsleistungen zur AHV/IV; § 5b Abs. 1 Ziff. 5 und § 6 Abs. 1 der Verordnung des Regierungsrates des Kantons Thurgau vom 11. Dezember 2007 zum Gesetz über Ergänzungsleistungen zur AHV/IV; § 6a, 6b Abs. 1 und § 6c Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Thurgau vom 29. März 1984 über die öffentliche Sozialhilfe; Definition des Heimes. Für die in Frage stehende Zeitspanne ist die Pflegefamilie, welche die minderjährige EL-Bezügerin betreut, nicht als Heim bzw. heimähnliche Institution im Sinne der bundes- und kantonalrechtlichen Regelungen zu qualifizieren. Es gelangt daher eine niedrigere Tagestaxe zur Anwendung (E. 3-5). Die Mehrkosten, die durch die fachliche Betreuung der Pflegeeltern durch die beauftragte Familienplatzierungsorganisation entstehen, stellen keine anerkannten Ausgaben in Form von persönlichen Auslagen des Pflegekindes dar (E. 6).

142 V 419 (9C_704/2015) from 8. August 2016
Regeste: Art. 26 Abs. 1 und 2, Art. 34a Abs. 1 BVG; Art. 24 BVV 2; Art. 122 Abs. 1 und Art. 124 Abs. 1 ZGB; Eintritt des Vorsorgefalles Invalidität. Die vollständige Kürzung eines Anspruchs auf eine Invalidenrente der beruflichen Vorsorge zufolge Überentschädigung ändert nichts am Eintritt des Vorsorgefalles Invalidität nach Massgabe der ersten Säule im Rahmen einer Scheidung (E. 4; Präzisierung der Rechtsprechung gemäss BGE 134 V 28 E. 3.4.2 S. 32).

142 V 488 (9C_737/2015) from 13. Oktober 2016
Regeste: Art. 65d Abs. 1ter KVV (in Kraft gestanden vom 1. Mai 2012 bis 30. Juni 2015) und Art. 35b KLV i.V.m. der Übergangsbestimmung zur Änderung der KLV vom 21. März 2012 (gültig vom 1. Mai 2012 bis 31. Dezember 2014); Auslandpreisvergleich; Toleranzmarge zum durchschnittlichen Fabrikabgabepreis der Referenzländer. Die Voraussetzungen für eine befristete Aufnahme in die Spezialitätenliste können bei der unbefristeten Aufnahme nicht mehr überprüft werden (E. 5). Wird ein Arzneimittel zunächst befristet und anschliessend unbefristet in die Spezialitätenliste aufgenommen, besteht im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei der unbefristeten Aufnahme kein Anspruch auf Gewährung einer Toleranzmarge (E. 6). Die Nichtgewährung einer Toleranzmarge verstösst weder gegen die Rechtsgleichheit (E. 7.1) noch schränkt sie die Wirtschaftsfreiheit ein (E. 7.2).

142 V 538 (9C_337/2016, 9C_383/2016) from 17. November 2016
Regeste: Art. 9 Abs. 2 IVG; aArt. 22quater Abs. 2 IVV, in Kraft gestanden bis 31. Dezember 2007; Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 lit. a, Art. 19 f. und Ziff. 4 Anhang VI (Schweiz) der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (in Kraft gestanden bis 31. März 2012): Versicherungsmässige Voraussetzungen in Bezug auf Eingliederungsmassnahmen bei Kindern von in der Schweiz erwerbstätigen Grenzgängern. Art. 9 Abs. 2 IVG und aArt. 22quater Abs. 2 IVV, welche die Unterstellung von Kindern von in der Schweiz tätigen Grenzgängern unter die schweizerische Invalidenversicherung nicht vorsehen, halten sich im Rahmen der Verordnung Nr. 1408/71 und verstossen insbesondere nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot von Art. 3 Abs. 1 (E. 6).

142 V 551 (9C_160/2016) from 19. August 2016
Regeste: a Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 BV; Art. 92, 93 und 100 BGG; Vertrauensschutzprinzip im Falle geänderter Rechtsprechung zum Fristbeginn bei Anfechtung von Kostenregelungen in einem Rückweisungsentscheid. Die bisherige - mit BGE 142 II 363 (Urteil 2C_309/2015 vom 24. Mai 2016) geänderte - bundesgerichtliche Praxis, wonach bei Kostenregelungen in Rückweisungsentscheiden erst die Rechtskraft (und nicht bereits die Eröffnung) der neuen Verfügung fristauslösend wirkt, wurde hauptsächlich in Fällen auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts angewendet. Ein Nichteintreten auf die vor dem 24. Mai 2016 eingereichte Beschwerde der IV-Stelle infolge Fristversäumnisses verletzte trotz prinzipiell sofortiger Anwendbarkeit der bereinigten fristbestimmenden Leitlinien den Grundsatz des Vertrauensschutzes (E. 3 und 4).

142 V 577 (8C_438/2016) from 16. November 2016
Regeste: Art. 8 Abs. 1 BV; § 85ter Abs. 2 des Sozialgesetzes des Kantons Solothurn vom 31. Januar 2007; Familienergänzungsleistungen. § 85ter Abs. 2 des Sozialgesetzes des Kantons Solothurn, wonach auch bei Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen durch beide Elternteile nur einer Anspruch auf Familienergänzungsleistungen hat, verstösst nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot von Art. 8 Abs. 1 BV (E. 4 und 5).

143 I 1 (8C_182/2016) from 6. Dezember 2016
Regeste: a Art. 22, Art. 42 Abs. 2, Art. 87, Art. 95 lit. b und Art. 106 Abs. 2 BGG; Art. 34 BGerR; Beschwerde gegen Erlasse. Zuständigkeit der I. sozialrechtlichen Abteilung (E. 1.1). Mangels kantonalen Verfahrens zur abstrakten Normenkontrolle ist die Beschwerde direkt ans Bundesgericht zulässig (E. 1.2). Internationales Recht muss direkt anwendbar sein, damit es vor Bundesgericht angerufen werden kann (E. 1.3). Begründungserfordernisse (E. 1.4). Überprüfungsbefugnis des Verfassungsrichters im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle (E. 2.3).

143 I 377 (9C_806/2016) from 14. Juli 2017
Regeste: Art. 59 Abs. 5 IVG; Art. 13 BV; Art. 8 EMRK; Zulässigkeit und Verwertbarkeit einer im Invalidenversicherungsverfahren angeordneten Observation. Eine von der IV-Stelle angeordnete Observation entbehrt einer genügenden gesetzlichen Grundlage und verletzt daher Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV (E. 4). Das Beweismaterial, das im Rahmen einer rechtswidrig angeordneten Observation im öffentlich frei einsehbaren Raum gewonnen wurde, ist im Invalidenversicherungsverfahren gestützt auf eine Interessenabwägung zwischen privaten und öffentlichen Interessen verwertbar. In casu überwiegt das erhebliche und gewichtige öffentliche Interesse an der Verhinderung des Versicherungsmissbrauchs den hier relativ bescheidenen Eingriff in die grundrechtliche Position der versicherten Person (E. 5).

143 II 350 (2C_996/2015) from 7. März 2017
Regeste: Art. 1 Abs. 1 lit. b Ziff. 1-6 und Art. 13 StG; Art. 96 lit. a BGG; Art. 959 OR; Art. 2, 11 und 19 des Haager Übereinkommens vom 1. Juli 1985 über das auf Trusts anzuwendende Recht und über ihre Anerkennung; Umsatzabgabe, Eigentumsübertragung; Anerkennung eines ausländischen Trusts; wirtschaftliche Verfügungsmacht und Buchführung. Die eidgenössischen Stempelabgaben haben insofern formellen Charakter, als für die Erhebung der Abgabe die gewählte Form und nicht der wirtschaftliche Zweck der Transaktion entscheidend ist: Der Eigentumsbegriff von Art. 13 Abs. 1 StG entspricht dem formellen zivilrechtlichen Begriff, ohne Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über die betroffenen Güter (E. 2). Anerkennung des ausländischen Trusts (E. 3). Die Eigentumsübertragung durch den schweizer Settlor auf den ausländischen Trust verhindert die Erhebung einer Umsatzabgabe (E. 4). Es spielt unter diesem Blickwinkel weder eine Rolle, ob der Trust widerrufbar ist, noch ob der Settlor vorübergehend oder endgültig entreichert ist, noch ob das investierte Kapital in der Bilanz des Settlors, der vorliegend die wirtschaftliche Verfügungsmacht darüber behalten hat, aktiviert wurde (E. 5).

143 II 425 (2C_582/2016) from 22. Mai 2017
Regeste: Art. 27 und Art. 94 BV, Art. 83 lit. f und Art. 66 BGG, Art. 11 BöB; Art. 12 VwVG, Art. 25 Abs. 4 VöB; öffentliches Beschaffungswesen, wettbewerbsneutrales Verhalten staatlicher Anbieter, Ausschluss vom Vergabeverfahren. Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten: Schwellenwert und Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (E. 1.3). Anwendbare Bestimmungen über das öffentliche Beschaffungswesen (E. 3). Ein Verstoss gegen den Grundsatz der Wettbewerbsneutralität durch einen Anbieter mit staatlichem Hintergrund stellt einen Ausschlusstatbestand im Sinne von Art. 11 BöB dar (E. 4). Reichweite des Untersuchungsgrundsatzes im Verfahren der öffentlichen Beschaffung (E. 5). Anwendung im konkreten Fall (E. 6). Kostenpflicht der ursprünglichen Zuschlagsempfängerin im bundesgerichtlichen Verfahren (E. 7).

143 II 553 (2C_1021/2016, 2D_39/2016) from 18. Juli 2017
Regeste: Art. 50 Abs. 1 BV, Art. XIII Ziff. 4 lit. b GPA, Art. 3 und 5 BGBM, Art. 13 lit. f IVöB; öffentliches Beschaffungswesen und Gemeindeautonomie, Gewichtung des Zuschlagskriteriums "Preis", Bewertung der Plausibilität eines Angebots, vergaberechtliches Transparenzprinzip. Die Gemeinden des Kantons Zürich sind für ihre Beschaffungen an die einschlägigen Submissionsvorschriften gebunden. Soweit die Zuschlagskriterien einen direkten, sachlichen Bezug zur nachgesuchten Leistung aufweisen, verfügen die Gemeinden über eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 6.1-6.3). Das wirtschaftlich günstigste Angebot im Sinne von Art. XIII Ziff. 4 lit. b GPA und Art. 13 lit. f IVöB definiert sich nicht allein über den tiefsten Preis. Bei komplexen Beschaffungen muss der Preis aber im Umfang von mindestens 20 % Berücksichtigung finden. Er darf als Zuschlagskriterium durch die verwendete Bewertungsmethode nicht weiter abgeschwächt werden (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 6.4). Beim Zuschlagskriterium "Preis" ist das tiefste Angebot im Verhältnis zu den anderen Angeboten stets am besten zu bewerten. Bewertungsabzüge mit der Begründung, der Preis als solcher sei nicht plausibel oder nicht kostendeckend, sind nicht statthaft (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 7.1). Die Bewertung eines Angebots unter dem Gesichtspunkt der Plausibilität ist aber zulässig, solange damit in objektivierbarer Weise die Leistungen bewertet werden, die vom Angebotspreis abgedeckt sind (E. 7.2-7.5). Die Bewertung der Plausibilität eines Angebots muss dabei mit dem vergaberechtlichen Transparenzprinzip vereinbar sein. Sie kann nicht ohne Weiteres im Rahmen des Zuschlagskriteriums "Preis" erfolgen (E. 7.6-7.9).

143 II 661 (2C_40/2017, 2C_41/2017) from 5. Oktober 2017
Regeste: Art. 18 Abs. 2 und Art. 37b DBG, Art. 1 und 2 LGBV; vom übrigen Einkommen getrennte und damit privilegierte Besteuerung der in den letzten zwei Geschäftsjahren realisierten stillen Reserven bei definitiver Aufgabe der selbstständigen Erwerbstätigkeit nach dem vollendeten 55. Altersjahr oder wegen Unfähigkeit zur Weiterführung infolge Invalidität. Art. 37b DBG und Art. 1 LGBV knüpfen die privilegierte Besteuerung von Liquidationsgewinnen an vier kumulative Bedingungen: Eintritt einer Invalidität im Sinne von Art. 8 ATSG bzw. Art. 4 IVG, definitive Aufgabe der selbstständigen Erwerbstätigkeit, Kausalzusammenhang zwischen Invalidität und Geschäftsaufgabe und erstmalige Inanspruchnahme der privilegierten Besteuerung (E. 2 und 3). Fall eines Steuerpflichtigen, bei dem die Invalidität im Jahre 2004 eintrat, der in der Folge aufgrund einer ärztlich attestierten Rest-Erwerbsfähigkeit von 20 % bis 2012 in diesem Rahmen selbstständig erwerbstätig blieb und die Tätigkeit 2012 definitiv aufgab (E. 4). Für die streitige Frage der Kausalität sind die allgemeinen Grundsätze des Haftpflichtrechts und die hierzu ergangene Rechtsprechung heranzuziehen (E. 5). Art. 37b DBG und Art. 1 LGBV stellen an die Kausalität keine strengeren Anforderungen, als sie sich aus den allgemeinen Grundsätzen des Haftpflichtrechts ergeben; namentlich ist eine zeitliche Nähe zwischen dem Eintritt der Invalidität und der definitiven Geschäftsaufgabe nicht erforderlich, sofern diesbezüglich der natürliche und der adäquate Kausalzusammenhang erstellt ist (E. 6). Auch lagen im beurteilten Fall keine Unterbrechungsgründe vor (E. 7), was zur Gutheissung der Beschwerde führt (E. 8).

143 III 51 (5A_355/2016) from 21. November 2016
Regeste: Art. 27 Abs. 1, Art. 31 und 96 IPRG; Art. 98 BGG; Anerkennung einer erbrechtlichen Urkunde des Auslands, schweizerischer (materieller) Ordre public. Der Entscheid über die Anerkennung einer - vorliegend erbrechtlichen - Urkunde des Auslands ist keine vorsorgliche Massnahme im Sinne von Art. 98 BGG (E. 2.3). Die Ehefrau christlichen Glaubens von jeglicher Erbberechtigung am Nachlass ihres Ehemannes muslimischer Religionszugehörigkeit auszuschliessen, verstösst gegen den schweizerischen Ordre public (E. 3.3).

143 III 520 (5A_510/2016) from 31. August 2017
Regeste: Art. 279 und 334 ZPO; Erläuterung der gerichtlichen Genehmigung einer Vereinbarung über die Scheidungsfolgen. Zur Erläuterung im Allgemeinen (E. 6.1). Bei der Erläuterung der gerichtlichen Genehmigung einer Vereinbarung über die Scheidungsfolgen hat der Richter den mutmasslichen Willen der Parteien festzustellen, aufgrund dessen er die Vereinbarung seinerzeit genehmigte (E. 6.2). Zum Rechtsweg bei der Erläuterung (E. 6.3) und zu den Gründen, die vor der Rechtsmittelinstanz angerufen werden können (E. 6.4). Anwendung im konkreten Fall (E. 7 und 8).

143 IV 241 (6B_1358/2016) from 1. Juni 2017
Regeste: Art. 319 Abs. 1 StPO; Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 BGG; häusliche Gewalt; Einstellung des Strafverfahrens bei "Aussage gegen Aussage"-Situationen; Kognition des Bundesgerichts bei Einstellungen. Der Entscheid über die Einstellung eines Strafverfahrens hat sich nach dem Grundsatz "in dubio pro duriore" zu richten (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2.2.1). Voraussetzungen, unter welchen bei "Aussage gegen Aussage"-Situationen eine Einstellung ergehen darf (E. 2.2.2). Zulässigkeit von Sachverhaltsfeststellungen und Pflicht zur Beweiswürdigung nach dem Grundsatz "in dubio pro duriore" durch die Staatsanwaltschaft und die Beschwerdeinstanz bei Einstellungen; Kognition des Bundesgerichts bei der Überprüfung des Grundsatzes "in dubio pro duriore" im Rahmen von Beschwerden gegen Einstellungsentscheide (E. 2.3). Vorliegend durfte die Vorinstanz ohne Willkür einen hinreichenden Tatverdacht für eine Anklageerhebung verneinen, da die Schilderungen der Strafanzeigerin zu den geltend gemachten körperlichen Übergriffen durch ihren Ehemann sehr allgemein gehalten sowie wenig substanziiert waren und weitere Beweise fehlten. Verletzung von Art. 319 Abs. 1 lit. a StPO oder des Grundsatzes "in dubio pro duriore" verneint (E. 2.4-2.6).

143 IV 316 (1B_271/2017) from 16. August 2017
Regeste: Art. 10 und 31 BV; Art. 5 EMRK; Art. 221 StPO; Art. 264a Abs. 1 lit. f StGB; Art. 264k StGB; Verlängerung der Untersuchungshaft wegen dringendem Tatverdacht auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Folter). Dringender Tatverdacht im Haftprüfungsverfahren, namentlich zu Beginn der Strafuntersuchung (E. 2 und 3). Der Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Allgemeinen (E. 4.1-4.5) sowie in Bezug auf Folter (E. 4.6). Strafbarkeit des Vorgesetzten (E. 4.7). Vorliegend bestehen hinreichende und konkrete Anhaltspunkte für den Verdacht, dass während der Zeit, in der der Beschwerdeführer Innenminister der Republik Gambia gewesen war, Folter planmässig als Mittel eingesetzt wurde, um die Bevölkerung einzuschüchtern und die Opposition zu unterdrücken (E. 5 und 6).

143 IV 330 (1B_322/2017) from 24. August 2017
Regeste: Art. 221 Abs. 1 StPO; Art. 12 Abs. 2 Satz 2, Art. 19 und Art. 111 StGB; Fortsetzung von Untersuchungshaft; dringender Tatverdacht einer eventualvorsätzlichen Tötung; Schuldfragen, Kausalzusammenhang. Der vom Haftrichter zu prüfende dringende Tatverdacht bezieht sich grundsätzlich auf ein tatbestandsmässiges und rechtswidriges Verbrechen oder Vergehen. Dabei können sich auch Fragen hinsichtlich des Kausalzusammenhanges stellen. Das Vorliegen und das Ausmass der strafrechtlichen Schuldfähigkeit sowie die schuldangemessene bzw. sachlich gebotene (verschuldensunabhängige) Sanktion sind demgegenüber vom Sachrichter zu prüfen. Anders liegt der Fall, wenn ausnahmsweise schon im Haftprüfungsverfahren klar ist, dass weder eine Strafe noch eine freiheitsentziehende Massnahme in Frage kommen kann. Haftrechtliche Tragweite eines psychiatrischen Gutachtens, das dem Beschuldigten Schuldunfähigkeit attestiert. Dringender Tatverdacht einer eventualvorsätzlichen Tötung bejaht bei einem Fall von mutmasslichem versuchtem Suizid des Beschuldigten durch Frontalzusammenstoss seines Fahrzeuges mit einem entgegenkommenden Personenwagen, dessen Lenker dabei getötet wurde (E. 2).

143 V 19 (9C_752/2015) from 28. Dezember 2016
Regeste: Art. 52 und 56a Abs. 1 BVG (jeweils in den bis Ende 2004 gültigen Fassungen); Art. 49a BVV 2 (in der bis Ende 2001 gültigen Fassung); Verantwortlichkeit des Stiftungsrats bei der Vermögensanlage. Anlagen im Rahmen der Grenzwerte der BVV 2 sind nicht per se zulässig, sondern nur insoweit, als sie den allgemeinen Sicherheitsanforderungen von Art. 71 BVG genügen. Die Risikofähigkeit einer Vorsorgeeinrichtung kann auch bei Einhaltung der gesetzlichen und reglementarischen Limiten überschritten werden (E. 6.1.6).

143 V 363 (9C_18/2017) from 28. November 2017
Regeste: Art. 58 Abs. 1 ATSG; Art. 14 Abs. 1 lit. b i.V.m. Abs. 2 ELG; § 5 und 5a der Verordnung des Regierungsrates des Kantons Thurgau vom 11. Dezember 2007 zum Gesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung; örtliche Zuständigkeit (negativer Kompetenzkonflikt). Wird die Vergütung für ausgewiesene Krankheits- und Behinderungskosten nach kantonalem Recht allein der Bezügerin der jährlichen Ergänzungsleistung (EL) ausbezahlt, so gilt deren Tochter, welche die Pflegeleistungen erbrachte, weder selber als versicherte Person, noch hat sie einen originären Leistungsanspruch. Ebenso wenig kann sie als Dritte im Sinne des Art. 58 Abs. 1 ATSG angesehen werden, steht doch die von ihr geltend gemachte (Pflege-)Tätigkeit bzw. deren Kostenersatz im EL-rechtlichen Kontext innerhalb des streitigen Rechtsverhältnisses. Die örtliche Zuständigkeit des kantonalen Versicherungsgerichts richtet sich daher nach dem Wohnsitz der Ergänzungsleistungsbezügerin im Zeitraum, für welchen die Anspruchsberechtigung konkret besteht (E. 5.3).

143 V 409 (8C_841/2016) from 30. November 2017
Regeste: Art. 4 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 6-8 ATSG (insb. Art. 7 Abs. 2 ATSG); Art. 28 Abs. 1 IVG; depressive Störungen leicht- bis mittelgradiger Natur und rentenbegründende Invalidität. Es ist sach- und systemgerecht, solche Leiden ebenfalls einem strukturierten Beweisverfahren nach BGE 141 V 281 zu unterziehen. Dieses bleibt entbehrlich, wenn im Rahmen beweiswertiger fachärztlicher Berichte (vgl. BGE 125 V 351) eine Arbeitsunfähigkeit in nachvollziehbar begründeter Weise verneint wird und allfälligen gegenteiligen Einschätzungen mangels fachärztlicher Qualifikation oder aus anderen Gründen kein Beweiswert beigemessen werden kann. Änderung der Rechtsprechung (E. 4.5).

143 V 451 (8C_285/2017) from 21. November 2017
Regeste: Art. 48 Abs. 1 und 3, Art. 49 Abs. 1 BV; Art. 7 Abs. 3 lit. c ZUG; Art. 4 lit. d IVSE; Unterstützungswohnsitz eines in einem ausserkantonalen Heim untergebrachten Kindes. Wird in einer interkantonalen Vereinbarung die Anwendung von Bundesrecht vorgesehen, handelt es sich beim verwiesenen Recht um (inter-)kantonales Recht im Sinne von Art. 48 Abs. 3 und Art. 49 Abs. 1 BV (E. 9.3). Entgegen Art. 4 lit. d IVSE bestimmt sich der Unterstützungswohnsitz eines dauernd fremdplatzierten Kindes nach Art. 7 Abs. 3 lit. c ZUG und nicht nach dem infolge Verweises in Art. 4 lit. d IVSE als (inter-)kantonales Recht geltenden Art. 25 ZGB (E. 9.4).

144 II 281 (2C_94/2018) from 15. Juni 2018
Regeste: Keine Haftung des Staates, wenn ein Fahrschüler an der Führerprüfung mit dem Auto der Fahrschule einen Schaden am Prüfungsfahrzeug und an einem Strassensignal verursacht, dem Prüfungsexperten aber nicht nachgewiesen werden kann, dass dieser pflichtwidrig eine Unterlassung begangen hat, welche den eingetretenen Schaden abgewendet hätte. Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten betreffend Staatshaftung; Verhältnis zur Beschwerde in Zivilsachen (E. 1). Keine willkürliche Verneinung der Staatshaftung nach kantonalem Recht (E. 3). Keine Haftung des Kantons nach Art. 58 SVG für Schäden am Prüfungsfahrzeug (Art. 59 Abs. 4 lit. a SVG; E. 4.2) sowie für Schäden am Strassensignal, da er nicht Halter des Fahrzeugs ist (E. 4.3). Keine Haftung des Kantons als Unternehmer nach Art. 71 SVG (E. 4.4). Keine Haftung aus Lückenfüllung (E. 4.5).

144 II 313 (2C_450/2017) from 26. Juni 2018
Regeste: Art. 127 Abs. 2 BV; Art. 86 und 91 DBG, Art. 33 Abs. 2 und 35 StHG; Art. 133 Abs. 2 und 138 ff. StG/VD; Art. 1 Abs. 1 QStV (in der seit dem 1. Januar 2014 wirksamen Fassung). Quellensteuer, Tarif C für Doppelverdiener-Ehegatten, theoretisches Einkommen des Ehegatten im Ausland; Tarif für unmündige Kinder unter dessen Obhut. Darstellung der Quellensteuer und des Tarifs für in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe lebende Ehegatten, die beide erwerbstätig sind (Tarif C "Doppelverdiener") und des Systems, das in schematischer Weise im Tarif C das Einkommen des im Ausland ansässigen Ehegatten einbezieht (E. 4). Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 5). Wenn der ausländische Ehegatte im Ausland aus seiner Erwerbstätigkeit ein geringfügiges Einkommen erzielt, führt die Struktur des Tarifs C zu einer Überbesteuerung der steuerpflichtigen Person, was im Widerspruch zur Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Art. 127 Abs. 2 BV steht, es sei denn, dies werde durch die nachträgliche Rektifikation bereinigt, die von der steuerpflichtigen Person in den Fristen gemäss Art. 137 Abs. 1 DBG und Art. 191 Abs. 1 StG/VD zu verlangen ist (E. 6 und 8). Den Tarif C3 auf die steuerpflichtige Person einzig deshalb nicht anzuwenden, weil sie keine vollständigen Kinderzulagen einer schweizerischen Kasse bezieht, findet weder im DBA CH-FR noch im DBG oder StHG eine Grundlage (E. 7 und 8).

144 IV 345 (6B_804/2017) from 23. Mai 2018
Regeste: Art. 32 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 2 EMRK, Art. 10 Abs. 2 und 3 StPO; Unschuldsvermutung und Beweiswürdigung, Wiederholung der Grundsätze. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung lässt keinen Raum für eine Anwendung der Regel in dubio pro reo auf die Sammlung und Sichtung der Beweismittel (E. 2.2.3.1). Die Unschuldsvermutung kommt erst in einem späteren Stadium zum Tragen (E. 2.2.3.2). Nur das Übergehen offensichtlich erheblicher Zweifel kann eine Verletzung des In-dubio-Grundsatzes begründen (E. 2.2.3.3). Anwendung dieser Grundsätze auf die Tatbestandselemente des Mordes (E. 2.2.3.4-2.2.3.7).

144 V 20 (9C_796/2016) from 22. Dezember 2017
Regeste: Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV (in der von 1. Juni 2013 bis 31. Mai 2015 in Kraft gestandenen Fassung); dreijährliche Überprüfung der Bedingungen für die Aufnahme in die Spezialitätenliste; massgebender Preisabstand bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Generika von Originalpräparaten mit geringem Marktvolumen. In den Genuss des Preisabstands gemäss Art. 35b Abs. 10 lit. a KLV kommen auch jene Generika von Originalpräparaten mit geringem Marktvolumen, die vor dem 1. Januar 2012 in die Spezialitätenliste aufgenommen worden sind (E. 6.1-6.3).

144 V 84 (9C_305/2017) from 20. Februar 2018
Regeste: Art. 25a Abs. 5 KVG; § 5 Abs. 1, § 9 Abs. 1, 2 und 4 Satz 1, § 15 Abs. 2 und 3, §§ 16 f. des Pflegegesetzes des Kantons Zürich vom 27. September 2010; Restfinanzierung der Pflegekosten; Auslegung einer zwischen den Parteien geschlossenen Leistungsvereinbarung. Dem kantonalen Gericht kann keine Willkür vorgeworfen werden, wenn es gestützt auf die zwischen den Parteien (Gemeinde, Spitex-Organisation) geschlossene Leistungsvereinbarung die Möglichkeit der Drittbeauftragung einer Pflegefachperson für zulässig erklärt hat (E. 6.4.1-6.4.1.2).

144 V 173 (9C_649/2017, 9C_652/2017) from 21. Juni 2018
Regeste: Art. 65d BVG; Pflicht des Arbeitgebers zur Behebung der Unterdeckung. Ein Arbeitgeber kann sich den vertraglich eingegangenen (Sanierungs-)Verpflichtungen gegenüber einer Vorsorgeeinrichtung nicht entziehen, indem er zuvor die Ausschliesslichkeitsklausel des Anschlussvertrages verletzt und die Vorsorgeeinrichtung (resp. das betroffene Vorsorgewerk) dadurch zu einer reinen Rentnerkasse geworden ist (E. 3.3.5).

144 V 388 (9C_903/2017) from 21. November 2018
Regeste: aArt. 13 Abs. 2 lit. c und aArt. 60 KVG (beide Bestimmungen aufgehoben auf Ende Dezember 2015), aArt. 106-106c KVG (in Kraft gestanden vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2017); aArt. 78-78c KVV (aufgehoben auf Ende Dezember 2015); Art. 12 KVAG; Zulässigkeit von privatversicherungsrechtlichen Zuschüssen einer Muttergesellschaft (Holding) an ihre KVG-Tochtergesellschaften zur Bildung zusätzlicher Reserven im Bereich der sozialen Krankenversicherung. Die Krankenversicherer können nur in jenen Bereichen eigene Regeln aufstellen, in denen das KVG ihnen eine diesbezügliche Kompetenz ausdrücklich einräumt. Dies gilt auch hinsichtlich der Finanzierung der sozialen Krankenversicherung (E. 4). Der Gesetzgeber hat deren Quellen abschliessend geregelt (Prämien und Kostenbeteiligungen der versicherten Personen sowie Beiträge der öffentlichen Hand). Weder aus aArt. 60 KVG ("Finanzierungsverfahren und Rechnungslegung") noch aus aArt. 106a KVG ("Beiträge zur Prämienkorrektur durch die Versicherer und den Bund") oder aus dem auf 1. Januar 2016 in Kraft getretenen KVAG kann auf die Zulässigkeit weiterer Finanzierungsmöglichkeiten - beispielsweise in Form von Mittelzuflüssen aus dem VVG-Zusatzversicherungsbereich - geschlossen werden (E. 5-7). Daran vermögen allfällige gesellschafts- bzw. konzernrechtliche Vorschriften nichts zu ändern (E. 5.6).

144 V 418 (8C_62/2018) from 19. September 2018
Regeste: Art. 17 Abs. 2 ATSG; Art. 21 Abs. 1 lit. c UVG; Anpassung von Heilbehandlungsleistungen. Heilbehandlungsleistungen im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. c UVG gelten als Dauerleistungen. Ihre nachträgliche Aufhebung oder eine wesentliche Anpassung im Leistungsumfang setzt einen Revisionsgrund im Sinne von Art. 17 Abs. 2 ATSG voraus (E. 3-5).

145 I 26 (8C_228/2018) from 22. Januar 2019
Regeste: Art. 82 lit. b BGG; Art. 65 Abs. 1bis KVG; abstrakte Kontrolle von § 2a Abs. 1 und Abs. 2 der Prämienverbilligungsverordnung des Kantons Luzern in der für das Jahr 2017 gültig gewesenen Fassung; Einkommensgrenze für Prämienverbilligung. Die im Kanton Luzern für das Jahr 2017 auf Fr. 54'000.- festgesetzte Einkommensgrenze zur Verbilligung der Krankenkassenprämien von Kindern und jungen Erwachsenen in Ausbildung hält vor Bundesrecht nicht stand. Selbst unter Achtung der diesbezüglichen Autonomie der Kantone ist es mit Sinn und Geist von Art. 65 Abs. 1bis KVG, der für untere und mittlere Einkommen eine Prämienverbilligung für Kinder und junge Erwachsene in Ausbildung vorsieht, nicht vereinbar, wenn die kantonal festgesetzte Einkommensgrenze knapp über der Schwelle von den unteren zu den mittleren Einkommen liegt und somit nur ein verschwindend kleiner Teil der mittleren Einkommen in den Genuss einer Prämienverbilligung kommt. § 2a Abs. 1 und Abs. 2 der Prämienverbilligungsverordnung des Kantons Luzern entziehen sich einer mit Bundesrecht vereinbaren Auslegung und sind daher, zusammen mit Abs. 4 dieser Bestimmung, aufzuheben (E. 8.3).

145 I 108 (2C_201/2018) from 15. Oktober 2018
Regeste: Art. 9 Abs. 1 BV; Art. 12 des Reglements des Regierungsrats des Kantons Waadt vom 9. November 2010 über die Harmonisierung und die Koordination der Gewährung von Sozialleistungen, Ausbildungsbeiträgen und Wohnbeihilfen; Wiedererwägung des Betrags eines Stipendiums; Personen, die im gleichen Haushalt leben; stabiles Konkubinat; Unterstützungspflicht; Willkürverbot. Darstellung der waadtländischen Bestimmungen, welche bei der Gewährung von Stipendien die Berücksichtigung des Einkommens der Person, die eine faktische Lebensgemeinschaft mit dem Gesuchsteller führt, verlangen (E. 4.1-4.3). Prüfung des Begriffs "Personen, die eine faktische Lebensgemeinschaft führen" gemäss kantonalem Recht im Lichte der Gesetzgebung und der Rechtsprechung (E. 4.4). Es ist willkürlich anzunehmen, dass zwei Partner "eine faktische Lebensgemeinschaft führen", nur weil sie eine gemeinsame Wohnung bezogen haben, und einzig gestützt auf diesen Umstand den Betrag eines Stipendiums, welches einem der Partner gewährt wurde, unter Berücksichtigung des Lohns des anderen Partners anzupassen (E. 4.5-4.7).

145 I 227 (2C_920/2018) from 28. Mai 2019
Regeste: Art. 8 Ziff. 1 EMRK; Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG; Art. 43 und Art. 47 Abs. 1 und 3 AIG; Familiennachzug; Kinder; Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten; aktuelles Interesse. Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Nachzugsgesuch eines Kindes, das während des Verfahrens volljährig geworden ist. Die zeitlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Familiennachzug gemäss AIG - der den Zugang zum Bundesgericht öffnet - hängen von der Bewilligungserteilung an den nachziehenden Elternteil ab. Sie sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt (E. 2). Ein Anspruch auf Familiennachzug kann aus Art. 8 EMRK abgeleitet werden. Nach ständiger Rechtsprechung ist dabei das Alter des Kindes im Zeitpunkt massgebend, in dem über den mutmasslichen Aufenthaltsanspruch nach Art. 8 EMRK entschieden wird (E. 3). Gründe für eine Praxisänderung liegen nicht vor. Es sind aber Ausnahmesituationen denkbar, die eine andere Beurteilung zulassen (E. 4-6).

145 II 153 (8C_594/2018) from 5. April 2019
Regeste: Art. 8 Abs. 2 und Abs. 3 BV; Art. 3 Abs. 1 GlG; direkte Diskriminierung. Mangels Geschlechtsspezifität ist eine direkte Diskriminierung nach Art. 3 Abs. 1 GlG aufgrund der sexuellen Orientierung nicht möglich (E. 4).

145 III 121 (5A_340/2017) from 11. Dezember 2018
Regeste: Art. 712l Abs. 2 ZGB; Stockwerkeigentum; Passivlegitimation bei Störungen, die von gemeinschaftlichen Bauteilen ausgehen. Störereigenschaft und Passivlegitimation des Störers (E. 4.1). Umfang der Passivlegitimation der Stockwerkeigentümergemeinschaft (E. 4.3). Verselbständigung der Stockwerkeigentümergemeinschaft und Abgrenzung zur Gesamtheit der Stockwerkeigentümer als Miteigentümer (E. 4.3.3). Interne und externe Angelegenheiten der Stockwerkeigentümer (E. 4.3.4). Beschlusskompetenzen und Beschlussfassung der Stockwerkeigentümerversammlung (E. 4.3.5). Anfechtungsklage gegen die Stockwerkeigentümergemeinschaft und Klage gegen die Gesamtheit der Stockwerkeigentümer (E. 4.3.6).

145 IV 114 (6B_1314/2016, 6B_1318/2016) from 10. Oktober 2018
Regeste: Art. 1 und Art. 47 (in den ab 1. Juli 2004 und ab 1. Januar 2009 geltenden Fassungen) BankG; Unterstellung unter das Bankkundengeheimnis durch eine Tätigkeit für ein ausländisches Bankinstitut, welches einen Teil von Vermögensverwaltungsdienstleistungen einer schweizerischen Bank erbringt? Anwendbare Fassungen von Art. 47 BankG (E. 3.1). Zum Anwendungsbereich des BankG (E. 3.2). Persönlicher Geltungsbereich von Art. 47 Abs. 1 lit. a BankG (E. 3.3): Verhältnis des persönlichen und sachlichen Geltungsbereichs (E. 3.3.2). Prüfung der Eigenschaft eines "Angestellten" (E. 3.3.3) oder "Beauftragten" (E. 3.3.4) im Sinne dieser Strafbestimmung. Da im konkreten Fall weder das eine noch das andere zutrifft, entfällt eine Prüfung des räumlichen Geltungsbereichs (E. 3.4). Für einen Schuldspruch wegen Verletzung des Geschäftsgeheimnisses (Art. 162 StGB) bleibt kein Raum (E. 4).

145 IV 228 (1B_517/2018) from 4. März 2019
Regeste: Art. 92 BGG, Art. 3 Abs. 2 Satz 4 JStG, Art. 40 ff. StPO; Kompetenz zur Beurteilung von Zuständigkeitskonflikten zwischen der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Jugendstrafrechtspflege desselben Kantons. Die Weigerung der für das ordentliche Strafverfahren zuständigen Staatsanwaltschaft, eine Strafsache zugunsten einer Beurteilung durch die Organe der Jugendstrafrechtspflege abzutrennen, erschöpft sich in einer Weigerung der Staatsanwaltschaft, ihre Zuständigkeit zu verneinen. Da es sich um einen (selbständig eröffneten) Vor- bzw. Zwischenentscheid über die Zuständigkeit handelt, ist dagegen die Beschwerde in Strafsachen gestützt auf Art. 92 BGG zulässig (E. 1). Die Zuständigkeitsregeln und das Verfahren bei Gerichtsstandskonflikten zwischen Behörden desselben Kantons sind auch anwendbar bei Streitigkeiten über die materielle Zuständigkeit im selben Kanton. Falls der betroffene Kanton eine Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft vorgesehen hat (Art. 40 Abs. 1 StPO), so entscheidet diese den Zuständigkeitskonflikt; dies auch in Fällen, bei denen eine Partei ihn aufgeworfen hat (Art. 41 Abs. 1 StPO; E. 2).

145 IV 364 (6B_378/2018) from 22. Mai 2019
Regeste: Art. 5 Abs. 2, Art. 189 Abs. 1 lit. b BV; Art. 66a StGB; Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA; Art. 31 Abs. 1 VRK; strafrechtliche Landesverweisung von EU-Bürgern und Freizügigkeitsabkommen. Das Bundesgericht beurteilt auch Streitigkeiten wegen Verletzung des Völkerrechts (E. 3.3). Mit dem Freizügigkeitsabkommen (FZA) hat die Schweiz Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der EU im Wesentlichen ein weitgehendes und reziprokes Recht auf Erwerbstätigkeit eingeräumt. Das FZA hat keinen Einfluss auf die Gesetzgebung im Bereich des Strafrechts. Die Schweiz hat jedoch bei der Auslegung gesetzlicher Bestimmungen die völkerrechtlichen Verpflichtungen zu beachten (E. 3.4.1). Die aufgrund des FZA eingeräumten Rechte dürfen nach Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA nur durch Massnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind, eingeschränkt werden (E. 3.5). Bei der strafrechtlichen Landesverweisung ist deshalb - soweit Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der EU betroffen sind - im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Massnahme zum Schutze der öffentlichen Ordnung und Sicherheit verhältnismässig ist (E. 3.9).

145 V 57 (9C_343/2018) from 20. Februar 2019
Regeste: Art. 14 Abs. 1 und 2, Art. 14bis IVG; Art. 39 Abs. 1 lit. e KVG; Kostenvergütung für stationäre Behandlungen im Rahmen medizinischer Eingliederungsmassnahmen. Gemäss Art. 14bis Satz 1 IVG wird die Kostenvergütung für stationäre Behandlungen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 und 2 IVG, die in einem nach Art. 39 KVG zugelassenen Spital erbracht werden, zu 80 % durch die Invalidenversicherung und zu 20 % durch den Wohnkanton der versicherten Person geleistet. Zugelassen ist ein Spital namentlich, wenn es auf der nach Leistungsaufträgen in Kategorien gegliederten Spitalliste des Kantons aufgeführt ist (Art. 39 Abs. 1 lit. e KVG). Der Verweis in Art. 14bis IVG bezieht sich auch auf das in der KVG-Bestimmung enthaltene Erfordernis eines (Listen-)Spitals mit einem für die betreffende Behandlung vorhandenen Leistungsauftrag. Ob es sich dabei um ein Spital handeln muss, das sich auf der Liste irgendeines Kantons in der Schweiz oder aber auf derjenigen des fraglichen Kantons befindet, brauchte mangels Leistungsauftrags nicht abschliessend beurteilt zu werden (E. 9.2-9.6).

145 V 188 (8C_427/2018) from 30. April 2019
Regeste: Art. 8 Abs. 1 lit. b, Art. 11 Abs. 1 und Abs. 3, Art. 11a AVIG; Art. 10a, Art. 10h AVIV; freiwillige Leistung des Arbeitgebers bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses im gegenseitigen Einvernehmen. Die in der Abgangsentschädigung enthaltene Mitarbeiterbeteiligung in Form von "restricted stock units" (RSU) und "stock options" (SO) ist im vorliegenden Fall als freiwillige Leistung des Arbeitgebers im Sinn von Art. 11a AVIG zu qualifizieren (E. 5).

145 V 215 (9C_724/2018) from 11. Juli 2019
Regeste: Art. 4 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 6-8 ATSG; Art. 28 Abs. 1 IVG; invalidenversicherungsrechtliche Relevanz von Abhängigkeitssyndromen (psychische Störungen durch psychotrope Substanzen). Primäre Abhängigkeitssyndrome sind - wie sämtliche psychischen Erkrankungen - grundsätzlich einem strukturierten Beweisverfahren nach BGE 141 V 281 zu unterziehen (E. 5 und 6.2; Änderung der Rechtsprechung).

145 V 304 (9C_540/2018) from 29. August 2019
Regeste: Art. 39 Abs. 1 lit. e, Art. 41 Abs. 1bis, Art. 49a Abs. 1 und 2 KVG; quantitative Beschränkung im Rahmen der Spitalplanung; anteilmässige Vergütung des Kantons bei ausserkantonaler Wahlbehandlung. Nach der Rechtsprechung (9C_151/2016; 9C_617/2017) kann eine im Leistungsauftrag festgehaltene Mengenbeschränkung, die sich nur auf die Einwohner des betreffenden Kantons bezieht, nicht von einem anderen Kanton angerufen werden, um die anteilmässige Vergütung der ausserkantonalen Wahlbehandlungen zu verweigern. Diese Rechtsprechung ist auch einschlägig, wenn die quantitative Beschränkung Kapazitäten (Pflegeplätze) im Psychiatriebereich betrifft und in der Spitalliste festgehalten wird (E. 4.3); sie wird bestätigt (E. 4.5 und 4.6).

145 V 326 (9C_329/2019) from 17. Oktober 2019
Regeste: Art. 9 Abs. 1 AHVG; Art. 5 VwVG; Art. 49 ATSG; Art. 9 BV; Nichtigkeit einer Verfügung über Beiträge aus selbständiger Erwerbstätigkeit. Die im Steuerrecht geltenden Grundsätze zur Nichtigkeit einer (rechtskräftigen) Ermessensveranlagung (vgl. Urteil 2C_679/2016 vom 11. Juli 2017) gelten sinngemäss auch bei Verfügungen über Beiträge aus selbständiger Erwerbstätigkeit, welche auf einer steuerrechtlichen Ermessensveranlagung beruhen, wenn die betreffende versicherte Person bestreitet, überhaupt selbständig erwerbstätig zu sein (E. 4).

145 V 380 (9C_221/2019) from 7. Oktober 2019
Regeste: Art. 25 Abs. 2 lit. a, Art. 25a Abs. 1, 3, 4 und 5 Satz 2 (Abs. 5 in der bis 31. Dezember 2018 gültig gewesenen Fassung), Art. 35 Abs. 2 lit. k, Art. 39 Abs. 3 und Art. 50 KVG; Art. 33 lit. b, h und i KVV; Art. 7, 7a, 8 und 9 KLV; Beschluss des Regierungsrats des Kantons Solothurn RRB Nr. 2016/1186 vom 27. Juni 2016; Methode zur Ermittlung des Pflegebedarfs in Pflegeheimen für die Einstufung in die Pflegestufen. Im Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung sah das Verordnungsrecht des Bundes im hier massgeblichen Zeitraum bis Ende Februar 2017 kein schweizweit einheitliches Verfahren für die Ermittlung des Pflegebedarfs in Pflegeheimen vor. Der Regierungsrat des Kantons Solothurn verhielt sich nicht bundesrechtswidrig, indem mit RRB Nr. 2016/1186 vom 27. Juni 2016 entsprechende, auf dem Pflegebedarfssystem RAI/RUG, Version CH-Index 2016, basierende kantonale Ansätze ab 1. Juli 2016 festgelegt wurden ("Höchsttaxen stationäre und teilstationäre Angebote im Bereich Pflege [Alters- und Pflegeheime]"; E. 3-8; vgl. auch Urteil 2C_333/2012 vom 5. November 2012).

146 I 11 (6B_908/2018) from 7. Oktober 2019
Regeste: Art. 13 Abs. 2, Art. 36 Abs. 1 BV; Art. 141 Abs. 2 StPO; Verwertbarkeit von polizeilichen Aufzeichnungen der automatischen Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung (AFV). Die Erhebung und die Aufbewahrung von Aufzeichnungen der AFV stellen einen Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen dar, insbesondere in das Recht auf Privatsphäre, das den Anspruch auf informationelle Selbstbestimmung miteinschliesst (E. 3.1). Für die AFV besteht im Kanton Thurgau keine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage. Der mit der Überwachung verbundene Eingriff in die Privatsphäre verstösst daher gegen Art. 13 Abs. 2 i.V.m. Art. 36 Abs. 1 BV (E. 3.2 und 3.3). Stellt die Polizei im Rahmen ihrer präventiven Kontrolltätigkeit strafbare Handlungen fest, ermittelt sie nach Art. 306 ff. StPO. Die Frage, ob die mangels gesetzlicher Grundlage rechtswidrig erhobenen Beweismittel im Strafprozess verwertbar sind, ist nach Art. 141 Abs. 2 StPO zu prüfen (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 4.1 und 4.2). Verwertbarkeit im vorliegenden Fall verneint (E. 4.3).

146 I 83 (1C_337/2019) from 13. November 2019
Regeste: Art. 37, 38 Abs. 2, Art. 50 Abs. 1 BV, §§ 39, 59 und 64 KV/BS, Art. 11-13 BüG; abstrakte Normenkontrolle: verletzt eine kantonale Vermutungsregel bei der Prüfung eines Kriteriums der ordentlichen Einbürgerung die Autonomie der basel-städtischen Bürgergemeinden? Eintreten (E. 1). Autonomie der basel-städtischen Bürgergemeinden im Bereich der ordentlichen Einbürgerung (E. 2). Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 3). Föderalistische Kompetenzausscheidung beim Entscheid über die ordentliche Einbürgerung; Tragweite einer gesetzlichen Vermutung für ein einzelnes Einbürgerungskriterium (hier: Nachweis von Grundkenntnissen durch Schulbesuch); Vergleich mit einer analogen Vermutungsregel im Bundesrecht und Bedeutung der Richtlinien des Bundes (E. 4). Tauglichkeit der Vermutungsbasis (E. 5). Anspruch auf rechtliches Gehör (E. 6). Schlussfolgerung (E. 7).

146 II 56 (2C_260/2019) from 5. Dezember 2019
Regeste: Art. 5 Abs. 1, 8 Abs. 1, 63a, 164 Abs. 1 und 2 BV, Art. 4 Abs. 3 und 16 Abs. 2 lit. a ETH-Gesetz, Art. 22 Abs. 2 und 5, 23 Abs. 1 Studienkontrollverordnung ETHL; Grundsätze der Gesetzmässigkeit und der Rechtsgleichheit; obligatorische Aufbaukurse am Ende des ersten Bachelor-Semesters. Die Gesetzesdelegation zugunsten der Leitung der ETH beinhaltet die Regelung der Studiengänge: Die Leitung der ETH verfügt über einen grossen Ermessensspielraum, um die Kurse, Prüfungen und die diesbezüglichen Anforderungen festzulegen. Die Bestimmungen der Studienkontrollverordnung ETHL, wonach die Studenten, die in den Prüfungen des ersten Semesters ihrer Abteilung einen Notenschnitt von weniger als 3.5 erreichen, Aufbaukurse in Mathematik und Physik zu absolvieren haben, bleiben in diesem sehr weiten gesetzlichen Rahmen. Obschon die streitbetroffenen Bestimmungen ein neues System einführen, das vom bisherigen, für Studien an den ETH massgebenden System abweicht, liegt ihnen keine derart bedeutsame Frage zugrunde, die im Gesetz selbst hätte geregelt werden müssen (E. 5-8). Dieses System, das dieselben Kurse für alle Studenten an der ETHL vorsieht, verletzt den Rechtsgleichheitsgrundsatz nicht (E. 9).

146 II 367 (1C_544/2019) from 3. Juni 2020
Regeste: Art. 18a Abs. 4 und Art. 33 Abs. 3 lit. b RPG. Beurteilungsspielraum des Kantonsgerichts bei der Auslegung eines Gemeindereglements; Interesse an der Produktion von Solarenergie. Das Kantonsgericht prüfte einzig, ob die von der Gemeinde vorgenommene Auslegung ihres Reglements "nicht unhaltbar" war. Damit beschränkte es sich auf eine Willkürprüfung, obwohl die gemäss dem Bundesrecht geschützten Interessen eine weitergehende Rechtskontrolle verlangen. In prozessualer Hinsicht ergibt sich daraus eine Verletzung von Art. 33 Abs. 3 lit. b RPG (E. 3.2.1). Auslegung des Gemeindereglements, wonach "die hauptsächliche Ausrichtung der Dachfirste" zu respektieren ist, unter dem Blickwinkel von Art. 18a Abs. 4 RPG. Die Reglementsbestimmung ist bei einem Weiler, in dem sich die bestehenden Firstausrichtungen mit beinahe gleicher Häufigkeit auf Nord-Süd und Ost-West aufteilen, in dem Sinne zu verstehen, dass beide Ausrichtungen und nicht nur die leicht mehrheitliche Nord-Süd-Ausrichtung zulässig sind. Diese Auslegung verdient mit Blick auf Art. 18a Abs. 4 RPG, worin vorgesehen ist, dass die Interessen an der Nutzung der Solarenergie den ästhetischen Anliegen grundsätzlich vorgehen, den Vorrang, da eine Firstausrichtung von Osten nach Westen eine grössere Produktion von Sonnenenergie erlaubt als eine solche von Norden nach Süden (E. 3.2.2).

146 III 284 (5A_714/2019) from 3. Juni 2020
Regeste: Art. 72 ff. BGG; Beschwerde in Zivilsachen gegen ein Scheidungsurteil im Unterhaltspunkt; Eintritt der formellen Rechtskraft. Die Beschwerde in Zivilsachen hemmt die formelle Rechtskraft eines Unterhaltsentscheids der oberen kantonalen Instanz von Gesetzes wegen nicht (E. 2).

146 IV 88 (6B_614/2019) from 3. Dezember 2019
Regeste: Art. 91a Abs. 1 i.V.m. Art. 55 Abs. 1 und 2 SVG und Art. 10 Abs. 2 SKV; Verweigerung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit; Betäubungsmittelvortests; hinreichende Verdachtsmomente zur Durchführung; Beweiswert. Für die Durchführung von Vortests nach Art. 10 Abs. 2 SKV genügen geringe Anzeichen einer durch Betäubungs- oder Arzneimittel beeinträchtigten Fahrfähigkeit; eines hinreichenden Tatverdachts, wie er zur Anordnung strafprozessualer Zwangsmassnahmen nach Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO erforderlich ist, bedarf es nicht (E. 1.4.2). Art. 91a SVG ist ein Erfolgsdelikt. Der Tatbestand ist erfüllt, wenn die zuverlässige Ermittlung der Fahrunfähigkeit mittels der im Gesetz vorgesehenen Untersuchungsmethoden durch aktiven oder passiven Widerstand verunmöglicht wird, d.h. definitiv nicht mehr möglich ist. Die Verweigerung von Betäubungsmittelvortests genügt hierzu nicht, da diesen lediglich eine Indikatorfunktion zukommt und sie nicht geeignet sind, den relevanten medizinischen Zustand der betroffenen Person zum Abnahme- bzw. Fahrzeitpunkt exakt festzustellen (E. 1.6.2 und 1.6.3).

147 I 1 (1C_295/2019, 1C_357/2019) from 16. Juli 2020
Regeste: Art. 5 Abs. 1 sowie Art. 8 Abs. 1 und 2 BV; Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 2 und 3 sowie Art. 89 Abs. 1 BGG; Nichtwiederwahl eines Verwaltungsrichters aus Altersgründen; Anfechtbarkeit des Wahlakts des kantonalen Parlaments; Vereinbarkeit mit dem Legalitätsprinzip, dem Diskriminierungsverbot und dem allgemeinen Gleichheitssatz. Der Wahlakt ist ungeachtet seiner Rechtsnatur ein zulässiges Anfechtungsobjekt (E. 3.2). Er hat vorwiegend politischen Charakter im Sinne von Art. 86 Abs. 3 BGG und kann mangels Weiterzugsmöglichkeit im Kanton direkt beim Bundesgericht angefochten werden (E. 3.3). Der Beschwerdeführer ist durch den Wahlakt insofern besonders berührt, als er damit nicht wiedergewählt worden ist, und hat jedenfalls so weit ein Rechtsschutzinteresse, als er seine Wiederwahl für die laufende Amtsperiode durch den Kantonsrat verlangt (E. 3.4). Die Praxis des Kantonsrats, Richterinnen und Richter der obersten kantonalen Gerichte nicht wiederzuwählen, wenn sie zu Beginn der neuen Amtsperiode das 65. Altersjahr bereits vollendet haben, ist mit dem Legalitätsprinzip vereinbar, auch wenn das kantonale Recht keine altersbezogene Regelung kennt (E. 4.3). Die Praxis verstösst auch nicht gegen das Diskriminierungsverbot (E. 5.3). Sie ermöglicht jedoch eine gegen die Rechtsgleichheit verstossende Ungleichbehandlung von Amtsinhaberinnen und -inhabern, die kurz vor bzw. kurz nach Beginn der neuen Amtsperiode das 65. Altersjahr vollendet haben. Letztere können ihr Amt bis zu fast sechs Jahren länger ausüben. Im vorliegenden Fall führt die Wahlpraxis allerdings nicht zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers (E. 6.3).

147 I 73 (2C_769/2019) from 27. Juli 2020
Regeste: Art. 83 lit. t BGG; Art. 8 Abs. 1 und 2 BV; Unzulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide über das Ergebnis von Prüfungen und anderen Fähigkeitsbewertungen; Gleichheitssatz und Diskriminierungsverbot im Prüfungsrecht. Die Ausnahmebestimmung von Art. 83 lit. t BGG erfasst alle Entscheide, die auf einer Bewertung der intellektuellen oder physischen Fähigkeiten eines Kandidaten beruhen; gegen andere Entscheide, insbesondere solche organisatorischer oder verfahrensrechtlicher Natur, ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (E. 1.2). Aufgrund des Gleichheitssatzes sind die Hochschulen bei der Durchführung ihrer Examen grundsätzlich verpflichtet, für alle Kandidaten möglichst einheitliche Bedingungen herzustellen. Werden bestimmte Personen bzw. Personengruppen dadurch ungerechtfertigt benachteiligt, kann ausnahmsweise die Pflicht bestehen, Ausgleichsmassnahmen zu treffen. Solche Massnahmen dürfen jedoch nicht den Prüfungszweck vereiteln und auch keine Überkompensation zur Folge haben. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes bzw. des Diskriminierungsverbots liegt nur dann vor, wenn die Verweigerung einer Ausgleichsmassnahme das Prüfungsergebnis entscheidend beeinflussen konnte (E. 6).

147 I 136 (2C_610/2019) from 18. Mai 2020
Regeste: Art. 50 Abs. 1 BV; § 68, 77 und 78 KV/LU; Art. 95 lit. c BGG; Verletzung der Gemeindeautonomie durch Entzug der Kompetenz zur Festsetzung des Gemeindesteuerfusses ("Steuerfussabtausch" zwischen Kanton und Gemeinden gemäss Gesetz vom 18. Februar 2019 über den Steuerfussabtausch zur Aufgaben- und Finanzreform 18 des Kantons Luzern). Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, Beschwerdeberechtigung und Kognition des Bundesgerichts in Bezug auf Gemeindeautonomie (E. 1). Den luzernischen Gemeinden kommt bei der Festsetzung des Gemeindesteuerfusses Autonomie zu. Der Entzug der Kompetenz zur Festsetzung des Gemeindesteuerfusses verletzt die Gemeindeautonomie und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit (E. 2). Konsequenzen der Verletzung der Gemeindeautonomie bei abstrakter Normenkontrolle (E. 4.1). Die Frage der Kompetenz zur Festsetzung des Gemeindesteuerfusses kann vom restlichen Erlass getrennt werden (E. 4.2). Teilweise Aufhebung des Steuerfussabtauschgesetzes, damit die Gemeinden einen eigenen Steuerfuss für das Rechnungsjahr 2020 fakultativ in Abweichung von der kantonalen Vorgabe festsetzen können (E. 4.4).

147 I 173 (2C_455/2020) from 2. Dezember 2020
Regeste: Art. 30 Abs. 1 BV; Beurteilung eines nach Fällung des letztinstanzlichen kantonalen Urteils, aber vor Ablauf der Beschwerdefrist beim Bundesgericht entdeckten Ausstandsgrunds in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts. Wird ein Ausstandsgrund erst nach der Fällung des letztinstanzlichen kantonalen Urteils, aber vor Ablauf der Beschwerdefrist beim Bundesgericht entdeckt, kann dieser erstmals in der Beschwerde vor Bundesgericht geltend gemacht werden (BGE 139 III 466 E. 3.4). Das gilt auch im kantonalen öffentlichen Recht, falls eine Beurteilung unter dem Gesichtspunkt von Art. 30 Abs. 1 BV möglich ist (E. 3 und 4). Wirkt ein Richter, der zugleich als Exekutivmitglied einer Gemeinde amtiert, in einem Verfahren betreffend den interkommunalen Finanzausgleich mit, welches auf Gesuch einer anderen Gemeinde des gleichen Kantons veranlasst wurde, liegt eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV vor (E. 5).

147 I 183 (1C_105/2019) from 16. September 2020
Regeste: Art. 34 und Art. 35 Abs. 2 und 3 BV; § 48 Abs. 2 lit. a der Verfassung vom 23. März 2005 des Kantons Basel-Stadt; Vereinbarkeit der kantonalen Volksinitiative "Grundrechte für Primaten" mit übergeordnetem Recht. Gründe für die Ungültigerklärung einer kantonalen Volksinitiative im Kanton Basel-Stadt (E. 5). Grundsätze der Überprüfung der materiellen Rechtmässigkeit einer kantonalen Volksinitiative (E. 6.1 und 6.2). Verhältnis kantonaler Grundrechte zu den Grundrechten der Bundesverfassung und der EMRK (E. 8.1). Vereinbarkeit kantonaler Grundrechte für bestimmte Tiere mit übergeordnetem Recht (E. 8.2-8.4). Für die Beurteilung der materiellen Rechtmässigkeit der Initiative ist unter den gegebenen Umständen vom Wortlaut der Initiative auszugehen und nicht auf den subjektiven Willen der Initiantinnen und Initianten abzustellen (E. 9.1-9.3).

147 IV 27 (1B_545/2019) from 14. Oktober 2020
Regeste: Art. 13, Art. 49 Abs. 1 und Art. 123 Abs. 1 BV; Art. 171 Abs. 1 und 2 lit. a und b, Art. 248 Abs. 1 und Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO; Art. 321 Ziff. 2 und 3 StGB; Arztgeheimnis als Entsiegelungs- und Durchsuchungshindernis; Entbindung vom Berufsgeheimnis; Verhältnis des Bundesrechts zu kantonalen gesundheitsrechtlichen Verwaltungsvorschriften. Kantonale Verwaltungsnormen (wie etwa das schaffhausische Gesundheitsgesetz) dürfen die bundesgesetzlichen Vorschriften über den Schutz der Berufsgeheimnisse und über die strafprozessualen Editions- und Zeugnispflichten nicht unterlaufen. Dies gilt namentlich für die in Art. 171 Abs. 2 lit. b StPO i.V.m. Art. 321 Ziff. 2 StGB abschliessend geregelten Modalitäten einer Entbindung vom Berufsgeheimnis. Mangels einer gesetzeskonformen Entbindung vom Arztgeheimnis verletzte der hier angefochtene Entsiegelungsentscheid das Bundesrecht (Bestätigung und Präzisierung der Rechtsprechung; E. 3 und 4).

147 IV 73 (6B_572/2020) from 8. Januar 2021
Regeste: Art. 146 Abs. 1 StGB; Betrug; Entgelt für sexuelle Dienstleistungen; Täuschung über die Zahlungsbereitschaft; Arglist; Vermögensschaden. Die Vorspiegelung der Zahlungsbereitschaft ist als Täuschung über innere Tatsachen grundsätzlich arglistig. Dass das Täuschungsopfer im konkreten Fall die sexuellen Dienstleistungen erbracht hat, ohne auf Vorauszahlung des vereinbarten Entgelts zu bestehen, führt nicht zu seiner alleinigen, die Strafbarkeit des Täuschenden ausschliessenden Verantwortung für den erlittenen Schaden (E. 3.3 und 4.2). Dem Anspruch einer sich prostituierenden Person auf Entschädigung für die von ihr erbrachte sexuelle Dienstleistung kommt Vermögenswert zu (E. 7.2).

147 V 16 (8C_569/2019) from 28. August 2020
Regeste: a Art. 43 ATSG; Art. 18 Abs. 1 UVV in der bis am 31. Dezember 2016 gültig gewesenen Fassung; Abklärung des Anspruchs auf Hauspflegeleistungen. Art. 43 ATSG statuiert keine Rechtspflicht, eine bestimmte Methode, genau definierte Verfahren oder Standards für die Abklärung hinsichtlich des individuell-konkreten Pflegebedarfs zu verwenden. Dafür bedürfte es einer spezifischen normativen Vorgabe, die nicht auf dem Weg der Rechtsprechung, sondern durch den zuständigen Verordnungsgeber zu schaffen wäre (E. 7.4).

147 V 35 (8C_678/2019) from 14. September 2020
Regeste: Art. 10 Abs. 3 Satz 2 UVG (in der seit 1. Januar 2017 geltenden Fassung); Art. 18 UVV (in der seit 1. Januar 2017 geltenden Fassung); Hilfe und Pflege zu Hause. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 4). Definition des Begriffs der Hilfe und Pflege zu Hause (E. 5). Nur die von einer zugelassenen Person im Sinne von Art. 18 Abs. 1 UVV durchgeführte medizinische Pflege zu Hause wird vom Versicherer ohne Kostenbeteiligung des Versicherten übernommen (E. 7). Der erforderliche zeitliche Bedarf zur Verrichtung der medizinischen Pflegehandlung im Sinne von Art. 18 Abs. 1 UVV ist vom Versicherer vollumfänglich zu übernehmen; dabei sind sowohl deren technische Ausführung als auch die dazu in einem Konnex stehenden Begleithandlungen zu berücksichtigen. Wenn die medizinische Pflegehandlung durch eine nicht zugelassene Person ausgeführt werden kann (Art. 18 Abs. 2 lit. a UVV), berechnet sich der Beitrag des Versicherers anhand der Zeit, die für die Verrichtung der medizinischen Pflegehandlung sowie der dafür nötigen Begleithandlungen erforderlich ist (E. 8.4). Abgrenzung zwischen einzelnen medizinischen und nichtmedizinischen Pflegehandlungen im Sinne von Art. 18 Abs. 2 UVV einerseits und nichtmedizinischen Pflegehandlungen, die durch die Hilflosenentschädigung nach Art. 26 UVG abgedeckt werden, andererseits (E. 9).

147 V 124 (9C_82/2020) from 27. Oktober 2020
Regeste: Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 28a Abs. 3 IVG; Art. 27bis Abs. 2-4 IVV (in Kraft seit 1. Januar 2018); gemischte Bemessungsmethode. Ein familiär bedingter Statuswechsel hin zu einer teilzeitlichen Erwerbstätigkeit gilt seit der am 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Verordnungsänderung auch bei einer dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Sachen Di Trizio gegen Schweiz (7186/09) vom 2. Februar 2016 analogen Konstellation als Revisionsgrund (E. 5 und 6).

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