Bundesgesetz
über das Bundesgericht
(Bundesgerichtsgesetz, BGG)


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Art. 23 Praxisänderung und Präjudiz

1 Ei­ne Ab­tei­lung kann ei­ne Rechts­fra­ge nur dann ab­wei­chend von ei­nem frü­he­ren Ent­scheid ei­ner oder meh­re­rer an­de­rer Ab­tei­lun­gen ent­schei­den, wenn die Ver­ei­ni­gung der be­trof­fe­nen Ab­tei­lun­gen zu­stimmt.

2 Hat ei­ne Ab­tei­lung ei­ne Rechts­fra­ge zu ent­schei­den, die meh­re­re Ab­tei­lun­gen be­trifft, so holt sie die Zu­stim­mung der Ver­ei­ni­gung al­ler be­trof­fe­nen Ab­tei­lun­gen ein, so­fern sie dies für die Rechts­fort­bil­dung oder die Ein­heit der Recht­spre­chung für an­ge­zeigt hält.

3 Be­schlüs­se der Ver­ei­ni­gung der be­trof­fe­nen Ab­tei­lun­gen sind gül­tig, wenn an der Sit­zung oder am Zir­ku­la­ti­ons­ver­fah­ren min­des­tens zwei Drit­tel der or­dent­li­chen Rich­ter und Rich­te­rin­nen je­der be­trof­fe­nen Ab­tei­lung teil­neh­men. Der Be­schluss wird oh­ne Par­teiver­hand­lung und öf­fent­li­che Be­ra­tung ge­fasst; er ist für die An­trag stel­len­de Ab­tei­lung bei der Be­ur­tei­lung des Streit­fal­les ver­bind­lich.

BGE

133 III 687 (5A_86/2007) from 3. September 2007
Regeste: Art. 172 Ziff. 3 SchKG; Abweisung des Konkursbegehrens zufolge Tilgung oder Stundung. Anfechtung von Entscheiden des Konkursrichters mit Beschwerde in Zivilsachen (E. 1.2). Anfechtung eines vor dem 1. Januar 2007 ergangenen Entscheides des oberen kantonalen Gerichts gemäss Art. 100 Abs. 6 BGG (E. 1.3 und 1.4). Unter die Kosten, welche der Schuldner gemäss Art. 172 Ziff. 3 SchKG zu tilgen hat, kann die Entschädigung an den Gläubiger für die Konkursverhandlung fallen (E. 2).

133 V 329 () from 4. Juli 2007
Regeste: Art. 16 und 20 FZA; Art. 6 der Verordnung Nr. 1408/71; Art. 16 Abs. 2 des französisch-schweizerischen Abkommens über soziale Sicherheit: Anwendung eines bilateralen Abkommens über soziale Sicherheit, das günstiger ist als die Verordnung Nr. 1408/71. Art. 20 FZA schliesst gemäss Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften nicht aus, dass ein Versicherter (französischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Schweiz) von einer günstigeren Bestimmung eines bilateralen Abkommens über soziale Sicherheit (hier französisch-schweizerisch) profitiert, wenn er sein Freizügigkeitsrecht ausgeübt hat, bevor das FZA in Kraft getreten ist (E. 6-8). Anspruch auf Überweisung eines Differenzausgleichs, wenn eine Invalidenrente der schweizerischen IV durch zwei betraglich tiefere Altersrenten ersetzt wird, die eine überwiesen von der Schweiz, die andere von Frankreich.

134 I 153 (2C_704/2007) from 1. April 2008
Regeste: Art. 5 Abs. 2 und Art. 9 BV; Art. 95 lit. a BGG; Kognition des Bundesgerichts bei der Verhältnismässigkeitsprüfung von kantonalrechtlichen Anordnungen. Ausserhalb von Grundrechtseingriffen (Art. 36 Abs. 3 BV) schreitet das Bundesgericht wegen Verletzung des Verhältnismässigkeitsgebots nur dann ein, wenn die kantonalrechtliche Anordnung offensichtlich unverhältnismässig ist und damit gleichzeitig gegen das Willkürverbot verstösst (E. 4).

134 III 332 (5A_207/2007, 5A_224/2007, 5A_225/2007) from 20. März 2008
Regeste: Art. 42 BGG; Zulässigkeit einer bedingten Beschwerde. Die Erhebung der Beschwerde unter der Bedingung, dass auch die Gegenpartei Beschwerde einreicht, ist unzulässig (E. 2).

134 V 9 () from 30. Oktober 2007
Regeste: Art. 28 Abs. 2 und Art. 5 Abs. 1 IVG, Art. 27 IVV (je in den bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassungen) sowie Art. 27bis Abs. 1 IVV (in Kraft gestanden bis 31. Dezember 2003); Art. 16 ATSG, Art. 5 Abs. 1 IVG (in der ab 1. Januar 2003 geltenden Fassung); Art. 8 Abs. 3 ATSG, Art. 28 Abs. 2bis und 2ter IVG sowie Art. 27 und 27bis IVV (je in der seit 1. Januar 2004 gültigen Fassung); Beachtung von Wechselwirkungen im Rahmen der gemischten Invaliditätsbemessungsmethode. Die allfällige verminderte Leistungsfähigkeit im erwerblichen Bereich oder im Aufgabenbereich (gemäss Art. 27 IVV [in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung]) infolge der Beanspruchung im jeweils anderen Tätigkeitsfeld ist nur unter besonderen Voraussetzungen zu berücksichtigen (E. 7).

134 V 49 (9C_481/2007) from 7. Januar 2008
Regeste: Art. 38 Abs. 2bis ATSG (Art. 44 Abs. 2 BGG, Art. 20 Abs. 2bis VwVG); Geltung der Zustellungsfiktion auch beim Postrückbehaltungsauftrag? Die früher in analoger Anwendung der Rechtsprechung zur Briefkasten- und Postfachzustellung auch beim Postrückbehaltungsauftrag beachtete Fiktion, wonach eine eingeschriebene Sendung spätestens am letzten Tag einer Frist von sieben Tagen ab Eingang bei der Poststelle am Ort des Empfängers als zugestellt zu betrachten ist (BGE 123 III 492), beansprucht unter neuem Recht - nunmehr in Analogie zu Art. 38 Abs. 2bis ATSG (sowie Art. 44 Abs. 2 BGG und Art. 20 Abs. 2bis VwVG) - weiterhin Geltung (E. 4).

134 V 72 () from 18. Januar 2008
Regeste: Art. 4 ATSG; Art. 1a Abs. 2 lit. b KVG; Unfallbegriff, ungewöhnlicher äusserer Faktor. Wer sich beim Aufschlagen des Kopfes gegen das Lenkrad eines Auto-Scooters eine Zahnverletzung zuzieht, erleidet einen Unfall im Rechtssinn (Änderung der Rechtsprechung gemäss Urteil K 90/03 vom 4. November 2005, publ. in: RKUV 2006 Nr. KV 351 S. 3; E. 2-5).

134 V 162 (9C_853/2007) from 15. April 2008
Regeste: Art. 61 lit. b ATSG; Art. 52 VwVG; Art. 2 Abs. 2 ZGB; Nachfrist zur Behebung des Mangels einer nicht oder ungenügend begründeten Beschwerde. Voraussetzungen für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs, welcher bei ungenügender oder fehlender Begründung des Rechtsbegehrens den Verzicht auf die gesetzlich vorgesehene Nachfristansetzung rechtfertigt (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 5.2).

135 I 221 (4D_30/2009) from 1. Juli 2009
Regeste: Art. 29 Abs. 3 BV; Recht auf unentgeltliche Rechtspflege; Berücksichtigung von Steuerrückständen bei der Beurteilung der Bedürftigkeit des Gesuchstellers. Die verfallenen Steuerschulden, deren Höhe und deren Fälligkeitsdatum feststehen, sind bei der Beurteilung der Bedürftigkeit der um unentgeltliche Rechtspflege nachsuchenden Person zu berücksichtigen, soweit sie tatsächlich bezahlt werden (Klärung der Rechtsprechung; E. 5.2).

135 V 124 (9C_781/2008) from 25. März 2009
Regeste: Art. 89 Abs. 1 und 2, Art. 56 Abs. 1 und 2 sowie Art. 32 Abs. 1 KVG; Art. 116 und 139 OR; Art. 46 Abs. 1 und Art. 83 Abs. 2 SchKG; sachliche und örtliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts zur Beurteilung der Aberkennungsklage eines Leistungserbringers. Ein einzelrichterlicher Nichteintretensentscheid mangels örtlicher oder sachlicher Zuständigkeit ist im Verfahren nach Art. 89 KVG unzulässig (E. 3). Das Schiedsgericht nach Art. 89 KVG ist sachlich zuständig zur Beurteilung der Aberkennungsklage eines Leistungserbringers betreffend eine vom Krankenversicherer auf dem Betreibungsweg geltend gemachte Forderung gestützt auf eine Vereinbarung im Zusammenhang mit einer behaupteten Verletzung des Gebots der wirtschaftlichen Behandlung (Art. 56 Abs. 1 und 2 sowie Art. 32 Abs. 1 KVG), auch wenn die Vereinbarung alle Merkmale einer Neuerung im Sinne von Art. 116 OR aufweist (E. 4.3.1). Der Gerichtsstand nach Art. 89 Abs. 2 KVG (Kanton, in welchem die ständige Einrichtung des Leistungserbringers liegt) geht dem Gerichtsstand des Betreibungsortes nach Art. 83 Abs. 2 SchKG vor (E. 4.3.2). Fristwahrung durch Klage beim örtlich unzuständigen Gericht (Art. 139 OR analog; E. 5).

135 V 153 (8C_769/2008) from 18. März 2009
Regeste: Art. 100 Abs. 5 BGG; Art. 58 ATSG; Art. 28 UVG; Gerichtsstand für Beschwerden der Hinterlassenen. Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wegen eines negativen Kompetenzkonflikts zweier kantonaler Versicherungsgerichte über die örtliche Zuständigkeit zur Beurteilung der Beschwerde der Hinterlassenen, welche Leistungen aus dem Unfallversicherungsgesetz geltend machen (E. 1-4).

135 V 306 (8C_763/2008) from 19. Juni 2009
Regeste: Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 88bis Abs. 2 lit. a IVV; Rentenrevision; Zeitpunkt, ab welchem die Herabsetzung oder Aufhebung der Rente wirksam wird. Die in Art. 88bis Abs. 2 lit. a IVV verankerte Frist für den Beginn der Wirksamkeit der Revision kann nicht verlängert werden (E. 7.2).

136 V 7 (9C_194/2009) from 15. Dezember 2009
Regeste: Art. 28 IVG; Art. 573 Abs. 2 ZGB; Art. 196, 260 und 269 SchKG; Art. 48 VwVG; Art. 59 ATSG; Art. 89 Abs. 1 BGG; Anfechtung einer den Nachlass betreffenden Rentenverfügung durch einen ausschlagenden Erben. Ein Erbe, welcher die Erbschaft ausgeschlagen und nicht den Antritt der Erbschaft vor Abschluss des Konkursverfahrens erklärt hat, ist nicht legitimiert, einen in den Nachlass fallenden öffentlich-rechtlichen Rechtsanspruch - in casu Rentenverfügung einer IV-Stelle - in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu verfolgen (E. 2.2). Art. 573 Abs. 2 ZGB ist grundsätzlich auch in einem Nachkonkurs anwendbar (E. 2.2.2.2).

136 V 225 (9C_388/2009) from 10. Mai 2010
Regeste: Art. 122, 124 und 142 Abs. 2 ZGB; Art. 25a Abs. 1 FZG; Unmöglichkeit einer Teilung der Austrittsleistung bei Scheidung. Stellt der Berufsvorsorgerichter fest, dass eine Teilung der Austrittsleistung im Sinne von Art. 122 ZGB wegen eines eingetretenen Vorsorgefalls nicht mehr möglich ist, muss er die Sache von Amtes wegen an den wiederum zuständigen Scheidungsrichter überweisen (E. 5.3). Dieser ist gehalten, das Instruktionsverfahren hinsichtlich der Frage der beruflichen Vorsorge wiederaufzunehmen und, nach Anhörung der Parteien, in diesem Punkt einen neuen Entscheid zu fällen (E. 5.5).

136 V 279 (9C_510/2009) from 30. August 2010
Regeste: Art. 4 Abs. 1 IVG; Art. 7 und 8 Abs. 1 ATSG. Ob eine spezifische und unfalladäquate HWS-Verletzung (Schleudertrauma) ohne organisch nachweisbare Funktionsausfälle invalidisierend wirkt, beurteilt sich sinngemäss nach der Rechtsprechung zu den anhaltenden somatoformen Schmerzstörungen (BGE 130 V 352; E. 3).

137 I 107 (2C_275/2009) from 26. Oktober 2010
Regeste: Art. 100 Abs. 1 und Art. 101 BGG; Frist zur abstrakten Normenkontrolle im Kanton vor Einleitung eines ebensolchen Verfahrens beim Bundesgericht. Anschliessend an ein kantonales Normenkontrollverfahren kann eine selbständige Nachprüfung der Norm durch das Bundesgericht nur stattfinden, wenn das kantonale Verfahren innert der in der kantonalen Gesetzgebung vorgesehenen Frist oder, wo keine solche vorgeschrieben ist, innert üblicher Rechtsmittelfrist angehoben worden ist. Diese unter dem früheren Bundesrechtspflegegesetz (OG) begründete Praxis (BGE 106 Ia 310) gilt unter dem Bundesgerichtsgesetz weiter. Die erwähnte übliche Rechtsmittelfrist beträgt 30 Tage und läuft erst mit dem Inkrafttreten der beanstandeten Norm (E. 1.3 und 1.4).

137 II 399 (2C_561/2010) from 28. Juli 2011
Regeste: a Art. 60 Abs. 3 BBG, Art. 72 und 83 BGG; Rechtsnatur der gemäss Verbindlicherklärung des Bundesrates zu leistenden Bildungsbeiträge. Die Verbindlicherklärung eines Berufsbildungsfonds für alle Betriebe der Branche und deren Verpflichtung zur Entrichtung von Bildungsbeiträgen (Art. 60 Abs. 3 BBG) hat zur Folge, dass die ursprünglich auf dem Reglement einer privatrechtlichen Vereinigung beruhende privatrechtliche Beitragspflicht zu einer öffentlich-rechtlichen wird. Damit steht in diesem Bereich einzig die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zur Verfügung (E. 1). Anwendung im konkreten Fall (E. 4).

137 III 261 (4A_239/2010) from 25. Januar 2011
Regeste: Lugano-Übereinkommen; Sistierung des Rechtsbehelfsverfahrens gegen eine Vollstreckbarkeitserklärung. Zulässigkeit einer Beschwerde beim Bundesgericht gegen einen kantonalen Entscheid, der das Exequaturverfahren sistiert (E. 1). Einwände, die bezüglich des Entscheids über die Sistierung berücksichtigt werden dürfen (E. 3).

137 V 1 (8C_303/2009) from 14. Dezember 2010
Regeste: a Art. 14a Abs. 1 und 2 IVG; Art. 4quater Abs. 1 und 2 IVV; Integrationsmassnahmen zur Vorbereitung auf die berufliche Eingliederung, sozialberufliche Rehabilitation. Eine unterschiedliche Behandlung von körperlich und psychisch in ihrer Arbeitsfähigkeit eingeschränkten Versicherten in Bezug auf die Durchführung von Integrationsmassnahmen findet keine Stütze in Gesetz und Verordnung und lässt sich auch nicht aus Sinn und Zweck der im Rahmen der 5. IV-Revision in Kraft gesetzten Regelung ableiten (E. 5).

137 V 154 (9C_833/2010) from 16. Mai 2011
Regeste: Art. 21 Abs. 5 ATSG; Art. 59 Abs. 1 und 4 StGB (in der ab 1. Januar 2007 gültigen Fassung); Sistierung der Rente der Invalidenversicherung während des Vollzugs einer stationären therapeutischen Massnahme gemäss Art. 59 StGB. Für die Rentensistierung gestützt auf Art. 21 Abs. 5 ATSG ist allein darauf abzustellen, ob der stationäre Massnahmenvollzug gemäss Art. 59 StGB eine Erwerbstätigkeit zulässt oder nicht. Von der Differenzierung einer gegenüber der Sozialgefährlichkeit im Vordergrund stehenden Behandlungsbedürftigkeit - als Hinderungsgrund einer Sistierung - ist abzusehen (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 6).

137 V 210 (9C_243/2010) from 28. Juni 2011
Regeste: a Art. 29 Abs. 1 und 2, Art. 30 Abs. 1 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG; Art. 59 Abs. 3 IVG; Art. 72bis IVV (in Kraft bis 31. März 2011); Einholung von Administrativ- und Gerichtsgutachten bei Medizinischen Abklärungsstellen (MEDAS); Wahrung eines fairen Verwaltungs- und Beschwerdeverfahrens.

137 V 314 (9C_310/2011) from 18. Juli 2011
Regeste: Art. 61 lit. d ATSG; Art. 28 IVG; reformatio in peius bei Rückweisungsentscheiden in IV-Rentenstreitigkeiten. Der Beschwerde führenden Partei ist auch dann Gelegenheit zum Rückzug der Beschwerde zu geben, wenn eine rentenzusprechende (z.B. Viertelsrente) Verfügung aufgehoben und die Sache zu weiterer Abklärung und neuer Entscheidung an die IV-Stelle zurückgewiesen werden soll (Änderung der Rechtsprechung; E. 3.2).

137 V 351 (9C_286/2011) from 11. August 2011
Regeste: Beginn des Anspruchs auf Hilflosenentschädigung nach Inkrafttreten der 5. IV-Revision. Entgegen dem Verweis in Art. 42 Abs. 4 in fine IVG richtet sich der zeitliche Beginn des Anspruchs auf Hilflosenentschädigung nicht nach Art. 29 Abs. 1 IVG. Vielmehr gelangt weiterhin sinngemäss Art. 28 Abs. 1 IVG zu den Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente zur Anwendung (E. 4 und 5).

137 V 369 (9C_226/2011) from 15. Juli 2011
Regeste: Art. 31 IVG; Auslegung. Nach dem Rechtssinn des Art. 31 IVG bezieht sich der lediglich zu zwei Dritteln zu berücksichtigende Betrag auf die (um Fr. 1'500.- reduzierte) Einkommensverbesserung und nicht auf das gesamte Erwerbseinkommen (Beantwortung der in 9C_833/2009 offengelassenen Frage; E. 4.4.3).

137 V 417 (9C_378/2010) from 21. November 2011
Regeste: Art. 37 Abs. 2 IVG; Rentenzuschlag bei Frühinvalidität. Unter "Eintritt der Invalidität" im Sinne von Art. 37 Abs. 2 IVG ist der Eintritt der leistungsspezifischen rentenbegründenden Invalidität (Versicherungsfall Invalidenrente nach Art. 4 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 ATSG und Art. 4 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 28 ff. IVG) zu verstehen (Bestätigung der Rechtsprechung gemäss Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 225/73 vom 11. Januar 1974 E. 2, in: ZAK 1974 S. 253 = RCC 1974 S. 233; E. 2.2). Bei einer seit ihrer Jugend an einem invalidisierenden Gesundheitsschaden leidenden Versicherten, deren Vollzeitstudium über das vollendete 25. Altersjahr hinaus angedauert hat und die nach Abschluss ihrer erstmaligen beruflichen Ausbildung dauerhaft teilerwerbsunfähig ist, ist Art. 37 Abs. 2 IVG nur anwendbar, wenn vor Vollendung des 25. Altersjahrs infolge einer behinderungsbedingten Verzögerung in der Ausbildung der Anspruch auf eine Invalidenrente gemäss Art. 26bis IVV entsteht (E. 2.3).

137 V 424 (9C_395/2011) from 31. Oktober 2011
Regeste: Art. 42 IVG und Art. 36 ff. IVV; Art. 42ter IVG und Art. 37 Abs. 4 IVV; Art. 17 Abs. 2 ATSG; Art. 88bis Abs. 2 IVV; Prüfung des Anspruchs auf Hilflosenentschädigung bei Vollendung des 18. Altersjahres. Das Erreichen des Mündigkeitsalters 18 ist nicht als Eintritt eines neuen Versicherungsfalles zu betrachten. Der Anspruch auf Hilflosenentschädigung Minderjähriger kann somit mit der Volljährigkeit nicht frei und umfassend, sondern lediglich unter revisionsrechtlichem Blickwinkel geprüft werden. Demzufolge bestimmt sich der Zeitpunkt einer allfälligen Herabsetzung oder Aufhebung der Hilflosenentschädigung nach Art. 88bis Abs. 2 IVV (E. 3).

138 I 484 (1C_142/2012) from 18. Dezember 2012
Regeste: Art. 29 Abs. 1 und 2 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Replikrecht im schriftlichen gerichtlichen Verfahren. Es ist Aufgabe des Gerichts, in jedem Einzelfall ein effektives Replikrecht der Parteien zu gewährleisten. Hierfür kann es genügen, eine Eingabe lediglich zur Kenntnisnahme zuzustellen (ohne Fristansetzung für eine allfällige Stellungnahme), wenn von der Partei erwartet werden kann, dass sie umgehend unaufgefordert Stellung nimmt oder eine Stellungnahme beantragt, sofern sie dies für erforderlich erachtet (E. 2.1-2.4). Vorliegend durfte das Gericht einen Verzicht auf das Replikrecht annehmen (E. 2.5).

138 II 346 (1C_230/2011) from 31. Mai 2012
Regeste: Datenschutzgesetz, Art. 28 ff. ZGB; Gewährleistung des Persönlichkeitsschutzes bei der Publikation von Personendaten in Google Street View. Zuständigkeit des EDÖB (E. 3). Begriff der Personendaten in Bezug auf die in Google Street View verwendeten Bilder (E. 6.5). Datenschutzvorschriften für die Bearbeitung von Personendaten (E. 7). Konkretisierung des in Art. 28 ZGB gewährleisteten Persönlichkeitsschutzes durch das Datenschutzrecht, Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Recht am eigenen Bild (E. 8). Berücksichtigung allgemeiner datenschutzrechtlicher Grundsätze (E. 9). Interessenabwägung in Bezug auf die Frage, ob und inwieweit die Bearbeitungsmethoden insgesamt geeignet sind, die Persönlichkeit einer grossen Anzahl von Personen zu verletzen: Es wird in Kauf genommen, dass höchstens ca. 1 % der Bilder ungenügend anonymisiert ins Internet gelangen und darauf erkennbare Personen und Fahrzeugkennzeichen erst auf Anzeige der Betroffenen hin nachträglich manuell unkenntlich gemacht werden (E. 10.6 und 10.7). Pflicht zur effizienten, unbürokratischen und kostenlosen nachträglichen Anonymisierung (E. 10.6.3 und 14.4). Die vorgängige automatische Anonymisierung ist laufend dem Stand der Technik anzupassen (E. 10.6.5 und 14.1). Bei sensiblen Einrichtungen (Schulen, Spitälern, Altersheimen, Frauenhäusern, Gerichten und Gefängnissen etc.) ist vor der Aufschaltung im Internet die vollständige Anonymisierung von Personen und Kennzeichen vorzunehmen (E. 10.6.4 und 14.2). Bilder von Privatbereichen wie umfriedeten Höfen, Gärten usw., die dem Einblick eines gewöhnlichen Passanten verschlossen bleiben, dürfen ohne Zustimmung der Betroffenen grundsätzlich nicht veröffentlicht werden, soweit sie von einer Kamerahöhe von über 2 m aufgenommen wurden; Übergangsfrist von max. drei Jahren zur Entfernung bereits aufgeschalteter Bilder, die dieser Anforderung nicht entsprechen (E. 10.7 und 14.3). Pflicht, in den Medien generell über die Widerspruchsmöglichkeit und speziell über bevorstehende Aufnahmen und Aufschaltungen von Bildern zu informieren (E. 10.6.3, 11 und 14.4).

138 III 157 (6B_368/2011) from 2. Februar 2012
Regeste: Art. 47 OR, Art. 62 Abs. 1 SVG; Genugtuung bei Konkubinatsverhältnis. Ein stabiles Konkubinatsverhältnis kann im Sinne von Art. 47 OR einen Anspruch auf Genugtuung zugunsten des überlebenden Konkubinatspartners begründen; Begriff des stabilen Konkubinatsverhältnisses (E. 2).

138 IV 258 (1B_432/2011) from 20. September 2012
Regeste: Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG, Art. 115 ff. StPO, Art. 90 Ziff. 1 SVG; Begriff des Geschädigten bei Verkehrsunfällen ohne Körperschaden. Beschwerde gegen einen Zwischenentscheid wegen Rechtsverweigerung (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG): Verzicht auf das Erfordernis des nicht wieder gutzumachenden Nachteils (E. 1.1). Geschädigtenstellung nach Art. 115 Abs. 1 StPO als Voraussetzung für die Berechtigung zur Beschwerde in Strafsachen als Privatkläger (E. 2.1). Als geschädigte Person gilt, wer Träger des Rechtsguts ist, das durch die fragliche Strafbestimmung vor Verletzung oder Gefährdung unmittelbar geschützt werden soll (E. 2.2-2.4). Übersicht über die unterschiedlichen Lehrmeinungen zum Rechtsgut, das mit Art. 90 Abs. 1 SVG geschützt wird (E. 3). Unmittelbar geschützt ist der reibungslose Ablauf der Fortbewegung auf öffentlichen Strassen. Individualinteressen wie Leib und Leben oder das Eigentum bzw. Vermögen werden nur mittelbar geschützt (E. 3.1, 3.2 und 4.1). Hat eine Person bei einem Verkehrsunfall ausschliesslich einen materiellen Schaden erlitten, so ist sie im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO nicht in ihren Rechten unmittelbar verletzt. Sie ist somit gestützt auf Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG nicht zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert (E. 4).

138 V 271 (9C_950/2011) from 9. Mai 2012
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Art. 29 ff. BV; Art. 43 f. ATSG; Art. 46 Abs. 1 lit. a VwVG und Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG. Kantonale Entscheide und solche des Bundesverwaltungsgerichts über Beschwerden gegen Verfügungen der IV-Stellen betreffend die Einholung von medizinischen Gutachten sind nicht an das Bundesgericht weiterziehbar, sofern nicht Ausstandsgründe beurteilt worden sind (Entscheidung der in BGE 137 V 210 E. 3.4.2.7 in fine S. 257 offengelassenen Frage; E. 1-4). Die formelle Ablehnung eines Sachverständigen kann regelmässig nicht allein mit strukturellen Umständen begründet werden, wie sie in BGE 137 V 210 behandelt worden sind (E. 2.2).

138 V 318 (8C_336/2012) from 13. August 2012
Regeste: Art. 29 Abs. 1 und 2 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Art. 43 Abs. 1 ATSG; Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; Anordnung einer Begutachtung in der Unfallversicherung; Weiterziehbarkeit ans Bundesgericht. Auch im Bereich der Unfallversicherung ist eine Begutachtung (in Abänderung der Rechtsprechung von BGE 132 V 93) bei Uneinigkeit durch eine beim kantonalen Versicherungsgericht (bzw. Bundesverwaltungsgericht) anfechtbare Zwischenverfügung anzuordnen und stehen der versicherten Person vorgängige Mitwirkungsrechte in dem Sinne zu, dass sie sich zu den Gutachterfragen äussern kann. Die dabei zu beachtenden Modalitäten richten sich sinngemäss nach BGE 137 V 210 E. 3.4.2.9 S. 258 (E. 6.1). Wie in BGE 138 V 271 für die Invalidenversicherung entschieden, können auch im Bereich der Unfallversicherung kantonale Entscheide bzw. solche des Bundesverwaltungsgerichts über Beschwerden gegen (Zwischen)Verfügungen der Unfallversicherer betreffend Gutachtensanordnung nicht ans Bundesgericht weitergezogen werden, sofern nicht formelle Ausstandsgründe beurteilt worden sind, und kann die formelle Ablehnung eines Sachverständigen regelmässig nicht allein mit strukturellen Umständen begründet werden, wie sie in BGE 137 V 210 behandelt worden sind (E. 6.2).

138 V 457 (9C_149/2011) from 25. Oktober 2012
Regeste: Art. 16 ATSG; Verwertbarkeit der Restarbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen ausgeglichenen Arbeitsmarkt. Für den Zeitpunkt, in welchem die Frage nach der Verwertbarkeit der (Rest-) Arbeitsfähigkeit bei vorgerücktem Alter beantwortet wird, ist auf das Feststehen der medizinischen Zumutbarkeit einer (Teil-)Erwerbstätigkeit abzustellen (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 3.3).

139 III 396 (4A_105/2013) from 5. August 2013
Regeste: Art. 64 BGG; teilweise Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Werden in der Beschwerde mehrere selbstständige Rechtsbegehren gestellt, die unabhängig voneinander beurteilt werden können, kann der bedürftigen Partei die unentgeltliche Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht auch nur teilweise in Bezug auf die nicht aussichtslosen Rechtsbegehren gewährt werden (E. 4).

139 V 99 (9C_971/2012) from 13. Februar 2013
Regeste: Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Art. 29 Abs. 1 BV; nicht wieder gutzumachender Nachteil durch eine nach BGE 137 V 210 E. 4 S. 258 nicht gerechtfertigte Rückweisung? Der Entscheid einer Beschwerdeinstanz, die Sache zur weiteren medizinischen Abklärung an die IV-Stelle zurückzuweisen, ist vor Bundesgericht regelmässig nicht anfechtbar (Beantwortung der in BGE 137 V 210 E. 4.4.1.4 in fine S. 265 offengelassenen Frage).

139 V 263 (9C_662/2012) from 19. Juni 2013
Regeste: Art. 18 Abs. 3 AHVG; Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über Sozialversicherung. Das Abkommen vom 8. Juni 1962 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der (ehemaligen) Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über Sozialversicherung ist ab 1. April 2010 nicht weiter auf kosovarische Staatsangehörige (Anerkennung Kosovos als unabhängiger Staat durch den Bundesrat am 27. Februar 2008) anwendbar, hier im Zusammenhang mit der Rückvergütung von AHV-Beiträgen, auf welche damit ein Anspruch besteht (E. 2-14).

139 V 349 (9C_207/2012) from 3. Juli 2013
Regeste: Art. 29 Abs. 1 und 2 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG; Art. 59 Abs. 3 IVG; Art. 72bis IVV; Einholung von Administrativ- und Gerichtsgutachten; Wahrung eines fairen Verwaltungs- und Beschwerdeverfahrens. Die Beschränkung der Auftragsvergabe nach dem Zufallsprinzip auf Begutachtungen mit drei und mehr Fachdisziplinen nach Art. 72bis IVV ist rechtmässig (E. 2.2 und 5.4). Die übrigen rechtsstaatlichen Anforderungen gemäss BGE 137 V 210 sind auf mono- und bidisziplinäre medizinische Begutachtungen sinngemäss anwendbar (E. 3-5).

140 I 90 (2C_169/2013) from 20. Januar 2014
Regeste: Art. 89 Abs. 1 BGG; Art. 115 lit. b BGG; Beschwerdelegitimation des Gemeinwesens gegen die Auferlegung einer finanziellen Verpflichtung durch ein übergeordnetes Gemeinwesen; qualifizierte Betroffenheit in hoheitlichen Befugnissen. Ein Gemeinwesen (welches die Voraussetzungen von Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG nicht erfüllt) ist gestützt auf Art. 89 Abs. 1 BGG legitimiert, die Auferlegung einer finanziellen Verpflichtung durch ein übergeordnetes Gemeinwesen anzufechten, wenn und soweit es darlegt, dass es in hoheitlichen Befugnissen berührt ist und zentrale öffentliche Interessen auf dem Spiel stehen (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 1). Strenge Voraussetzungen für die Legitimation des Gemeinwesens zur Erhebung der subsidiären Verfassungsbeschwerde (E. 2).

140 II 141 (2C_960/2012, 2C_961/2012) from 23. Januar 2014
Regeste: a Art. 30 Abs. 1 BV; Unregelmässigkeit in der Zusammensetzung einer letzten kantonalen Instanz. Das Bundesgericht prüft die Korrektheit der kantonalrechtlich geregelten Zusammensetzung der Vorinstanzen nur, wenn eine entsprechende Rüge erhoben worden ist; es unterlässt dies, wenn - wie hier - die Beschwerdeführer ausdrücklich darauf verzichtet haben (E. 1).

140 V 514 (8C_424/2013) from 21. November 2014
Regeste: a Art. 53 Abs. 2 ATSG; Wiedererwägung einer Verfügung. Auch mehr als zehn Jahre nach Erlass einer zweifellos unrichtigen Verfügung ist die Verwaltung befugt, auf diese wiedererwägungsweise zurückzukommen (E. 3).

140 V 538 (8C_274/2013) from 14. November 2014
Regeste: Art. 21 Abs. 2 IVG; Art. 14 IVV; Ziff. 9.01 und 9.02 HVI-Anhang; Anspruch auf eine elektrische Schiebe- und Bremshilfe. Der Umstand, dass eine gehunfähige Person einen Rollstuhl mit elektrischer Schiebe- und Bremshilfe nicht selbständig bedienen kann, schliesst die Abgabe des Hilfsmittels aus (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3-6).

140 V 543 (9C_648/2013) from 17. Oktober 2014
Regeste: Art. 42sexies IVG; Art. 39e und 39f IVV; Assistenzbeitrag. Das standardisierte Abklärungsinstrument FAKT2 ist grundsätzlich geeignet, den gesamten Hilfebedarf einer versicherten Person zu ermitteln (E. 3.2.2). Die Höhe des Pauschalansatzes für den Assistenzbeitrag von Fr. 32.50 resp. 32.80 pro Stunde gemäss Art. 39f Abs. 1 IVV ist gesetzeskonform (E. 3.3). Im Verfahren betreffend den Assistenzbeitrag kann eine neue Abklärung von Aspekten der Hilflosigkeit namentlich dann angezeigt sein, wenn sie zwar nicht für den Schweregrad der Hilflosigkeit und den entsprechenden Entschädigungsanspruch, jedoch für den Anspruch auf Assistenzbeitrag bedeutsam sind (E. 3.4.4). Was unter einer Institution im Sinne von Art. 42sexies Abs. 2 IVG und Art. 39e Abs. 4 IVV zu verstehen ist, ergibt sich in erster Linie aus Art. 3 IFEG. Die in Art. 39e Abs. 4 IVV vorgesehene pauschale Kürzung des Höchstansatzes entsprechend dem regelmässigen Aufenthalt in einer solchen Institution ist gesetzmässig (E. 3.5). Die Höchstansätze von Art. 39e IVV beinhalten die durch die Hilflosenentschädigung und allfällige Beiträge für Dienstleistungen Dritter oder an Grundpflege nach Art. 25a KVG zu deckende Zeit (E. 3.6.3).

141 II 262 (2C_1086/2013) from 9. Juli 2015
Regeste: Art. 106 BV (Fassung vom 11. März 2012); Art. 2, 13 und 20 IVLW; Art. 1 Abs. 2 sowie Art. 48 und 50 SBG; Art. 1, 3, 5 ff., 13, 15 und 38 ff. LG; Art. 48 VwVG; Kompetenz der Interkantonalen Lotterie- und Wettkommission (Comlot) zur Durchführung von Unterstellungs- bzw. Qualifikationsverfahren. Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen einen Zuständigkeitsentscheid der Comlot (E. 1). Übersicht über die Glücksspielregelung in Bund und Kantonen (E. 2 und 3). Bestätigung der bundesgerichtlichen Auslegungsmethodik (E. 4). Die Comlot als Bewilligungsbehörde ist gestützt auf eine teleologisch-geltungszeitliche Interpretation des Bundes- und interkantonalen Rechts (IVLW) befugt, im Zusammenhang mit Grosslotterien ein Unterstellungs- bzw. Qualifikationsverfahren durchzuführen und das generell-abstrakt gültige Lotterieverbot im Einzelfall zu konkretisieren (E. 5 und 6). Den konzessionierten Lotteriegesellschaften kommt dabei grundsätzlich Parteistellung zu (E. 7).

141 II 429 (1C_115/2015) from 26. November 2015
Regeste: Art. 20 Abs. 2bis VwVG (Art. 44 Abs. 2 BGG, Art. 38 Abs. 2bis ATSG); Fiktion der Zustellung einer Gerichtsurkunde bei einem Postrückbehaltungsauftrag (Bestätigung der Rechtsprechung). Bei einem Postrückbehaltungsauftrag gilt eine Gerichtsurkunde als zugestellt am letzten Tag der Frist von sieben Tagen ab Eingang der Sendung bei der Poststelle am Wohnort des Empfängers. Daran wollte der Gesetzgeber anlässlich der Totalrevision der Bundesrechtspflege nichts ändern. Die von der früheren Rechtsprechung entwickelten Grundsätze bleiben anwendbar (E. 3.3). Wer weiss, dass er Partei eines gerichtlichen Verfahrens ist, muss im Falle seiner Abwesenheit die geeigneten Massnahmen treffen, damit ihm richterliche Mitteilungen zukommen, oder zumindest die Behörde über seine Abwesenheit informieren; ein Postrückbehaltungsauftrag stellt keine genügende Massnahme dar (E. 3.1 und 3.2).

141 III 596 (4A_643/2014) from 25. November 2015
Regeste: Vorausverzicht auf die Anhebung einer Beschwerde an das Bundesgericht. Wirkungslos ist die Vertragsklausel, mit der die Parteien im Voraus darauf verzichten, einen allfälligen staatlichen Entscheid einer letzten kantonalen Instanz betreffend Ansprüche, die ihrer freien Verfügung unterliegen, an das Bundesgericht weiterzuziehen (E. 1).

141 IV 71 (4A_424/2014) from 4. Februar 2015
Regeste: Art. 41 Abs. 1, Art. 60 Abs. 1 und 2 OR; Art. 141bis StGB; Klage auf Rückerstattung einer irrtümlich bezahlten Geldsumme; Verjährung. Das Verhalten, sich hartnäckig, ohne weitere Obstruktions- oder Verheimlichungshandlungen, zu weigern, eine irrtümlich bezahlte Geldsumme zurückzuerstatten, erfüllt den Straftatbestand der unrechtmässigen Verwendung von Vermögenswerten nach Art. 141bis StGB nicht. Es besteht somit neben der Bereicherungsklage nach Art. 63 Abs. 1 OR keine Klage aus unerlaubter Handlung, welche einer längeren Verjährungsfrist unterliegt (E. 3-8).

141 IV 284 (1B_363/2013) from 12. Mai 2015
Regeste: Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; Art. 140 und 141 StPO; Strafverfahren; Zulässigkeit der Beschwerde gegen Zwischenentscheide über die Verwertbarkeit von Beweisen. Zwischenentscheide, welche die Verwertung von Beweisen zulassen, bewirken in der Regel keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (E. 2.2). Ausnahmen von dieser Regel (E. 2.3). Entscheide, welche die Verwertung von Beweisen verbieten und ihre Entfernung aus den Strafakten anordnen, bewirken für die Staatsanwaltschaft einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil, wenn sie ohne diesen Beweis das Strafverfahren einstellen muss. Dies trifft nicht zu, wenn sie das Strafverfahren gestützt auf andere Beweise oder Beweismassnahmen weiterführen kann (E. 2.4 und 2.5).

141 IV 289 (1B_56/2015) from 29. Juli 2015
Regeste: Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; Art. 130 lit. b, Art. 131 Abs. 3, Art. 141 Abs. 1, 2 und 5 StPO; Entfernung eines Einvernahmeprotokolls aus den Untersuchungsakten wegen angeblicher Unverwertbarkeit; nicht wieder gutzumachender Rechtsnachteil. Der alleinige Umstand, dass ein Beweismittel, dessen Verwertbarkeit der Beschwerdeführer im Vorverfahren bestreitet, in den Untersuchungsakten bleibt, stellt grundsätzlich keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur dar (E. 1). Eine Ausnahme von dieser Regel ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Insbesondere sieht das Gesetz (hier: Art. 131 Abs. 3 StPO) nicht ausdrücklich die sofortige Rückgabe aus den Akten oder die Vernichtung rechtswidriger Beweise vor. Ebenso wenig steht (aufgrund des Gesetzes oder der Umstände des Einzelfalles) die Ungültigkeit bzw. Unverwertbarkeit des Beweismittels hier ohne Weiteres fest (E. 2).

141 V 281 (9C_492/2014) from 3. Juni 2015
Regeste: Art. 4 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 6-8 ATSG (insbesondere Art. 7 Abs. 2 ATSG); psychosomatische Leiden und rentenbegründende Invalidität. Feststellung der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung: Bedeutung der diagnostischen Voraussetzungen, auch für die Einschätzung der funktionellen Auswirkungen (E. 2.1). Tragweite der Ausschlussgründe nach BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 51 (E. 2.2). Beurteilung der Arbeits(un)fähigkeit (E. 3-5): Aufgabe der Überwindbarkeitsvermutung (Änderung der Rechtsprechung; E. 3.4 und 3.5). Das bisherige Regel/Ausnahme-Modell wird durch einen strukturierten normativen Prüfungsraster ersetzt (E. 3.6). Unveränderte Geltung der Grundsätze betreffend die Zumutbarkeit; Betonung der Konzepte der indirekten Beweisführung sowie der objektivierten Betrachtungsweise bei materieller Beweislast der rentenansprechenden Person (E. 3.7). Anpassung des Beurteilungsrasters, Rechtsnatur und Systematik des Indikatorenkatalogs; Erweiterung der Indikatoren im Hinblick auf die Erfassung von Ressourcen (E. 4.1). Anwendungsgebiet (E. 4.2). Auf den funktionellen Schweregrad bezogene Indikatoren (Änderung der Rechtsprechung betreffend die Elemente primärer Krankheitsgewinn und Komorbidität; E. 4.3). Auf die Konsistenz der funktionellen Beeinträchtigungen bezogene Indikatoren (E. 4.4). Zuständigkeiten von Recht und Medizin: rechtliches Anforderungsprofil auf medizinischer Grundlage; erforderliche Umsetzung in medizinische Leitlinien (E. 5.1). Zusammenwirken bei der konkreten Invaliditätsbemessung (E. 5.2). Zusammenfassung (E. 6). Kognition des Bundesgerichts (E. 7). Intertemporalrechtliches (E. 8).

142 I 42 (4F_15/2014) from 11. November 2015
Regeste: Art. 122 lit. b BGG; Revision wegen Verletzung der EMRK. Auslegung von Art. 122 lit. b BGG: Eine Revision ist (auch) zulässig, wenn zwar materielle Interessen zur Diskussion stehen, der EGMR aber nach Feststellung der Verletzung von Verfahrensrechten die beantragte Entschädigung nach Art. 41 EMRK nicht inhaltlich prüft, sondern sie ohne nähere Begründung "unter Verneinung der Kausalität" ablehnt (E. 2.2).

142 II 363 (2C_309/2015) from 24. Mai 2016
Regeste: Fristbeginn für die Anfechtung von Kostenregelungen in einem Rückweisungsentscheid (Art. 92, 93 und 100 BGG). Befindet die Vorinstanz des Bundesgerichts im Rahmen eines Rückweisungsentscheides über Kostenfolgen, ist dies ein Zwischenentscheid, der nicht unter Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (nicht wieder gutzumachender Nachteil) fällt: Wird die von der unteren Instanz aufgrund des Rückweisungsentscheids ergangene neue Verfügung in der Sache nicht mehr angefochten, kann direkt im Anschluss an diese neue Verfügung die Kostenregelung im Rückweisungsentscheid innert der Beschwerdefrist von Art. 100 BGG beim Bundesgericht angefochten werden. Fristauslösend für diese Anfechtung ist das Eröffnungs- bzw. Zustellungsdatum der neuen unterinstanzlichen Verfügung (E. 1.1-1.3).

142 III 758 (9C_453/2016) from 21. November 2016
Regeste: Art. 2 Abs. 4 des Bundesratsbeschlusses über die Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeitsvertrages für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (GAV FAR); Unterstellung. Reine Transportunternehmen, die Leistungen für das Baugewerbe erbringen, fallen nicht unter den betrieblichen Geltungsbereich der allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen des GAV FAR (E. 4.4).

142 III 798 (4A_14/2016) from 15. November 2016
Regeste: Beschwerde in Zivilsachen gegen einen Zwischenentscheid betreffend einen Kostenvorschuss oder Sicherheit für die Parteientschädigung (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Der Beschwerdeführer, der einen Entscheid bezüglich eines Kostenvorschusses oder einer Sicherheit für die Parteientschädigung anficht, die im Gesetz vorgesehen sind, und der sich darauf beruft, der Zugang zum Gericht sei ihm verwehrt, muss in der Beschwerdebegründung aufzeigen, dass ihm dieser Nachteil tatsächlich droht, da er finanziell nicht in der Lage ist, den Kostenvorschuss oder die Sicherheiten zu leisten (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 2).

142 IV 93 (6B_374/2015) from 3. März 2016
Regeste: Art. 90 Abs. 2 SVG i.V.m. Art. 35 Abs. 1 SVG, Art. 8 Abs. 3 Satz 1 und Art. 36 Abs. 5 lit. a der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV); Art. 23 Abs. 2 BGG; Unterscheidung zwischen (auf Autobahnen) verbotenem Rechtsüberholen und erlaubtem Rechtsvorfahren; Präzisierung des Begriffs des Kolonnenverkehrs und der Gefahrenbewertung bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Bei parallelem Kolonnenverkehr ist es erlaubt, rechts an anderen Fahrzeugen vorbeizufahren (sog. Vorfahren). Das Rechtsüberholen durch Ausschwenken und Wiedereinbiegen ist hingegen gemäss Art. 8 Abs. 3 Satz 2 VRV auch beim Fahren in parallelen Kolonnen ausdrücklich untersagt (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 4.1 i.V.m. E. 3.1-3.3). Kolonnenverkehr ist anhand der konkreten Verkehrssituation zu bestimmen und zu bejahen, wenn es auf der (linken und/oder mittleren) Überholspur zu einer derartigen Verkehrsverdichtung kommt, dass die auf der Überhol- und der Normalspur gefahrenen Geschwindigkeiten annähernd gleich sind (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 4.2.1). Das (passive) Rechtsvorbeifahren bei dichtem Verkehr ist mittlerweile eine alltägliche, kaum zu vermeidende Situation, die nicht generell zu einer abstrakt erhöhten Gefahrensituation i.S.v. Art. 90 Abs. 2 SVG führt (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 4.2.2). Ein Vorfahren begründet weder objektiv eine Verkehrsregelverletzung und erhebliche Gefährdung der Verkehrssicherheit mit beträchtlicher Unfallgefahr (E. 5.1-5.3) noch subjektiv ein schweres Verschulden oder grobe Fahrlässigkeit (E. 5.4).

142 IV 196 (6B_111/2015) from 3. März 2016
Regeste: Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG; Beschwerdelegitimation der Staatsanwaltschaft. Die Legitimation zur Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht richtet sich nach Art. 81 BGG, welcher die Beschwerdeberechtigung namentlich der Staatsanwaltschaft zuerkennt (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG). Die Frage, wer innerhalb der Staatsanwaltschaft befugt ist, diese zu vertreten, ist eine Frage der Behördenorganisation, die sich nach dem kantonalen Recht beurteilt (E. 1.2-1.5).

142 V 551 (9C_160/2016) from 19. August 2016
Regeste: a Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 BV; Art. 92, 93 und 100 BGG; Vertrauensschutzprinzip im Falle geänderter Rechtsprechung zum Fristbeginn bei Anfechtung von Kostenregelungen in einem Rückweisungsentscheid. Die bisherige - mit BGE 142 II 363 (Urteil 2C_309/2015 vom 24. Mai 2016) geänderte - bundesgerichtliche Praxis, wonach bei Kostenregelungen in Rückweisungsentscheiden erst die Rechtskraft (und nicht bereits die Eröffnung) der neuen Verfügung fristauslösend wirkt, wurde hauptsächlich in Fällen auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts angewendet. Ein Nichteintreten auf die vor dem 24. Mai 2016 eingereichte Beschwerde der IV-Stelle infolge Fristversäumnisses verletzte trotz prinzipiell sofortiger Anwendbarkeit der bereinigten fristbestimmenden Leitlinien den Grundsatz des Vertrauensschutzes (E. 3 und 4).

143 I 377 (9C_806/2016) from 14. Juli 2017
Regeste: Art. 59 Abs. 5 IVG; Art. 13 BV; Art. 8 EMRK; Zulässigkeit und Verwertbarkeit einer im Invalidenversicherungsverfahren angeordneten Observation. Eine von der IV-Stelle angeordnete Observation entbehrt einer genügenden gesetzlichen Grundlage und verletzt daher Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV (E. 4). Das Beweismaterial, das im Rahmen einer rechtswidrig angeordneten Observation im öffentlich frei einsehbaren Raum gewonnen wurde, ist im Invalidenversicherungsverfahren gestützt auf eine Interessenabwägung zwischen privaten und öffentlichen Interessen verwertbar. In casu überwiegt das erhebliche und gewichtige öffentliche Interesse an der Verhinderung des Versicherungsmissbrauchs den hier relativ bescheidenen Eingriff in die grundrechtliche Position der versicherten Person (E. 5).

143 II 617 (2C_685/2016, 2C_806/2016) from 13. Dezember 2017
Regeste: Art. 1 Abs. 2, 10 Abs. 1 und 2 lit. e und f, 19 Abs. 1 lit. a, 22 Abs. 2 URG; Art. 11bis Abs. 1 Ziff. 2 und 3 RBÜ; Art. 8 WCT; Gemeinsamer Tarif 3a Zusatz betreffend die Entschädigung für den Sendeempfang in Gästezimmern von Hotels; entschädigungsfreier Privatgebrauch. Wenn ein Hotel mittels eigener Antenne Radio- oder TV-Programme empfängt und diese in die Hotelzimmer weiterleitet, liegt eine Weitersendung im Sinne von Art. 10 Abs. 2 lit. e URG (und nicht ein Wahrnehmbarmachen im Sinne von Art. 10 Abs. 2 lit. f URG) vor (E. 5.1). Aufgrund der Kritik in der Lehre (E. 5.2.2), des Wortlautes der Bestimmung (E. 5.2.3), der seit 1993 weiter entwickelten völkerrechtlichen Verpflichtungen (E. 5.2.4) und der entsprechenden Rechtsprechung (E. 5.2.5) ergibt sich (in teilweiser Abkehr von BGE 119 II 51), dass die Weitersendung von Werken in Gästezimmer von Hotels eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 11bis Abs. 1 RBÜ darstellt, weshalb Art. 22 Abs. 2 URG nicht anwendbar ist (E. 5.2.6). Der Konsum von Radio- und Fernsehsendungen in Hotelzimmern stellt auch keinen entschädigungsfreien Privatgebrauch im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. a URG dar (E. 5.3).

143 IV 77 (1B_320/2015) from 3. Januar 2017
Regeste: Art. 261bis Abs. 4 erster Satzteil StGB; Art. 115 Abs. 1 und Art. 118 Abs. 1 StPO; Rassendiskriminierung, Geschädigtenstellung. Bei Diskriminierung einer Gruppe von Personen (hier: der Juden) kommt den einzelnen Gruppenangehörigen mangels unmittelbarer Betroffenheit keine Geschädigtenstellung zu. Sie können sich deshalb nicht als Privatkläger konstituieren (E. 4).

143 IV 228 (2C_1154/2015) from 31. März 2017
Regeste: Art. 11 und 12 VStrR; Art. 98 lit. a und 333 StGB; Verjährung einer Steuerforderung im Fall eines Verstosses gegen das Bundesverwaltungsrecht; Ruhen der Verjährung. Berechnung der Verjährungsfrist einer Steuerforderung, die im Zusammenhang mit einem Verstoss gegen das Bundesverwaltungsrecht steht (E. 4). Gemäss Art. 11 Abs. 3 VStrR ruht die Verjährung der Strafverfolgung während der Dauer des Einspracheverfahrens; das besagte Einspracheverfahren setzt mit der Ausfällung des steueramtlichen Entscheids ein, aus welchem sich ergibt, dass die steuerpflichtige Person Schuldner der streitbetroffenen Forderung ist (E. 5).

143 IV 387 (1B_75/2017) from 16. August 2017
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 13 Abs. 1, 36 Abs. 1 BV; Art. 141 Abs. 2, 197 Abs. 1 lit. a, 248, 282 StPO; Observationen durch Privatdetektive; Verwertbarkeit im Entsiegelungs- und Untersuchungsverfahren. Für systematische private Observationen im Strafprozess besteht keine gesetzliche Grundlage. Die Frage, ob die insofern rechtswidrig erhobenen Beweismittel im Entsiegelungsverfahren verwertbar oder bereits im Vorverfahren auszuscheiden sind, ist nach Art. 141 Abs. 2 StPO zu prüfen. Falls die Beweismittel nicht klarerweise unverwertbar sind, besteht kein Entsiegelungshindernis und ist die abschliessende Prüfung der Verwertbarkeit dem Sachrichter im Endentscheid vorzubehalten (E. 4).

143 V 409 (8C_841/2016) from 30. November 2017
Regeste: Art. 4 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 6-8 ATSG (insb. Art. 7 Abs. 2 ATSG); Art. 28 Abs. 1 IVG; depressive Störungen leicht- bis mittelgradiger Natur und rentenbegründende Invalidität. Es ist sach- und systemgerecht, solche Leiden ebenfalls einem strukturierten Beweisverfahren nach BGE 141 V 281 zu unterziehen. Dieses bleibt entbehrlich, wenn im Rahmen beweiswertiger fachärztlicher Berichte (vgl. BGE 125 V 351) eine Arbeitsunfähigkeit in nachvollziehbar begründeter Weise verneint wird und allfälligen gegenteiligen Einschätzungen mangels fachärztlicher Qualifikation oder aus anderen Gründen kein Beweiswert beigemessen werden kann. Änderung der Rechtsprechung (E. 4.5).

143 V 418 (8C_130/2017) from 30. November 2017
Regeste: Art. 4 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 6-8 ATSG (insb. Art. 7 Abs. 2 ATSG); Art. 28 Abs. 1 IVG; Invalidität bei psychischen Leiden. Grundsätzlich sind sämtliche psychischen Erkrankungen einem strukturierten Beweisverfahren nach BGE 141 V 281 zu unterziehen. Änderung der Rechtsprechung (E. 6 und 7). Ein Leiden als leicht einzustufen, weil diagnostisch kein Bezug zum Schweregrad desselben gefordert ist und ihm bereits deshalb eine versicherungsrechtlich relevante Einschränkung der Arbeitsfähigkeit abzusprechen, geht fehl. Klarstellung der Rechtsprechung (E. 5.2). Fortan ist E. 4.3.1.3 von BGE 141 V 281 so zu verstehen, dass Störungen unabhängig von ihrer Diagnose bereits dann als rechtlich bedeutsame Komorbidität in Betracht fallen, wenn ihnen im konkreten Fall ressourcenhemmende Wirkung beizumessen ist (E. 8.1).

144 I 159 (5A_701/2017) from 14. Mai 2018
Regeste: Art. 30 BV und 6 Ziff. 1 EMRK; Ablehnung einer Kindesschutzbehörde; "Freundschaft" auf Facebook mit einer Prozesspartei. "Freundschaft" auf Facebook als Ablehnungsgrund (E. 4).

144 V 361 (8C_299/2018) from 29. November 2018
Regeste: Art. 28 Abs. 1 lit. b, aArt. 29 Abs. 1 und Art. 42 Abs. 4 IVG; Entstehung des Anspruchs auf eine Hilflosenentschädigung. Beantwortung der in BGE 137 V 351 E. 5.1 S. 361 offengelassenen Frage dahingehend, dass der Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung jedenfalls den Ablauf der einjährigen Wartezeit in sinngemässer Anwendung von Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG voraussetzt (E. 6.2).

145 V 215 (9C_724/2018) from 11. Juli 2019
Regeste: Art. 4 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 6-8 ATSG; Art. 28 Abs. 1 IVG; invalidenversicherungsrechtliche Relevanz von Abhängigkeitssyndromen (psychische Störungen durch psychotrope Substanzen). Primäre Abhängigkeitssyndrome sind - wie sämtliche psychischen Erkrankungen - grundsätzlich einem strukturierten Beweisverfahren nach BGE 141 V 281 zu unterziehen (E. 5 und 6.2; Änderung der Rechtsprechung).

146 V 9 (9C_413/2019) from 4. Dezember 2019
Regeste: Art. 44 ATSG; Delegation von Aufgaben und Mitwirkungsrecht der versicherten Person im Rahmen der medizinischen Begutachtung. Die Pflicht des Versicherungsträgers, der versicherten Person vor Beginn der Begutachtung den Namen des Sachverständigen mitzuteilen, erstreckt sich auf den Namen des Arztes, der im Auftrag des Gutachters die Anamnese der zu begutachtenden Person erstellt, die medizinischen Akten analysiert und zusammenfasst oder die Expertise auf deren Schlüssigkeit hin überprüft (E. 4.2.3).

146 V 95 (9C_391/2019) from 23. März 2020
Regeste: Art. 123 und 124 ZGB; Vorsorgeausgleich bei Ehescheidung; Bestimmung der zu teilenden Austrittsleistung. Für die Anwendbarkeit von Art. 124 ZGB ist entscheidend, ob vor Einleitung des Scheidungsverfahrens ein Anspruch auf eine Invalidenrente aus beruflicher Vorsorge entstanden resp. der Vorsorgefall Invalidität eingetreten ist. Dass (noch) keine Rente bezogen wird, schliesst die Anwendung von Art. 124 ZGB nicht aus (E. 4.4).

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