Bundesgesetz
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Art. 75 Prüfung der Gültigkeit 147
1 Ist bei einer Volksinitiative die Einheit der Materie (Art. 139 Abs. 3 und Art. 194 Abs. 2 BV) oder die Einheit der Form (Art. 139 Abs. 3 und Art. 194 Abs. 3 BV) nicht gewahrt oder verletzt die Volksinitiative zwingende Bestimmungen des Völkerrechts (Art. 139 Abs. 3, 193 Abs. 4 und 194 Abs. 2 BV), so erklärt die Bundesversammlung sie soweit notwendig für ganz oder teilweise ungültig.148 2 Die Einheit der Materie ist gewahrt, wenn zwischen den einzelnen Teilen einer Initiative ein sachlicher Zusammenhang besteht. 3 Die Einheit der Form ist gewahrt, wenn die Initiative ausschliesslich in der Form der allgemeinen Anregung oder des ausgearbeiteten Entwurfs gestellt ist. 147 Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 21. Juni 2002, in Kraft seit 1. Jan. 2003 (AS 2002 3193; BBl 2001 6401). 148 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 8. Okt. 1999, in Kraft seit 1. März 2000 (AS 2000 411; BBl 1999 7922). BGE
123 I 63 () from 12. März 1997
Regeste: Kantonale Volksinitiative, Einheit der Materie, Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 4 BV; Art. 85 lit. a OG). Recht der Bürger oder des Initiativkomitees auf Anhörung, wenn ein kantonales Parlament über die Gültigkeit einer Volksinitiative entscheidet; ein solches Recht kann nicht aus Art. 4 BV abgeleitet werden (E. 2). Grundsatz der Einheit der Materie; Zusammenfassung der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichts (E. 4b). Sanktion bei Nichtbeachtung der Einheit der Materie; das kantonale Recht kann eine Aufteilung der Initiative vorsehen (E. 4c). Sanktion im Fall eines Missbrauchs des Initiativrechts (E. 4d). Erfordernis der Klarheit in bezug auf den Text einer nicht formulierten Initiative (E. 4e). Anwendung der Regel der Einheit der Materie (E. 5) und der kantonalen Bestimmungen über die Aufteilung einer Initiative im vorliegenden Fall; Aufteilung hier ausgeschlossen; Ungültigkeit der Initiative, weil der vorgeschlagene Text, welcher eine Vielzahl verschiedenartiger Vorschläge für den wirtschaftlichen und sozialen Bereich enthält, nicht genügend klar ist und einen Missbrauch des Rechts der Volksinitiative darstellt (E. 6).
129 I 366 () from 27. August 2003
Regeste: Änderung der Zürcher Kantonsverfassung betreffend Neuordnung des Verhältnisses zwischen Kirchen und Staat, Einheit der Materie; Art. 34 Abs. 2 BV. Grundsatz der Einheit der Materie: Grundlage, Anwendungsbereich, Bedeutung (E. 2). Neuordnung des Verhältnisses zwischen Kirchen und Staat (E. 3). Die Verfassungsänderung enthält unterschiedliche Teile, bildet indessen eine grundsätzliche Gesamtvorlage zur Neuordnung des Verhältnisses zwischen Kirchen und Staat und wahrt den Grundsatz der Einheit der Materie (E. 4).
129 I 381 () from 25. September 2003
Regeste: Art. 85 lit. a OG; Einheit der Materie. Im Fall der offensichtlichen Verletzung des Prinzips der Einheit der Materie (E. 2), kann die Aufteilung einer Volksinitiative - und die Unterstellung jedes ihrer Teile unter die Volksabstimmung - nicht gefordert werden, selbst wenn das kantonale Recht diese vorsieht (E. 4).
130 I 185 () from 26. Mai 2004
Regeste: Art. 85 lit. a OG; Volksinitiative; Einheit der Form und der Materie; Aufteilung, teilweise Ungültigerklärung. Die Initiative, welche insbesondere zum Ziel hat, Bestimmungen aus verschiedenen Gesetzen in zum Teil abgeänderter Form in der Kantonsverfassung zu verankern, verletzt die Einheit der Form nicht (E. 2). Im Hinblick auf die verschiedenartigen Ziele, welche sie verfolgt (Erweiterung der politischen Rechte und verstärkter Mieterschutz), und auf die beabsichtigten Massnahmen verletzt sie jedoch die Einheit der Materie (E. 3). Auch wenn die Länge und die Vielschichtigkeit des Initiativtextes einer Aufteilung entgegenstehen (E. 4), so beinhaltet doch derjenige Teil der Initiative, welcher das obligatorische Referendum für Gesetzesänderungen im Bereich des Mieterschutzes vorsieht, den Kern des Vorstosses; er ist als solcher gültig und kann dem Stimmvolk unterbreitet werden (E. 5).
147 I 206 (1C_105/2020, 1C_129/2020) from 7. Oktober 2020
Regeste: Art. 73, 77 und 80 BPR, Art. 29a und 34 BV; Rückzug einer eidgenössischen Volksinitiative. Gegen den Rückzug einer eidgenössischen Volksinitiative ist die Beschwerde ans Bundesgericht möglich (E. 2). Der Rückzug einer eidgenössischen Volksinitiative ist unter den Voraussetzungen von Art. 73 BPR auch nach der Aufhebung einer Abstimmung durch das Bundesgericht möglich (E. 3). |