Bundesverfassung
der Schweizerischen Eidgenossenschaft

vom 18. April 1999 (Stand am 7. März 2021)


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Art. 13 Schutz der Privatsphäre

1 Je­de Per­son hat An­spruch auf Ach­tung ih­res Pri­vat- und Fa­mi­li­en­le­bens, ih­rer Woh­nung so­wie ih­res Brief-, Post- und Fern­mel­de­ver­kehrs.

2 Je­de Per­son hat An­spruch auf Schutz vor Miss­brauch ih­rer per­sön­li­chen Da­ten.

BGE

126 I 50 () from 5. April 2000
Regeste: Fernmeldegeheimnis, Überwachung des E-Mail-Verkehrs als strafprozessuale Zwangsmassnahme; Art. 4 aBV/Art. 9 BV, Art. 36 Abs. 4 aBV/Art. 13 Abs. 1 BV, § 103 und 104 ff. StPO/ZH. Die materielle Grundlage für Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis findet sich nicht im (eidgenössischen) Fernmeldegesetz, sondern in den einschlägigen Strafprozessbestimmungen (E. 2). Es hält vor dem Willkürverbot nicht stand, vom Provider die Erforschung und Herausgabe von Angaben über Absender und Sendezeitpunkt eines manipulierten E-Mails gestützt auf § 103 StPO/ZH zu verlangen (E. 4). Die Teilnehmeridentifikation von Telefongesprächen stellt einen Eingriff in das Telefongeheimnis dar und unterliegt den verfassungs- und gesetzmässigen Voraussetzungen (E. 5b). Das verfassungsmässige Fernmeldegeheimnis gilt auch für den E-Mail-Verkehr über Internet; Anforderungen an Eingriffe (E. 6a). Die Erforschung und Herausgabe der Angaben über die Randdaten einer E-Mail-Mitteilung bedarf einer gesetzlichen Grundlage und einer richterlichen Genehmigung (E. 6b und 6c).

126 II 377 () from 11. September 2000
Regeste: Art. 8 Abs. 2, Art. 9, 11 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1, Art. 29a, 30 sowie 41 Abs. 1 lit. f und g BV; Art. 8 und 13 EMRK; Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 sowie Art. 86 Abs. 1 OG; Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Wieweit lassen sich aus den Grundrechten der Bundesverfassung vom 18. April 1999 Ansprüche auf die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ableiten, welche den Weg ans Bundesgericht mittels Verwaltungsgerichtsbeschwerde öffnen? - aus dem Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäss Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1 BV: keine Änderung der Rechtsprechung (E. 2b, 2c und 7); - aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 9 BV) unter bestimmten Voraussetzungen (E. 3); - nicht aus dem Willkürverbot gemäss Art. 9 BV (E. 4); - aus dem Grundrecht auf Schutz von Kindern und Jugendlichen gemäss Art. 11 Abs. 1 BV? Tragweite dieser Bestimmung (E. 5). Begriff der direkten und indirekten Diskriminierung gemäss Art. 8 Abs. 2 BV: Die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung eines invalid gewordenen Ausländers stellt keine Diskriminierung dar (E. 6). Erschöpfung des Instanzenzuges im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde bei "anspruchsabhängigen" kantonalen Rechtsmitteln (E. 8b und 8e). Art. 13 EMRK sowie Art. 30 BV verlangen keinen generellen gerichtlichen Rechtsschutz (E. 8d/bb).

126 II 425 () from 25. August 2000
Regeste: Art. 8 in Verbindung mit Art. 14 EMRK; Art. 8, Art. 13 Abs. 1, Art. 14 und Art. 36 BV; Art. 4 ANAG; Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG; Anspruch eines gemischtnationalen, lesbischen Paares, seine Beziehung in der Schweiz leben zu können. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften stellen kein Familienleben im Sinne von Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1 BV dar (E. 4b); die Verweigerung einer fremdenpolizeilichen Bewilligung an den ausländischen Partner kann unter gewissen Umständen aber das Recht der Betroffenen auf Privatleben berühren und das Ermessen der Bewilligungsbehörde gemäss Art. 4 ANAG beschränken (E. 4c; Änderung der Rechtsprechung). Das Bundesgericht tritt auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der in einer stabilisierten, sechsjährigen Partnerschaft lebenden Beschwerdeführerinnen ein (E. 4d), erachtet den mit der Verweigerung der Bewilligung verbundenen Eingriff in ihr Privatleben indessen als im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK bzw. Art. 36 BV gerechtfertigt (E. 5).

126 V 334 () from 22. September 2000
Regeste: Art. 32 Abs. 1 und Art. 56 Abs. 1 KVG; Art. 7 und 8a KLV; Art. 9 Abs. 3 KLV (sowohl in der bis Ende 1997 gültig gewesenen wie auch in der ab 1. Januar 1998 geltenden Fassung); Art. 10, 13, 24 und 27 BV: Spitex-Leistungen. - Frage der Wirtschaftlichkeit der Behandlung im Verhältnis zwischen Hauspflege (Spitex-Leistungen) und der Pflege im Pflegeheim. - Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung sind die Spitex-Kosten nicht mit den Gesamtkosten eines Pflegeheimaufenthaltes zu vergleichen, sondern mit den Kosten, welche vom Krankenversicherer effektiv zu übernehmen sind. Die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit darf jedoch nicht anhand einer strikten Gegenüberstellung der beiden Kostenbeträge erfolgen. - Bedeutung grundrechtlicher Aspekte in diesem Zusammenhang.

127 I 6 () from 22. März 2001
Regeste: Medikamentöse Zwangsbehandlung in psychiatrischer Klinik während fürsorgerischen Freiheitsentzuges; Art. 7, 10, 13 und 36 BV, Art. 3 und 8 EMRK, Art. 7 UNO-Pakt II. Rechtsgrundlage für die zwangsweise Medikation, Gesetz des Kantons Basel-Stadt über die Behandlung und Einweisung psychisch kranker Personen (Psychiatriegesetz; E. 2a, 4 und 7a). Bedeutung der persönlichen Freiheit nach Art. 10 Abs. 2 BV im Vergleich mit dem früheren ungeschriebenen Grundrecht und speziellen Garantien in andern Verfassungsbestimmungen (E. 5a); Tragweite der Garantie der Menschenwürde nach Art. 7 BV (E. 5b); internationale Grundrechtsgewährleistungen im Zusammenhang mit der medikamentösen Zwangsbehandlung (E. 5c-f). Prüfung der Voraussetzungen für medikamentöse Behandlung nach Psychiatriegesetz hinsichtlich Urteilsunfähigkeit (E. 7b), mutmasslichem Willen (E. 7c) und dringender Notwendigkeit (E. 7d). Überwiegende Interessen zur Rechtfertigung von Zwangsbehandlungen (E. 8). Prüfung der Verhältnismässigkeit des Grundrechtseingriffes aufgrund des Psychiatriegesetzes (E. 9b und 9c) sowie anhand von Art. 36 BV (E. 9d).

127 I 145 () from 27. Juni 2001
Regeste: Einsicht in archivierte Strafakten durch Drittpersonen; Informations- und Wissenschaftsfreiheit, Art. 16 und 20 BV. Kantonale Bestimmungen über die Archivierung (E. 2). Keine Verletzung des Grundsatzes der Gewaltenteilung durch den Verordnungsgeber (E. 3). Grundzüge der Kommunikationsfreiheit (E. 4b); die Informations- und Wissenschaftsfreiheit räumen keinen generellen Anspruch auf Beschaffung von Informationen aus nicht allgemein zugänglichen Quellen (archivierten Akten während Schutzfrist) ein (E. 4c und 4d). Prüfung der Anwendung des kantonalen Archivrechts; Persönlichkeitsschutz von Verstorbenen, Angehörigen und Drittpersonen (E. 5).

128 II 259 () from 29. Mai 2002
Regeste: Art. 9, 10 Abs. 2 und 13 Abs. 2 BV; persönliche Freiheit, Anspruch auf Schutz vor Missbrauch persönlicher Daten; DNA-Profil im Strafverfahren. Zulässiges Rechtsmittel zur Anfechtung von Verfügungen betreffend Erstellung von DNA-Profilen und deren Bearbeitung im DNA-Profil-Informationssystem des Bundes (E. 1). Ausgestaltung des DNA-Profil-Informationssystems (E. 2). Eingriff in das Recht auf körperliche Integrität (Art. 10 Abs. 2 BV) bzw. in den Anspruch auf Schutz vor Missbrauch persönlicher Daten (informationelles Selbstbestimmungsrecht; Art. 13 Abs. 2 BV) durch Entnahme eines Wangenschleimhautabstrichs bzw. Erstellung und Bearbeitung eines DNA-Profils (E. 3.2 und 3.3); gesetzliche Grundlage für die Grundrechtseingriffe (E. 3.4); öffentliches Interesse (E. 3.5); Verhältnismässigkeit (E. 3.6); Kerngehalt (E. 3.7). Verfassungsrechtlicher Anspruch auf Vernichtung des Wangenschleimhautabstrichs sobald ein DNA-Profil erfolgreich erstellt worden ist (E. 4). Zuständigkeit nach basel-städtischem Recht (E. 5).

129 I 232 () from 9. Juli 2003
Regeste: Ungültigkeit einer Initiative, mit der Einbürgerungsgesuche der Urnenabstimmung unterstellt werden sollen (Art. 29 Abs. 2, Art. 34 Abs. 2 und Art. 13 BV). Ablehnende Einbürgerungsentscheide unterliegen der Begründungspflicht gemäss Art. 29 Abs. 2 BV (Anspruch auf rechtliches Gehör) i.V.m. Art. 8 Abs. 2 BV (Diskriminierungsverbot; E. 3.3 und 3.4). Bei der Urnenabstimmung ist eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Begründung nicht möglich (E. 3.5 und 3.6). Die Initiative auf Einführung der Urnenabstimmung über Einbürgerungsgesuche verletzt daher die verfassungsrechtliche Begründungspflicht. Konflikt zwischen der aus der Abstimmungsfreiheit (Art. 34 Abs. 2 BV) abgeleiteten Informationspflicht der Behörden über die persönlichen Verhältnisse der Gesuchsteller (E. 4.2) und deren Recht auf Schutz ihrer Privat- und Geheimsphäre (Art. 13 BV; E. 4.3). Ein angemessener Ausgleich zwischen den sich gegenüberstehenden Grundrechtspositionen erscheint im vorliegenden Fall nicht möglich (E. 4.4). Die rechtsstaatlichen Defizite der Initiative werden nicht durch das Demokratieprinzip gerechtfertigt (E. 5).

129 II 193 () from 21. Februar 2003
Regeste: Art. 121 Abs. 2, Art. 184 Abs. 3 und Art. 185 Abs. 3 BV; Art. 189 Abs. 4 BV (Fassung Justizreform); Art. 13 und 8 EMRK; Art. 100 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 1 und 4 OG. Vom Bundesrat verhängtes Einreiseverbot gegen einen in der Schweiz niedergelassenen Ausländer aus Gründen der Wahrung der Landesinteressen. Grundsätzliche Unzulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen (unmittelbar auf die Bundesverfassung gestützte) Bundesratsbeschlüsse betreffend Einreisesperren und politische Ausweisungen (E. 2). Anwendbarkeit von Art. 13 EMRK bejaht bei Verhängung eines Einreiseverbots gegen einen niedergelassenen Ausländer, dessen Ehefrau und Kinder in der Schweiz leben, da sich in vertretbarer Weise ein Eingriff ins Familienleben (Art. 8 EMRK) behaupten lässt (E. 3). Hat das Bundesgericht auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten, um seinerseits einen Art. 13 EMRK genügenden Rechtsschutz zu gewährleisten? Frage offen gelassen (E. 4). Das aus Gründen der Wahrung der Landesinteressen (Art. 184 Abs. 3 BV) verhängte Einreiseverbot gegen den in der Schweiz niedergelassenen Ausländer, der in oder für Organisationen tätig gewesen ist, deren Aktivitäten geeignet sind, die Lage im Kosovo und den angrenzenden Gebieten zusätzlich zu destabilisieren und damit die Beziehungen der Schweiz zu Drittstaaten zu gefährden, hält vor Art. 8 EMRK stand (E. 5).

129 II 215 () from 28. März 2003
Regeste: Art. 8 EMRK, Art. 13 Abs. 1 BV, Art. 5 Abs. 1 und 2 Anhang I FZA, Richtlinie 64/221 EWG, Art. 10 Abs. 1 lit. a und Art. 11 Abs. 3 ANAG; Ausweisung; gegenwärtige, hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Zulässigkeit der Ausweisung eines aus einem EU-Staat stammenden Betäubungsmittelhändlers nach Massgabe des ANAG, von Art. 8 EMRK und Art. 13 Abs. 1 BV (E. 3 und 4) sowie unter dem Gesichtspunkt des Freizügigkeitsabkommens (E. 5-7). Gewährt der Strafrichter einem wegen eines Verbrechens oder Vergehens verurteilten Ausländer für die Nebenstrafe der Landesverweisung den bedingten Vollzug, so hindert dies eine Ausweisung nicht (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3.2); nichts anderes gilt im Falle von straffälligen Ausländern, deren Aufenthaltsregelung in den Geltungsbereich des Freizügigkeitsabkommens fällt (E. 7.4).

129 II 249 () from 17. Januar 2003
Regeste: Art. 1, 7 und 17 Abs. 2 ANAG; Art. 8 EMRK; Art. 13 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 und 2 sowie Art. 191 BV; Art. 3 Anhang I FZA; Art. 3 Abs. 1bis BVO; Nachzug von ausländischen Familienangehörigen eines Schweizers nach Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens mit der EG. Grundsätzlicher Anspruch auf Nachzug des minderjährigen ausländischen Kindes eines Schweizers gestützt auf Art. 17 Abs. 2 ANAG und Art. 8 EMRK; Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 1.2). Verweigerung des nachträglichen Familiennachzugs bei getrennt lebenden Eltern mangels wesentlicher Veränderung der Betreuungsverhältnisse (E. 2). Die Familiennachzugsregelung des Freizügigkeitsabkommens (E. 3) findet nur bei grenzüberschreitenden Sachverhalten Anwendung, weshalb sich aus einem Nichtmitgliedstaat stammende Familienangehörige von Schweizern im Inland grundsätzlich nicht darauf berufen können (E. 4). Angleichung der Rechtsansprüche von Schweizern beim Familiennachzug an die grosszügigere Regelung des Freizügigkeitsabkommens gestützt auf das Rechtsgleichheitsgebot bzw. das Diskriminierungsverbot? Das Bundesgericht bleibt gemäss Art. 191 BV trotz der möglichen Ungleichbehandlung von aus nicht EG- oder EFTA-Mitgliedstaaten stammenden Familienangehörigen von Schweizern an die geltenden Gesetzesbestimmungen (Art. 7 und 17 Abs. 2 ANAG) gebunden. Möglichkeit einer Gleichbehandlung im Rahmen des fremdenpolizeilichen Ermessens (Art. 3 Abs. 1bis BVO; E. 5).

130 I 140 () from 12. Mai 2004
Regeste: Verordnung des Schwyzer Regierungsrats über vorläufige Regelungen zur Erteilung des Gemeindebürgerrechts (GemeindebürgerrechtsV) zur Gewährleistung verfassungskonformer Einbürgerungsverfahren in den Schwyzer Gemeinden; Verletzung des Stimmrechts durch Erlass einer dem ordentlichen Gesetzgeber vorbehaltenen Regelung der politischen Rechte auf Verordnungstufe? Überblick über die Zuständigkeitsordnung nach Schwyzer Verfassungsrecht (E. 3). Handlungsbedarf für den Regierungsrat als Aufsichtsbehörde der Gemeinden im Anschluss an die bundesgerichtlichen Entscheide zum Einbürgerungsverfahren vom 9. Juli 2003 (E. 4.2). Prüfung, ob es sich bei der angefochtenen Verordnung um eine Vollziehungsverordnung handelt, die als solche in die Kompetenz des Regierungsrats fällt (E. 5). Die Verordnung, die an der Zuständigkeit der Gemeindeversammlung festhält, erscheint nicht von vornherein ungeeignet, verfassungskonforme Einbürgerungsentscheide der Schwyzer Gemeinden zu ermöglichen (E. 5.3.6). Vorläufiger Charakter der angefochtenen Verordnung (E. 5.3.7).

130 I 352 () from 24. November 2004
Regeste: Art. 8 Abs. 2, 13 Abs. 1, 19 und 62 BV; Art. 20 BehiG; Anspruch von Behinderten auf einen angemessenen Grundschulunterricht; Sonderschulung ausserhalb des Heimatkantons. Den Kantonen steht bei der Regelung des Grundschulwesens ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu; sie haben auch für Behinderte eine den individuellen Fähigkeiten des Kindes und seiner Persönlichkeitsentwicklung entsprechende, unentgeltliche Grundschulausbildung sicherzustellen (E. 3.1 und 3.2). Eine behinderungsbedingte Nichteinschulung in die Regelschule ist qualifiziert zu rechtfertigen, kann aber mit dem Diskriminierungsverbot gemäss Art. 8 Abs. 2 BV und Art. 20 BehiG vereinbar sein; massgebend ist das Wohl des behinderten Kindes im Rahmen des effektiv Möglichen (E. 6-6.1.3). Ein schwer behindertes Kind muss nicht in eine Einführungsklasse aufgenommen werden, die auf normal begabte Kinder mit verzögerter Entwicklung ausgerichtet ist (E. 4.1 und 4.2), selbst wenn seine Sonderschulung nur ausserhalb des Heimatkantons möglich sein sollte (E. 5 und 6.2).

130 II 1 () from 4. November 2003
Regeste: Art. 17 Abs. 2 ANAG; Art. 8 EMRK; Art. 16 Abs. 2 FZA; Art. 3 Anhang I FZA; persönliche Tragweite der Regelungen des Freizügigkeitsabkommens über den Familiennachzug; Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften. Verweigerung des auf Art. 17 Abs. 2 ANAG und Art. 8 EMRK gestützten nachträglichen Familiennachzugs bei getrennt lebenden Eltern mangels besonderer stichhaltiger Gründe (E. 2). Familiennachzugsregelung des Freizügigkeitsabkommens (E. 3). Anwendbarkeit des Abkommens auf EU-Bürger, die sich bei dessen Inkrafttreten bereits in der Schweiz aufhalten (E. 3.4). Anwendbarkeit für leibliche Nachkommen nur eines Ehegatten (E. 3.5)? Die Berufung auf den in Art. 3 Anhang I FZA vorgesehenen Familiennachzug entfällt, wenn sich der nachzuziehende Familienangehörige, der nicht Staatsangehöriger eines Vertragsstaates ist, nicht bereits rechtmässig in einem Vertragsstaat aufhält. Berücksichtigung der nach Unterzeichnung des Freizügigkeitsabkommens ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (E. 3.6).

130 II 137 () from 16. Januar 2004
Regeste: Art. 103 lit. b und Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG; Art. 17 Abs. 2 ANAG; Art. 8 und 191 BV; Art. 8, 13 und 14 EMRK; Art. 3 Anhang I FZA; Nachzug von ausländischen Familienangehörigen eines Schweizers. Beschwerdebefugnis des Bundesamtes für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (E. 1.1); Zulässigkeit der Behördenbeschwerde bei Beanstandung einer bundesrechtswidrigen Bejahung eines Rechtsanspruches auf Bewilligungserteilung (E. 1.2). Nachträglicher Nachzug des ausländischen Kindes eines vom anderen Elternteil getrennt lebenden Schweizers gestützt auf Art. 17 Abs. 2 ANAG? Bestätigung der entsprechenden Voraussetzungen (E. 2). Bundesrechtswidrigkeit eines kantonalen Gerichtsurteils (E. 3.1), welches verfassungsrechtlich einen zur Familiennachzugsregelung des Freizügigkeitsabkommens analogen Rechtsanspruch auf Nachzug des aus einem Nichtvertragsstaat stammenden Kindes eines Schweizers herleiten will (E. 4.1). Die diesbezügliche bundesgerichtliche Rechtsprechung hält sowohl vor Art. 14 als auch vor Art. 13 EMRK stand (E. 4.2). Es liegt zum Vornherein keine Ungleichbehandlung von Schweizern beim Familiennachzug vor, wenn der aus einem Drittstaat stammende Angehörige sich nicht bereits rechtmässig in einem anderen Vertragsstaat des Freizügigkeitsabkommens aufhält (E. 4.3).

130 II 176 () from 7. April 2004
Regeste: Art. 1 ANAG; Art. 2 FZA; Art. 5 Abs. 1 und 2 Anhang I FZA; Art. 3 Abs. 1 und 2 Richtlinie 64/221/EWG; Nichtverlängern der Aufenthaltsbewilligung; Freizügigkeitsabkommen; Massnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung; gegenwärtige und hinreichend schwere Gefährdung; Ausländer der sog. zweiten Generation. Fortführung von BGE 129 II 215. Voraussetzungen des Freizügigkeitsabkommens für die Ausweisung oder das Nichtverlängern der Aufenthaltsbewilligung von EU-Bürgern bzw. von deren Familienangehörigen (E. 2-4). Gegenwärtige und hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung als besonderes Kriterium (E. 3.4.1, 4.2 und 4.3.1). Berücksichtigung von Äusserungen der Straf- und Strafvollzugsbehörden zur Wiederholungsgefahr sowie von (noch) nicht abgeurteiltem Verhalten des Ausländers (E. 4.3.3). Behandlung von Ausländern der zweiten Generation im Rahmen des Freizügigkeitsabkommens (E. 4.4).

130 II 281 () from 1. Juni 2004
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG; Art. 4 und 17 Abs. 2 ANAG; Art. 38 und 39 BVO; Familiennachzug; gefestigtes Anwesenheitsrecht im kombinierten Schutzbereich von Privat- und Familienleben. Kennt die kantonale Vorinstanz eine anspruchsabhängige Zugangsregelung, ist die Frage nach dem Bestehen des von ihr verneinten Anspruchs auf die beantragte fremdenpolizeiliche Bewilligung vom Bundesgericht als Eintretensvoraussetzung zu prüfen (E. 1). Weder aus Art. 17 Abs. 2 ANAG noch aus Art. 38 f. BVO ergibt sich für den hier bloss über eine Aufenthaltsbewilligung verfügenden Ausländer ein Anspruch auf Familiennachzug (E. 2). Art. 8 EMRK und Art. 13 BV setzen ihrerseits das Bestehen eines gefestigten Anwesenheitsrechts zumindest eines der Betroffenen voraus (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3.1). Vorliegen eines solchen in einem Fall bejaht, in dem sich der Ausländer seit zwanzig Jahren mit einer Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz befindet und das Privat- und Familienleben praktisch nirgendwo anders in zumutbarer Weise gelebt werden kann (E. 3.2 und 3.3).

130 III 28 () from 21. Oktober 2003
Regeste: Fristlose Kündigung; wichtiger Grund; Art. 337 OR; neues rechtliches Vorbringen. Der Arbeitgeber ist befugt, einen Arbeitnehmer, welcher die gesamte elektronische Post seines Vorgesetzten ohne dessen Wissen in seinen eigenen elektronischen Briefkasten umgeleitet hat, fristlos und ohne Vorwarnung zu entlassen (E. 3 und 4.1-4.3). Verspätete Erklärung der Kündigung als neues rechtliches Vorbringen. Frage in Ermangelung genügender tatsächlicher Feststellungen offengelassen (E. 4.4).

131 I 272 () from 3. Mai 2005
Regeste: Art. 5, 9, 13, 29, 32, 35, 36 BV, Art. 6 und 8 EMRK, § 41 Abs. 1 StPO/ BL; Verwertungsverbot für unrechtmässig erlangte Beweise im Strafprozess. Verfassungsrechtliche Zuordnung des Verwertungsverbots für rechtswidrig erlangte, aber nicht an sich verbotene Beweismittel: Im Vordergrund steht das aus Art. 29 Abs. 1 BV bzw. Art. 6 Ziff. 1 EMRK abgeleitete Fairnessgebot (E. 3.2). Zulässigkeit einer Interessenabwägung für den Entscheid über die Verwertbarkeit derartiger Beweise (Bestätigung der Rechtsprechung, E. 4). Es besteht keine verfassungsrechtliche Pflicht, die Regelung des Verwertungsverbots von Art. 7 Abs. 4 BÜPF ausserhalb des Anwendungsbereichs dieses Erlasses beim unbewilligten Einsatz technischer Überwachungsgeräte zu Ermittlungszwecken (z.B. Videoüberwachung) zu übernehmen (E. 4.4).

131 II 413 () from 9. Mai 2005
Regeste: Art. 17 DSG; Art. 57, 84 und 84a KVG; Weiterleitung des medizinischen Dossiers des Versicherten durch den Vertrauensarzt des Versicherers an einen externen Spezialisten. Eine derartige Weiterleitung ist nach Art. 84 KVG zulässig (E. 2.1). Von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen, benötigt sie weder das Einverständnis des Versicherten noch dessen vorgängige Information (E. 2.4).

132 V 32 () from 9. November 2005
Regeste: Art. 16 Abs. 1 und 2, Art. 20 Abs. 1 MVG (in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung): Bewilligung der Hauspflege und Wirtschaftlichkeit der Behandlung. Die Bewilligung der Hauspflege (Art. 20 Abs. 1 MVG) setzt die Erfüllung der in Art. 16 Abs. 1 und 2 MVG genannten Anspruchsvoraussetzungen der Wirksamkeit, der Zweckmässigkeit und der Wirtschaftlichkeit voraus. (Erw. 5.2.1 und 5.2.2) Kriterien bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit einer Hauspflege, wenn diese im Vergleich zu einem Pflegeheimaufenthalt mindestens gleich wirksam und zweckmässig ist. (Erw. 6.5-6.5.5)

132 V 241 () from 20. März 2006
Regeste: Art. 13 und 36 BV; Art. 43 Abs. 1, Art. 61 lit. c ATSG: Schutz der Privatsphäre; Beweismittelverwertung. Hatte eine private Haftpflichtversicherung eine Person rechtmässig durch einen Privatdetektiv beobachten lassen, bildet Art. 43 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 61 lit. c ATSG die gesetzliche Grundlage für die Verwertung der entsprechenden Beweismittel (Ermittlungsbericht und Videoband) durch die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt. (Erw. 2.5.1)

133 I 49 () from 13. November 2006
Regeste: Art. 9, 29 und 35 Abs. 2 BV, Art. 13 EMRK; Verfassungsgericht (Cour constitutionnelle) des Kantons Waadt; Hoheitsakte, welche durch dieses im Rahmen einer (abstrakten) Normenkontrolle überprüft werden können; von der Fondation vaudoise pour l'accueil des requérants d'asile (FAREAS) erlassene Hausordnung für ein Asylbewerber-Zentrum. Beim Waadtländer Verfassungsgericht können bloss solche - im Prinzip publizierte - Hoheitsakte angefochten werden, die von einer der in Art. 3 Abs. 2 des kantonalen Gesetzes über die Verfassungsrechtsprechung (loi cantonale sur la juridiction constitutionnelle) einschränkend und abschliessend aufgezählten Behörde erlassen worden sind; willkürfreie Auslegung der vorgenannten Gesetzesbestimmung (E. 2). Art. 29 BV und Art. 13 EMRK stehen einer solchen Auslegung nicht entgegen (E. 3.1). Art. 35 Abs. 2 BV gewährleistet, dass gestützt auf die streitige Hausordnung vorgenommene Handlungen ("Realakte") der FAREAS zum Gegenstand einer (konkreten) Rechtskontrolle gemacht werden können, wenn sie zu einer ernsthaften Beeinträchtigung eines Grundrechts führen; massgeblich für diese Rechtskontrolle sind die in BGE 128 II 156 dargelegten Grundsätze (E. 3.2).

133 I 58 () from 3. November 2006
Regeste: Art. 8 EMRK, Art. 10 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 1 BV, Art. 9 und 10 BetmG, Art. 48 BetmV, Art. 24 und 26 HMG; Abgabe von Natrium-Pentobarbital für den begleiteten Suizid einer psychisch kranken Person. Natrium-Pentobarbital kann einem Sterbewilligen weder nach dem Betäubungsmittelrecht noch nach dem Heilmittelrecht ohne ärztliche Verschreibung abgegeben werden (E. 4). Art. 8 EMRK bzw. Art. 10 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 1 BV verpflichten den Staat nicht dazu, dafür zu sorgen, dass Sterbehilfeorganisationen oder Suizidwillige Natrium-Pentobarbital rezeptfrei beziehen können (E. 5-6.3.6).

133 I 77 () from 14. Dezember 2006
Regeste: Dauer der Aufbewahrung von Aufzeichnungen aus der Überwachung von öffentlichen Plätzen und Strassen, Polizeireglement der Stadt St. Gallen; Art. 13 Abs. 2 BV und Art. 8 Ziff. 1 EMRK. Aufzeichnungen aus der Überwachung von öffentlichen Plätzen und Strassen und deren Aufbewahrung berühren den Schutzbereich von Art. 13 Abs. 2 BV und Art. 8 Ziff. 1 EMRK (E. 3). Verschiedene Arten von Überwachungsmassnahmen und Datenerhebungen (E. 4). Verhältnismässigkeit der Aufbewahrung von Aufzeichnungen während 100 Tagen vor dem Hintergrund des Zwecks der Überwachung, der Schwere des Grundrechtseingriffs und des Datenschutzes (E. 5).

133 I 110 () from 28. März 2007
Regeste: Art. 85 lit. a OG; Gültigkeit der kantonalen Volksinitiative "Fumée passive et santé", welche das Rauchen in öffentlichen Räumen und Anlagen verbieten lassen möchte; Art. 10 Abs. 2, 34 Abs. 2, 36 und 49 Abs. 1 BV. Die redaktionelle Änderung des Initiativtextes durch den Genfer Grossen Rat steht im Einklang mit der Kantonsverfassung und entspricht dem Willen der Initianten (E. 3). Die Initiative verletzt die Bundesgesetzgebung über den Arbeitnehmerschutz nicht (E. 4). Es ist fraglich, ob das verfassungsmässige Individualrecht der persönlichen Freiheit einen Anspruch gewährleistet, in öffentlichen Räumen und Anlagen zu rauchen. Die Frage kann hier aber offenbleiben (E. 5). Die mit der Initiative vorgeschlagene Verfassungsbestimmung erscheint ausreichend präzise (E. 6); sie verfolgt ein offensichtlich im öffentlichen Interesse liegendes Ziel (E. 7.1) und trägt auch dem Verhältnismässigkeitsgebot ausreichend Rechnung, zumal Ausnahmen vom Rauchverbot in der Ausführungsgesetzgebung vorgesehen werden können (E. 7.2-7.5). Der zugelassene Initiativtext ist nicht irreführend (E. 8).

133 III 639 (5A_433/2007) from 18. September 2007
Regeste: Art. 106 Abs. 2 BGG; Rügeprinzip. Der Anwendungsbereich entspricht demjenigen der früheren staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte und es gelten die gleichen Begründungsanforderungen; desgleichen sind neue tatsächliche und rechtliche Vorbringen grundsätzlich unzulässig (E. 2).

135 I 49 (1D_19/2007) from 16. Dezember 2008
Regeste: Nichteinbürgerung wegen Sozialhilfeabhängigkeit einer behinderten Bewerberin; Diskriminierungsverbot; Art. 8 Abs. 2 BV. Bürgerrechtserteilung nach kantonalem Recht (E. 3). Bedeutung des Diskriminierungsverbots (E. 4). Frage offengelassen, ob der Kreis der Sozialhilfeabhängigen eine nach Art. 8 Abs. 2 BV geschützte Gruppe bildet (E. 5). Das Erfordernis der wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit für Einbürgerungen trifft Personen mit einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung in spezifischer Weise (E. 6.1). Gewichtung der finanziellen Interessen der Gemeinde; lang andauernder Status der vorläufigen Aufnahme; Bedeutung der Einbürgerung. Verletzung des Diskriminierungsverbotes (E. 6.3).

135 I 143 (2C_693/2008) from 2. Februar 2009
Regeste: Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG, Art. 126 AuG, Art. 8 EMRK und Art. 13 BV; Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung einer ausländischen Mutter gestützt auf ihre Beziehung zum schweizerischen Kind. Zulässigkeit und Modalitäten der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (E. 1). Voraussetzungen der Verweigerung der Bewilligung bzw. der Zulässigkeit eines Eingriffs in den Anspruch auf Achtung des Familienlebens, Interessenabwägung unter Berücksichtigung spezieller familiärer Verhältnisse: Die Bewilligung kann nur verweigert werden, wenn nebst der Zumutbarkeit der Ausreise aller Beteiligten ordnungs- oder sicherheitspolizeiliche Gründe gegeben sind (E. 2-4).

135 I 153 (2C_353/2008) from 27. März 2009
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 10 Abs. 1 KRK; Zustimmung zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung im "umgekehrten Familiennachzug" an die ausländische Mutter eines Schweizer Kindes. Erscheint die Ausreise von anwesenheitsberechtigten Familienangehörigen einer ausländischen Person, welche die Schweiz verlassen muss, nicht ohne Weiteres zumutbar, ist eine Interessenabwägung nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK vorzunehmen (E. 2.1). Der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung eines ausländischen, sorgeberechtigten Elternteils eines Schweizer Kindes ist die Bundeszustimmung zu erteilen, wenn hiergegen über das öffentliche Interesse an einer restriktiven Einwanderungspolitik hinaus keine zusätzlichen ordnungs- oder sicherheitspolizeilichen Gründe sprechen (E. 2.2).

135 I 169 (8C_807/2008) from 15. Juni 2009
Regeste: Art. 13 Abs. 1, Art. 36 BV; Art. 43 ATSG; Schutz der Privatsphäre, Observation der versicherten Person durch Privatdetektive. Die Unfallversicherung ist befugt, eine versicherte Person durch einen Privatdetektiv observieren zu lassen (E. 4 und 5).

135 I 198 (2C_462/2008) from 20. März 2009
Regeste: Art. 59 Abs. 1 und 2 BGG; Öffentlichkeit von Parteiverhandlungen in Steuersachen. Anders als das frühere Bundesrechtspflegegesetz schliesst das Bundesgerichtsgesetz die Öffentlichkeit von Parteiverhandlungen in Steuersachen nicht mehr von vornherein aus. Allerdings kann das Gericht die Öffentlichkeit ausschliessen, um dem Steuergeheimnis Rechnung zu tragen (E. 1 und 2). Voraussetzungen eines Ausschlusses (E. 3).

135 III 503 (5A_244/2009) from 9. Juli 2009
Regeste: Art. 8a SchKG; Einsicht in Protokolle und Register. Einem nicht betreibenden Gläubiger kann Einsicht in das Protokoll und die Belege des Pfändungsvollzuges in anderen Betreibungen gewährt werden, um gegenüber dem Schuldner das Begehren der Konkurseröffnung ohne vorgängige Betreibung zu prüfen (E. 3).

136 I 87 (1C_179/2008) from 30. September 2009
Regeste: Polizeigesetz des Kantons Zürich; Art. 5, 10, 13, 31 und 36 BV, Art. 2, 5 und 8 EMRK. Allgemeine Ausführungen zum Polizeirecht: Legalitätsprinzip (E. 3.1); Grundsatz der Verhältnismässigkeit (E. 3.2); Prüfung kantonaler Normen (E. 3.3); Polizeirecht und Strafprozessrecht (E. 3.4). Schusswaffengebrauch zur Verfolgung von fliehenden Personen, die durch ein schweres Vergehen oder Verbrechen eine besondere Gefährlichkeit oder Gewaltbereitschaft manifestiert haben (E. 4). Personenkontrolle, Identitätsfeststellung und erkennungsdienstliche Massnahmen (E. 5). Polizeilicher Gewahrsam: Dauer des Gewahrsams (E. 6.3). Gerichtlicher Rechtsschutz, Erfordernis eines unmittelbaren Zugangs zu einer richterlichen Behörde (E. 6.4 und 6.5). Polizeiliche Vorführung und Zuführung als besondere Form der Amts- und Vollzugshilfe (E. 7). Überwachung des öffentlichen Raums mit technischen Geräten. Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Überwachungsregelung (E. 8.3) und der Ordnung der Aufbewahrung von Aufzeichnungen (E. 8.4). Überwachung im Rahmen der Strafprozessordnung (E. 8.5).

136 I 178 (5A_798/2009) from 4. März 2010
Regeste: Art. 9, 8 und 13 Abs. 1 BV, Art. 8 EMRK, Art. 9 Abs. 1 KRK; Zuteilung der Obhut über ein Kind im Massnahmeverfahren zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft. Die Zuteilung der Obhut über ein Kind auf die Mutter, deren Erziehungsfähigkeit mehr oder weniger gleich wie diejenige des Vaters ist, verletzt im vorliegenden Fall keine Rechte der Verfassung oder diesen entsprechende Konventionsnormen, obwohl die Mutter wahrscheinlich die Kontakte mit dem Vater nicht begünstigt; sie verfügt jedenfalls über mehr Zeit, sich um das Kind zu kümmern, das überdies seit der Trennung der Parteien praktisch immer mit ihr zusammengelebt hat und dessen Verhaltensstörungen sich durch eine Änderung der Betreuungssituation verschlimmern könnten (E. 5).

136 II 5 (2C_196/2009) from 29. September 2009
Regeste: Art. 7 lit. d FZA sowie Art. 3 und 5 Anhang I FZA; Nachzug von Familienmitgliedern mit Drittstaatsangehörigkeit; Anpassung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung an die geänderte Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften; Voraussetzungen, unter denen eine Bewilligung verweigert werden kann. Prozessuales (E. 1). Tatsächliches (E. 2). Regelung des Familiennachzuges nach dem Freizügigkeitsabkommen (E. 3.1-3.3). Berücksichtigung der nachträglichen Entwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften: Zur Gewährleistung einer parallelen Rechtslage zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und zwischen derselben und der Schweiz kann nicht an der Voraussetzung festgehalten werden, dass sich das Familienmitglied mit Drittstaatsangehörigkeit, das ein Angehöriger eines EU-Staates in die Schweiz nachziehen will, vorgängig bereits rechtmässig in der Schweiz oder einem anderen Vertragsstaat aufgehalten hat (Änderung der Rechtsprechung gemäss BGE 130 II 1 und BGE 134 II 10 in Anpassung an das Urteil des EuGH i.S. Metock; E. 3.4-3.7). Voraussetzungen des Freizügigkeitsabkommens für die Verweigerung einer Bewilligung, auf die Anspruch besteht, insbesondere Erfordernis einer gegenwärtigen und hinreichend schweren Gefährdung der öffentlichen Ordnung (Fortführung von BGE 129 II 215 und BGE 130 II 176; E. 4). Rechtsfolgen (E. 5.1).

136 II 65 (2C_269/2009) from 5. Januar 2010
Regeste: Art. 7 lit. d FZA sowie Art. 3 und 5 Anhang I FZA; Nachzug von Kindern mit Drittstaatsangehörigkeit des Ehegatten des Angehörigen eines Vertragsstaates (Stiefkinder mit Drittstaatsangehörigkeit). Prozessuales (E. 1). Das freizügigkeitsrechtliche Nachzugsrecht hängt nicht von einem vorherigen rechtmässigen Aufenthalt des nachzuziehenden Angehörigen in einem Mitgliedstaat ab (Bestätigung von BGE 136 II 5; E. 2). Zur Gewährleistung einer parallelen Rechtslage zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und zwischen derselben und der Schweiz, insbesondere in Analogie zur Rechtsprechung des EuGH (Urteil Baumbast) und aufgrund der systematischen Zusammenhänge, erstreckt sich das Nachzugsrecht auch auf die Stiefkinder mit Drittstaatsangehörigkeit (E. 3 und 4). Voraussetzungen, unter denen dieses Nachzugsrecht geltend gemacht werden kann (E. 5).

136 II 120 (2C_135/2009) from 22. Januar 2010
Regeste: Art. 8 in Verbindung mit Art. 14 EMRK; Art. 8 und 190 BV; Art. 3 Anhang I FZA; Art. 42 AuG; Art. 17 Abs. 2 ANAG; Teilfamiliennachzug zu einem eingebürgerten Schweizer ("Inländerdiskriminierung"). Zusammenfassung der Praxis zum Familiennachzug von Schweizer Bürgern nach Art. 17 Abs. 2 ANAG und zur Problematik der Inländerdiskriminierung (E. 2 und 3). Tragweite von Art. 8 BV (Rechtsgleichheitsgebot; E. 3.3.2) sowie von Art. 14 in Verbindung mit Art. 8 EMRK (akzessorisches Diskriminierungsverbot; E. 3.3.3) unter Berücksichtigung von Art. 42 Abs. 2 AuG. "Appellentscheid" im Rahmen von Art. 190 BV, den Familiennachzug von Schweizer Bürgern den neuen Verhältnissen im Bereich des FZA anzupassen (E. 3.5).

136 II 177 (2C_490/2009) from 2. Februar 2010
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 29 BV; Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG; Art. 7 lit. d FZA; Art. 2 und 3 Anhang I FZA; Art. 2 Abs. 2, 43, 47 und Art. 51 AuG; Wiedererwägungsgesuch für Familiennachzug gemäss Freizügigkeitsabkommen. Für das Eintreten auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten genügt ein vertretbar begründeter potentieller Bewilligungsanspruch; ob dessen Voraussetzungen im Einzelnen gegeben sind, ist Frage der materiellen Beurteilung (E. 1). Voraussetzungen, unter denen auf ein ausländerrechtliches Wiedererwägungsgesuch von Bundesrechts wegen eingetreten werden muss (E. 2). Beim Familiennachzug von Stiefkindern im Rahmen des Freizügigkeitsabkommens zu prüfende Aspekte (E. 3).

136 II 497 (2C_84/2010) from 1. Oktober 2010
Regeste: a Art. 42 Abs. 1, Art. 43 Abs. 1 und Art. 47 Abs. 1 AuG, Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG; massgebender Zeitpunkt für die Bestimmung des Alters des Kindes als Voraussetzung für den Anspruch auf Familiennachzug. Das Alter des Kindes im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs um Bewilligung des Familiennachzugs ist massgebend für den Entscheid über den (materiell-rechtlichen) Anspruch auf Familiennachzug sowie für die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, welche diesen Anspruch voraussetzt. Die Praxis zum alten Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer ist entsprechend beizubehalten (E. 3).

136 II 508 (1C_285/2009) from 8. September 2010
Regeste: Art. 82 ff. BGG, Art. 3 lit. a, Art. 4 Abs. 3 und 4, Art. 12 Abs. 2 lit. a und Art. 13 DSG; unzulässige Persönlichkeitsverletzung durch das Bearbeiten von Daten über P2P-Netzwerkteilnehmer. Eine Empfehlung des EDÖB im Privatrechtsbereich nach Art. 29 DSG betrifft eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit im Sinne von Art. 82 ff. BGG (E. 1.1). Voraussetzungen, unter denen IP-Adressen als Personendaten im Sinne von Art. 3 lit. a DSG zu qualifizieren sind (E. 3). Ist das Sammeln von Daten über P2P-Netzwerkteilnehmer für diese nicht erkennbar, verletzt dies die Grundsätze der Zweckbindung und der Erkennbarkeit nach Art. 4 Abs. 3 und 4 DSG (E. 4). Trotz ihres Wortlauts sind in der Bestimmung von Art. 12 Abs. 2 lit. a DSG (wie in lit. b und c) Rechtfertigungsgründe nicht ausgeschlossen; ihre Annahme erfolgt jedoch nur unter grosser Zurückhaltung (E. 5). Die von der Beschwerdegegnerin mit ihrer Datenbearbeitung begangene Persönlichkeitsverletzung kann nicht durch überwiegende private oder öffentliche Interessen gerechtfertigt werden (E. 6).

136 III 410 (5A_57/2010) from 2. Juli 2010
Regeste: Art. 28 Abs. 2 ZGB; Schutz der Persönlichkeit des Versicherten gegen privatdetektivliche Observation; Rechtfertigungsgrund des überwiegenden Interesses. Die von der Haftpflichtversicherung veranlasste Observation der versicherten Person kann deren Privatsphäre wie auch deren Recht am eigenen Bild verletzen. Die Verletzung ist dann nicht widerrechtlich, wenn das Interesse an der Verhinderung eines Versicherungsbetrugs das Interesse des von der Observation Betroffenen auf Unversehrtheit seiner Persönlichkeit überwiegt. Zusammenfassung der Kriterien, die für die Abwägung der Interessen massgebend sein können (E. 2-6).

136 V 161 (9C_917/2009) from 25. Mai 2010
Regeste: Art. 1a Abs. 1 lit. c Ziff. 1, Abs. 3 lit. b, Abs. 4 lit. c AHVG; Art. 33 Ziff. 1 und Art. 37 Ziff. 1 des Wiener Übereinkommens vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen sowie Art. 1a Abs. 2 lit. a AHVG und Art. 1b AHVV; Art. 2 AHVG; Versicherungsunterstellung der Kinder von im Dienste der Eidgenossenschaft im Ausland tätigen Versicherten. Im selben Haushalt lebende - nicht notwendigerweise unmündige - Kinder von im Dienste der Eidgenossenschaft im Ausland tätigen Versicherten, welche die Voraussetzungen für einen Beitritt zur freiwilligen Versicherung nicht erfüllen, können nicht wie der nicht erwerbstätige Ehegatte oder ein nicht erwerbstätiger Studierender, der im Ausland einer Ausbildung nachgeht, der obligatorischen Versicherung beitreten (E. 5.2 und 6).

137 I 154 (5A_640/2010) from 14. April 2011
Regeste: Art. 8 EMRK, Art. 264 ff., 269 ff. ZGB; Anfechtung der Adoption. Die Adoption kann nur durch Anfechtung oder neue Adoption aufgehoben werden. Voraussetzungen und Gründe zur Anfechtung der Adoption (E. 3).

137 I 167 (2C_230/2010) from 12. April 2011
Regeste: Art. 8 Abs. 1 und 2, Art. 13 Abs. 1 und 2, Art. 27 und 49 Abs. 1 BV; Art. 8 EMRK; DSG; Gesetz des Kantons Genf vom 17. Dezember 2009 über die Prostitution; Rechtsgleichheit und Nichtdiskriminierung, Privatsphäre (Datenschutz) und Wohnsitz, Wirtschaftsfreiheit, Vorrang des Bundesrechts. Darstellung und Konkurrenz der angerufenen verfassungsmässigen Rechte (E. 3). Das gesetzliche Erfordernis, wonach der Betreiber eines Prostitutionsunternehmens oder einer Begleitagentur das vorgängige Einverständnis des Hauseigentümers erlangen muss, um dort seinen Betrieb führen zu können, verstösst gegen die Wirtschaftsfreiheit (E. 4). Verfassungskonforme Auslegung der dem Betreiber auferlegten Verpflichtung, jeglichen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung zu verhindern bzw. zu vermeiden (E. 6), der von den Behörden in den Betrieben durchgeführten Kontrollen (E. 7) und, unter dem Blickwinkel der gesetzlichen Grundlage sowie der Verhältnismässigkeit, des Umgangs mit den prostitutionsbezogenen Personendaten (E. 9). Verfassungsmässigkeit der dem Betreiber gemachten Verpflichtung, ein internes und laufend auf den neuesten Stand gebrachtes Verzeichnis der in seinem Unternehmen tätigen (männlichen oder weiblichen) Prostituierten und der anerbotenen Dienstleistungen zu führen (E. 5). Die der Prostitution eigenen Besonderheiten rechtfertigen Erfassungsmassnahmen und Meldepflichten, die nicht gegen die Verfassung verstossen (E. 8).

137 I 209 (1B_134/2011) from 14. Juli 2011
Regeste: Art. 17 und 36 BV, Art. 6 Ziff. 1 und Art. 10 EMRK, § 135 GVG/ZH, Art. 70 StPO; Medienfreiheit, Gerichtsberichterstattung über eine nicht öffentliche strafgerichtliche Hauptverhandlung. Der Berichterstatter, der sich der gerichtlichen Auflage für den Zugang zur Hauptverhandlung (hier: die Wahrung der Anonymität der Verfahrensbeteiligten) nicht unterzieht, darf davon ausgeschlossen werden (E. 4 und 5).

137 I 218 (6B_849/2010) from 14. April 2011
Regeste: Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Beweisverwertungsverbote. Auswertung einer verloren gegangenen Filmkamera ausserhalb einer abzuklärenden Straftat, um ihren Eigentümer zu ermitteln. Frage offengelassen, ob anlehnend an eine verpönte Beweisausforschung ("fishing expedition") auf diese Weise erlangte Indizien auf eine strafbare Handlung unter ein absolutes Beweisverwertungsverbot fallen (E. 2.3.2). Güterabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Wahrheitsfindung und dem privaten Interesse der angeklagten Person an der Unverwertbarkeit der Beweise (E. 2.3.3-2.3.5). Fernwirkung der rechtswidrig erlangten Beweismittel (E. 2.4).

137 I 247 (2C_327/2010, 2C_328/2010) from 19. Mai 2011
Regeste: Art. 8 EMRK, Art. 3 Abs. 1 KRK; Art. 255 i.V.m. Art. 109 Abs. 3 sowie Art. 105 Abs. 4 i.V.m. Art. 106 Abs. 1 ZGB; "umgekehrter" Familiennachzug des ausländischen Sorge- und Obhutsberechtigten zu seinem Schweizer Kind. Bestätigung der Rechtsprechung, wonach es im Rahmen der Interessenabwägung gemäss Art. 8 Ziff. 2 EMRK ordnungs- oder sicherheitspolizeilicher Gründe von einem gewissen Gewicht bedarf, um dem sorge- und obhutsberechtigten ausländischen Elternteil den Verbleib im Land zu verweigern und sein Schweizer Kind (im Ergebnis) zu verpflichten, mit ihm auszureisen. Die entsprechende Praxis gilt nicht unbesehen bei niederlassungs- oder aufenthaltsberechtigten ausländischen Kindern aus Drittstaaten (E. 4). Würdigung des konkreten Falles bei mutmasslich missbräuchlichem Verhalten des sorge- und obhutsberechtigten Elternteils (E. 5).

137 I 284 (2C_711/2010) from 1. April 2011
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 13 Abs. 1 BV; Art. 44 AuG; Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG; Familiennachzug durch Ausländer mit Aufenthaltsbewilligung. Kein Anspruch auf Nachzug von Stiefkindern durch Schweizer Bürger gestützt auf Art. 42 Abs. 1 AuG. Auch kein Anspruch im Sinne von Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG für den ausländischen Ehepartner mit einer Aufenthaltsbewilligung bei einem nach Art. 44 AuG begehrten Nachzug seiner Kinder. Allerdings grundsätzlicher Anspruch gestützt auf Art. 8 EMRK und Art. 13 Abs. 1 BV (E. 1.2 und 1.3). Nachzug von Kindern durch einen Ausländer, der über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt und einen Anspruch auf Verlängerung derselben hat. Änderung bzw. Anpassung der Praxis im Zusammenhang mit neuerlichen Entwicklungen auf sozialer und rechtlicher Ebene (E. 2).

137 I 327 (8C_272/2011) from 11. November 2011
Regeste: Art. 13 Abs. 1 und Art. 36 BV; Art. 179quater StGB; Art. 43 in Verbindung mit Art. 28 Abs. 2 ATSG; Art. 59 Abs. 5 IVG. Art. 59 Abs. 5 IVG bildet eine genügende gesetzliche Grundlage für die privatdetektivliche Observation in einem von jedermann ohne weiteres frei einsehbaren Privatbereich (in casu: Balkon; E. 5.2). Die Observation muss objektiv geboten sein (E. 5.4.2). Videoaufnahmen der versicherten Person, die sie bei alltäglichen Verrichtungen (Haushaltsarbeiten) auf dem frei einsehbaren Balkon zeigen, verletzen den dabei durch Art. 179quater StGB vorgegebenen Rahmen nicht (E. 6.1 und 6.2).

137 I 351 (2C_349/2011) from 23. November 2011
Regeste: Art. 98 Abs. 4 ZGB und Art. 67 Abs. 3 ZStV; Art. 12 EMRK und Art. 14 BV; Art. 14 Abs. 1 AsylG; Verfahren zur Vorbereitung der Eheschliessung und Trauung: Erfordernis, den rechtmässigen Aufenthalt in der Schweiz während des Vorbereitungsverfahrens nachzuweisen; Vereinbarkeit dieses Erfordernisses mit dem Recht auf Ehe; Grundsatz der Ausschliesslichkeit bzw. des Vorranges des Asylverfahrens. Vom Grundsatz der Ausschliesslichkeit bzw. des Vorranges des Asylverfahrens kann nur bei Vorliegen eines "offensichtlichen" Rechtsanspruches auf eine Aufenthaltsbewilligung abgewichen werden (Zusammenfassung der Rechtsprechung; E. 3.1). Kann der Zivilstandsbeamte die Trauung eines ausländischen Verlobten mangels Nachweis des rechtmässigen Aufenthalts in der Schweiz nicht vollziehen (Art. 98 Abs. 4 ZGB und Art. 67 Abs. 3 ZStV), so ist die Migrationsbehörde gehalten, letzterem im Hinblick auf die Heirat einen provisorischen Aufenthaltstitel auszustellen, sofern keine Anzeichen für einen Rechtsmissbrauch vorliegen und klar erscheint, dass der Betroffene - einmal verheiratet - aufgrund seiner persönlichen Situation die Zulassungsvoraussetzungen in der Schweiz erfüllen wird (analoge Anwendung von Art. 17 Abs. 2 AuG); diese Auslegung erlaubt die Beachtung von Art. 12 EMRK und Art. 14 BV in Übereinstimmung mit dem Willen des Gesetzgebers (E. 3.4-3.7) und steht mit dem Grundsatz der Ausschliesslichkeit bzw. des Vorranges des Asylverfahrens im Einklang (E. 3. 8). Anwendung im vorliegenden Fall (E. 3.9).

137 II 371 (2C_719/2010) from 27. Mai 2011
Regeste: Art. 20 BEHG und Art. 46a aBEHV-EBK; Pflicht zur Offenlegung von Beteiligungen und Ausnahmen hievon; Übergangsrecht. Anwendbares Recht: Ob die Beschwerdeführer ihre Beteiligungen an der E. AG im Jahr 2008 melden mussten, beurteilt sich im Lichte von Art. 46a aBEHV-EBK (E. 4). Art. 20 Abs. 5 BEHG stellt eine genügende formell-gesetzliche Grundlage dar, gestützt auf welche die Aufsichtsbehörde eine Übergangsbestimmung betreffend die Meldepflicht in Art. 46a aBEHV-EBK erlassen konnte (E. 5). Die den Beschwerdeführern auferlegte Meldepflicht stellt keinen schweren Eingriff in ihre Privatsphäre dar; es handelt sich dabei um eine übergangsrechtliche Massnahme, welche im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist (E. 6).

137 II 431 (2C_127/2010) from 15. Juli 2011
Regeste: Art. 36 Abs. 1 und Art. 185 Abs. 3 BV; Art. 25 f. BankG; Art. 10 VwVG und Art. 11 des Organisationsreglements FINMA 2008; Zulässigkeit der Herausgabe von Bankkundendaten der UBS an die amerikanischen Behörden durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) im Februar 2009. Inhalt und Stellenwert des Bankkundengeheimnisses im schweizerischen Recht (E. 2.1). Bankenrechtliche Schutzmassnahmen müssen das Bankkundengeheimnis wahren und dürfen nicht dazu dienen, die Kompetenzen der Rechtshilfe- oder Steuerbehörden bzw. die von diesen zu prüfenden, für die amtshilfeweise Aufhebung des Bankkundengeheimnisses erforderlichen Voraussetzungen zu umgehen (E. 2.2 und 2.3). Bejahung der Zulässigkeit der Herausgabe der Kundendaten gestützt auf die polizeiliche Generalklausel (E. 3 und 4). Feststellung des Anscheins einer Befangenheit des damaligen Präsidenten der FINMA (E. 5).

137 IV 134 (1C_424/2010) from 2. Februar 2011
Regeste: Art. 80h lit. b IRSG; Art. 84 und 89 Abs. 1 BGG; Art. 9a IRSV; internationale Rechtshilfe in Strafsachen; Legitimation zur Anfechtung einer Schlussverfügung. Zeugenbefragung und Aktenedition; Beschwerdelegitimation von juristischen Personen und ihren Organen. Zusammenfassung und Präzisierung der Praxis (E. 5 und 6). Rechtshilferechtlich relevanter Begriff der tatsächlichen Verfügungsgewalt über Dokumente; unmittelbare und direkte Betroffenheit der juristischen Person in der vorliegenden Konstellation verneint (E. 7).

137 IV 189 (1B_412/2010) from 4. April 2011
Regeste: Art. 13 BV; Art. 69 Abs. 1-3 BStP; Entsiegelung. Aufgaben des Entsiegelungsrichters; Schutz der Privatsphäre und Untersuchungsrelevanz von beschlagnahmten elektronischen Dateien (insbesondere privaten Bilddateien); prozessuale Mitwirkungsobliegenheit der Betroffenen; Bestätigung der Praxis; teilweise Gutheissung der Beschwerde (E. 2-5).

137 V 334 (9C_790/2010) from 8. Juli 2011
Regeste: Art. 28a Abs. 3 IVG; Art. 8 Abs. 1 und 2 sowie Art. 13 Abs. 1 BV; Art. 8 EMRK; gemischte Methode der Invaliditätsbemessung. Bestätigung der Rechtsprechung betreffend die gemischte Methode der Invaliditätsbemessung (E. 5). Die gemischte Methode verletzt weder den Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 13 Abs. 1 BV und Art. 8 EMRK noch die Grundsätze der Gleichbehandlung und des Diskriminierungsverbots gemäss Art. 8 BV (E. 6).

138 I 6 (1C_289/2009) from 2. November 2011
Regeste: Recht auf Achtung des Privatlebens, Einsicht in Staatsschutzakten, indirektes Auskunftsrecht; Art. 8 und 13 EMRK, Art. 82 lit. a und Art. 83 lit. a BGG. Die Mitteilung des Abteilungspräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne von Art. 18 des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) kann im vorliegenden Zusammenhang nach Art. 82 lit. a BGG angefochten werden (E. 1.2). In Anbetracht der gerichtlichen Überprüfung durch den EGMR kann im Bereich der inneren und äusseren Sicherheit gestützt auf Art. 83 lit. a BGG auf die Beschwerde eingetreten werden (E. 1.3.2). Hinweise zur Beschaffung und Bearbeitung von Informationen im Bereich des Staatsschutzes und zum indirekten Auskunftsrecht nach BWIS (E. 3). Recht auf Achtung des Privatlebens im Sinne von Art. 8 Ziff. 1 EMRK (E. 4.1); Anforderungen an Eingriffe nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK in formeller und materieller Hinsicht (E. 4.2 und 4.3). Das BWIS stellt eine hinreichende Grundlage für die Beschaffung und Bearbeitung von Informationen und für den Aufschub der Einsicht in der Form des indirekten Auskunftsrechts dar (E. 5.2); es genügt den Bestimmtheitsanforderungen (E. 5.3), enthält Mechanismen zum Schutz der Grundrechte (E. 5.4), dient zulässigen Zwecken (E. 5.5) und erweist sich als verhältnismässig (E. 5.6). Recht auf wirksame Beschwerde im Sinne von Art. 13 EMRK (E. 6.1); Zulässigkeit von geheimer Überwachung und geheimer Aufbewahrung von Personendaten, Anforderungen an den Aufschub der Auskunft (E. 6.2). Die Ausgestaltung des indirekten Auskunftsrechts, die Beschränkung der Datenaufbewahrung und die parlamentarische Aufsicht stellen Mechanismen zum Schutz der Grundrechte dar (E. 7.1-7.3); Empfehlungen gegenüber den zuständigen Behörden im Rahmen der geheimen Überprüfung kommt verbindlicher Charakter zu (E. 7.4); Anforderungen an die Auskunftserteilung nach Dahinfallen der Geheimhaltungsinteressen (E. 7.5); gesamthaft hält die BWIS-Regelung vor Art. 13 EMRK stand; Rückweisung der Sache zu neuer Prüfung im Sinne der Erwägungen (E. 7.7).

138 I 205 (9C_540/2011) from 15. März 2012
Regeste: Art. 16 ATSG; Art. 27 UNO-Pakt II; Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten; Art. 8 Ziff. 1 EMRK; Art. 8 Abs. 2 BV; Invaliditätsbemessung bei einer zur Gemeinschaft der Fahrenden gehörenden Person. Im Falle einer zur Gemeinschaft der Fahrenden gehörenden Person wirkt die Bemessung des Invalideneinkommens anhand allgemeiner statistischer Daten indirekt diskriminierend, soweit dieses Vorgehen dazu beiträgt, die versicherte Person der Bevölkerungsmehrheit anzugleichen (E. 6.2).

138 I 225 (9C_881/2011) from 27. Juni 2012
Regeste: Art. 14 ELG; § 8 Abs. 3 ELG/SZ; Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten im Rahmen von Ergänzungsleistungen. Die Limitierung der Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten in Verweisung auf Art. 14 ELG verletzt weder das Gleichbehandlungsgebot von Art. 8 Abs. 1 BV und Art. 14 EMRK noch das Recht auf Familienleben gemäss Art. 13 Abs. 1 BV und Art. 8 Ziff. 1 EMRK (E. 3.5-3.9).

138 I 256 (1C_439/2011) from 25. Mai 2012
Regeste: Speicherung von Personendaten im zürcherischen Polizei-Informationssystem POLIS; Art. 13 Abs. 2 BV, Art. 8 EMRK. Betroffene Grundrechte (E. 4). Speicherung und Löschung von Personendaten im Polizei-Informationssystem POLIS (E. 5). Die Speicherung von Personendaten hält im vorliegenden Fall vor Bundesverfassung und Konvention stand: Der Grundrechtseingriff wiegt nicht schwer (Vernichtung der erkennungsdienstlichen Daten, Anmerkung über Einstellung der Strafuntersuchung), das öffentliche Interesse an der Aufklärung der Straftat überwiegt (rascher Zugriff auf vorhandene Daten im Falle von neuen Hinweisen und Erkenntnissen; E. 6).

138 I 331 (8C_949/2011) from 4. September 2012
Regeste: Art. 12, Art. 13 Abs. 1 und 2 BV; Art. 8 EMRK; abstrakte Normenkontrolle; Sozialhilferecht. Die am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Änderungen des kantonalbernischen Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe (SHG) betreffend Entfallen des Sozialhilfegeheimnisses bei Ermächtigung der betroffenen Person oder der vorgesetzten Stelle zur Auskunftserteilung und bei Anzeige einer Straftat (Art. 8 Abs. 2 lit. a-c SHG), betreffend Einholen einer Vollmacht von den betroffenen Personen (Art. 8b Abs. 3 SHG) sowie betreffend Auskunftspflichten privater Dritter (Art. 8c Abs. 1 lit. c-e SHG) sind verfassungs- und konventionskonform (E. 5-8).

138 II 346 (1C_230/2011) from 31. Mai 2012
Regeste: Datenschutzgesetz, Art. 28 ff. ZGB; Gewährleistung des Persönlichkeitsschutzes bei der Publikation von Personendaten in Google Street View. Zuständigkeit des EDÖB (E. 3). Begriff der Personendaten in Bezug auf die in Google Street View verwendeten Bilder (E. 6.5). Datenschutzvorschriften für die Bearbeitung von Personendaten (E. 7). Konkretisierung des in Art. 28 ZGB gewährleisteten Persönlichkeitsschutzes durch das Datenschutzrecht, Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Recht am eigenen Bild (E. 8). Berücksichtigung allgemeiner datenschutzrechtlicher Grundsätze (E. 9). Interessenabwägung in Bezug auf die Frage, ob und inwieweit die Bearbeitungsmethoden insgesamt geeignet sind, die Persönlichkeit einer grossen Anzahl von Personen zu verletzen: Es wird in Kauf genommen, dass höchstens ca. 1 % der Bilder ungenügend anonymisiert ins Internet gelangen und darauf erkennbare Personen und Fahrzeugkennzeichen erst auf Anzeige der Betroffenen hin nachträglich manuell unkenntlich gemacht werden (E. 10.6 und 10.7). Pflicht zur effizienten, unbürokratischen und kostenlosen nachträglichen Anonymisierung (E. 10.6.3 und 14.4). Die vorgängige automatische Anonymisierung ist laufend dem Stand der Technik anzupassen (E. 10.6.5 und 14.1). Bei sensiblen Einrichtungen (Schulen, Spitälern, Altersheimen, Frauenhäusern, Gerichten und Gefängnissen etc.) ist vor der Aufschaltung im Internet die vollständige Anonymisierung von Personen und Kennzeichen vorzunehmen (E. 10.6.4 und 14.2). Bilder von Privatbereichen wie umfriedeten Höfen, Gärten usw., die dem Einblick eines gewöhnlichen Passanten verschlossen bleiben, dürfen ohne Zustimmung der Betroffenen grundsätzlich nicht veröffentlicht werden, soweit sie von einer Kamerahöhe von über 2 m aufgenommen wurden; Übergangsfrist von max. drei Jahren zur Entfernung bereits aufgeschalteter Bilder, die dieser Anforderung nicht entsprechen (E. 10.7 und 14.3). Pflicht, in den Medien generell über die Widerspruchsmöglichkeit und speziell über bevorstehende Aufnahmen und Aufschaltungen von Bildern zu informieren (E. 10.6.3, 11 und 14.4).

138 IV 232 (1B_563/2012) from 6. November 2012
Regeste: a Art. 197 Abs. 1 lit. c und Abs. 2, Art. 270 lit. b Ziff. 1 StPO; Überwachung der Telefonanschlüsse von Drittpersonen. Die Überwachung des Telefonanschlusses einer nicht beschuldigten Person kann statthaft sein, wenn hinreichend konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass der Beschuldigte die fragliche Drittperson anruft und sich daraus Hinweise auf die Straftat oder den Aufenthalt des Beschuldigten ergeben. Die anordnende Behörde hat geeignete Anweisungen zu treffen, damit die mit der Ermittlung befassten Personen nicht Informationen erlangen, die mit dem Gegenstand der Untersuchung nicht im Zusammenhang stehen. Die Abhörung des Drittanschlusses ist abzubrechen, sobald der Anschluss, von dem aus der Beschuldigte die Gespräche führt, bekannt ist und selber überwacht werden kann (E. 2-8).

139 I 16 (2C_828/2011) from 12. Oktober 2012
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 5, 190 und 121 Abs. 3-6 (Fassung vom 28. November 2010 ["Ausschaffungsinitiative"]) in Verbindung mit Art. 197 Ziff. 8 BV; Art. 62 lit. b, Art. 63 Abs. 1 lit. a und b sowie Abs. 2 AuG; direkte Anwendbarkeit neuer verfassungsrechtlicher Vorgaben, die im Widerspruch zu geltendem Gesetzes- und Völkerrecht stehen? Übersicht über die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und der bundesgerichtlichen Praxis zu beachtenden Kriterien bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit aufenthaltsbeendender Massnahmen von straffällig gewordenen Ausländerinnen und Ausländern (E. 2 und 3). Die mit der Ausschaffungsinitiative am 28. November 2010 in die Bundesverfassung aufgenommenen Abs. 3-6 von Art. 121 sind aufgrund einer der praktischen Konkordanz verpflichteten Auslegung und mangels hinreichender Bestimmtheit nicht direkt anwendbar, sondern bedürfen der Umsetzung durch den Gesetzgeber; sie haben keinen Vorrang vor den Grundrechten oder den Garantien der EMRK. Den vom Verfassungsgeber zum Ausdruck gebrachten Wertungen kann insoweit Rechnung getragen werden, als dies zu keinem Widerspruch zu übergeordnetem Recht bzw. zu Konflikten mit dem Beurteilungsspielraum führt, den der EGMR den einzelnen Konventionsstaaten bei der Umsetzung ihrer Migrations- und Ausländerpolitik zugesteht (E. 4 und 5).

139 I 37 (2C_195/2012) from 2. Januar 2013
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 13 Abs. 1 und Art. 29 Abs. 1 BV; Art. 34 Visakodex (Verordnung [EG] Nr. 810/2009); Art. 5, 10 und 17 AuG; Art. 6 und 11 VZAE; Art. 2, 4, 15 i.V.m. 16 VEV; Weigerung der Migrationsbehörde, ein Familiennachzugsgesuch zu prüfen, bei Heirat im Rahmen eines Schengenvisums zu Besuchszwecken. Die Anwendung von Art. 17 Abs. 1 AuG, wonach der Bewilligungsentscheid grundsätzlich im Ausland abzuwarten ist, muss grundrechtskonform erfolgen (E. 2). Der Anspruch auf Familiennachzug fällt nicht dahin, wenn während der Gültigkeit des Schengenvisums zu Besuchszwecken geheiratet wird, weshalb die zuständige Migrationsbehörde verpflichtet ist, auf rechtzeitiges Gesuch hin das Bewilligungsverfahren zu eröffnen und den Familiennachzug zu prüfen. Ergeht kein positiver erstinstanzlicher Entscheid während des bewilligungsfrei zulässigen Aufenthalts, hat die betroffene Person den Bewilligungsentscheid im Ausland abzuwarten, es sei denn, die Zulassungs- bzw. Bewilligungsvoraussetzungen könnten im Sinne von Art. 17 Abs. 2 AuG als mit grosser Wahrscheinlichkeit erfüllt gelten (E. 3). Beurteilung des konkreten Falles (E. 4).

139 I 315 (2C_1112/2012) from 14. Juni 2013
Regeste: Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG; Art. 8 Ziff. 1 EMRK; Art. 13 Abs. 1 BV; Voraussetzungen für einen Aufenthaltsanspruch des nicht sorgeberechtigten ausländischen Elternteils eines in der Schweiz anwesenheitsberechtigten Kindes. Die für einen solchen Anspruch gemäss ständiger Rechtsprechung vorausgesetzte besondere Intensität der affektiven Beziehung zwischen dem Kind und dem nicht sorgeberechtigten Elternteil ist als Folge der zivilrechtlichen Entwicklung und der zunehmend extensiven Regelung des Besuchsrechts neu zu umschreiben (E. 2.3 und 2.4). Bei nicht sorgeberechtigten ausländischen Elternteilen eines hier aufenthaltsberechtigten Kindes, welche aufgrund einer inzwischen aufgelösten ehelichen Gemeinschaft mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit oder mit Niederlassungsbewilligung bereits eine Aufenthaltsbewilligung für die Schweiz besassen, ist das Erfordernis der besonderen Intensität der affektiven Beziehung künftig bereits dann als erfüllt anzusehen, wenn der persönliche Kontakt im Rahmen eines nach heutigem Massstab üblichen Besuchsrechts ausgeübt wird. Bei Ausländern, welche erstmals um die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ersuchen, ist demgegenüber weiterhin erforderlich, dass die affektiven Beziehungen zum Kind deutlich intensiver gelebt werden, als es einem üblichen Besuchsrecht entspricht. In allen Fällen wird zudem vorausgesetzt, dass das Besuchsrecht auch tatsächlich wahrgenommen wird. Festzuhalten ist schliesslich auch an den übrigen bisherigen Voraussetzungen einer Bewilligungsverlängerung bzw. -erteilung, d.h. an einer besonders intensiven wirtschaftlichen Beziehung zwischen dem Kind und dem nicht sorgeberechtigten Elternteil sowie an einem tadellosen Verhalten der ausländischen Person (E. 2.4 und 2.5). Anwendung der genannten Voraussetzungen auf den vorliegenden Fall (E. 3).

139 I 330 (2C_983/2012) from 5. September 2013
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 23 FK; Art. 13 Abs. 1 BV; Art. 83 lit. c Ziff. 2 und lit. d BGG; Art. 14 Abs. 1, Art. 49 ff., 51 sowie 60 AsylG; Art. 44 und 51 Abs. 2 i.V.m. Art. 62 lit. e AuG; Art. 73 und 74 Abs. 5 VZAE; ausländerrechtlicher Familiennachzug von anerkannten Flüchtlingen mit Asyl in der Schweiz. Gegen den kantonal letztinstanzlichen Entscheid, durch den das Familiennachzugsgesuch eines anerkannten Flüchtlings für einen nach der Flucht geheirateten Partner abgewiesen wird, ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (E. 1). Im Rahmen von Art. 8 EMRK und 13 BV zu beachtende Kriterien bei Zuwanderungsfragen mit asyl- und flüchtlingsrechtlichem Hintergrund (E. 2); konventions- und verfassungskonforme Auslegung von Art. 44 AuG in einem solchen Fall (E. 3). Unternimmt ein anerkannter Flüchtling mit Asyl alles ihm Zumutbare, um sich - auch in wirtschaftlicher Hinsicht - möglichst rasch zu integrieren, kann ihm die Sozialhilfeabhängigkeit des nachzuziehenden Gatten nicht entgegengehalten werden, wenn sich der künftige Fehlbetrag in vertretbarer Höhe hält und in absehbarer Zeit vermutlich ausgeglichen werden kann (Bestätigung von BGE 122 II 1; E. 4).

139 II 393 (2C_65/2012) from 22. März 2013
Regeste: Art. 31 ff. VRK; Art. 2, 7 lit. d, Art. 16 Abs. 1 und 2, Art. 17 und 18 FZA; Art. 3 Abs. 6 und Art. 4 Anhang I FZA; Art. 8 EMRK; Art. 50 AuG; Aufenthaltsrechte von Kindern aus EU-/EFTA-Staaten zu Ausbildungszwecken ("Ibrahim/Teixeira"-Praxis des EuGH). Bestätigung der Rechtsprechung, dass die Familiennachzugsregeln des Freizügigkeitsabkommens nicht dazu dienen, die Anwesenheit von Drittstaatsangehörigen zu schützen, die sich auf eine inhaltsleere, nur noch formell fortbestehende Ehe berufen (E. 2). Das Bundesgericht weicht mit Blick auf die von den Vertragspartnern durch das FZA angestrebte parallele Rechtslage nur aus triftigen Gründen von der Auslegung abkommensrelevanter unionsrechtlicher Bestimmungen durch den EuGH ab (E. 4.1). Ein Aufenthalt gestützt auf Art. 3 Abs. 6 Anhang I FZA setzt voraus, dass die Rückkehr des Kindes in die Heimat nicht zumutbar erscheint und eine vor dem Dahinfallen der das abgeleitete Anwesenheitsrecht begründenden Familiengemeinschaft begonnene Ausbildung (noch) abgeschlossen werden soll (E. 4.2). Keine Verletzung von Art. 8 EMRK oder Art. 50 AuG im konkreten Fall (E. 5 und 6).

139 II 404 (2C_269/2013) from 5. Juli 2013
Regeste: Art. 43, 84a, 89 Abs. 1 und Art. 103 BGG; Art. 6 EMRK; Art. 26 DBA-USA 96; internationale Amtshilfe in Steuerfragen mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Verfahrensgrundsätze: Anwendbares Recht und Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (E. 1). Beschwerdelegitimation des Kontoinhabers und des wirtschaftlich Berechtigten (E. 2). Keine aufschiebende Wirkung der Beschwerde von Gesetzes wegen (E. 4). Keine Möglichkeit der nachträglichen Ergänzung der Beschwerdeschrift (E. 5). Die strafprozessualen Garantien sind auf das Verfahren der internationalen Amtshilfe in Steuerfragen nicht anwendbar (E. 6). Ein gerichtliches Urteil über die Verweigerung der Amtshilfe entfaltet nur eine eingeschränkte materielle Rechtskraft und hindert den ersuchenden Staat nicht, ein neues, verbessertes Gesuch in der gleichen Sache zu stellen (E. 8). Auf Rechtsmittel, die stellvertretend für einen Dritten eingereicht werden, ist nicht einzutreten (E. 11). Verfahren betreffend die internationale Amtshilfe in Steuerfragen sind Streitigkeiten mit Vermögensinteresse (E. 12). Gruppenanfragen: Auf ein auf das DBA-USA 96 gestütztes Amtshilfegesuch, welches die Namen der betroffenen Steuerpflichtigen nicht erwähnt, ist grundsätzlich einzutreten, sofern die Darstellung des Sachverhalts genügend detailliert ist, um einen Verdacht auf Betrugsdelikte und dergleichen zu ergeben und die Identifikation der gesuchten Personen zu ermöglichen (E. 7.2). Der nicht namentlich genannte Informationsinhaber muss mit einem für den ersuchten Staat zumutbaren Aufwand identifiziert werden können (E. 7.3). Betrugsdelikte und dergleichen: Die von den Vereinigten Staaten von Amerika erhobene Quellensteuer auf Zinsen und Dividenden aus amerikanischen Wertschriften fällt in den Anwendungsbereich des DBA-USA 96 (E. 9.2). Begriff der Betrugsdelikte und dergleichen gemäss Art. 26 DBA-USA 96 (E. 9.3-9.5). Die vom IRS beschriebene Vorgehensweise der betroffenen Steuerpflichtigen erfüllt die Anforderungen des Abgabe- und des Steuerbetrugs; sie war nicht nur darauf ausgerichtet, die normale Einkommenssteuer der an der Gesellschaft wirtschaftlich berechtigten Personen zu hinterziehen, sondern auch den vom IRS zur Absicherung dieser Einkommenssteuerpflicht eingerichteten Kontrollmechanismus zu hintergehen (E. 9.7 und 9.8); das dazu benutzte Formular hat Urkundencharakter (E. 9.9).

139 IV 98 (1B_481/2012) from 22. Januar 2013
Regeste: Art. 273 Abs. 3 StPO; Art. 14 Abs. 4 BÜPF; rückwirkende Internet-Teilnehmeridentifikation (IP-Adresse), Sechsmonats-Frist. Anwendungsbereich der Sechsmonats-Frist von Art. 273 Abs. 3 StPO. Bei Delikten, welche über das Internet begangen wurden, geht Art. 14 Abs. 4 BÜPF (als "lex specialis") dem Art. 273 Abs. 3 StPO vor (E. 4).

140 I 2 (1C_176/2013, 1C_684/2013) from 7. Januar 2014
Regeste: Art. 82 lit. b BGG; Änderung des Konkordats über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen, abstrakte Normenkontrolle, Art. 10 Abs. 2, Art. 13 Abs. 2, Art. 35 Abs. 2, Art. 36, 57 und 123 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Polizeirechtliche Natur des Konkordats und Hinweise auf weitere Bestimmungen zur Verhinderung von Gewalt bei Sportveranstaltungen (E. 5). Das Konkordat regelt das polizeiliche Verwaltungshandeln im Hinblick auf Gewalttaten bei Sportanlässen. Die vorgesehenen Massnahmen sind auf das zukünftige Verhalten ausgerichtet und gelangen unabhängig von der strafrechtlichen Beurteilung bereits verübter Gewalttaten zur Anwendung (E. 6). Örtlicher und zeitlicher Geltungsbereich des Konkordats: Die Massnahmen nach dem Konkordat (Rayonverbot, Meldeauflage, polizeilicher Gewahrsam) sind beschränkt auf gewalttätiges Verhalten, das in einem konkreten Zusammenhang mit der Sportveranstaltung und der Anhängerschaft bei einer der Mannschaften steht (E. 7.2). Die Anordnung von konkreten Massnahmen hängt von der Art und Schwere des gewalttätigen Verhaltens ab und muss insbesondere verhältnismässig sein (E. 8). Die Bewilligungspflicht ermöglicht die Anordnung von Auflagen zur Durchführung bestimmter Spiele (E. 9). Verhältnismässigkeit von sog. Kombitickets für die An- und Abreise sowie den Besuch eines Spiels im Gästesektor (E. 9.2). Zulässigkeit einer Pflicht zur Ausweiskontrolle und zum Abgleich mit dem Informationssystem HOOGAN (E. 9.3). Durchsuchung der Besucher von Sportveranstaltungen am Eingang der Stadien und beim Besteigen von Fantransporten (E. 10.1). Übertragung von Durchsuchungsbefugnissen an private Sicherheitsdienste im halböffentlichen Raum vor dem Hintergrund des staatlichen Gewaltmonopols und der Grundrechtsbindung (E. 10.2). Bestimmtheitsgebot in Bezug auf verbotene Gegenstände und Pflicht zur Bekanntmachung bestehender Verbote (E. 10.3). Eignung, Notwendigkeit, Zumutbarkeit und Modalitäten der körperlichen Durchsuchung zur Verhinderung von Gewalttaten (E. 10.4-10.6). Die vorgeschriebene Dauer eines Rayonverbots von mindestens einem Jahr ist mit dem Verhältnismässigkeitsprinzip nicht vereinbar (E. 11.2.2). Anforderungen an den Inhalt und die Eröffnung der Verfügung eines Rayonverbots (E. 11.3). Gesetzliche Grundlage für die Anordnung einer Meldeauflage (E. 12.2). Die Bestimmung, die zwingend eine Verdoppelung der Dauer einer Meldeauflage vorsieht, wenn die Massnahme ohne entschuldbare Gründe verletzt wird, hält vor dem Verhältnismässigkeitsprinzip nicht stand (E. 12.3).

140 I 145 (2C_652/2013) from 17. Dezember 2013
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 13 BV; Art. 96 Abs. 1 AuG; Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Im Rahmen der Prüfung der Situation eines Ausländers, der nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit seiner schweizerischen Ehegattin zusammenlebt, aber über das gemeinsame minderjährige Kind mit schweizerischer Nationalität - ohne es in Obhut zu haben - noch die elterliche Sorge ausübt, stellt ein Verstoss gegen die öffentliche Ordnung keine unabhängige Bedingung dar, die zwangsläufig zum Widerruf der Aufenthaltsbewilligung führt. Es handelt sich dabei um ein Kriterium unter anderen, das in der umfassenden Interessenabwägung zu berücksichtigen ist, ohne dass ihm jedoch eine geringere Bedeutung einzuräumen wäre, als dies im umgekehrten Familiennachzug für ein Kind mit Schweizer Bürgerrecht der Fall ist (E. 3 und 4).

140 I 353 (1C_653/2012) from 1. Oktober 2014
Regeste: Art. 13 Abs. 1 und Art. 123 Abs. 1 BV, Art. 8 EMRK; Polizeigesetz des Kantons Zürich; verdeckte Vorermittlung, Chatroom-Überwachung, Schutz des Post- und Fernmeldeverkehrs. Zuständigkeit der Kantone zur Regelung der präventiven Polizeitätigkeit, die nicht an einen Tatverdacht anknüpft und sich nicht auf die Strafprozessordnung des Bundes stützt (E. 5). Übersicht über die Regelung der verdeckten Vorermittlung und der Informationsbeschaffung im Internet gemäss dem Polizeigesetz (E. 6). Verdeckte Vorermittlung: Die kantonale Bestimmung (§ 32e PolG/ZH) bezieht sich auf schwere Delikte im Sinne von Art. 286 Abs. 2 StPO. Für die Durchführung wird auf die Art. 151 und 287-298 StPO verwiesen. Damit wird verhindert, dass die verdeckten Vorermittler als "agents provocateurs" tätig werden. Die Regelung entspricht den rechtsstaatlichen Anforderungen in Bezug auf die richterliche Genehmigung sowie die Verfahrensrechte und den Rechtsschutz der betroffenen Personen (E. 7). Chatroom-Überwachung: § 32f Abs. 2 PolG/ZH lässt die Überwachung der Kommunikation auf virtuellen Kommunikationsplattformen zu, die nur einem beschränkten Benutzerkreis zugänglich sind (sog. Closed User Groups). Eine solche Informationsbeschaffung kann mit einem Eingriff in die Privatsphäre und in das Fernmeldegeheimnis verbunden sein (E. 8.4). Sie betrifft grundsätzlich alle Benutzer dieser Kommunikationsmittel. Es handelt sich um eine sehr weit gehende Überwachungsmethode, die das Sammeln und Auswerten von Informationen aus den Privatbereichen einer Vielzahl von Personen erlaubt, gegen die überhaupt kein Verdacht für rechtswidriges Verhalten vorliegt (E. 8.7.2.1). Die Bestimmung ist mit dem Verhältnismässigkeitsprinzip nicht vereinbar, weil keine richterliche Genehmigung der Überwachung vorgeschrieben ist, keine nachträgliche Mitteilung an die Betroffenen erfolgt und ihnen auch kein Rechtsschutz gewährt wird (E. 8.7.2.4). Hinweis auf die Bestimmungen der StPO zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (E. 8.8).

140 I 381 (1C_518/2013) from 1. Oktober 2014
Regeste: Art. 13 Abs. 1 BV, Art. 8 EMRK; Genfer Polizeigesetz; Observation, verdeckte Fahndung und verdeckte Vorermittlung; Schutz der Privatsphäre. Umschreibung der Observation, der verdeckten Fahndung und der verdeckten Vorermittlung im Sinne des Genfer Polizeigesetzes (E. 4.2). Diese drei Massnahmen stellen eine Beeinträchtigung des Schutzes der Privatsphäre dar (E. 4.3), die auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage basiert (E. 4.4). Sie respektieren jedoch das Prinzip der Verhältnismässigkeit im engeren Sinne nicht, da keine nachträgliche Information der observierten Person (Gründe, Form und Dauer) und kein Beschwerderecht vorgesehen sind; die Regelung über die nachträgliche Information kann indessen Ausnahmen vorsehen. Wie bei der Observation ist bei einer verdeckten Fahndung eine Genehmigung durch die Staatsanwaltschaft oder durch den Richter erforderlich, wenn die Massnahme länger als einen Monat dauert; bei der verdeckten Vorermittlung ist eine Genehmigung durch den Richter ab Beginn der Massnahme notwendig (E. 4.5).

140 IV 28 (1B_231/2013) from 25. November 2013
Regeste: Art. 248 Abs. 1 StPO; Berechtigung zum Siegelungsantrag. Zum Zweck eines wirksamen Geheimnisschutzes ist das Recht auf Siegelung gemäss Art. 248 Abs. 1 StPO auf die Berechtigung, sich nach Art. 264 Abs. 3 StPO gegen eine Beschlagnahme zu wehren, abzustimmen. Berechtigt im Sinne von Art. 248 Abs. 1 StPO, die Siegelung zu beantragen, sind Personen, welche unabhängig der Besitzverhältnisse ein rechtlich geschütztes Interesse an der Geheimhaltung des Inhalts der Aufzeichnungen haben (E. 4.3.4). Die Strafbehörde hat vor der Durchsuchung der Aufzeichnungen von Amtes wegen den geheimnisschutzberechtigten Personen die Möglichkeit einzuräumen, ein Siegelungsbegehren zu stellen (E. 4.3.5).

140 IV 181 (1B_19/2014) from 28. Mai 2014
Regeste: Art. 13 Abs. 1 BV; Art. 263 ff. StPO; Art. 23 ff. VÜPF; Erhebung von E-Mails beim Anbieter von Fernmeldediensten ("Provider"). Vom Beschuldigten auf dem Server abgerufene E-Mails können beschlagnahmt, nicht abgerufene durch eine Echtzeit-Überwachung erhoben werden (E. 2).

141 I 201 (2C_1058/2014) from 28. August 2015
Regeste: Art. 13, 16 und 36 BV; gesetzliche Grundlage für Grundrechtseingriffe. Die unbefristete Auflage an einen Verfügungsadressaten, wonach er den Inhalt der Verfügung nur mit Zustimmung der FINMA herausgeben oder zugänglich machen darf, stellt einen schweren Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht und die Meinungsäusserungsfreiheit dar. Die FINMA verfügt über keine ausreichende gesetzliche Grundlage für einen solchen Eingriff (E. 4).

141 II 169 (2C_146/2014) from 30. März 2015
Regeste: Aufsichtsfunktion des Staatssekretariats; Zustimmungsverfahren; Anforderungen an die Gesetzesdelegation; Beschwerderecht; Art. 99 AuG in Verbindung mit Art. 85 VZAE; Art. 83 lit. c Ziff. 2 und Art. 89 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit Art. 111 Abs. 2 BGG. Die Übertragung der Zustimmungsbefugnis für die Erteilung oder Verlängerung einer ausländerrechtlichen Bewilligung an das Staatssekretariat durch den Bundesrat verletzt in den Fällen von Art. 85 Abs. 1 lit. a und b VZAE die Delegationsgrundsätze von Art. 99 AuG. Nach Erteilung einer ausländerrechtlichen Bewilligung in einem kantonalen Rechtsmittelverfahren kann das Staatssekretariat die Zustimmung gestützt auf die genannten Verordnungsbestimmungen nicht verweigern (E. 4.4); demgegenüber ist dies im Verfahren vor einer erstinstanzlichen Ausländerbehörde wie nach bisheriger Praxis möglich (E. 4.3). Konsequenzen für die Aufsichtstätigkeit des Staatssekretariats; Verhältnis zwischen Zustimmungsverfahren und Behördenbeschwerde (E. 4.4.3 und 4.4.4).

141 III 328 (5A_443/2014) from 14. September 2015
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 2, 3 und 7 KRK; Art. 119 Abs. 2 lit. d BV; Art. 4 FMedG; Art. 27 Abs. 1, Art. 32 und 70 IPRG; Art. 45 Abs. 2 Ziff. 4 und Art. 252 Abs. 1 ZGB; Art. 7 und 8 ZStV; Anerkennung und Eintragung ausländischer Geburtsurkunden ins Personenstandsregister bei Leihmutterschaft; Ordre public. Eine kalifornische Geburtsurkunde kann nicht anerkannt werden, wenn die verurkundeten Kindesverhältnisse zu genetisch nicht verwandten Eltern in Umgehung des schweizerischen Leihmutterschaftsverbotes entstanden sind (E. 2-8).

141 IV 77 (1B_330/2014) from 21. November 2014
Regeste: Art. 13 BV; Art. 8 EMRK; Art. 171 Abs. 1 und 2, Art. 197 Abs. 1 lit. c und d sowie Abs. 2, Art. 248 und 264 Abs. 1 lit. b und c sowie Abs. 3 StPO; Arzt- und Patientengeheimnis, Entsiegelung von ärztlichen Aufzeichnungen und Unterlagen. Wenn der von den Zwangsmassnahmen unmittelbar betroffene Arzt selbst beschuldigt ist, bildet sein Berufsgeheimnis zwar kein absolutes gesetzliches Beschlagnahme- und Entsiegelungshindernis. Damit erhobene ärztliche Unterlagen von der Staatsanwaltschaft durchsucht und ausgewertet werden dürfen, müssen sie jedoch zunächst einen engen Sachzusammenhang zum Gegenstand der Strafuntersuchung aufweisen bzw. für den angestrebten Untersuchungszweck unentbehrlich sein. Bei der Abwägung der sich gegenüberstehenden Strafverfolgungs- und Geheimnisschutzinteressen ist weiter zu berücksichtigen, dass Zwangsmassnahmen, die auch in die Grundrechte nicht beschuldigter Personen eingreifen, besonders zurückhaltend einzusetzen sind. Bei ärztlichen Aufzeichnungen (insbesondere Krankengeschichten mit Anamnese-, Diagnose- und Therapieverlaufsberichten) fällt ins Gewicht, dass sie regelmässig sehr sensible höchstpersönliche Informationen aus der Intim- und Privatsphäre von Patientinnen und Patienten enthalten, die von Art. 13 BV in besonderem Masse geschützt sind, weshalb nicht pauschal sämtliche vertraulichen Patienteninformationen eines beschuldigten Arztes zur Durchsuchung an die Staatsanwaltschaft freigegeben werden dürfen, solange keine Entbindung vom Arztgeheimnis erfolgt ist. Im Rahmen der Gesamtbeurteilung der Verhältnismässigkeit der konkreten Zwangsmassnahmen ist auch der Schwere der untersuchten Delikte Rechnung zu tragen. Im vorliegenden Fall wurde das kantonale Zwangsmassnahmengericht (in teilweiser Gutheissung der Beschwerde des beschuldigten Arztes) angewiesen, eine Triage der sichergestellten ärztlichen Unterlagen vorzunehmen. Bei den für die Strafuntersuchung unentbehrlichen ärztlichen Aufzeichnungen und Gegenständen hat vor einer Freigabe zur Durchsuchung an die Staatsanwaltschaft eine Anonymisierung der Namen von betroffenen Patientinnen und Patienten zu erfolgen (E. 4 und 5).

142 II 35 (2C_716/2014) from 26. November 2015
Regeste: Art. 24 Anhang I FZA; Art. 16 Abs. 2 FZA; Art. 26 und 27 VRK; Art. 121a BV; Art. 8 EMRK; Verhältnis von Art. 121a BV zum Freizügigkeitsabkommen und seiner bisherigen Auslegung. Auslegungsgrundsätze völkerrechtlicher Verträge; völkergewohnheitsrechtlicher Grundsatz pacta sunt servanda (E. 3.2). Fehlende direkte Anwendbarkeit von Art. 121a BV und Bestätigung der Rechtsprechung, wonach die sog. Schubert-Praxis im Freizügigkeitsrecht zwischen der Schweiz und der EU keine Anwendung findet (E. 3.2 und 3.3). Verhältnis von Art. 121a BV zur ständigen Auslegungspraxis des FZA (E. 3.3). Keine Anwendung von Art. 3 Abs. 6 Anhang I FZA unter den Umständen des Falles (E. 4); Bestätigung der Rechtsprechung i.S. Zhu und Chen zu Art. 24 Anhang I FZA (E. 5). Voraussetzungen unter dem Gesichtswinkel von Art. 8 EMRK bei Ersuchen des sorge- oder obhutsberechtigten Elternteils um Bewilligung (einzig) zwecks Erleichterung der Ausübung des Besuchsrechts zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil (E. 6).

142 II 268 (2C_1065/2014) from 26. Mai 2016
Regeste: Art. 25 Abs. 4, Art. 28 Abs. 2, Art. 48 Abs. 1 KG; Art. 3 lit. e und f, Art. 2 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 lit. c, Art. 17 und 19 DSG; Art. 162 StGB; Voraussetzung der Veröffentlichung einer Verfügung der WEKO. Sinn und Zweck der Veröffentlichung von Verfügungen der WEKO (E. 4). Umfang von Geschäftsgeheimnissen im KG (E. 5.1 und 5.2). Zur Anwendung des Datenschutzgesetzes im Rahmen des Kartellgesetzes (E. 6.1-6.4).

142 II 340 (1C_137/2016) from 27. Juni 2016
Regeste: Art. 6 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 lit. g und Abs. 2, Art. 9 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 1 BGÖ; Art. 6 Abs. 2 VBGÖ; Art. 19 Abs. 1bis DSG; Zugangsgesuch zu Informationen über Firmenexperten, die für ein pharmazeutisches Unternehmen an den bei Swissmedic eingereichten Zulassungsunterlagen für ein Medikament mitgewirkt haben. Darstellung des Streitgegenstands (E. 2). Der Geheimnisbegriff im Sinne der Ausnahmebestimmung gemäss Art. 7 Abs. 1 lit. g BGÖ wird weit verstanden (E. 3.2). Sollen Personendaten zugänglich gemacht werden, ist eine Güterabwägung vorzunehmen zwischen dem öffentlichen Interesse am Zugang zu amtlichen Dokumenten und dem Schutz der Privatsphäre bzw. der informationellen Selbstbestimmung der Personen, deren Daten in diesen Dokumenten enthalten sind (E. 4.2 und 4.3). Kriterien für die Gewichtung der privaten Interessen (E. 4.4) und der Informationsinteressen der Öffentlichkeit (E. 4.5). Bei der Gewährung des Zugangs zu amtlichen Dokumenten, die persönliche Daten Dritter enthalten, ist ein mehrstufiges Verfahren zu durchlaufen. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob eine Veröffentlichung überhaupt in Betracht fällt. Ist dies der Fall, sind in der Regel die betroffenen Dritten anzuhören und ist erst gestützt auf deren Stellungnahmen zu entscheiden. Von der Anhörung darf abgesehen werden, wenn die vorläufige Interessenabwägung eindeutig zugunsten der Veröffentlichung ausfällt und die Durchführung des Konsultationsverfahrens unverhältnismässig erscheint (E. 4.6). In der hier vorgenommenen vorläufigen Interessenabwägung überwiegen die öffentlichen Transparenzinteressen (E. 4.6.4). Es liegen keine Gründe vor, die es rechtfertigten, auf die Anhörung der betroffenen Firmenexperten zu verzichten (E. 4.6.8).

142 III 263 (4A_576/2015) from 29. März 2016
Regeste: Datenschutzgesetz, Art. 28 ff. ZGB; Videoüberwachung in einem Miethaus. Beurteilung der Zulässigkeit einer Videoüberwachungsanlage in einer Liegenschaft mit Mietwohnungen (E. 2).

142 III 545 (5A_220/2016) from 15. Juli 2016
Regeste: Art. 308 Abs. 2 ZGB; Vaterschaftsbeistandschaft. Weigert sich die unverheiratete Mutter, die Identität des Vaters bekannt zu geben, muss die Kindesschutzbehörde dem Kind im Grundsatz einen Beistand bestellen, um die Zweckmässigkeit einer Feststellung des Kindesverhältnisses zum Vater zu prüfen (E. 2 und 3).

142 IV 34 (1B_256/2015) from 4. November 2015
Regeste: Art. 13 Abs. 1 BV; Art. 197 Abs. 2, Art. 269, Art. 270 lit. b, Art. 273 und Art. 274 Abs. 1 lit. b StPO. Rückwirkende Randdatenerhebung betreffend den Mobiltelefon-Anschluss eines Privatklägers. Unterscheidung zwischen der inhaltlichen Überwachung des Fernmeldeverkehrs, der aktiven Erhebung von Randdaten in Echtzeit und der rückwirkenden Randdatenerhebung. Gesetzliche Regelung und Voraussetzungen der Überwachung von Drittanschlüssen, insbesondere der Randdatenerhebung bei Geschädigten (E. 4.1-4.3). Im vorliegenden Fall waren die Voraussetzungen einer rückwirkenden Randdatenerhebung betreffend den Mobiltelefon-Anschluss eines Privatklägers nicht erfüllt, zumal die Überwachung bloss indirekt der Aufklärung der untersuchten Straftaten diente (E. 4.4). Die gesetzlichen Voraussetzungen einer strafprozessualen Randdatenerhebung bei Dritten, insbesondere das richterliche Genehmigungserfordernis, sind grundsätzlich auch dann zu beachten, wenn die verfahrensleitende Staatsanwaltschaft sich um eine Zustimmung des Inhabers des überwachten Fernmeldeanschlusses bemüht hat. Es empfiehlt sich, dass die Staatsanwaltschaft eine allfällige schriftliche Zustimmung des betroffenen Dritten zusammen mit dem Genehmigungsgesuch beim Zwangsmassnahmengericht einreicht (E. 4.5).

142 V 457 (9C_282/2016) from 12. September 2016
Regeste: Art. 14 Abs. 4, 5 und 6 ELG; Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten. Der bundesrechtliche Mindestansatz von Art. 14 Abs. 3 lit. a Ziff. 1 ELG wird nur erhöht für Personen, die Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der Invaliden- oder der Unfallversicherung haben resp. hatten, nicht aber für solche, denen eine Hilflosenentschädigung der AHV ausgerichtet wird (E. 3). Bei Versicherten mit einem Einnahmenüberschuss kann dieser an die anerkannten, d.h. an die auf einen allfälligen kantonalrechtlichen Höchstbetrag im Sinne von Art. 14 Abs. 3 bis 5 ELG reduzierten Krankheits- und Behinderungskosten angerechnet werden (E. 4).

143 I 21 (2C_27/2016) from 17. November 2016
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 3, 9 und 18 KRK; Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 36 BV; Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG; Art. 273 Abs. 1, 298a Abs. 1 und 2, 301 Abs. 1bis, 301a ZGB; ausländerrechtlicher Familiennachzug unter dem neuen zivilrechtlichen Sorge- und Betreuungsrecht. Beim nachehelichen Härtefall im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG stehen die Interessen der gemeinsamen Kinder der Eheleute, deren Beziehung gescheitert ist, im Vordergrund und nicht jene von Kindern aus einer den Behörden verschwiegenen Parallelbeziehung (E. 4). Anspruch auf Schutz des Familienlebens bei umgekehrtem Familiennachzug: Interessenabwägung in Bezug auf eine Mutter, welche die Kinder mehrheitlich betreut und über das gemeinsame Sorgerecht mit dem Vater verfügt, dem ein gefestigtes Anwesenheitsrecht zusteht (E. 5). Im konkreten Fall wird der Nachzug verweigert, da der Vater lediglich einen "besuchsrechtsähnlichen" Umgang mit den Kindern pflegt (keine alternierende Obhut), er seinen finanziellen Pflichten diesen gegenüber nicht in einer Weise nachgekommen ist, dass von einer Kompensation der Geld- durch eine entsprechende Naturalleistung gesprochen werden könnte, die Mutter ihrerseits ohne absehbare Aussichten auf Besserung auf Sozialhilfeleistungen angewiesen ist und die Migrationsbehörden im Zusammenhang mit ihrem Aufenthalt getäuscht wurden (E. 6).

143 I 241 (1B_34/2017) from 18. April 2017
Regeste: Art. 10 Abs. 2, Art. 14, Art. 32 Abs. 1 sowie Art. 36 Abs. 1, 2, 3 und 4 BV; Art. 78 Abs. 1, Art. 80, Art. 81 Abs. 1 und Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; Art. 220 Abs. 2, Art. 235 Abs. 1, 2 und 5 sowie Art. 236 Abs. 1 und 4 StPO; Besuchsrecht unter strafprozessual inhaftierten Lebenspartnern. Sachurteilsvoraussetzungen bei Beschwerden in Strafsachen gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide betreffend den Vollzug von strafprozessualer Haft (E. 1). Vom Besuchsrecht unter Lebenspartnern tangierte Grundrechte; Sicherheitshaft und vorzeitiger Sanktionsvollzug als strafprozessuale Haftarten; gesetzliche Vorschriften und Praxis zum strafprozessualen Haftvollzugs- und Besuchsrecht. Mangels entgegenstehender gewichtiger öffentlicher Interessen haben auch strafprozessuale Häftlinge das Recht auf angemessenen regelmässigen Kontakt zu ihrer Familie, wozu auch unverheiratete Lebenspartner gehören. Dies gilt besonders nach länger andauernder strafprozessualer Haft und Wegfall von Kollusionsgefahr (E. 3). Besondere Konstellation, wenn zwei strafprozessuale Häftlinge in Sicherheitshaft bzw. im vorzeitigen Strafvollzug beantragen, sich gegenseitig besuchen zu dürfen; Verhältnis zwischen den beiden Haftregimes. Im vorliegenden Fall haben die kantonalen Behörden ein angemessenes Besuchsrecht des Beschuldigten in der Haftvollzugsanstalt seiner mitbeschuldigten Lebensgefährtin zu gewährleisten (E. 4).

143 I 253 (1C_214/2016) from 22. März 2017
Regeste: Art. 13 Abs. 2 und Art. 36 Abs. 1 BV, Art. 17 Abs. 2 DSG, Art. 23 FINMAG, Datenverordnung-FINMA; Gesetzmässigkeit der von der FINMA geführten sog. Watchlist. Die Watchlist dient als Hilfsmittel der FINMA, um sicherzustellen, dass nur Personen, die Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten, mit der Verwaltung oder Geschäftsführung von beaufsichtigten Unternehmungen oder Personen betraut werden oder sich daran beteiligen. Die darin aufgenommenen Daten ergeben ein Persönlichkeitsprofil der betroffenen Personen. Die Aufnahme in die Datenbank bewirkt einen schweren Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und bedarf einer formellgesetzlichen Grundlage (E. 3 und 4). Ob auch ein schwerer Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit vorliegt, kann offenbleiben (E. 5). Art. 23 FINMAG stellt eine genügende gesetzliche Grundlage für die Aufnahme von erhärteten Daten zur Person in Verbindung mit zuverlässigen Daten zur Geschäftstätigkeit in die Watchlist dar (E. 6). Die in der Datenverordnung-FINMA vorgesehene Datenbank ist grundsätzlich mit dem Gesetz vereinbar. Bei den im vorliegenden Fall gesammelten Informationen handelt es sich aber nicht um zuverlässige Daten, für die eine rechtmässige Grundlage bestehen würde (E. 7).

143 I 292 (1B_115/2016) from 21. März 2017
Regeste: Art. 113 Abs. 1 und Art. 280 f. i.V.m. Art. 269 ff. StPO; Art. 10 Abs. 2, Art. 13 Abs. 1 und Art. 36 BV; Art. 8 EMRK; Überwachung mit technischen Überwachungsgeräten. Überwachung mit technischen Überwachungsgeräten von Eltern, die beschuldigt werden, ihren beiden Kleinkindern schwere Körperverletzungen zugefügt und eines davon getötet zu haben. Überwachung als rechtmässig beurteilt. Diese war verhältnismässig und verletzte den Kerngehalt der verfassungsmässigen Rechte der Beschuldigten nicht (E. 2).

143 I 377 (9C_806/2016) from 14. Juli 2017
Regeste: Art. 59 Abs. 5 IVG; Art. 13 BV; Art. 8 EMRK; Zulässigkeit und Verwertbarkeit einer im Invalidenversicherungsverfahren angeordneten Observation. Eine von der IV-Stelle angeordnete Observation entbehrt einer genügenden gesetzlichen Grundlage und verletzt daher Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV (E. 4). Das Beweismaterial, das im Rahmen einer rechtswidrig angeordneten Observation im öffentlich frei einsehbaren Raum gewonnen wurde, ist im Invalidenversicherungsverfahren gestützt auf eine Interessenabwägung zwischen privaten und öffentlichen Interessen verwertbar. In casu überwiegt das erhebliche und gewichtige öffentliche Interesse an der Verhinderung des Versicherungsmissbrauchs den hier relativ bescheidenen Eingriff in die grundrechtliche Position der versicherten Person (E. 5).

143 II 185 (2C_411/2016 und andere) from 13. Februar 2017
Regeste: Art. 28 Abs. 1 und 3 DBA CH-FR; Art. 3 lit. a StAhiG; internationale Steueramtshilfe; voraussichtliche Erheblichkeit von Informationen zur Überprüfung von Verrechnungspreisen innerhalb einer Konzerngruppe. Zum Begriff der voraussichtlichen Erheblichkeit (E. 3.3.1-3.3.3). Die voraussichtliche Erheblichkeit ist bezüglich Bilanzen und Angaben betreffend die Betriebsstätten und deren Gewinnausscheidung (E. 4.2) sowie die Erfolgsrechnungen (E. 4.3) zu bejahen. Informationen über verbundene Unternehmen, insbesondere die Gewinne der einzelnen Konzerngesellschaften, können sich als relevant erweisen, um Gewinnverschiebungen innerhalb des Konzerns zu überprüfen, die sich wiederum auf die Transferpreispolitik des Konzerns auswirken können. Die ersuchten Informationen über Steuerregime, Steuerfaktoren, die angewandten Steuersätze und die Höhe der in der Schweiz entrichteten Steuern weisen einen Zusammenhang zur Untersuchung der französischen Steuerbehörden auf, weshalb die voraussichtliche Erheblichkeit auch diesbezüglich zu bejahen ist (E. 4.4).

143 III 3 (5A_113/2016) from 27. Oktober 2016
Regeste: Art. 39 Abs. 1 und 2 Ziff. 3, Art. 48 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB; Art. 8 lit. c ZStV; Eintragung des Rufnamens im Personenstandsregister. Im Personenstandsregister werden amtliche Namen beurkundet. Der Rufname ist kein amtlicher Name und wird im Fall, dass eine Person mehrere Vornamen trägt, im Personenstandsregister nicht bezeichnet (E. 3).

143 IV 270 (1B_29/2017) from 24. Mai 2017
Regeste: Art. 13 Abs. 1 BV; Art. 1, Art. 54, Art. 113 Abs. 1, Art. 141, Art. 192 Abs. 2, Art. 196 lit. a, Art. 235, Art. 241 Abs. 1 und Abs. 3, Art. 246, Art. 247 Abs. 1 und Abs. 3, Art. 248 Abs. 1 und Abs. 3 lit. a, Art. 263 Abs. 1 lit. a und Abs. 3, Art. 264 Abs. 1 lit. b, Art. 265 Abs. 4, Art. 277 Abs. 2 sowie Art. 312 StPO; Online-Recherche und vorläufige Sicherstellung von Chat-Verläufen auf einem digitalen sozialen Netzwerk; Entsiegelung. Zusammenfassung der einschlägigen Rechtsprechung, insbesondere bezüglich Datenerhebung bei sogenannten "abgeleiteten" Internetdiensten, und Abgrenzung der anwendbaren strafprozessualen Untersuchungsmassnahmen (E. 4.3-4.8). Abwehr von akuter Kollusion und Durchsuchung eines Kassibers mit persönlichen Zugangsdaten des inhaftierten Beschuldigten zum sozialen Netzwerk Facebook (FB); Online-Recherche auf dem FB-Konto und vorläufige Sicherstellung von untersuchungsrelevanten (auf elektronischen Servern bzw. sogenannten "Internet-Clouds" gespeicherten) Chat-Nachrichten; Versiegelung von provisorisch sichergestellten Nachrichten; Fehlen von gesetzlichen Verwertungsverboten (Art. 140 und 141 StPO) im beurteilten (das Untersuchungsverfahren betreffenden) Entsiegelungsfall (E. 5-7). Die Artikel 269-279 StPO sind auf abgeleitete Internetdienste wie FB nicht anwendbar (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 7.1). Die Online-Recherche auf dem FB-Konto verstösst nicht gegen das Territorialitätsprinzip (E. 7.10).

143 IV 387 (1B_75/2017) from 16. August 2017
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 13 Abs. 1, 36 Abs. 1 BV; Art. 141 Abs. 2, 197 Abs. 1 lit. a, 248, 282 StPO; Observationen durch Privatdetektive; Verwertbarkeit im Entsiegelungs- und Untersuchungsverfahren. Für systematische private Observationen im Strafprozess besteht keine gesetzliche Grundlage. Die Frage, ob die insofern rechtswidrig erhobenen Beweismittel im Entsiegelungsverfahren verwertbar oder bereits im Vorverfahren auszuscheiden sind, ist nach Art. 141 Abs. 2 StPO zu prüfen. Falls die Beweismittel nicht klarerweise unverwertbar sind, besteht kein Entsiegelungshindernis und ist die abschliessende Prüfung der Verwertbarkeit dem Sachrichter im Endentscheid vorzubehalten (E. 4).

143 IV 462 (1B_376/2017) from 22. November 2017
Regeste: Art. 78 ff., 91, 93 BGG; Art. 248 Abs. 3 lit. a und 393 Abs. 1 lit. c StPO; Art. 171, 197 Abs. 2, 248 Abs. 1, 264 Abs. 1 lit. d StPO; Entsiegelung und anwaltliches Berufsgeheimnis. Zulässigkeit der Beschwerde gegen einen Entsiegelungsentscheid des Zwangsmassnahmengerichts; im Hinblick auf den Anspruch auf rechtliches Gehör darf der Staatsanwaltschaft nicht nur eine eingeschwärzte Version der Beschwerdeschrift an das Bundesgericht übermittelt werden (E. 1). Die Entsiegelungsbehörde entfernt die Akten, die nachweislich unter ein Berufsgeheimnis fallen (E. 2.1). Unter das Anwaltsgeheimnis fällt nur die eigentliche anwaltliche Tätigkeit; davon erfasst werden anvertraute Tatsachen, Unterlagen sowie vertrauliche Mitteilungen, die einen - wenn auch nur losen - Zusammenhang mit der Mandatsführung aufweisen; zu diesen gehören etwa das Bestehen eines Mandats sowie die daraus entstehenden Honorarforderungen (E. 2.2). Geschützt wird folglich auch der Kontakt zwischen dem Betroffenen und seinen Rechtsvertretern, namentlich den im Entsiegelungsverfahren Beauftragten. Grundsätzlich keinen Schutz geniessen hingegen Schreiben, die dem Anwalt nur in Kopie übermittelt werden oder die er von Vertretern Dritter erhält, sowie Handlungen, die der betreffende Anwalt als Verwaltungsrat vornimmt (E. 2.3).

144 I 126 (1C_598/2016) from 2. März 2018
Regeste: Speicherung und Aufbewahrung von Randdaten der Telekommunikation. Streitgegenstand bildet die verwaltungsrechtliche Frage, ob die Speicherung und Aufbewahrung von mit dem Fernmeldeverkehr verbundenen Randdaten konform mit der Verfassung bzw. der EMRK sind (E. 2.2). Art. 15 Abs. 3 des bis zum 28. Februar 2018 geltenden Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (aBÜPF) verpflichtete die Fernmeldedienstanbieter - gleich wie das heute geltende BÜPF -, die für die Teilnehmeridentifikation notwendigen Daten sowie die Verkehrs- und Rechnungsdaten ihrer Kunden zu speichern und während sechs Monaten aufzubewahren (E. 3). Die Speicherung und die Aufbewahrung von Randdaten stellen einen Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen dar, insbesondere in das Recht auf Achtung des Privatlebens, das den Anspruch auf informationelle Selbstbestimmung miteinschliesst (E. 4). Die Intensität dieses Grundrechtseingriffs ist allerdings zu relativieren: Die gespeicherten Daten betreffen nicht den Inhalt der Kommunikation und werden von den Fernmeldeunternehmen weder gesichtet noch miteinander verknüpft; für einen Zugriff der Strafverfolgungsbehörden müssen die qualifizierten gesetzlichen Voraussetzungen der Strafprozessordnung erfüllt sein (E. 5). Art. 15 Abs. 3 aBÜPF bildete für die Randdatenspeicherung eine hinreichende gesetzliche Grundlage (E. 6). Die Randdatenspeicherung und -aufbewahrung dient namentlich der Aufklärung von Straftaten; damit liegt ein gewichtiges öffentliches Interesse vor (E. 7). Die datenschutzrechtlichen Bestimmungen sehen wirksame und angemessene Garantien zum Schutz vor Missbrauch und behördlicher Willkür vor. Unter diesen Rahmenbedingungen ist auch die sechsmonatige Aufbewahrungsdauer verhältnismässig (E. 8).

144 I 266 (2C_105/2017) from 8. Mai 2018
Regeste: Art. 50 AuG; Art. 8 EMRK. Konkubinat; Anspruch auf ausländerrechtliche Bewilligung gestützt auf das Recht auf Achtung des Privatlebens. Die Ansprüche nach Art. 50 Abs. 1 AuG sind dem ausländischen (ehemaligen) Konkubinatspartner nicht zugänglich (E. 2). Zusammenfassung der Rechtsprechung zum Aufenthaltsrecht gestützt auf das Recht auf Achtung des Privatlebens ausserhalb des kombinierten Schutzbereichs von Art. 8 Ziff. 1 EMRK (E. 3.5-3.7). Die Trennung zwischen Schutzbereich und Eingriff erscheint künstlich, da für beide Fragen die gleichen Kriterien (Aufenthaltsdauer und Integration) herangezogen werden (E. 3.8). Nach einer rechtmässigen Anwesenheit von zehn Jahren bedarf die Beendigung des Aufenthalts besonderer Gründe, da nach dieser Zeitspanne regelmässig eine gute Integration vorausgesetzt werden kann. Bei ausgeprägter Integration kann ein Anspruch gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK vor Ablauf dieser Dauer bejaht werden (E. 3.9). Die Zumutbarkeit der Rückkehr ist für sich genommen kein Grund, das Aufenthaltsrecht zu entziehen, ebenso wenig das öffentliche Interesse an einer Steuerung der Zuwanderung (E. 4.3).

144 I 281 (1C_211/2016, 1C_212/2016) from 20. September 2018
Regeste: Art. 13 Abs. 2, 16, 22, 27, 49 Abs. 1 BV; Kanton Tessin; Gesichtsverhüllungsverbot im öffentlichen Raum. Die Tessiner Gesetze über die Gesichtsverhüllung im öffentlichen Raum und über die öffentliche Ordnung sehen eine abschliessende Liste mit Ausnahmen zum Gesichtsverhüllungsverbot vor. Politische, gewerbliche oder Werbeveranstaltungen kommen auf dieser Liste nicht vor (E. 3.4). Im Lichte der Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 117 Ia 472) erscheint das so formulierte Verbot unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit, der Versammlungsfreiheit und der Wirtschaftsfreiheit als unverhältnismässig (E. 5.3 und 7). Um es mit diesen Grundrechten vereinbar zu machen, wird der Grosse Rat die Gesetze ergänzen und zusätzliche Ausnahmen für die betreffenden Veranstaltungen vorsehen müssen (E. 5.4.3- 5.5 und 7.4). Das im Gesetz über die öffentliche Ordnung vorgesehene Gesichtsverhüllungsverbot verstösst weder gegen den Grundsatz des Vorrangs des Bundesrechts (E. 4) noch gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (E. 6). Die Vereinbarkeit der neuen Bestimmungen mit der Religionsfreiheit wurde nicht bestritten und daher vom Bundesgericht nicht geprüft (E. 3).

144 II 77 (1C_428/2016) from 27. September 2017
Regeste: Art. 13 Abs. 2 BV; Art. 7 Abs. 1 und Art. 9 BGÖ; Art. 19 Abs. 1bis DSG; Gesuch um Einsicht in die in der Neuen Ereignisdatenbank (NEDB) enthaltenen Einträge über Gefährdungen und Störungen der 26 wichtigsten Schweizer Transportunternehmen. Damit ein Geheimhaltungstatbestand nach Art. 7 Abs. 1 BGÖ greift, muss die bei einer Zugangsgewährung drohende Verletzung öffentlicher oder privater Interessen ernsthaft sein und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreten; eine eigentliche Interessenabwägung ist dabei nicht vorzunehmen. Enthält ein amtliches Dokument indes Personendaten, die sich nicht anonymisieren lassen, ist gemäss Art. 19 Abs. 1bis DSG (bzw. Art. 7 Abs. 2 BGÖ) eine umfassende Güterabwägung vorzunehmen (E. 3). Dabei können dem Transparenzinteresse neben privaten Interessen am Schutz der Privatsphäre bzw. der informationellen Selbstbestimmung auch gewichtige öffentliche Anliegen gegenübergestellt werden, die der Zugangsgewährung zuwiderlaufen und nicht von einer Ausnahmebestimmung im Sinne von Art. 7 f. BGÖ erfasst werden (E. 5.7). Frage offengelassen, ob sich öffentliche Unternehmungen im Bereich der Wahrnehmung konzessionierter öffentlicher Aufgaben auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung berufen können (E. 5).

144 II 91 (1C_394/2016) from 27. September 2017
Regeste: Art. 5 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 und Art. 9 BGÖ; Art. 4 Abs. 1 Aarhus-Konvention; Art. 10g USG; Art. 19 Abs. 1bis DSG; Gesuch um Zugang zu den Abluftdaten (sog. EMI-Daten) am Kamin des Kernkraftwerks Leibstadt (KKL). Bei den EMI-Daten des KKL handelt es sich um ein amtliches Dokument im Sinne von Art. 5 BGÖ (E. 2): Die Löschung dieser Daten in Normalsituationen durch das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) lässt das Erfordernis des Besitzes gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. b BGÖ nicht dahinfallen (E 2.4). Informationen über Emissionen stellen grundsätzlich keine Geschäftsgeheimnisse im Sinne von Art. 7 Abs. 1 lit. g BGÖ bzw. Art. 4 Abs. 4 lit. d Aarhus-Konvention dar (E. 3.1). Die Güterabwägung nach Art. 19 Abs. 1bis lit. b DSG zwischen dem öffentlichen Zugangsinteresse und den - in erster Linie - privaten Interessen am Schutz von Personendaten kann in Umweltangelegenheiten in einem Spannungsverhältnis zum Ausnahmegrund von Art. 4 Abs. 4 lit. f Aarhus-Konvention stehen, zumal dieser einzig personenbezogene Daten von natürlichen, nicht aber von juristischen Personen - wie hier diejenigen des KKL - schützt. (E. 4.4-4.10).

144 IV 127 (1B_425/2017) from 13. März 2018
Regeste: Art. 141, 259 StPO; Art. 9 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 2003 über die Verwendung von DNA-Profilen im Strafverfahren und zur Identifizierung von unbekannten oder vermissten Personen; Zulässigkeit einer Beschwerde, mit der die Vernichtung einer DNA-Probe beantragt wird. Prüfung der Anwendbarkeit von Art. 9 Abs. 1 des DNA-Profil-Gesetzes. Eine blosse Streitigkeit (im Vorverfahren) über die Verwertbarkeit von Beweismitteln begründet grundsätzlich keinen drohenden nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG. Eine Ausnahme besteht namentlich, wenn das Gesetz ausdrücklich die sofortige Rückgabe oder die sofortige Vernichtung rechtswidrig erhobener Beweise vorsieht (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 1.3.1). Die Bestimmung von Art. 9 Abs. 1 lit. b des DNA-Profil-Gesetzes, die für den Fall, dass die anordnende Behörde drei Monate nach der Probenahme keine Analyse veranlasst hat, die Vernichtung der betreffenden DNA-Probe vorsieht, begründet eine solche gesetzliche Ausnahme (E. 1.3.3). Art. 9 Abs. 1 lit. b des DNA-Profil-Gesetzes ist ungeachtet der Frage anwendbar, ob auch noch die Voraussetzungen einer anderen Bestimmung von Art. 9 Abs. 1 erfüllt sind, etwa diejenigen von lit. c (E. 2.2 und 2.3).

145 I 73 (1C_188/2018) from 13. Februar 2019
Regeste: Art. 4 und 5 Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten, Art. 17 und 27 UNO-Pakt II, Art. 2 FZA, Art. 6 und 8 EMRK, Art. 8, 9, 13, 24, 26, 27, 29, 29a und 30 BV; abstrakte Kontrolle des Neuenburger Gesetzes über Lagerplätze fahrender Gemeinschaften (LSCN). Konventions- und verfassungsrechtlicher Rahmen zum Schutz fahrender Gemeinschaften (E. 4). Das LSCN begründet keine Ungleichbehandlung zwischen den fahrenden Gemeinschaften und der sesshaften Bevölkerung (E. 5.2); es verletzt das Diskriminierungsverbot nicht, indem es Plätze für den Aufenthalt und die Durchreise von "schweizerischen fahrenden Gemeinschaften" und Plätze für die Durchreise von "anderen fahrenden Gemeinschaften" vorsieht (E. 5.3). Das LSCN ist sowohl mit der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) als auch mit der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) vereinbar (E. 6). Die Räumung eines rechtswidrigen Lagers - vorgesehen in den Art. 24 bis 28 LSCN - verletzt weder den Schutz der Privatsphäre (Art. 13 BV) noch die Niederlassungsfreiheit (Art. 24 BV) noch die Allgemeinen Verfahrensgarantien (Art. 29 BV) noch die Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) noch die gerichtlichen Verfahrensgarantien (Art. 30 BV) (E. 7).

145 IV 42 (6B_181/2018) from 20. Dezember 2018
Regeste: Art. 196, Art. 280 lit. b, Art. 281 Abs. 4 i.V.m. Art. 272 Abs. 1 und Art. 277 Abs. 2, Art. 141 Abs. 1 StPO; polizeiliche Videoüberwachung am Arbeitsplatz; Beweisverwertungsverbot. Eine polizeiliche Videoüberwachung von Angestellten in Geschäftsräumen zwecks Aufklärung einer Straftat stellt eine strafprozessuale Zwangsmassnahme unter Einsatz technischer Überwachungsgeräte dar. Diese muss von der Staatsanwaltschaft angeordnet und vom Zwangsmassnahmengericht genehmigt werden (E. 4.2 und 4.5). Dass die Geschäftsleitung als Hausherrin in die Überwachung eingewilligt hat, ändert nichts daran (E. 4.4). Wird die Massnahme weder von der Staatsanwaltschaft angeordnet noch vom Zwangsmassnahmengericht genehmigt, sind die dabei gewonnenen Erkenntnisse absolut unverwertbar (Art. 281 Abs. 4 i.V.m. Art. 277 Abs. 2 i.V.m. Art. 141 Abs. 1 StPO) (E. 4.5).

145 IV 263 (1B_17/2019) from 24. April 2019
Regeste: Erstellung eines DNA-Profils im Hinblick auf allfällige künftige Straftaten. Art. 10 Abs. 2, Art. 13 Abs. 2 sowie Art. 36 BV; Art. 197 Abs. 1, Art. 255 Abs. 1 lit. a und Art. 259 StPO; Art. 1 Abs. 2 lit. a und Art. 16 DNA-Profil-Gesetz. Art. 255 Abs. 1 lit. a StPO bildet (auch) eine gesetzliche Grundlage für die Erstellung eines DNA-Profils im Hinblick auf allfällige künftige Straftaten (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3.3). Die Verhältnismässigkeit der Erstellung eines DNA-Profils im Hinblick auf allfällige künftige Straftaten setzt insbesondere erhebliche und konkrete Anhaltspunkte dafür voraus, dass die beschuldigte Person in solche Delikte verwickelt sein könnte, wobei diese von einer gewissen Schwere sein müssen. Ein hinreichender Tatverdacht im Sinne von Art. 197 Abs. 1 StPO kann und muss insoweit nicht bestehen. Er ist jedoch erforderlich hinsichtlich der Tat, die Anlass zur Probenahme oder Profilerstellung gibt (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3.4).

146 I 11 (6B_908/2018) from 7. Oktober 2019
Regeste: Art. 13 Abs. 2, Art. 36 Abs. 1 BV; Art. 141 Abs. 2 StPO; Verwertbarkeit von polizeilichen Aufzeichnungen der automatischen Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung (AFV). Die Erhebung und die Aufbewahrung von Aufzeichnungen der AFV stellen einen Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen dar, insbesondere in das Recht auf Privatsphäre, das den Anspruch auf informationelle Selbstbestimmung miteinschliesst (E. 3.1). Für die AFV besteht im Kanton Thurgau keine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage. Der mit der Überwachung verbundene Eingriff in die Privatsphäre verstösst daher gegen Art. 13 Abs. 2 i.V.m. Art. 36 Abs. 1 BV (E. 3.2 und 3.3). Stellt die Polizei im Rahmen ihrer präventiven Kontrolltätigkeit strafbare Handlungen fest, ermittelt sie nach Art. 306 ff. StPO. Die Frage, ob die mangels gesetzlicher Grundlage rechtswidrig erhobenen Beweismittel im Strafprozess verwertbar sind, ist nach Art. 141 Abs. 2 StPO zu prüfen (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 4.1 und 4.2). Verwertbarkeit im vorliegenden Fall verneint (E. 4.3).

146 I 20 (2C_1005/2018) from 22. August 2019
Regeste: Art. 8 EMRK und Art. 2 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK (ZP 1 EMRK); Art. 13 Abs. 1, 19 und 62 Abs. 2 BV; § 135 des Schulgesetzes vom 4. April 1929 des Kantons Basel-Stadt (Schulgesetz/BS); häuslicher Privatunterricht (Homeschooling); Vereinbarkeit von § 135 Schulgesetz/BS mit dem Bundesrecht. Rechtsgrundlagen des häuslichen Privatunterrichts im Kanton Basel-Stadt (E. 3). Art. 19 i.V.m. Art. 62 Abs. 2 BV gewährt keinen Anspruch auf privaten Einzelunterricht (E. 4; Bestätigung der Rechtsprechung). Das Erziehungsrecht der Eltern fällt zwar in den Schutzbereich von Art. 13 Abs. 1 BV und 8 Ziff. 1 EMRK, es steht jedoch unter Vorbehalt des kantonalen Schulrechts und des Kindeswohls (E. 5.1 und 5.2). Ein Anspruch auf häuslichen Privatunterricht ergibt sich weder aus Art. 8 EMRK i.V.m. Art. 2 ZP 1 EMRK noch aus einem anderen Staatsvertrag. Es besteht derzeit kein Anlass, einen solchen Anspruch gestützt auf Art. 13 Abs. 1 BV anzuerkennen. Folglich verstossen selbst sehr restriktive Regelungen des häuslichen Privatunterrichts wie jene des Kantons Basel-Stadt nicht gegen den verfassungsmässigen Anspruch auf Schutz des Privat- und Familienlebens. Es ist Sache der Kantone, unter Beachtung von Art. 19 und 62 Abs. 2 BV zu regeln, ob und in welchem Umfang Homeschooling zugelassen werden soll (E. 5.3-5.5).

146 I 145 (1C_37/2019) from 5. Mai 2020
Regeste: Art. 25a VwVG; Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Gesuch um Erlass einer Verfügung über Realakte im Zusammenhang mit dem Klimaschutz; Zulässigkeit des Nichteintretens der Gesuchsadressaten. Der Begriff der Handlungen im Sinne von Art. 25a VwVG ist weit auszulegen und umfasst neben individuell-konkreten Realakten grundsätzlich auch generell-abstrakte (E. 4.2). Über den Gesetzeswortlaut hinaus kann auch behördliches Unterlassen gerügt werden (E. 4.1). Trotz des weiten Begriffsverständnisses kann sich die Frage stellen, ob - wie im vorliegenden Fall - gestützt auf Art. 25a VwVG eine Reihe von staatlichen Massnahmen zu einer bestimmten Problematik gefordert werden kann. Anträge auf eine bestimmte Gestaltung aktueller Politikbereiche sind nach dem schweizerischen Verfassungsrecht grundsätzlich auf dem Weg der demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten einzubringen (E. 4.3). Das Berührtsein in Rechten gemäss Art. 25a VwVG setzt voraus, dass die gesuchstellende Person mit einer gewissen Intensität in der persönlichen Rechtssphäre betroffen ist (E. 4.1 und 4.4). Die Beschwerdeführerinnen sind - wie die restliche Bevölkerung auch - durch die gerügten Unterlassungen nicht mit hinreichender Intensität in den angerufenen (Grund-)Rechten betroffen. Ihr Begehren ist als Popularbeschwerde zu beurteilen und nach Art. 25a VwVG, der einzig den Individualrechtsschutz gewährleistet, unzulässig (E. 5). Gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK muss die Rechtsauffassung, dass der strittige Anspruch nach innerstaatlichem Recht besteht, zumindest vertretbar ("arguable") sein (E. 6.1). Dies ist vorliegend nicht der Fall (E. 6.2).

146 I 157 (2C_572/2019) from 11. März 2020
Regeste: Art. 13, 26, 27 BV; Art. 8 EMRK; Art. 3 SRVG; Bundesgesetz über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen; Verordnung über die Sperrung von Vermögenswerten im Zusammenhang mit der Ukraine (V-Ukraine); Ablehnung der Streichung eines Namens von der Liste der mit der Verordnung anvisierten Personen; Aufhebung der Sperrung; Verhältnismässigkeit der Massnahme. Die Ablehnung der Streichung des Beschwerdeführers von der Liste der durch die V-Ukraine anvisierten Personen, was die Einfrierung seines gesamten Vermögens in der Schweiz zur Folge hat, steht im Einklang mit den rechtlichen Voraussetzungen und Anforderungen von Art. 3 Abs. 2 und 3 SRVG (E. 4). Der Umstand der Streichung des Betroffenen im Ausland aufgrund anderer Regelungen entkräftet weder den Verdacht der Unrechtmässigkeit des Erwerbs des blockierten Vermögens (E. 4.2), noch bedeutet er eine mangelhafte internationale Abstimmung (E. 4.3). Die Vermögenssperre liegt ausserdem im öffentlichen Interesse und bleibt vorliegend verhältnismässig, selbst wenn sie eine strafrechtliche Beschlagnahme überlagert (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 5).

146 IV 267 (6B_40/2020) from 17. August 2020
Regeste: Art. 5 Ziff. 1 EMRK; Art. 11 BV; Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 KRK; Art. 372 Abs. 1 und 3 StGB; Art. 439 Abs. 2 StPO; Strafvollzug, Vollzugsbefehl, Kindeswohl. Der Strafvollzug ist die zwingende gesetzliche Rechtsfolge der Straftat (E. 3.2.1). Die Trennung der Mutter von ihrem Kind ist eine zwangsläufige, unmittelbar gesetzmässige Folge des Vollzugs der Freiheitsstrafe und der damit verbundenen Nebenfolgen (E. 3.2.2). Das StGB und das kantonale Konkordatsrecht kennen zahlreiche Vollzugsformen für Freiheitsstrafen (E. 3.2.4). Weder die Bestimmungen der BV noch jene der KRK und der anderen menschenrechtlichen Übereinkommen hindern den Vollzug der gesetzmässigen Freiheitsstrafe. Der verurteilte Elternteil ist nicht berechtigt, gegen die Vollzugsverfügung Rechte der Kinder in eigenem Namen geltend zu machen (E. 3.3.3). Soweit die verurteilte Person nicht selber eine Betreuung ihrer Kinder organisiert, wird dies Aufgabe der Kindesschutzbehörde (KESB) sein. Das ist keine Frage des Vollzugsrechts (E. 3.4.3).

146 V 210 (8C_435/2019) from 11. Februar 2020
Regeste: Art. 8 Abs. 2 und 3 BV; Art. 8 Abs. 1 lit. f und Art. 15 AVIG; Art. 3 Abs. 1 und 2 GlG. Bei einer schwangeren Frau, die sich auf unbefristete Stellen bewirbt, kann für die Frage der Vermittlungsfähigkeit grundsätzlich nicht nur der Zeitraum bis zum Geburtstermin betrachtet werden. Die Vermittlungsfähigkeit kann nicht generell unter Hinweis auf die zu geringe Wahrscheinlichkeit, dass ein Arbeitgeber die Versicherte siebeneinhalb Wochen vor der Geburt anstellen würde, verneint werden. Damit würde den in Frage kommenden Arbeitgebern eine diskriminierende Haltung unterstellt, die als gesetzwidriges Verhalten nicht zur Begründung beigezogen werden darf (E. 5.1 und 5.2).

147 I 103 (1C_181/2019) from 29. April 2020
Regeste: a Art. 10 und 22 BV; Art. 11 EMRK; Art. 84 Abs. 1 PolG/BE; Unverhältnismässigkeit der Verbindung der Wegweisungs- und Fernhaltungsmassnahmen mit einer Strafdrohung nach Art. 292 StGB. Die automatische Verbindung zwischen den Wegweisungs- und Fernhaltungsmassnahmen mit der Strafdrohung nach Art. 292 StGB ist weder erforderlich noch verhältnismässig im engeren Sinne (E. 10.4).

147 I 268 (2C_175/2020) from 24. November 2020
Regeste: Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG; Art. 8 EMRK; prekärer Aufenthalt; Umwandlung des Status der vorläufigen Aufnahme in eine Aufenthaltsbewilligung im Lichte des Anspruchs auf Achtung des Privatlebens. Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gestützt auf einen potenziellen konventionsrechtlichen Anspruch auf Regularisierung der Anwesenheit in der Schweiz bejaht (E. 1). Frage des Vorliegens eines Eingriffs in den Schutzbereich von Art. 8 Ziff. 1 EMRK aufgrund der Nachteile des Status der vorläufigen Aufnahme im Vergleich zur Aufenthaltsbewilligung offengelassen (E. 4). Die Nichterteilung der Aufenthaltsbewilligung hält den Voraussetzungen von Art. 8 Ziff. 2 EMRK stand, womit ein allfälliger Eingriff in den Anspruch auf Achtung des Privatlebens gerechtfertigt ist (E. 5).

147 I 280 (1C_377/2019) from 1. Dezember 2020
Regeste: Unterlassungs- und Feststellungsgesuche betreffend Funk- und Kabelaufklärung (Art. 38 ff. NDG); Anspruch auf materielle Beurteilung der Gesuche (Art. 25 Abs. 1 DSG; Art. 13 EMRK). Bei der Funk- und Kabelaufklärung werden Personendaten bearbeitet, unabhängig davon, ob Informationen durch den NDB gespeichert werden (E. 6.1). Die Beschwerdeführenden sind potenziell in gleicher Weise von der Funk- und Kabelaufklärung betroffen wie alle Kommunikationsteilnehmer (E. 6.2.2). Speziell betroffen sind Medienschaffende sowie Anwälte und Anwältinnen (E. 6.2.3). Das Recht auf wirksame Beschwerde gemäss Art. 13 EMRK kann bei geheimen Überwachungsmassnahmen eingeschränkt oder aufgeschoben werden, wenn überwiegende Geheimhaltungsinteressen dies rechtfertigen und das System insgesamt mit Art. 8 EMRK vereinbar ist (E. 7.1). Dies muss von einer unabhängigen Instanz innerstaatlich überprüft werden können (E. 7.2). Für die "Opferstellung" i.S.v. Art. 34 EMRK genügt nach der EGMR-Rechtsprechung die hinreichende Wahrscheinlichkeit, einer geheimen Überwachung ausgesetzt zu sein, wenn es nicht möglich oder zumutbar ist, Beschwerde gegen konkrete Überwachungsmassnahmen zu ergreifen (E. 7.2.2). Die Beschwerdeführenden werden durch die Funk- und Kabelaufklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 8 EMRK und Art. 13 BV) tangiert (E. 8). Sie haben keine Möglichkeit, Kenntnis von sie betreffenden Massnahmen der Funk- und Kabelaufklärung zu erhalten (E. 9.2) und sind daher darauf angewiesen, das System der Funk- und Kabelaufklärung in der Schweiz auf seine Verfassungs- und EMRK-Konformität überprüfen zu lassen. Dies stellt keine abstrakte Normenkontrolle dar: Gegenstand der Prüfung ist nicht das Gesetz als solches, sondern die (vermutete) Erfassung von Daten der Beschwerdeführenden (E. 9.3). Auf die Gesuche ist daher grundsätzlich nach Art. 25 Abs. 1 DSG i.V.m. Art. 13 EMRK einzutreten (E. 9.4).

147 II 13 (2C_537/2019) from 13. Juli 2020
Regeste: aArt. 26 Abs. 1 DBA CH-US; Art. 84a BGG; Steueramtshilfe; personelles Spezialitätsprinzip; Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung. Ob dem Spezialitätsprinzip eine persönliche Dimension zukommt, ist eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung (E. 1.3). Auslegung völkerrechtlicher Verträge (E. 3.3). Die Amtshilfe nach aArt. 26 DBA CH-US und vergleichbaren Bestimmungen unterliegt der persönlichen Spezialität (E. 3.4-3.6). Spezialitätsvorbehalte brauchen zwar von Völkerrechts wegen grundsätzlich nicht speziell angezeigt zu werden. Aufgrund der bestehenden Unsicherheit rechtfertigt sich hier ein entsprechender Hinweis zuhanden der ersuchenden Behörde (E. 3.7).

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