Bundesverfassung
der Schweizerischen Eidgenossenschaft

vom 18. April 1999 (Stand am 7. März 2021)


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Art. 36 Einschränkungen von Grundrechten

1 Ein­schrän­kun­gen von Grund­rech­ten be­dür­fen ei­ner ge­setz­li­chen Grund­la­ge. Schwer­wie­gen­de Ein­schrän­kun­gen müs­sen im Ge­setz selbst vor­ge­se­hen sein. Aus­ge­nom­men sind Fäl­le erns­ter, un­mit­tel­ba­rer und nicht an­ders ab­wend­ba­rer Ge­fahr.

2 Ein­schrän­kun­gen von Grund­rech­ten müs­sen durch ein öf­fent­li­ches In­ter­es­se oder durch den Schutz von Grund­rech­ten Drit­ter ge­recht­fer­tigt sein.

3 Ein­schrän­kun­gen von Grund­rech­ten müs­sen ver­hält­nis­mäs­sig sein.

4 Der Kern­ge­halt der Grund­rech­te ist un­an­tast­bar.

BGE

89 I 533 () from 4. Dezember 1963
Regeste: Strassenfreiheit. Parkingmetergebühren. Tragweite von Art. 37 Abs. 2 BV, wonach für den Verkehr auf Strassen, die im Rahmen ihrer Zweckbestimmung der Öffentlichkeit zugänglich sind, keine Gebühren erhoben werden dürfen (Erw. 4 a, b). Inwieweit gilt die Gebührenfreiheit auch für den sog. ruhenden Verkehr? (Erw. 4 c). Art. 37 Abs. 2 BV hindert die Gemeinwesen nicht, Teile des bisher unentgeltlich benützbaren öffentlichen Bodens als Parkfelder zu bezeichnen und darauf das Aufstellen von Fahrzeugen nur während einer bestimten Zeit und nur gegen eine durch Einwurf einer Münze in eine Parkuhr (Parkingmeter) zu entrichtende Gebühr zu gestatten, sofern in angemessenem Abstand davon genügend Parkplätze vorhanden sind, auf denen Fahrzeuge unentgeltlich aufgestellt werden können (Erw. 4 d).

92 I 205 () from 13. Juli 1966
Regeste: Eigentumsgarantie; Art. 4 BV, rechtliches Gehör. 1. Legitimation des Nachbarn zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen die Erteilung einer Baubewilligung an einen Dritten (Bestätigung der Rechtsprechung) (Erw. 2). 2. Das Bundesgericht prüft die Rüge, die kantonale Instanz habe statt des massgebenden kantonalen Rechts Bundesrecht angewandt, dann frei, wenn ausserdem geltend gemacht wurde, es sei durch die unrichtige Grenzziehung in verfassungsmässige Rechte des Beschwerdeführers eingegriffen worden (Erw. 3). 3. Die PTT unterstehen für ihre Bauten dem Grundsatze nach sowohl in materieller als auch in formeller Hinsicht dem kantonalen und dem kommunalen Baupolizeirecht (Erw. 5 und 6). 4. Verweigerung des rechtlichen Gehörs dadurch, dass die kantonale Instanz dem Einsprecher, der im Baubewilligungsverfahren der Gemeinde obgesiegt hat, keine Gelegenheit gibt, sich zu den Vorbringen der Gegenpartei zu äussern (Erw. 8).

94 I 669 () from 22. November 1968
Regeste: Abkommen vom 10. Mai 1879 zwischen der Schweiz und dem Grossherzogtum Baden betreffend den Wasserverkehr auf dem Rhein; Postverkehrsgesetz vom 2. Oktober 1924; Verhältnis von Staatsvertrag und Landesrecht. 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss Art. 99 Ziff. XI lit. a und b OG (Erw. 1). 2. Landesrechtliche Wirkung eines Staatsvertrages (Erw. 2). 3. Auslegung von Staatsverträgen (Erw. 4); diesbezügliche Bedeutung der Präambel (Erw. 4 b) und der Praxis administrativer Behörden (Erw. 5). 4. Völkerrechtskonforme Auslegung des Landesrechtes im Falle abweichender Regelungen (Erw. 6 a); Anwendung dieses Grundsatzes auf das Postverkehrsgesetz (Erw. 6 b.). 5. Bedeutung der in Erw. 2-6 erläuterten Grundsätze für gewerbsmässige Personentransporte auf der Rheinstrecke zwischen Neuhausen und Basel (Erw. 7).

97 I 524 () from 22. September 1971
Regeste: Erstellung von Telephonleitungen. Die Vorschriften der Art. 5-7 des eidg. Elektrizitätsgesetzes über die Erstellung von Telephonlinien enthalten nicht nur öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkungen, sondern auch eine Befreiung vom kantonalen und kommunalen Baupolizeirecht. Die Gemeinden können daher die Aufstellung von Telephonstangen nicht von einer Baubewilligung abhängig machen.

101 IB 462 () from 19. Dezember 1975
Regeste: Konzessionsgebühr für den Empfang nicht öffentlicher Fernsehsendungen. - Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 1). - Zuständigkeit zum Erlass von Gebührenordnungen (E. 2). - Grundsätze der Gebührenerhebung (E. 3). - Die Erhebung einer monatlichen Regalgebühr von Fr. 80.-- für die Fernsehkonzession IIIa verletzt Bundesrecht nicht (E. 4 + 5).

101 IV 350 () from 31. Oktober 1975
Regeste: Art. 7 des BG betr. den Telegrafen- und Telefonverkehr bestimmt lediglich, unter welchen Voraussetzungen die Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe von Bundesrechts wegen einem Gesuch der kantonalen Strafbehörden um Abhören von Telefongesprächen entsprechen müssen. Vom zuständigen kantonalen Recht hängt es ab, ob diese Zwangsmassnahme überhaupt angeordnet werden darf.

102 IA 355 () from 10. November 1976
Regeste: Art. 4 BV.; formelle Rechtsverweigerung. Baubewilligung für Flugfeld mit besonderen Merkmalen (Höhenflugplatz). Die aufgrund von Art. 37 LFG vom Eidgenössischen Luftamt erteilte Baubewilligung für ein Flugfeld befreit den Ersteller nicht von der Einholung einer Baubewilligung gemäss kantonalem und kommunalem Recht.

103 II 227 () from 3. November 1977
Regeste: Bauhandwerkerpfandrecht an einem Grundstück der Eidgenossenschaft; Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB. 1. Zum Verwaltungsvermögen des Staates gehören öffentliche Sachen, die unmittelbar der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe dienen; unwesentlich ist, ob diese Aufgabe hoheitlichen Charakter hat oder nicht und ob sie allenfalls auch von der Privatwirtschaft statt vom Staat wahrgenommen werden könnte. Eine PTT-Anlage, die verschiedenen Zwecken der Telephonie, des Fernsehens und des Sprechfunks mit Fahrzeugen dient, gehört zum Verwaltungsvermögen der Eidgenossenschaft (E. 3). 2. Die Errichtung eines Bauhandwerkerpfandrechts an einem Grundstück, das Verwaltungsvermögen bildet, ist nicht zulässig. Die Pfändung und Verwertung des Grundstücks wäre mit seiner Bestimmung zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe nicht vereinbar (E. 4). 3. Eine subsidiäre Haftung des Staates gegenüber Bauhandwerkern, die als Unterakkordanten für ihn tätig waren und deren Werklohnforderungen wegen Zahlungsunfähigkeit des Generalunternehmers nicht erfüllt werden, ist zu verneinen (E. 5).

103 III 76 () from 14. Oktober 1977
Regeste: Postkontrolle im Konkurs; Art. 38 KOV. Eine Postkontrolle ist im Konkurs nur anzuordnen, wenn die Umstände des einzelnen Falles diese Massnahme als zur Wahrung der Gläubigerinteressen unbedingt notwendig erscheinen lassen (E. 2).

105 IB 389 () from 23. November 1979
Regeste: Umfang des Fernmelderegals (Art. 1 TVG). Elektrische oder radioelektrische Impulse sind nur dann "Zeichen" im Sinne von Art. 1 TVG, wenn sie zur sinnlichen Wahrnehmung durch den Menschen bestimmt sind. Vorrichtungen zur ferngesteuerten Öffnung von Garagetoren sind daher dem Fernmelderegal nicht unterstellt.

107 IA 148 () from 21. Oktober 1981
Regeste: Persönliche Freiheit, Art. 8 EMRK; Schutz des Briefgeheimnisses des Untersuchungsgefangenen. Bei der Briefkontrolle ist darauf zu achten, dass das Personal, welches die Post vom Untersuchungsrichter zum Untersuchungsgefangenen und umgekehrt befördern muss, nicht in die Briefe Einsicht nehmen kann.

109 IA 273 () from 9. November 1983
Regeste: Überwachung des Post-, Telefon- und Telegrafenverkehrs und Einsatz technischer Überwachungsgeräte; Änderung der Strafprozessordnung des Kantons Basel-Stadt. Art. 4 und Art. 36 Abs. 4 BV, persönliche Freiheit, Art. 8 und Art. 13 EMRK. 1. Der Umstand, dass der Bundesgesetzgeber eine Materie für seinen Kompetenzbereich gleich oder ähnlich wie ein Kanton ordnet, schränkt die Befugnis des Bundesgerichts zur Überprüfung eines kantonalen Erlasses nicht ein (E. 2b). 2. Geltungsbereich von Art. 36 Abs. 4 BV, des verfassungsmässigen Rechts auf persönliche Freiheit und von Art. 8 EMRK; Einschränkungen dieser Freiheitsrechte (E. 4a). 3. Anforderungen an die Bestimmtheit von grundrechtsbeschränkenden Normen (E. 4d). 4. Voraussetzungen zur Überwachung des Post-, Telefon- und Telegrafenverkehrs (E. 6). 5. Einsatz von technischen Überwachungsgeräten (E. 7). 6. Überwachung von Drittpersonen (E. 8). 7. Überwachung zur Verhütung von Verbrechen und Vergehen (E. 9). 8. Verfahren zur Anordnung von Überwachungsmassnahmen; richterliche Genehmigung (E. 10). 9. Keine Verletzung der aus Art. 4 BV abgeleiteten Verteidigungsrechte von Angeschuldigten (E. 11). 10. Ein genereller Ausschluss der nachträglichen Benachrichtigung von Betroffenen verletzt den Grundsatz der Verhältnismässigkeit und verstösst gegen Art. 13 EMRK; ausnahmsweise kann die Benachrichtigung unterbleiben, soweit eine solche den Zweck der Überwachung gefährdet (E. 12a und 12b). 11. Das Bundesgericht hebt eine kantonale Vorschrift im abstrakten Normkontrollverfahren nur auf, sofern sie sich jeder verfassungs- und konventionskonformen Auslegung entzieht (E. 2a); Kriterien für die verfassungskonforme Auslegung und Anwendung im vorliegenden Fall (E. 12c).

109 IB 285 () from 24. Juni 1983
Regeste: Verordnung über die Nationalstrassen (NSV): Verbot des Alkoholverkaufs in Autobahnrestaurants. Gesetz- und Verfassungsmässigkeit von Art. 4 Abs. 4, 2. Satz NSV. Die allgemeine Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf dem Gebiete der Nationalstrassen bezieht sich nicht nur auf den Bau und Unterhalt von Nebenanlagen, sondern auch auf deren Betrieb (E. 3). Das Verbot, in Autobahnrestaurants Alkohol zu verkaufen, geht nicht über den in Art. 7 Abs. 2 NSG vorgesehenen Delegationsrahmen hinaus, obwohl es in der Bestimmung nicht ausdrücklich erwähnt wird (E. 3 und 4). Das Verbot verstösst auch nicht gegen das Verhältnismässigkeitsprinzip (E. 5).

109 IB 308 () from 11. November 1983
Regeste: Radio- und Fernsehempfangskonzessionsgebühren. 1. Unter das Fernmelderegal (Art. 36 BV, Art. 1 ff. TVG) fällt auch der Betrieb eines Radio- oder Fernsehapparates (E. 2). 2. Das Erfordernis einer Empfangskonzession besteht unabhängig davon, ob der Konsument ausländische oder inländische Programme sieht bzw. hört (E. 3). 3. Die Pflicht der PTT-Betriebe, einen Teil der Einnahmen aus den Konzessionsgebühren der SRG abzuliefern, greift nicht in die schützenswerten Interessen des Radio- bzw. Fernsehkonsumenten ein. Dessen Berufung auf die vermeintlich rechtswidrige Verwendung der den PTT-Betrieben zufliessenden Konzessionsgebühren ist deshalb nicht zu hören (E. 4). 4. Die Konzessionsgebühren sind Regalabgaben und sind als solche nach dem Äquivalenzprinzip festzusetzen. Die Höhe der derzeit gültigen Gebühren ist nicht zu beanstanden (E. 5). 5. Die gesetzliche Grundlage und die Kompetenz des Bundesrates für die Gebührenerhebung finden sich in Art. 1, 3, 8 und 46 Abs. 2 TVG sowie Art. 14 Abs. 1 lit. k OG PTT (E. 6).

115 IB 131 () from 18. Januar 1989
Regeste: PTT-Richtstrahlantenne Höhronen; Kognition des Bundesgerichts bei der Würdigung von Fragen des technischen Ermessens; Art. 24 RPG und Art. 26 FPolV, Art. 6 NHG. 1. Fragen des technischen Ermessens prüft das Bundesgericht zurückhaltend, um den fachtechnischen Sachverstand der zuständigen Verwaltungsinstanz zu respektieren (E. 3). 2. Erteilung der Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG (E. 4 und 5). a) Die PTT-Betriebe sind auf den Standort Höhronen angewiesen, um das bestehende Richtstrahlnetz zu ergänzen und damit den erheblichen und noch zunehmenden Bedarf an Fernmeldeleistungen auftragsgemäss sicherstellen zu können (s. Art. 36 und 55bis BV). Die Standortgebundenheit nach Art. 24 Abs. 1 lit. a RPG ist daher zu bejahen (E. 5a-g). b) Interessenabwägung, Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG. An der Erfüllung des Leistungsauftrages der PTT-Betriebe besteht ein Interesse von nationaler Bedeutung im Sinne von Art. 6 Abs. 2 NHG, das dem Schutz des heimatlichen Landschafts- und Ortsbildes (Art. 24sexies Abs. 2 BV) gleichzustellen ist. Deshalb und weil eine andere bauliche Lösung nicht in Betracht kommt, darf für den Bau der Anlage von der ungeschmälerten Erhaltung des BLN-Schutzobjektes Höhronen abgewichen werden, wobei aber auf grösstmögliche Schonung zu achten ist (E. 5h). 3. Erfüllt sind auch die Voraussetzungen gemäss Art. 26 FPolV für die Bewilligung der für die Antenne erforderlichen Rodung. Der für die Erstellung des Werkes nötige Weg erleichtert die Waldbewirtschaftung, weshalb er als Waldstrasse anerkannt werden kann (E. 6).

115 IV 67 () from 21. März 1989
Regeste: Art. 357 StGB; Rechtshilfe durch Telefonüberwachung. Liegt ein Gesuch der zuständigen kantonalen Behörde vor, so dürfen die PTT-Betriebe die Herausgabe der Aufzeichnungen von Telefongesprächen nicht von einer schriftlichen Erklärung dieser Behörde, das Telefongeheimnis zu wahren, abhängig machen.

117 IV 349 () from 19. August 1991
Regeste: Art. 1, Art. 3, Art. 17 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1, Art. 20 Abs. 2, Art. 42 Ziff. 1, Art. 43 Abs. 1, Art. 46 Abs. 2 TVG; Art. 4-4c der Verordnung (3) des Bundesrates zum Telegrafen- und Telefonverkehrsgesetz (Telefonordnung, SR 784.103); Art. 2 der Verordnung des EVED über den Exportnachweis nicht genehmigter Sprechapparate (SR 784.103.2). Die Einschränkung des privaten Handels mit technisch nicht genehmigten Sprechapparaten durch Statuierung einer Exportnachweispflicht gemäss der bundesrätlichen Telefonordnung und der vom EVED gestützt darauf erlassenen Exportnachweisverordnung ist gesetzwidrig.

118 IV 67 () from 27. März 1992
Regeste: Art. 46 ff. VStrR; Durchsuchung und Beschlagnahme; Funktelefon (Basisstation mit schnurlosem Mobilgerät). 1. Verzicht auf das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses (E. 1). 2. Die Überwachung von für den Fernmeldeverkehr nicht freigegebenen und damit geschützten Frequenzbereichen durch die PTT-Betriebe (hier jener der privaten und militärischen Flugfunkdienste) bildet eine betriebsbedingte Schranke des Fernmeldegeheimnisses und stellt keine - durch den Richter zu bewilligende - Telefonüberwachung dar; eine solche ist im Verwaltungsstrafverfahren grundsätzlich unzulässig (E. 3).

120 IA 314 () from 27. Dezember 1994
Regeste: Art. 36 Abs. 4 BV, Art. 8 EMRK; Telefonabhörung, Verwertung von sog. Zufallsfunden. Art. 36 Abs. 4 BV und Art. 8 EMRK garantieren das Telefongeheimnis; Zulässigkeit von Einschränkungen dieser Garantie (E. 2a). Der Gesprächspartner einer rechtmässig überwachten Person geniesst einen eigenständigen verfassungsrechtlichen Schutz; er kann grundsätzlich verlangen, dass die Telefongespräche nicht bekanntgegeben und ihm gegenüber nicht verwertet werden (E. 2c). Sollen derartige Telefongespräche zu Lasten des Gesprächspartners als sog. Zufallsfunde verwertet werden, müssen die Voraussetzungen für eine Telefonüberwachung auch diesem gegenüber erfüllt sein. Die Prüfung ist nachträglich in dessen Strafverfahren vorzunehmen (E. 2c). Im vorliegenden Fall verstösst die Verwertung der Zufallsfunde weder materiell noch formell gegen die Verfassung (E. 2d).

120 II 321 () from 1. Dezember 1994
Regeste: Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB; Bauhandwerkerpfandrecht an einem Grundstück der Aargauischen Kantonalbank. Die Aargauische Kantonalbank ist ihrer Funktion nach ein Privatbanken vergleichbares Wirtschaftsunternehmen mit freier unternehmerischer Initiative und starker Orientierung am Wettbewerb, vom Status her gesehen eine öffentlich-rechtliche Anstalt unter staatlicher Aufsicht, die von Gesetzes wegen eine öffentliche Aufgabe wahrzunehmen hat. Macht der Staat insoweit privatwirtschaftliche Tätigkeit gesetzlich zur öffentlichen Aufgabe und bietet Leistungen an, wie sie von privater Seite zu gleichen Bedingungen erbracht werden, so kann an jenen Liegenschaften, die durch ihren Gebrauchswert der Erfüllung dieser Aufgabe unmittelbar dienen, ein Bauhandwerkerpfandrecht gültig bestellt werden (E. 2).

121 II 81 () from 10. März 1995
Regeste: Art. 108 Abs. 2 RTVV, Art. 20 Abs. 2 SRG-Konzession; Aufschaltung eines Lokalradios auf den Telefonrundspruch. Gesetzes- und Systemkonformität von Art. 108 Abs. 2 RTVV (E. 3). Verhältnis von Art. 108 Abs. 2 RTVV zu Art. 20 Abs. 2 der SRG-Konzession vom 18. November 1992 (E. 4 u. 5).

121 II 183 () from 19. Juni 1995
Regeste: Art. 55bis und Art. 36 BV; Art. 55 RTVG, Art. 101 Abs. 1 lit. a und lit. b RTVV; Zulässigkeit und Höhe der Radio- und Fernsehempfangsgebühren. Die Radio- und Fernsehempfangsgebühren sind als Regalabgaben unabhängig davon geschuldet, welche in- oder ausländischen Sender empfangen werden (E. 2 u. 3). Die zurzeit erhobenen Gebühren verletzen das Äquivalenzprinzip nicht (E. 4).

122 I 182 () from 2. Mai 1996
Regeste: Art. 36 Abs. 4 BV, Art. 8 EMRK; Telefonabhörung, Verwendung von Gesprächen eines Mitbenützers des überwachten Anschlusses, Zeugnisverweigerungsrecht. Art. 36 Abs. 4 BV und Art. 8 EMRK garantieren das Telefongeheimnis; Zulässigkeit von Einschränkungen (E. 3a). Der Gesprächspartner eines abgehörten Verdächtigten und der Mitbenützer eines überwachten Anschlusses geniessen einen eigenständigen verfassungsrechtlichen Schutz; sie können verlangen, dass die Abhörung nachträglich auf ihre Rechtmässigkeit hin geprüft und die Telefongespräche nicht bekanntgegeben und verwendet werden (E. 3b und 4b). Die Zulässigkeit der Abhörung des Mitbenützers eines überwachten Anschlusses und der Verwendung der erfassten Gespräche sind vom Richter auf Begehren hin bereits während der Untersuchung zu prüfen (E. 4c). Die Telefonabhörung des Mitbenützers eines überwachten Anschlusses und die Verwendung der Gespräche als Zufallsfunde halten im vorliegenden Fall vor Verfassung und Konvention stand; die Voraussetzung des vorherigen Verdachtes entfällt bei Zufallsfunden (E. 5). Die rechtmässig überwachte Person kann sich nicht auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht wegen Verwandtschaft und ihr Schweigerecht als Angeschuldigte berufen (E. 6).

123 IV 236 () from 4. November 1997
Regeste: Art. 66 BStP, 105bis Abs. 2 BStP und 214 BStP; Art. 10 EMRK. Überwachung des Fernmeldeverkehrs von Journalisten. Die durch die Bundesanwaltschaft bzw. den Eidg. Untersuchungsrichter angeordnete und nachträglich dem Betroffenen mitgeteilte Überwachung des Fernmeldeverkehrs unterliegt der Beschwerde an die Anklagekammer (E. 2). Ausstand des Präsidenten der Anklagekammer, der die Überwachung genehmigte (E. 1). Zur Beschwerde legitimiert sind auch abgehörte tatsächliche Mitbenützer des überwachten Anschlusses und der Abonnent (E. 3). Bejahung eines aktuellen Rechtsschutzinteresses (E. 4). Abgrenzung Beschuldigter/Dritter: Beschuldigter im Sinne von Art. 66 Abs. 1 BStP ist allein die Person, deren strafbare Handlung als Anlasstat für die Zwangsmassnahme angerufen wird und in Betracht fällt (E. 6). Der Fernmeldeverkehr von Journalisten als Dritten darf aufgrund des sich unmittelbar aus Art. 10 EMRK für diese ergebenden Rechts, über ihre Informationsquellen die Auskunft zu verweigern, grundsätzlich nicht überwacht werden, wenn dieser Quellenschutz dadurch illusorisch würde (E. 8a). Die in Frage stehende Amtsgeheimnisverletzung weist nicht die ausserordentliche Bedeutung auf, die erlaubte, ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Überwachung zu bejahen (E. 8b und c). Die über das Ergebnis der unzulässigen Überwachung vorhandenen Unterlagen sind aus den Untersuchungsakten zu entfernen und gesondert aufzubewahren (E. 10).

124 I 11 () from 30. Januar 1998
Regeste: Art. 31 BV; Ablieferung von Gewinnen kantonaler Monopolanstalten an den Staat. Tragweite des Vorbehalts kantonaler Regale in Art. 31 Abs. 2 BV. Das Gebäudeversicherungsmonopol ist nicht als Fiskalmonopol zulässig (E. 3). Ein polizeilich oder sozialpolitisch gerechtfertigtes Monopol darf aber einen Reingewinn abwerfen, sofern diesbezüglich die verfassungsmässigen Grundsätze der Abgabenerhebung erfüllt sind (E. 4 u. 5). Das Kostendeckungsprinzip gilt auch für Regalgebühren, soweit keine fiskalische Rechtfertigung des Regals zulässig ist (Präzisierung der Praxis) (E. 6b). Gesetzliche Grundlage für die Ablieferung eines geringen Überschusses an den Staat (E. 7).

125 I 46 () from 30. November 1998
Regeste: Art. 36 Abs. 4 BV, Art. 8 EMRK; Telefonabhörung, Verwendung von Zufallsfunden als Beweismittel im Strafverfahren gegen den von der Abhörung mit erfassten Gesprächspartner, Zeugnisverweigerungsrecht aufgrund des Berufsgeheimnisses. Die auf dem Berufsgeheimnis beruhende Einschränkung der Verwendung von Abhörprotokollen entfällt, wenn die zur Zeugnisverweigerung berechtigte Person selbst einer überwachungswürdigen Straftat verdächtigt wird. Protokolle über Gespräche einer rechtmässig überwachten Person dürfen daher zu Lasten des mit abgehörten Berufsgeheimnisträgers verwendet werden, sofern bei diesem die Voraussetzungen für eine Telefonabhörung ebenfalls erfüllt gewesen wären (E. 6). Voraussetzung der Schwere des Delikts (E. 7a).

125 I 96 () from 28. Januar 1999
Regeste: Telefonüberwachung. Abwesenheit der überwachten Person. Anspruch auf Einsicht in die Aufzeichnungen. Art. 36 Abs. 4 BV, Art. 8 EMRK. Ein auf den Namen des Beschuldigten oder Verdächtigten lautender Telefonanschluss darf auch dann überwacht werden, wenn sich der Beschuldigte oder Verdächtigte in Untersuchungshaft oder im Strafvollzug befindet und seinen Anschluss nicht benützen kann (E. 2). Spätestens beim Abschluss der Strafuntersuchung ist allen Benützern des abgehörten Telefonanschlusses Einsicht in die für die weitere Verwendung im Strafverfahren bestimmten Aufzeichnungen zu gewähren (E. 3).

125 II 293 () from 7. Mai 1999
Regeste: Art. 36 BV; Art. 1 FMG, Art. 4-6 FMG, Art. 22-24 FMG, Art. 27 FMG, Art. 56 FMG, Art. 57 und insb. Art. 61 FMG; Art. 98 lit. f OG, Art. 99 Abs. 1 insb. lit. d OG, Art. 101 OG und Art. 159 Abs. 2 OG; WTO/GATS-Abkommen, insb. «Anhang über Telekommunikation»; Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht im Zusammenhang mit der Erteilung von zwei landesweiten Mobilfunkkonzessionen. Gegen Entscheide der Eidgenössischen Kommunikationskommission im Zusammenhang mit der Erteilung bzw. Verweigerung einer Mobilfunkkonzession für Fernmeldedienste ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde - auch unter Berücksichtigung des WTO/GATS-Abkommens sowie unter Beizug des Rechts der Europäischen Union als Auslegungshilfe bei der Anwendung des Landesrechts - jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn nicht genügend Frequenzen für alle Bewerber zur Verfügung stehen (E. 1-4). Mangels eigentlichen Anspruchs lässt sich auch nicht unmittelbar aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ein Anspruch auf Zugang zum Bundesgericht ableiten (E. 5). Die Eidgenössische Kommunikationskommission hat vor dem Bundesgericht keinen Anspruch auf Parteientschädigung (E. 6d).

126 I 26 () from 18. Januar 2000
Regeste: Persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) und Art. 5 Ziff. 4 EMRK (Art. 31 Abs. 4 BV); § 66 Zürcher Strafprozessordnung (StPO/ZH): Sperrfrist für vom Untersuchungsgefangenen selbst verfasste Haftentlassungsgesuche. Ein gänzlicher Ausschluss von Haftentlassungsgesuchen für drei Monate hält im vorliegenden Falle vor der geltenden Rechtsprechung zu Art. 5 Ziff. 4 EMRK, auch im Lichte von Art. 31 Abs. 4 BV, nicht stand (E. 2 und 3). Eine Sperrfrist allein für Haftentlassungsgesuche, die der Untersuchungsgefangene selbst und nicht sein amtlicher Verteidiger verfasst, kann sich auf § 66 StPO/ZH als gesetzliche Grundlage stützen (E. 4a). Sie liegt auch im öffentlichen Interesse, ist jedoch unverhältnismässig, da aufgrund der vergangenen Gesuche keine genügenden Anzeichen für häufige, missbräuchliche, trölerische oder offensichtlich unzulässige oder unbegründete Haftentlassungsgesuche bestanden (E. 4b).

126 I 50 () from 5. April 2000
Regeste: Fernmeldegeheimnis, Überwachung des E-Mail-Verkehrs als strafprozessuale Zwangsmassnahme; Art. 4 aBV/Art. 9 BV, Art. 36 Abs. 4 aBV/Art. 13 Abs. 1 BV, § 103 und 104 ff. StPO/ZH. Die materielle Grundlage für Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis findet sich nicht im (eidgenössischen) Fernmeldegesetz, sondern in den einschlägigen Strafprozessbestimmungen (E. 2). Es hält vor dem Willkürverbot nicht stand, vom Provider die Erforschung und Herausgabe von Angaben über Absender und Sendezeitpunkt eines manipulierten E-Mails gestützt auf § 103 StPO/ZH zu verlangen (E. 4). Die Teilnehmeridentifikation von Telefongesprächen stellt einen Eingriff in das Telefongeheimnis dar und unterliegt den verfassungs- und gesetzmässigen Voraussetzungen (E. 5b). Das verfassungsmässige Fernmeldegeheimnis gilt auch für den E-Mail-Verkehr über Internet; Anforderungen an Eingriffe (E. 6a). Die Erforschung und Herausgabe der Angaben über die Randdaten einer E-Mail-Mitteilung bedarf einer gesetzlichen Grundlage und einer richterlichen Genehmigung (E. 6b und 6c).

126 II 366 () from 7. Juni 2000
Regeste: Art. 7, 11, 13 und 15 USG; Geläut von Kirchenglocken. Anwendbarkeit von Art. 11 Abs. 2 und 3 USG auf bestehende Anlagen (E. 2b). Grundsätze für die Beurteilung von Glockengeläut, das nicht von einem der Anhänge der LSV erfasst wird (E. 2c und 2d). Lärmschutzrechtliche Beurteilung des Frühgeläuts der reformierten Kirche Bubikon (E. 3-5). Den lokalen Behörden steht bei Ereignissen, die Ausdruck einer alten Tradition sind, ein Beurteilungsspielraum zu (E. 3c, 5b). Beizug der kommunalen Polizeiverordnung bei der Handhabung des Beurteilungsspielraums (E. 4 und 5).

126 II 425 () from 25. August 2000
Regeste: Art. 8 in Verbindung mit Art. 14 EMRK; Art. 8, Art. 13 Abs. 1, Art. 14 und Art. 36 BV; Art. 4 ANAG; Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG; Anspruch eines gemischtnationalen, lesbischen Paares, seine Beziehung in der Schweiz leben zu können. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften stellen kein Familienleben im Sinne von Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1 BV dar (E. 4b); die Verweigerung einer fremdenpolizeilichen Bewilligung an den ausländischen Partner kann unter gewissen Umständen aber das Recht der Betroffenen auf Privatleben berühren und das Ermessen der Bewilligungsbehörde gemäss Art. 4 ANAG beschränken (E. 4c; Änderung der Rechtsprechung). Das Bundesgericht tritt auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der in einer stabilisierten, sechsjährigen Partnerschaft lebenden Beschwerdeführerinnen ein (E. 4d), erachtet den mit der Verweigerung der Bewilligung verbundenen Eingriff in ihr Privatleben indessen als im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK bzw. Art. 36 BV gerechtfertigt (E. 5).

126 II 522 () from 8. Dezember 2000
Regeste: Baukonzessionen für den Ausbau des Flughafens Zürich. MASSGEBENDE SACH- UND RECHTSLAGE, ZEITPUNKT DES ENTSCHEIDES Berücksichtigung neuen Rechts und neuer Tatsachen beim Entscheid im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren (E. 3b). Anspruch des Baukonzessionsgesuchstellers auf einen Entscheid (E. 10b). Zeitpunkt des Entscheides, Koordination von Baukonzessions- und Betriebskonzessionsverfahren (E. 11). ERGÄNZENDE UMWELTVERTRÄGLICHKEITSBERICHTE UND UMWELT-VERTRÄGLICHKEITSPRÜFUNG Neue Flugverkehrsprognose (E. 13). Unbegründete Kritik an der Prognose (E. 14). LUFTHYGIENE/FLUGBETRIEB UND ABFERTIGUNG Schadstoffemissionsprognose gemäss Umweltverträglichkeitsbericht (E. 18). Stellungnahmen von AWEL und BUWAL, Erwägungen des UVEK; Festsetzung eines Emissionsplafonds (E. 19). Unbegründete Kritik an der Ausgestaltung und an der Höhe des Emissionsplafonds (E. 22 und 23). Der Emissionsplafond ist weder aus wirtschaftlichen Gründen unzulässig, noch verstösst er gegen den sog. Zulassungszwang oder das Recht auf freie Verkehrsmittelwahl (E. 22b und 22d). FLUGLÄRM Fachberichte Fluglärm und Stellungnahme des BUWAL (E. 34). Erwägungen des UVEK zu lärmbedingten Betriebsbeschränkungen (E. 35a), zum Schallschutzkonzept (E. 35b) und zum Lärmbelastungskataster (E. 35c). Lärmbedingte betriebliche Regelung gemäss Baukonzession und Verordnung über die Infrastruktur der Luftfahrt (E. 36). Einwendungen gegen den Fachbericht Fluglärm betreffend - Flottenmix (E. 37a) - Lärmmass (E. 37b) - Lärm rollender Flugzeuge (E. 37c) - fehlende Abklärungen über gesundheitliche Auswirkungen (E. 37d) - mangelnde Gesamtbeurteilung gemäss Art. 8 USG (E. 37e) Zusammenfassung der Einwendungen gegen die vom UVEK gewährten Erleichterungen und gegen die fluglärmbedingten Auflagen der Baukonzession (E. 38). Rechtsgrundlagen der verfügten betrieblichen Beschränkungen (E. 39). Sind zusätzliche Einschränkungen des Flugbetriebs erforderlich? Frage offen gelassen (E. 40). AKZESSORISCHE ÜBERPRÜFUNG DER BELASTUNGSGRENZWERTE FÜR DEN LÄRM DER LANDESFLUGHÄFEN Grundsätze der akzessorischen Überprüfung von Verordnungen des Bundesrates (E. 41). Verfassungs- und Gesetzesgrundlagen für die Festlegung der Immissionsgrenzwerte (E. 42). Werdegang der Immissionsgrenzwerte bzw. der Belastungsgrenzwerte für den Lärm der Landesflughäfen (E. 43). Überprüfung der vom Bundesrat festgelegten Immissionsgrenzwerte auf Gesetz- und Verfassungsmässigkeit, insbesondere auf die Vereinbarkeit mit Art. 15 und Art. 13 Abs. 2 USG (E. 44-46). Berücksichtigung des neuesten Standes der Wissenschaft (E. 45). Da die Belastungsgrenzwerte für den Lärm der Landesflughäfen gemäss Anhang 5 der Lärmschutz-Verordnung aus dem gesetzlichen Rahmen fallen, bleiben die von der Eidg. Kommission für die Beurteilung von Lärm-Immissionsgrenzwerten im 6. Teilbericht vom September 1997 festgelegten Belastungsgrenzwerte anwendbar (E. 46). SCHALLSCHUTZKONZEPT Mangelhafte Eröffnung und Notwendigkeit der Überarbeitung des Schallschutzkonzepts (E. 47). Behandlung der materiellen Einwendungen betreffend - die Frage "messen oder berechnen?" (E. 48a) - die massgebliche Grenzwertkurve (E. 48b) - die Art der Schallschutzmassnahmen (E. 48c) - die Rückerstattung der Kosten für Schallschutzmassnahmen (E. 48d) - die Mitberücksichtigung des Militärfluglärms (E. 48e) LÄRMBELASTUNGSKATASTER Der Lärmbelastungskataster kann ohne gesetzliche Grundlage und ohne Durchführung eines Auflage- und Rechtsschutzverfahrens nicht eigentumsbeschränkend und eigentümerverbindlich sein (E. 49). WEITERE RAUMPLANUNGS- UND ENTSCHÄDIGUNGSFRAGEN Da das luftfahrtrechtliche Baukonzessionsverfahren kein sog. kombiniertes Verfahren ist, sind die enteignungsrechtlichen Ansprüche nicht in diesem zu behandeln; sie müssen auch nicht vorweg beurteilt werden (E. 50). Zur Bereinigung der durch den Ausbau und die Sanierung des Flughafens entstehenden Nutzungskonflikte bieten sich neben dem Bau- und Betriebskonzessionsverfahren in erster Linie das Sachplan- und das Richtplanverfahren an (E. 51).

126 V 70 () from 22. Mai 2000
Regeste: Art. 21 Abs. 2 und Art. 21bis Abs. 1 IVG; Art. 2 Abs. 1 HVI; Ziff. 10.05 HVI Anhang (in der seit 1. Januar 1997 geltenden Fassung); Art. 8 Abs. 1 und 2, Art. 11 Abs. 1, Art. 35 Abs. 1 und 2, Art. 36 Abs. 1 bis 3 BV: Invaliditätsbedingte Abänderung von Motorfahrzeugen. Die Beschränkung des Anspruchs auf invaliditätsbedingte Abänderungen an Motorfahrzeugen auf volljährige Versicherte widerspricht Gesetz und Verfassung.

126 V 334 () from 22. September 2000
Regeste: Art. 32 Abs. 1 und Art. 56 Abs. 1 KVG; Art. 7 und 8a KLV; Art. 9 Abs. 3 KLV (sowohl in der bis Ende 1997 gültig gewesenen wie auch in der ab 1. Januar 1998 geltenden Fassung); Art. 10, 13, 24 und 27 BV: Spitex-Leistungen. - Frage der Wirtschaftlichkeit der Behandlung im Verhältnis zwischen Hauspflege (Spitex-Leistungen) und der Pflege im Pflegeheim. - Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung sind die Spitex-Kosten nicht mit den Gesamtkosten eines Pflegeheimaufenthaltes zu vergleichen, sondern mit den Kosten, welche vom Krankenversicherer effektiv zu übernehmen sind. Die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit darf jedoch nicht anhand einer strikten Gegenüberstellung der beiden Kostenbeträge erfolgen. - Bedeutung grundrechtlicher Aspekte in diesem Zusammenhang.

127 I 6 () from 22. März 2001
Regeste: Medikamentöse Zwangsbehandlung in psychiatrischer Klinik während fürsorgerischen Freiheitsentzuges; Art. 7, 10, 13 und 36 BV, Art. 3 und 8 EMRK, Art. 7 UNO-Pakt II. Rechtsgrundlage für die zwangsweise Medikation, Gesetz des Kantons Basel-Stadt über die Behandlung und Einweisung psychisch kranker Personen (Psychiatriegesetz; E. 2a, 4 und 7a). Bedeutung der persönlichen Freiheit nach Art. 10 Abs. 2 BV im Vergleich mit dem früheren ungeschriebenen Grundrecht und speziellen Garantien in andern Verfassungsbestimmungen (E. 5a); Tragweite der Garantie der Menschenwürde nach Art. 7 BV (E. 5b); internationale Grundrechtsgewährleistungen im Zusammenhang mit der medikamentösen Zwangsbehandlung (E. 5c-f). Prüfung der Voraussetzungen für medikamentöse Behandlung nach Psychiatriegesetz hinsichtlich Urteilsunfähigkeit (E. 7b), mutmasslichem Willen (E. 7c) und dringender Notwendigkeit (E. 7d). Überwiegende Interessen zur Rechtfertigung von Zwangsbehandlungen (E. 8). Prüfung der Verhältnismässigkeit des Grundrechtseingriffes aufgrund des Psychiatriegesetzes (E. 9b und 9c) sowie anhand von Art. 36 BV (E. 9d).

127 I 60 () from 5. Juni 2001
Regeste: Art. 5 Abs. 1, Art. 9, 26, 49 Abs. 1 und Art. 127 Abs. 1 BV; Art. 69 Abs. 4 und Art. 112 f. KV/BE; Art. 106 SVG; Art. 61 Polizeigesetz/BE; Art. 25 und 27 Abs. 1 Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen; Kostenersatz für verkehrspolizeiliche Einsätze einer Gemeinde; Störer- und Verursacherprinzip. Tragweite des Prinzips der Gewaltentrennung und des Erfordernisses der gesetzlichen Grundlage bei kommunalen Abgaben (E. 2). Bedeutung des Gesetzmässigkeitsprinzips nach neuer Bundesverfassung (E. 3a); Tragweite der Eigentumsgarantie im Abgaberecht (E. 3b). Derogatorische Kraft des Bundesrechts: Vereinbarkeit einer kantonalen (bzw. kommunalen) Kostentragungsregelung für polizeiliche Verkehrsregelungseinsätze mit dem Strassenverkehrsrecht des Bundes (E. 4). Es ist nicht willkürlich, den Eigentümer, der seine Liegenschaft durch Mietvertrag für eine nicht zonenkonforme Nutzung zur Verfügung stellt, nach Massgabe des Störer- bzw. Verursacherprinzips zum teilweisen Kostenersatz für die dadurch nötigen Verkehrsregelungseinsätze zu verpflichten (E. 5). Tragweite des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen, wenn es sich bei der nicht zonenkonformen Nutzung um den Betrieb einer Botschaft handelt (E. 6).

127 I 164 () from 20. September 2001
Regeste: Verweigerung einer Demonstration anlässlich des Weltwirtschaftsforums 2001 in Davos; Meinungs- und Versammlungsfreiheit; Art. 16 und 22 BV, Art. 11 EMRK, Art. 21 UNO-Pakt II. Prüfungsprogramm bei Fehlen eines aktuellen Interesses; Beschränkung auf grundsätzliche Fragen (E. 1a und 6). Grundzüge der Meinungs- und Versammlungsfreiheit hinsichtlich Durchführung von Kundgebungen auf öffentlichem Grund: Bewilligungspflicht, Interessenabwägung unter Beachtung des ideellen Gehalts der Grundrechte, Anordnung von Auflagen und Bedingungen, Mitwirkungspflicht der Veranstalter (E. 3). Prüfung des Ersuchens unter dem Aspekt der Verkehrsverhältnisse und des Gefahrenrisikos (E. 4). Grundsätzlicher Anspruch, Kundgebungen auch auf Plätzen durchzuführen, die nicht im öffentlichen Eigentum stehen, hingegen dem Gemeingebrauch gewidmet sind (E. 5b). Beurteilung der zeitlichen Verschiebung einer Kundgebung (E. 5c).

128 I 3 () from 13. November 2001
Regeste: Art. 27 in Verbindung mit Art. 94 BV, Art. 36 BV, Art. 50 Abs. 1 BV; Wirtschaftsfreiheit, Gemeindeautonomie; Plakatmonopol auf privatem Grund. Zulässiges Rechtsmittel zur Anfechtung von Plakat- und Reklamebewilligungsentscheiden (E. 1a); nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 87 Abs. 2 OG bei Rückweisung an eine Gemeinde (E. 1b). Gemeindeautonomie nach neuer Bundesverfassung: Beschwerdelegitimation (E. 1c), Tragweite und Prüfungsdichte (E. 2). Vereinbarkeit von kantonalen Monopolen mit (dem Grundsatz) der Wirtschaftsfreiheit. Anders als ein faktisches Monopol für den Plakataushang auf öffentlichem Grund stellt ein rechtliches Plakatmonopol, soweit es privaten Grund erfasst, einen unverhältnismässigen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit dar; eine Bewilligungspflicht, verbunden mit entsprechenden Sachnormen, genügt zur Durchsetzung der massgeblichen öffentlichen Interessen (Praxisänderung, E. 3). Zulässigkeit eines Fremdreklameverbots (E. 4)? Autonomie der Gemeinde bei der Bewilligung von Plakaten und Reklamen bzw. bei der Bestimmung der ortsbildschützerischen und ästhetischen Schranken (E. 5).

128 I 19 () from 19. Februar 2002
Regeste: Art. 9, 20, 27, 36, 49, 62 und 63 BV; Art. 5 ff. UFG; Art. 14 des Tessiner Gesetzes vom 3. Oktober 1995 über die Universität der italienischen Schweiz und über die Berufsschule der italienischen Schweiz (LUni/TI); Namensschutz für öffentliche Universitäten; Bewilligungspflicht für die Verwendung der Bezeichnung "Universität". Vereinbarkeit von Art. 14 LUni/TI mit dem Bundesrecht; die Kantone sind befugt, den Namensschutz für öffentliche Universitäten auf ihrem Gebiet zu regeln; insbesondere können sie, wie dies im Kanton Tessin der Fall ist, die Verwendung der Bezeichnung "Universität" durch private Bildungsinstitute einer Bewilligungspflicht unterstellen (E. 2). Die Bewilligungsauflage, dem Namen der Institution den Zusatz "privat" beizufügen, ist mit dem vom Gesetz verfolgten Schutzzweck vereinbar. Eine derartige Massnahme verletzt die angerufenen verfassungsmässigen Rechte nicht; sie lässt sich durch ein ausreichendes öffentliches Interesse - das Bestreben, jegliche Gefahr der Verwechslung mit der öffentlichen Universität zu vermeiden - rechtfertigen und ist verhältnismässig (E. 3). Nicht auf eine genügende gesetzliche Grundlage stützen lässt sich dagegen die Auflage, den Namen mit der präzisierenden Bezeichnung "nicht akkreditiert" zu ergänzen. Sie verletzt die Wirtschaftsfreiheit, auf welche sich der beschwerdeführende Verein berufen kann, da er nicht allein einen rein ideellen Zweck verfolgt, welcher in keinem Zusammenhang mit dem Einsatz von ökonomischen Mitteln stünde (E. 4).

128 I 63 () from 4. März 2002
Regeste: Persönliche Freiheit (Art. 10 BV, Art. 8 EMRK); Art. 7 Abs. 1 des UNO-Übereinkommens über die Rechte des Kindes (KRK). Anspruch auf Kenntnis der Abstammung: Der Anspruch, die leiblichen Eltern zu kennen und entsprechend die im Zivilstandsregister überdeckten Eintragungen einzusehen, steht dem volljährigen Adoptivkind unabhängig von einer Abwägung mit entgegenstehenden Interessen zu (E. 2-5).

128 I 92 () from 2. November 2001
Regeste: Art. 27 und 49 BV; Voraussetzungen zur Bewilligung der selbstständigen nichtärztlichen psychotherapeutischen Berufstätigkeit. § 22 des Zürcher Gesundheitsgesetzes verletzt Art. 27 BV nicht, indem er für die Zulassung zur selbstständigen nichtärztlichen psychotherapeutischen Berufstätigkeit ein abgeschlossenes Psychologiestudium voraussetzt (E. 2). Das Erfordernis des Psychologiestudiums verstösst nicht darum gegen den Grundsatz des Vorrangs des Bundesrechts gemäss Art. 49 BV (in Verbindung mit dem Binnenmarktgesetz), weil einige Kantone dieses Erfordernis nicht kennen. Das Binnenmarktgesetz verlangt nicht, dass ein Kanton im Hinblick auf die Regelungen anderer Kantone die Anforderungen für die ursprüngliche Erteilung der Berufsausübungsbewilligung herabsetzen muss (E. 3). Erfordernis und Ausgestaltung einer Übergangsregelung. Die vom Kanton Zürich getroffene Übergangsregelung hält vor der Verfassung stand (E. 4).

128 I 184 () from 25. Juni 2002
Regeste: Art. 10 Abs. 2 BV, persönliche Freiheit; § 67 StPO/ZH; Anordnung der Sicherheitshaft im Nachverfahren; gesetzliche Grundlage. Die Vorschrift von § 67 StPO/ZH (in Verbindung mit § 58 StPO/ZH) bildet eine genügende gesetzliche Grundlage für die Anordnung der Sicherheitshaft im Nachverfahren (E. 2).

128 I 280 () from 6. September 2002
Regeste: Wohnsitzpflicht für Urkundspersonen (Art. 24 BV). Urkundspersonen können sich mit Bezug auf die hoheitliche Tätigkeit weder auf die Wirtschaftsfreiheit noch auf das Binnenmarktgesetz noch auf das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten anderseits berufen (E. 3). Die Regelung des Kantons Appenzell I.Rh., wonach die hoheitliche Beurkundungsbefugnis Personen mit Wohnsitz im Kanton vorbehalten wird, ist mit der Bundesverfassung und namentlich mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar (E. 4).

128 I 295 () from 28. März 2002
Regeste: Art. 8, 9, 16, 17, 26, 27, 36, 49 Abs. 1, 93, 105, 118 Abs. 2 lit. a BV; Art. 2 und 3 BGBM; Gesetz des Kantons Genf vom 9. Juni 2000 über die Werbung; abstrakte Normenkontrolle. Die Genfer Bestimmung, welche das Anbringen von Werbung für Tabak und für Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 15 Volumenprozenten auf öffentlichem Grund sowie auf privatem Grund verbietet, der vom öffentlichen Grund her einsehbar ist, verstösst nicht gegen: - den Grundsatz des Vorrangs des Bundesrechts, und zwar sowohl hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes im Bereich des Alkohols, der Lebensmittel sowie von Radio und Fernsehen (E. 3) als auch hinsichtlich derjenigen im Bereich des Binnenmarktes (E. 4); - die Pressefreiheit sowie die Meinungs- und Informationsfreiheit, soweit die geschäftsmässige Werbung in den Schutzbereich dieser Grundrechte fällt (E. 5a); - die Wirtschaftsfreiheit (E. 5b); - die Eigentumsgarantie (E. 6); - das Rechtsgleichheitsgebot und das Willkürverbot (E. 7). Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie und der Wirtschaftsfreiheit von kantonalen Bestimmungen, welche die Werbung auf privatem Grund, soweit von öffentlichem Grund her einsehbar, der Kontrolle durch die öffentliche Gewalt unterstellt (E. 8), sowie des Verbots von Werbung auf fensterlosen Gebäudefassaden (E. 9).

128 I 327 () from 26. August 2002
Regeste: Verordnung des Grossen Rates über die Kantonspolizei; Befugnis zur Anordnung sicherheitspolizeilicher Massnahmen; Grundsatz der Gewaltenteilung; polizeiliche Generalklausel; Einschränkung von Grundrechten; Art. 36 BV; Art. 15 KV/GR. Zuständigkeit des Grossen Rates, mittels Verordnung im Rahmen der polizeilichen Generalklausel im Bereiche des Polizeiwesens zu legiferieren; keine Verletzung des Grundsatzes der Gewaltenteilung (E. 2). Grossrätliche Verordnung stellt formellgesetzliche Grundlage für Grundrechtseingriffe dar (E. 4.1). Legalitätsprinzip und hinreichende Bestimmtheit gesetzlicher Normen im Bereiche des Polizeiwesens (E. 4.2). Verhältnismässigkeit von sicherheitspolizeilichen Massnahmen (Fernhalteanordnungen, Errichtung von Sperrzonen und vorübergehende Sicherstellung von Gegenständen; E. 4.3).

128 II 259 () from 29. Mai 2002
Regeste: Art. 9, 10 Abs. 2 und 13 Abs. 2 BV; persönliche Freiheit, Anspruch auf Schutz vor Missbrauch persönlicher Daten; DNA-Profil im Strafverfahren. Zulässiges Rechtsmittel zur Anfechtung von Verfügungen betreffend Erstellung von DNA-Profilen und deren Bearbeitung im DNA-Profil-Informationssystem des Bundes (E. 1). Ausgestaltung des DNA-Profil-Informationssystems (E. 2). Eingriff in das Recht auf körperliche Integrität (Art. 10 Abs. 2 BV) bzw. in den Anspruch auf Schutz vor Missbrauch persönlicher Daten (informationelles Selbstbestimmungsrecht; Art. 13 Abs. 2 BV) durch Entnahme eines Wangenschleimhautabstrichs bzw. Erstellung und Bearbeitung eines DNA-Profils (E. 3.2 und 3.3); gesetzliche Grundlage für die Grundrechtseingriffe (E. 3.4); öffentliches Interesse (E. 3.5); Verhältnismässigkeit (E. 3.6); Kerngehalt (E. 3.7). Verfassungsrechtlicher Anspruch auf Vernichtung des Wangenschleimhautabstrichs sobald ein DNA-Profil erfolgreich erstellt worden ist (E. 4). Zuständigkeit nach basel-städtischem Recht (E. 5).

128 II 340 () from 2. September 2002
Regeste: Schutz vor nichtionisierender Strahlung von Mobilfunkantennen: Einhaltung der Anlagegrenzwerte an Orten "mit empfindlicher Nutzung" i.S. der NISV (Art. 3 Abs. 3 NISV und Ziff. 65 Anhang 1 NISV). Zur Berücksichtigung von Nutzungsreserven auf nur teilweise ausgenützten, überbauten Parzellen unter dem Blickwinkel von Art. 3 Abs. 3 lit. c NISV (hier: Parzelle mit einem einstöckigen Einfamilienhaus, auf der ein 21 m hohes Gebäude errichtet werden könnte). Im Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung für die Mobilfunkanlage ist nach dem Verhältnismässigkeitsprinzip grundsätzlich auf die bestehende Nutzung der Nachbargrundstücke abzustellen, mit der Verpflichtung, die Anlage anzupassen oder zu entfernen, sofern dies zur Einhaltung der Anlagegrenzwerte in der Umgebung nach Ausnützung der verbleibenden Nutzungsreserven erforderlich ist (E. 2-5). Im vorliegenden Fall muss das kantonale Gericht die Immissionen prüfen, die von den geplanten und den auf demselben Dach bereits installierten Antennen gesamthaft verursacht werden (E. 4.1 und 4.2).

129 I 12 () from 7. November 2002
Regeste: Art. 19, 36 und 62 BV; Art. 29 Abs. 2 KV/BE; soziale Grundrechte; disziplinarischer Schulausschluss. Aus Art. 19 BV ergibt sich der Anspruch auf eine den individuellen Fähigkeiten des Kindes und seiner Persönlichkeitsentwicklung entsprechende unentgeltliche Grundschulausbildung an öffentlichen Schulen während der obligatorischen Schulzeit von mindestens neun Jahren (E. 4). Art. 29 Abs. 2 KV/BE dehnt nicht nur den Anspruch auf alle Schulen innerhalb der obligatorischen Schulpflicht aus, sondern begründet gleichzeitig einen weitergehenden Anspruch des Kindes auf Schutz, Fürsorge und Betreuung (E. 5). Bei einschränkenden Konkretisierungen von sozialen Grundrechtsansprüchen ist in sinngemässer Anwendung von Art. 36 BV zu prüfen, ob die Voraussetzungen der gesetzlichen Grundlage, des überwiegenden öffentlichen oder privaten Interesses sowie der Verhältnismässigkeit erfüllt sind (E. 6-9). Das Gemeinwesen hat in der Regel eine Weiterbetreuung ausgeschlossener Schüler - bis zum Ende der obligatorischen Schulpflicht - durch geeignete Personen oder öffentliche Institutionen zu gewährleisten (E. 9.5). Das in Art. 28 VSG/BE geregelte Stufenmodell, das als letzte und schärfste Massnahme (ultima ratio) einen vorübergehenden (teilweisen oder vollständigen) Ausschluss vom Unterricht während höchstens zwölf Schulwochen pro Schuljahr vorsieht, lässt sich verfassungskonform auslegen (E. 10).

129 I 35 () from 7. November 2002
Regeste: Art. 19, 36 und 62 BV; disziplinarischer Schulausschluss. Nach Art. 48 VSG/SG dauert die Schulpflicht - und damit auch der Anspruch auf ausreichenden und unentgeltlichen Volksschulunterricht im Sinne von Art. 19 BV - grundsätzlich bis zum Abschluss der dritten Oberstufenklasse (E. 7). Voraussetzungen für die Einschränkung dieses sozialen Grundrechtsanspruches (E. 8-10). Das Gemeinwesen hat in der Regel eine Weiterbetreuung ausgeschlossener Grundschüler durch geeignete Personen oder öffentliche Institutionen zu gewährleisten (E. 11.2). Besucht der ausgeschlossene Schüler, dem ersatzweise ein Schulunterricht in einem öffentlichen Erziehungs- oder Schulheim angeboten worden ist, dennoch eine Privatschule, kann der Kanton die Übernahme der Kosten ablehnen (E. 11.4 und 11.5).

129 I 74 () from 13. Januar 2003
Regeste: Art. 15 BV; Art. 9 EMRK; Art. 18 UNO-Pakt II; Glaubens- und Gewissensfreiheit im Strafvollzug. Kultusfreiheit als Bestandteil und Ausfluss der Glaubens- und Gewissensfreiheit. Kultusfreiheit im Strafvollzug; Beschränkung der Teilnahme an Gottesdiensten (E. 4). Zur Befreiung von der Arbeitsverpflichtung im Strafvollzug (vgl. Art. 37 Ziff. 1 Abs. 2 StGB) an religiösen Feiertagen (E. 5 und 6).

129 I 113 () from 15. November 2002
Regeste: Art. 88 OG; Art. 8 und 28 BV; Art. 11 EMRK; Koalitionsfreiheit im öffentlichen Dienst; Mitwirkung am Gesetzgebungsverfahren betreffend das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis; Gleichbehandlung von Berufsverbänden. Legitimation eines Berufsverbandes, dem die Mitwirkung an der Erarbeitung von Reglementen betreffend die Anwendung des Personalgesetzes verweigert wurde; sein rechtlich geschütztes Interesse im Sinne von Art. 88 OG ergibt sich aus der Koalitionsfreiheit und der Rechtsgleichheit (E. 1). Die Koalitionsfreiheit verleiht Berufsverbänden des öffentlichen Dienstes zwar keinen Rechtsanspruch auf Mitwirkung am Gesetzgebungsverfahren betreffend das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis. Bei Änderungen von Gesetzen und Reglementen, welche die Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder wesentlich beeinflussen, ist ihnen indessen in angemessener Form das rechtliche Gehör zu gewähren (E. 3). Der Staat hat als Arbeitgeber Abstand zu nehmen von jeglichen ungerechtfertigten diskriminierenden Massnahmen gegenüber Berufsverbänden, die deren Koalitionsfreiheit oder diejenige ihrer Mitglieder verletzen. Diskriminatorisch ist es, eine Arbeitnehmerorganisation wegen Ansichten, die sie zu Beginn des Verfahren vertreten hat, von der weiteren Mitwirkung am Gesetzgebungsverfahren auszuschliessen, während eine andere Organisation zugelassen wird (E. 5).

129 I 173 () from 12. Februar 2003
Regeste: Persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV). Recht der Angehörigen eines Verstorbenen, den Bestattungsort zu bestimmen; postmortaler Schutz des Persönlichkeitsrechts des Verstorbenen; Abwägung der gegenläufigen Grundrechtsinteressen im Rahmen von Art. 36 BV.

129 I 232 () from 9. Juli 2003
Regeste: Ungültigkeit einer Initiative, mit der Einbürgerungsgesuche der Urnenabstimmung unterstellt werden sollen (Art. 29 Abs. 2, Art. 34 Abs. 2 und Art. 13 BV). Ablehnende Einbürgerungsentscheide unterliegen der Begründungspflicht gemäss Art. 29 Abs. 2 BV (Anspruch auf rechtliches Gehör) i.V.m. Art. 8 Abs. 2 BV (Diskriminierungsverbot; E. 3.3 und 3.4). Bei der Urnenabstimmung ist eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Begründung nicht möglich (E. 3.5 und 3.6). Die Initiative auf Einführung der Urnenabstimmung über Einbürgerungsgesuche verletzt daher die verfassungsrechtliche Begründungspflicht. Konflikt zwischen der aus der Abstimmungsfreiheit (Art. 34 Abs. 2 BV) abgeleiteten Informationspflicht der Behörden über die persönlichen Verhältnisse der Gesuchsteller (E. 4.2) und deren Recht auf Schutz ihrer Privat- und Geheimsphäre (Art. 13 BV; E. 4.3). Ein angemessener Ausgleich zwischen den sich gegenüberstehenden Grundrechtspositionen erscheint im vorliegenden Fall nicht möglich (E. 4.4). Die rechtsstaatlichen Defizite der Initiative werden nicht durch das Demokratieprinzip gerechtfertigt (E. 5).

129 I 290 () from 7. Juli 2003
Regeste: Art. 2 und 32a USG; Art. 50 Abs. 1, Art. 74 Abs. 2 sowie Art. 36 BV; Gesetz über die Abfallbewirtschaftung der Gemeinde Arosa vom 24. September 1995; Finanzierung der Siedlungsabfallentsorgung; Verursacherprinzip; Gemeindeautonomie; Erlass einer Ersatzregelung durch die Kantonsregierung. Autonomie der bündnerischen Gemeinden bei der Festsetzung der Abgaben zur Finanzierung der Siedlungsabfallentsorgung (E. 2). Eine kommunale Regelung, wonach für die Entsorgung der Siedlungsabfälle (neben einer Grundgebühr) eine variable, vom Frischwasserverbrauch abhängige Gebühr erhoben wird, ist wegen Verstosses gegen das Verursacherprinzip (Art. 32a USG) bundesrechtswidrig (E. 3.2). Anpassungsfrist zur Umsetzung der bundesrechtlichen Vorgaben (E. 3.3)? Zulässigkeit des Erlasses einer bundesrechtskonformen Ersatzregelung durch die Regierung (E. 4.1-4.3). Die Gemeindeautonomie gehört nicht zu den in Art. 36 BV angesprochenen Individualgarantien; analoge Anwendung der dort erwähnten Eingriffsvoraussetzungen (E. 4.4). Kein verfassungsrechtlicher Anspruch der Gemeinde darauf, sich bei einem Gericht gegen die Ersatzvornahme zur Wehr setzen zu können (E. 5).

129 I 337 () from 25. September 2003
Regeste: Art. 34 Abs. 3 RPG, Art. 49 BV, Art. 2 und 3 des Bundesgesetzes über die Fuss- und Wanderwege, Art. 5 und 7 des Tessiner Gesetzes über die Fuss- und Wanderwege; Festlegung von Fusswegen im kommunalen Nutzungsplan. Die Festlegung von Fusswegen im kommunalen Nutzungsplan ist mit staatsrechtlicher Beschwerde anzufechten (E. 1). Die Bundesgesetzgebung unterscheidet zwar zwischen Fusswegen und Wanderwegen, behandelt jedoch beide gemeinsam und in gleicher Weise. Art. 5 des kantonalen Gesetzes, der den Begriff des Fussweges weit umschreibt und auch die Verbindungswege zwischen Weilern, Majensässen und Alpgebäuden einbezieht, steht mit dem Bundesrecht nicht in Widerspruch (E. 3). Überprüfung des Wegverlaufs unter dem Gesichtswinkel des öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit (E. 4).

129 II 268 () from 23. April 2003
Regeste: Art. 80h lit. b IRSG; Art. 2 lit. a, b und d IRSG. Wer ein Bankkonto unter falschem Namen eröffnet, ist grundsätzlich nicht beschwerdebefugt (E. 2.3.3). In Berücksichtigung der Menschenrechtslage in Nigeria ist die Rechtshilfeleistung von der Erfüllung gewisser Bedingungen abhängig zu machen (E. 6).

129 II 449 () from 29. Oktober 2003
Regeste: Art. 30 und 85 ff. IRSG; Schicksal der strafrechtlichen Beschlagnahme nach der Übertragung des Strafverfahrens ins Ausland. Wenn das Strafverfahren ins Ausland übertragen ist und die schweizerischen Strafverfolgungsbehörden damit nicht mehr befasst sind, obliegt es dem Bundesamt für Justiz, über ein Gesuch um Aufhebung der in der Schweiz angeordneten und im Interesse des ins Ausland übertragenen Strafverfahrens aufrechterhaltenen Beschlagnahme zu befinden (E. 2).

129 IV 230 () from 6. August 2003
Regeste: Art. 144bis Ziff. 2 Abs. 1 StGB; Virentatbestand; Geben einer Anleitung zur Herstellung von datenschädigenden Programmen. Der objektive Tatbestand ist auch erfüllt, wenn die Anleitung nicht vom Täter selber erstellt worden ist (E. 3) und wenn sie nicht vollständig ist, aber spezifische und wesentliche Angaben zur Herstellung datenschädigender Programme enthält (E. 4). Eventualvorsatz im Hinblick auf die von einem Dritten begangene Datenschädigung genügt (E. 5).

129 V 267 () from 25. Februar 2003
Regeste: Art. 5 Abs. 2 KVG; Art. 8 KVV; Art. 95 UVG: Sanktion bei verspätetem Versicherungsbeitritt. Der Prämienzuschlag nach Art. 5 Abs. 2 KVG darf nicht in Form eines einmaligen Beitrags erhoben werden, sondern ist als Zuschlag zu den monatlichen Prämien der obligatorischen Krankenversicherung zu entrichten. Das Fehlen einer für die Erhebung des Prämienzuschlags im Gesetz festgelegten Maximaldauer stellt keine Gesetzeslücke dar, erfasst die Kompetenzdelegation an den Bundesrat doch auch die Zuständigkeit zur Regelung der Frage nach dem Verhältnis zwischen der Dauer des verspäteten Versicherungsbeitritts und derjenigen der Sanktion. Soweit die Erhebungsdauer, welche nach Art. 8 Abs. 1 KVV der doppelten Dauer des verspäteten Versicherungsbeitritts entspricht, zu einer Sanktion führt, welche zu der diese rechtfertigenden Unterlassung nicht mehr in einem vernünftigen Verhältnis steht (i.c. Erhebungsdauer von elf Jahren), ist die in Art. 95 UVG für eine vergleichbare Sanktion vorgesehene Frist von fünf Jahren analog anwendbar.

129 V 335 () from 20. Februar 2003
Regeste: Art. 30 Abs. 1 BV; Art. 85 Abs. 2 AHVG in Verbindung mit Art. 69 IVG: Anspruch auf ordentliche Zusammensetzung der kantonalen Rekursbehörde. Im Rahmen der von Amtes wegen vorzunehmenden Prüfung der formellen Gültigkeitsvoraussetzungen des vorinstanzlichen Verfahrens prüft das Eidgenössische Versicherungsgericht frei und ohne an die erhobenen Einwände gebunden zu sein, ob die - als nicht willkürlich befundene - Auslegung und Anwendung kantonalen Rechts mit der in Art. 30 Abs. 1 BV gewährleisteten Garantie eines durch Gesetz geschaffenen, zuständigen, unabhängigen und unparteiischen Gerichts vereinbar ist (Bestätigung der Rechtsprechung). Trotz der in Art. 20 des Genfer Gesetzes vom 13. Dezember 1947 über die Anwendung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung vorgesehenen Delegation der Kompetenz zum Erlass eines Reglements für die kantonale Rekurskommission im AHV-/IV-Bereich an den Genfer Staatsrat bleibt auf Grund von Art. 17 Abs. 3 des kantonalen Gesetzes, wonach die Kommission in der Besetzung von fünf Mitgliedern tagt, kein Raum für eine derogatorische Regelung geringeren Ranges, welche für eine Beratung lediglich ein Quorum vorsieht. War eines ihrer Mitglieder - wenn auch entschuldigt ("excusé") - abwesend, wies die Kommission demnach keine gesetzeskonforme Zusammensetzung auf, was eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV darstellt und die Aufhebung des kantonalen Entscheids nach sich zieht.

130 I 16 () from 7. Januar 2004
Regeste: Medikamentöse Zwangsbehandlung in psychiatrischer Klinik während fürsorgerischen Freiheitsentzuges; Art. 7, Art. 10 Abs. 2 und Art. 36 BV, Art. 8 EMRK. Eine medikamentöse Zwangsbehandlung stellt einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit dar und betrifft die Menschenwürde zentral (E. 3). Gesetzliche Grundlage im Kanton Zug (E. 4). Erforderlichkeit einer vollständigen und umfassenden Interessenabwägung: öffentliche Interessen, Notwendigkeit der Behandlung, Auswirkungen einer Nicht-Behandlung, Prüfung von Alternativen, Beurteilung von Selbst- und Fremdgefährdung (E. 5).

130 I 26 () from 27. November 2003
Regeste: Art. 2 FZA; Art. 8 EMRK; Art. 8, 9, 27, 94 Abs. 4, 95 Abs. 2, 191 und 196 Ziff. 5 BV; Art. 55a KVG; Zulassungsbeschränkung für Leistungserbringer zur Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Zulassungsstopp für Medizinalpersonal); Einführungsverordnung des Kantons Zürich. Legitimation des Verbandes Schweizerischer Assistenz- und Oberärzte bzw. eines einzelnen Schweizer Arztes zur Rüge der Verletzung des Freizügigkeitsabkommens (E. 1.2). Die vom Bundesrat gestützt auf Art. 55a KVG erlassene und vom Regierungsrat des Kantons Zürich konkretisierte Einschränkung der Zulassung von Leistungserbringern zur Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung verletzt - soweit dies gestützt auf Art. 191 BV geprüft werden kann (E. 2) - weder das Freizügigkeitsabkommen (E. 3) noch die Wirtschaftsfreiheit (E. 4-6), die Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen (E. 7), das Prinzip von Treu und Glauben (E. 8) oder das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens (E. 9).

130 I 65 () from 27. Januar 2004
Regeste: Art. 10 Abs. 2 und Art. 36 BV, persönliche Freiheit; Verpflichtung der Gefängnisbesucher, sich am Eingang einer Sicherheitskontrolle durch einen Metall-Detektor zu unterziehen; Art. 8 Abs. 1 BV, Rechtsgleichheit. Die Verpflichtung des Gefängnisbesuchers, sich einer Sicherheitskontrolle durch einen Metall-Detektor zu unterziehen und Schuhe und Gürtel auszuziehen, falls der Detektor das Vorhandensein von Metall anzeigt, stellt keinen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit dar (E. 3.1-3.3). Im vorliegenden Fall ist die gesetzliche Grundlage vorhanden (E. 3.4), und die Verhältnismässigkeit wird gewahrt (E. 3.5). Es verletzt das Rechtsgleichheitsgebot nicht, Gefängniswärter, Polizeibeamte und Richter im Unterschied zu den übrigen Besuchern, insbesondere den Anwälten, von dieser Sicherheitskontrolle auszunehmen (E. 3.6).

130 I 279 () from 13. Juli 2004
Regeste: Art. 49 Abs. 1 sowie Art. 27 BV; Art. 71 lit. c ArG; § 7 Abs. 1 und § 7a lit. d der basel-städtischen Ruhetags- und Ladenschlussverordnung vom 7. Dezember 1993 (Fassung vom 5. August 2003); § 11 Abs. 3 des basel-städtischen Ruhetags- und Ladenschlussgesetzes vom 13. Oktober 1993. Kantonale Ladenschlussvorschriften; verlängerte Öffnungszeiten; Voraussetzung der Einhaltung eines Gesamtarbeitsvertrages. Eine kantonale Ladenschlussvorschrift, wonach verlängerte Öffnungszeiten nur bei Beachtung eines Gesamtarbeitsvertrages in Anspruch genommen werden dürfen, verfolgt Ziele des Arbeitnehmerschutzes und ist mit der abschliessenden Ordnung des eidgenössischen Arbeitsgesetzes unvereinbar (Verstoss gegen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts); Aufhebung der angefochtenen Verordnungsbestimmungen und Feststellung der Verfassungswidrigkeit der ihnen zugrunde liegenden Gesetzesbestimmung (E. 2.3 und 2.5). Verfassungswidrigkeit auch infolge Unvereinbarkeit mit der bundesrechtlichen Regelung zur Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (E. 2.4)?

130 I 312 () from 2. Juli 2004
Regeste: Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Art. 97 ff. und 108 OG). Gerichtsbarkeits-Immunität internationaler Organisationen. Verfahrensgarantien von Art. 6 Ziff. 1 EMRK . Begründungsanforderungen einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit der Verfassungsrügen erhoben werden; Darstellung der Kontroverse (E. 1). Kritik an der Praxis, die den internationalen Organisationen eine absolute Gerichtsbarkeits-Immunität gewährte (E. 2). In den Anwendungsbereich von Art. 6 Ziff. 1 EMRK fallende Streitigkeiten (E. 3). Die in den allgemeinen Vertragsbestimmungen der CERN (Organisation Européenne pour la Recherche Nucléaire) vorgesehene ad hoc Schiedsgerichtsbarkeit genügt den Verfahrensgarantien gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 4). Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer im Sinne von Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 5).

130 I 352 () from 24. November 2004
Regeste: Art. 8 Abs. 2, 13 Abs. 1, 19 und 62 BV; Art. 20 BehiG; Anspruch von Behinderten auf einen angemessenen Grundschulunterricht; Sonderschulung ausserhalb des Heimatkantons. Den Kantonen steht bei der Regelung des Grundschulwesens ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu; sie haben auch für Behinderte eine den individuellen Fähigkeiten des Kindes und seiner Persönlichkeitsentwicklung entsprechende, unentgeltliche Grundschulausbildung sicherzustellen (E. 3.1 und 3.2). Eine behinderungsbedingte Nichteinschulung in die Regelschule ist qualifiziert zu rechtfertigen, kann aber mit dem Diskriminierungsverbot gemäss Art. 8 Abs. 2 BV und Art. 20 BehiG vereinbar sein; massgebend ist das Wohl des behinderten Kindes im Rahmen des effektiv Möglichen (E. 6-6.1.3). Ein schwer behindertes Kind muss nicht in eine Einführungsklasse aufgenommen werden, die auf normal begabte Kinder mit verzögerter Entwicklung ausgerichtet ist (E. 4.1 und 4.2), selbst wenn seine Sonderschulung nur ausserhalb des Heimatkantons möglich sein sollte (E. 5 und 6.2).

130 I 360 () from 9. Dezember 2004
Regeste: Art. 26 Abs. 1 i.V.m. Art. 36 Abs. 1 BV, Art. 145 StPO/BE, Art. 58 StGB; Eigentumsgarantie; Vernichtung beschlagnahmten Hanfs während des Untersuchungsverfahrens. Die Bestimmung der Berner Strafprozessordnung über die vorzeitige Verwertung beschlagnahmter Gegenstände bildet keine hinreichende gesetzliche Grundlage für die Anordnung der vorzeitigen Vernichtung beschlagnahmten Hanfs durch den Untersuchungsrichter (E. 14.2). Möglichkeit eines zeitlich vorgezogenen selbständigen Einziehungsverfahrens und entsprechenden Antrages an den dafür zuständigen Richter (E. 14.3).

130 I 369 () from 7. Juli 2004
Regeste: Anfechtbarkeit von polizeilichen Realakten, Verweigerung des Zugangs nach Davos gegenüber einem Journalisten anlässlich des Weltwirtschaftsforums 2001; Informationsfreiheit, Einschränkung von Grundrechten; Art. 10 Abs. 2, 16 f. und 36 BV, Art. 8, 10 und 13 EMRK. Die polizeiliche Hinderung des Zugangs nach Davos anlässlich des Weltwirtschaftsforums 2001 berührt den betroffenen Journalisten in der persönlichen Freiheit sowie in der Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit (E. 2). Wirksame Beschwerde bei der Regierung im Sinne von Art. 13 EMRK im Anschluss an polizeiliche Realakte (E. 6.1). Beurteilung des durch die polizeilichen Anordnungen bewirkten Grundrechtseingriffs im vorliegenden Fall: Abstützen auf die polizeiliche Generalklausel (E. 7.3); öffentliches Interesse (E. 7.4); Verhältnismässigkeit (E. 7.5).

130 I 388 () from 13. Oktober 2004
Regeste: Anspruch auf gerichtliche Überprüfung von polizeilichen Realakten; Verweigerung des Zugangs nach Davos gegenüber einem Journalisten anlässlich des Weltwirtschaftsforums 2001; Art. 5 und 29a BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Das Bundesverfassungsrecht räumt keinen Anspruch auf gerichtliche Überprüfung von Eingriffen in Grundrechte infolge polizeilicher Realakte ein, welche einem Journalisten anlässlich des Weltwirtschaftsforums 2001 den Zugang nach Davos verwehrten (E. 4). Die polizeilichen Realakte berühren den Journalisten im vorliegenden Fall nicht in einer civil right-Position; der Ausschluss einer gerichtlichen Überprüfung hält von Art. 6 Ziff. 1 EMRK stand (E. 5).

130 II 87 () from 29. Januar 2004
Regeste: Art. 4-8, 12 sowie 36 BGFA; Eintragung ins kantonale Anwaltsregister, Voraussetzung der anwaltlichen Unabhängigkeit. Gegen letztinstanzliche kantonale Beschlüsse über die Eintragung ins kantonale Anwaltsregister kann der Anwaltsverband des betreffenden Kantons Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben (E. 1). Anwaltstätigkeit im Monopolbereich fällt unter das Grundrecht der Wirtschaftsfreiheit; Verweigerung des Registereintrags (wegen fehlender Unabhängigkeit) tangiert dieses Grundrecht, was bei der Auslegung des Begriffs der Unabhängigkeit zu berücksichtigen ist (E. 3). Unabhängigkeit des Anwalts als weltweit anerkannte Berufspflicht, im Umfeld des (veränderten) Berufsbilds (E. 4.1). Inhalt der Unabhängigkeit (E. 4.2), bundesgerichtliche Rechtsprechung (E. 4.3) und Literatur (E. 4.4) zur Frage der Unabhängigkeit von Anwälten im Angestelltenverhältnis. Entstehungsgeschichte von Art. 8 Abs. 1 lit. d und Art. 8 Abs. 2 BGFA; bei angestellten Anwälten besteht Vermutung für Fehlen der Unabhängigkeit (E. 5.1), die widerlegbar ist (E. 5.2). Verhältnis der gesetzlichen Regelung zum Freizügigkeitsabkommen, keine Inländerdiskriminierung (E. 5.1.2). Voraussetzungen, unter denen ein angestellter Anwalt den Registereintrag beanspruchen kann; Pflicht zur Schaffung klarer Verhältnisse (E. 6). In casu hat der Anwalt ungenügende Angaben zu seinem Angestelltenverhältnis gemacht und die Vermutung des Fehlens der Unabhängigkeit nicht widerlegt (E. 7). Art. 36 BGFA entbindet gegebenenfalls von der Erfüllung der fachlichen, nicht aber der persönlichen Voraussetzungen; bei fehlender Unabhängigkeit kann die Eintragung ins Register nicht übergangsrechtlich beansprucht werden (E. 8).

130 II 193 () from 11. Februar 2004
Regeste: Art. 9, 12, 18a Abs. 3 und 63 f. IRSG, Art. 69 und 77 BStP, Art. 4 Abs. 3 BÜPF; rechtshilfeweise Entsiegelung und Durchsuchung von Dokumenten und elektronischen Daten einer Anwaltskanzlei. Für die Prüfung verfahrensleitender (zwangsmassnahmenrechtlicher) Gesuche der ausführenden Bundesbehörde ist in Rechtshilfesachen grundsätzlich die I. öffentlichrechtliche Abteilung des Bundesgerichtes zuständig (E. 2.2). Im Gesuch um Entsiegelung und Durchsuchung der beschlagnahmten Dokumente und gespeicherten elektronischen Dateien ist darzulegen, inwiefern diese für die Untersuchung von Bedeutung sind und ihre rechtshilfeweise Verwendung in Frage kommen kann. Bei Dokumenten und Dateien einer Anwaltskanzlei ist ausserdem zu prüfen, ob die Durchsuchung vor dem Anwaltsgeheimnis standhält (E. 4.2 und 4.3). Eine Entsiegelung und Durchsuchung von Anwaltsakten kommt namentlich in Frage, wenn der betroffene Anwalt oder die Anwältin selbst strafrechtlich angeschuldigt wird. Zumindest muss im Entsiegelungsgesuch aber dargelegt werden, inwiefern die Anwaltskanzlei in die untersuchten strafbaren Vorgänge verwickelt sein könnte (E. 5).

130 II 281 () from 1. Juni 2004
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG; Art. 4 und 17 Abs. 2 ANAG; Art. 38 und 39 BVO; Familiennachzug; gefestigtes Anwesenheitsrecht im kombinierten Schutzbereich von Privat- und Familienleben. Kennt die kantonale Vorinstanz eine anspruchsabhängige Zugangsregelung, ist die Frage nach dem Bestehen des von ihr verneinten Anspruchs auf die beantragte fremdenpolizeiliche Bewilligung vom Bundesgericht als Eintretensvoraussetzung zu prüfen (E. 1). Weder aus Art. 17 Abs. 2 ANAG noch aus Art. 38 f. BVO ergibt sich für den hier bloss über eine Aufenthaltsbewilligung verfügenden Ausländer ein Anspruch auf Familiennachzug (E. 2). Art. 8 EMRK und Art. 13 BV setzen ihrerseits das Bestehen eines gefestigten Anwesenheitsrechts zumindest eines der Betroffenen voraus (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3.1). Vorliegen eines solchen in einem Fall bejaht, in dem sich der Ausländer seit zwanzig Jahren mit einer Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz befindet und das Privat- und Familienleben praktisch nirgendwo anders in zumutbarer Weise gelebt werden kann (E. 3.2 und 3.3).

130 II 377 () from 15. Juli 2004
Regeste: Art. 5 Ziff. 1 lit. b und f EMRK; Art. 10 Abs. 2 BV; Art. 13b Abs. 1 lit. d und Art. 13f ANAG in der Fassung vom 19. Dezember 2003; Art. 32 Abs. 2 lit. a-c bzw. Art. 33 AsylG; Ausschaffungshaft nach asylrechtlichem Nichteintretensentscheid. Allgemeine Voraussetzungen für eine Ausschaffungshaft (E. 1). Verletzt ein Asylsuchender seine grundlegenden verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten oder verhält er sich anderweitig missbräuchlich im Sinne von Art. 32 Abs. 2 lit. a-c bzw. Art. 33 AsylG, besteht eine "objektivierte" Untertauchensgefahr, welche den Schluss zulässt, dass er sich (auch) dem Vollzug der Ausschaffung widersetzen bzw. einen solchen zu vereiteln versuchen wird. Die Ausschaffungshaft ist in einem solchen Fall weder konventions- noch verfassungswidrig (E. 2 und 3).

131 I 166 () from 18. März 2005
Regeste: Art. 7 und 12 BV; Anspruch auf Nothilfe sowie Umfang derselben. Hält der Ausschluss von Asylbewerbern mit asylrechtlichem Nichteintretensentscheid von der minimalen Nothilfe wegen Missachtung ihrer Mitwirkungspflichten beim Vollzug der Wegweisung vor der Bundesverfassung stand (E. 1-7)? Entspricht ein im Rahmen der Nothilfe entrichtetes Taggeld von Fr. 13.- für die Unterkunft der Bundesverfassung (E. 8)?

131 I 266 () from 27. April 2005
Regeste: Art. 24 Abs. 1 BV; Art. 377 Abs. 2 ZGB; Art. 83 lit. e OG; Wechsel des Wohnsitzes bevormundeter Personen; staatsrechtliche Klage. Tragweite von Art 83 lit. e OG bei Streitigkeiten zwischen den kantonalen Vormundschaftsbehörden über den Wechsel des Wohnsitzes bevormundeter Personen (E. 2.1). Subsidiarität der staatsrechtlichen Klage (E. 2.2) und formelle Anforderungen dieses Rechtsmittels (E. 2.3). Die auf Art. 377 Abs. 1 ZGB abgestützte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit muss verhältnismässig sein (E. 3). Wiederholung der Grundsätze zur Anwendung von Art. 377 Abs. 2 ZGB (E. 4.1). In Anbetracht der vorliegenden familiären Situation musste der Wohnsitzwechsel bewilligt werden (E. 4.2. und 4.3).

131 I 321 () from 6. Juni 2005
Regeste: Art. 9 und 26 BV; Eigentumsgarantie; Wassertaxen; Kündigung einer altrechtlichen, unentgeltlichen Wasserlieferungspflicht (Grundlast). Ein vor dem Inkrafttreten des ZGB rechtmässig erworbenes - privates und unentgeltliches - Recht auf Quellwasserbezug besteht (als Grunddienstbarkeit) auch ohne späteren Eintrag im Grundbuch weiter. Dies gilt auch für die als Ersatz für die Beeinträchtigung dieses Rechts (infolge Erstellens einer öffentlichen Wasserversorgung) durch Gerichtsurteil im Jahre 1901 der Gemeinde Altdorf im Sinne einer Grundlast auferlegte unentgeltliche Wasserlieferungspflicht zu Gunsten der ursprünglich Berechtigten. Diese Verpflichtung steht zwar unter dem Schutz der Eigentumsgarantie, kann aber in (analoger oder direkter) Anwendung von Art. 788 ZGB nach Ablauf von dreissig Jahren gekündigt werden (E. 5). Die altrechtliche unentgeltliche Wasserlieferungspflicht kann nur gegen Entschädigung abgelöst bzw. gekündigt werden. Kriterien für deren Bemessung; Berücksichtigung besonderer Verhältnisse (E. 6).

131 I 425 () from 25. Juli 2005
Regeste: Art. 36 Abs. 1 und 3 BV; Art. 101 Abs. 2 und Art. 102quater BStP; strafprozessuales Kommunikationsverbot zu Lasten einer von einer Editionsverfügung betroffenen Bank; gesetzliche Grundlage und Verhältnismässigkeit der Zwangsmassnahme. Zwar stellen befristete und im Interesse des strafprozessualen Untersuchungsgeheimnisses liegende, sachlich gebotene Informationssperren gegenüber Banken grundsätzlich keinen besonders empfindlichen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Kommunikations- und Wirtschaftsfreiheit dar. Im vorliegenden Fall gebricht es der streitigen Zwangsmassnahme jedoch in zeitlicher Hinsicht an der Verhältnismässigkeit (E. 5 und 6).

131 II 13 () from 30. November 2004
Regeste: Art. 5 Abs. 1 und Art. 164 Abs. 1 BV, Art. 3 lit. b, d und e, Art. 11, insbesondere Abs. 1 FMG, Art. 1 lit. d und e, Art. 43 Abs. 1 lit. aquater und lit. aquinquies FDV; WTO-Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) und dessen Anhang über Telekommunikation; Interkonnektionspflicht beim Teilnehmeranschluss (so genannte "letzte Meile"). Enthält das Fernmeldegesetz eine genügende Grundlage für die Festlegung einer Interkonnektionspflicht beim Teilnehmeranschluss durch bundesrätliches Verordnungsrecht (E. 1-10.1)?

131 II 562 () from 6. Juli 2005
Regeste: Art. 36 Abs. 1, 127 Abs. 1 und 2, 191 BV; Art. 40 Abs. 1, 41 und 44 Abs. 1 SBG; Art. 80 Abs. 1 und 2, 84 Abs. 1 und 2 aVSBG; Art. 87 Abs. 4 VSBG; Umrechnung des Bruttospielertrags auf zwölf Monate zur Satzbestimmung. System der Spielbankenbesteuerung (E. 2). Legalitätsprinzip im Steuerrecht: Vorherrschaft und Vorbehalt des Gesetzes (E. 3.1); Verbot, die Verfassungsmässigkeit der Bundesgesetze, einschliesslich der Delegationsnormen, zu überprüfen (E. 3.2); Auslegung der Steuergesetze, namentlich bei Vorliegen einer Gesetzeslücke (E. 3.3-3.5), wie das Fehlen einer Regel betreffend Umrechnung auf ein Jahr (E. 3.6-3.8).

132 I 49 () from 25. Januar 2006
Regeste: Wegweisungs- und Fernhalteverfügungen; Art. 7, 8, 10, 22 und 36 BV. Kantonalrechtliche Grundlage für vorübergehende Wegweisungs- und Fernhaltemassnahmen (E. 2). Aus einer selbständigen Anrufung der Menschenwürde (Art. 7 BV) können die Betroffenen nichts zu ihren Gunsten ableiten; sie können sich auf die Versammlungsfreiheit (Art. 22 BV), die persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV), das Diskriminierungsverbot (Art. 8 Abs. 2 BV) und das Willkürverbot (Art. 9 BV) berufen (E. 5). Hinreichende Bestimmtheit der gesetzlichen Norm bejaht (E. 6). Öffentliches Interesse und Verhältnismässigkeit der Wegweisungs- und Fernhalteverfügungen gegeben (E. 7). Keine Verletzung des Diskriminierungsverbotes (E. 8).

132 I 97 () from 18. April 2006
Regeste: Art. 27 und 36 BV, Art. 3 BGBM; Verfassungsmässigkeit einer kommunalen Marktordnung, insbesondere der Bestimmung betreffend den gesteigerten Gemeingebrauch. Kriterien für die Auswahl von Interessenten für Marktstände, wenn der verfügbare Platz nicht ausreicht, um alle Gesuche zu berücksichtigen (E. 2). Art. 2 Abs. 2 des Reglements, der eine Rangordnung nach der geografischen Herkunft der Interessenten festlegt und damit in wettbewerbsverzerrender Weise stets dieselben Personenkreise bevorzugt, ist mit der Wirtschaftsfreiheit und dem Binnenmarktgesetz nicht vereinbar (E. 3).

132 I 134 () from 4. Mai 2006
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 29 Abs. 1 und 30 Abs. 1 BV; Sicherstellung der Parteientschädigung der Gegenpartei durch die Klägerin. Der Anspruch auf Zugang zum Gericht schliesst nicht aus, dass von der Klägerin eine Sicherstellung verlangt wird, die dazu bestimmt ist, ohne Unterscheidung zukünftige wie auch der Beklagten bereits erwachsene Prozesskosten zu decken (E. 2.2). Die Sicherstellung kann sich auch auf die Kosten beziehen, die infolge einer Verrechnungseinrede der Beklagten entstehen (E. 2.3).

132 I 181 () from 11. Mai 2006
Regeste: Art. 17 Abs. 3 und Art. 36 BV, Art. 10 EMRK, Art. 27bis StGB; Quellenschutz. Schutz journalistischer Quellen im Strafprozess (E. 2). Das Interesse an der Aufklärung des hier in Frage stehenden Tötungsdelikts weist nicht das ausserordentliche Gewicht auf, das erlaubte, den Journalisten zur Offenlegung seiner Informationsquellen zu verpflichten (E. 4).

132 I 229 () from 27. April 2006
Regeste: a Art. 97 Abs. 1 OG, Art. 5 VwVG in Verbindung mit Art. 184 Abs. 3 BV; Art. 98 lit. a und Art. 100 Abs. 1 lit. a OG, Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Eine Stellungnahme eines Eidgenössischen Departements, welche den Guthaben einer Person eine vom Bundesrat gestützt auf Art. 184 Abs. 3 BV angeordnete Vermögenssperre entgegenhält, stellt eine Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG dar (E. 4), die zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK betrifft (E. 6) und mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar ist.

132 I 256 () from 4. September 2006
Regeste: Verweigerung einer Kundgebung am 1. August 2006 in Brunnen; Art. 16 und 22 BV, Art. 11 EMRK. Legitimation einer einfachen Gesellschaft (E. 1.1). Grundsätze der Meinungs- und Versammlungsfreiheit hinsichtlich Durchführung einer Kundgebung auf öffentlichem Grund (E. 3 und 4.1). Behördliche Schutzmassnahmen vor drohender Gegendemonstration und ihre Grenzen (E. 4.3). Vor dem Hintergrund der konkreten Gegebenheiten hält die Verweigerung der Kundgebungsbewilligung vor der Verfassung stand (E. 4.4-4.7).

132 I 282 () from 18. Oktober 2006
Regeste: Art. 85 lit. a OG; Art. 27 und 94 BV; Art. 66 KV/GE; Gültigkeit der Volksinitiative IN 126 "Energie-Eau: notre affaire!". Falls nach kantonalem Recht das Parlament nur bei offensichtlichen Verletzungen des höherrangigen Rechts eingreift, prüft das Bundesgericht die Beschwerdesache nicht mit einer weiteren Kognition (E. 1.3). Die inhaltliche Aufteilung der Initiative wirft ein redaktionelles Problem auf, welches aber deren Gültigkeit nicht berührt (E. 2). Die Einrichtung eines rechtlichen Monopols für die Elektrizitätsversorgung zugunsten eines öffentlichen Versorgungsbetriebs (Services Industriels de Genève) steht nicht offensichtlich im Widerspruch zum höherrangigen Recht (E. 3).

132 II 257 () from 21. April 2006
Regeste: Art. 92 Abs. 2 BV, Art. 11, 56 und 61 FMG, Art. 45 und 58 FDV, Art. 12 lit. e VwVG; behördliche Festlegung von Interkonnektionsbedingungen. Zulässigkeit und Modalitäten der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht (E. 2). Kognition des Bundesgerichts unter Berücksichtigung von Beurteilungsspielräumen bzw. Ermessen der Kommunikationskommission (E. 3). Verfahrensfragen und Sachverhaltsüberprüfung unter Berücksichtigung der von der Kommunikationskommission eingeholten Gutachten (E. 4). Marktbeherrschung der interkonnektionspflichtigen Unternehmung als Voraussetzung der Interkonnektion (E. 5). Bundesrechtmässigkeit der verfügten Interkonnektionspreise und der zu deren Berechnung angewandten Methodik (E. 6). Reziprozität der Interkonnektionsbedingungen: Bundesrechtmässigkeit der Festsetzung gleicher Preise für reziproke Interkonnektionsleistungen (E. 7).

132 II 408 () from 31. August 2006
Regeste: Raumplanung, Schutzzone, Energiepolitik, kantonaler Nutzungsplan für Windkraftanlagen. Nutzungsänderung eines als Schutzzone im Sinne von Art. 17 Abs. 1 RPG ausgeschiedenen Gebietes; Anforderungen gemäss Art. 21 Abs. 2 RPG (E. 4.1 und 4.2). Abwägung der Interessen zur Feststellung des öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit einer umstrittenen raumplanerischen Massnahme (Art. 36 Abs. 2 und 3 BV i.V.m. Art. 26 Abs. 1 BV); Gegenüberstellung der Wichtigkeit bzw. des Interesses an der Erhaltung eines Naturschutzgebietes einerseits und des Interesses an der Umsetzung der vom Bund und von den Kantonen entwickelten Politik zur Förderung erneuerbarer Energien andererseits (E. 4.3-4.5).

132 II 485 () from 26. Oktober 2006
Regeste: Art. 1, 6 Abs. 1, Art. 9, 10, 23 Abs. 1 und 4 sowie Art. 58 Abs. 2 FMG, Art. 5, 8, 9, 26, 27, 29 und 36 BV sowie Art. 6 EMRK; Änderung, Übertragung und Entzug einer Fernmeldekonzession (Konzession für IMT-2000/UMTS-Fernmeldedienste). Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde und Anforderungen an das Verfahren (E. 1). Anspruch auf rechtliches Gehör und Akteneinsicht (E. 3). Verwirkung des Anspruchs auf Anrufung eines Organmangels vor der Kommunikationskommission durch Einlassung (E. 4). Überprüfung der tatsächlichen Feststellungen der Kommunikationskommission (E. 5). Anwendbare Rechtsregeln für die Änderung einer Fernmeldekonzession (E. 6). Anwendbare Rechtsregeln für die Übertragung einer Fernmeldekonzession (E. 7). Anwendbare Rechtsregeln für den Entzug einer Fernmeldekonzession (E. 8). Entschädigungspflicht beim Entzug einer Fernmeldekonzession (E. 9)?

133 I 27 () from 3. Januar 2007
Regeste: Art. 5 Ziff. 3 EMRK, Art. 10 Abs. 2 und Art. 36 BV; persönliche Freiheit, Ersatzmassnahmen für Untersuchungshaft, gesetzliche Grundlage, Verhältnismässigkeit. Der nur wegen Fluchtgefahr inhaftierte Angeschuldigte ist freizulassen, wenn er hinreichende Garantien für seine Anwesenheit am Prozess leistet. Diese Garantien sind nicht auf die Hinterlegung einer Kaution beschränkt; sie können ebenfalls aus gerichtlichen Kontrollmassnahmen wie Pass- oder Schriftensperre bestehen. Da solche Massnahmen die persönliche Freiheit weniger stark beschränken als die Untersuchungshaft, sind sie auch zu ergreifen, wenn keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage dies vorsieht (E. 3.2). Die Ersatzmassnahmen für Untersuchungshaft sind nur zulässig, soweit ein Haftgrund weiterbesteht (E. 3.3) und die Massnahmen verhältnismässig sind (E. 3.4). Sie sind kumulierbar (E. 3.5).

133 I 58 () from 3. November 2006
Regeste: Art. 8 EMRK, Art. 10 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 1 BV, Art. 9 und 10 BetmG, Art. 48 BetmV, Art. 24 und 26 HMG; Abgabe von Natrium-Pentobarbital für den begleiteten Suizid einer psychisch kranken Person. Natrium-Pentobarbital kann einem Sterbewilligen weder nach dem Betäubungsmittelrecht noch nach dem Heilmittelrecht ohne ärztliche Verschreibung abgegeben werden (E. 4). Art. 8 EMRK bzw. Art. 10 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 1 BV verpflichten den Staat nicht dazu, dafür zu sorgen, dass Sterbehilfeorganisationen oder Suizidwillige Natrium-Pentobarbital rezeptfrei beziehen können (E. 5-6.3.6).

133 I 77 () from 14. Dezember 2006
Regeste: Dauer der Aufbewahrung von Aufzeichnungen aus der Überwachung von öffentlichen Plätzen und Strassen, Polizeireglement der Stadt St. Gallen; Art. 13 Abs. 2 BV und Art. 8 Ziff. 1 EMRK. Aufzeichnungen aus der Überwachung von öffentlichen Plätzen und Strassen und deren Aufbewahrung berühren den Schutzbereich von Art. 13 Abs. 2 BV und Art. 8 Ziff. 1 EMRK (E. 3). Verschiedene Arten von Überwachungsmassnahmen und Datenerhebungen (E. 4). Verhältnismässigkeit der Aufbewahrung von Aufzeichnungen während 100 Tagen vor dem Hintergrund des Zwecks der Überwachung, der Schwere des Grundrechtseingriffs und des Datenschutzes (E. 5).

133 I 110 () from 28. März 2007
Regeste: Art. 85 lit. a OG; Gültigkeit der kantonalen Volksinitiative "Fumée passive et santé", welche das Rauchen in öffentlichen Räumen und Anlagen verbieten lassen möchte; Art. 10 Abs. 2, 34 Abs. 2, 36 und 49 Abs. 1 BV. Die redaktionelle Änderung des Initiativtextes durch den Genfer Grossen Rat steht im Einklang mit der Kantonsverfassung und entspricht dem Willen der Initianten (E. 3). Die Initiative verletzt die Bundesgesetzgebung über den Arbeitnehmerschutz nicht (E. 4). Es ist fraglich, ob das verfassungsmässige Individualrecht der persönlichen Freiheit einen Anspruch gewährleistet, in öffentlichen Räumen und Anlagen zu rauchen. Die Frage kann hier aber offenbleiben (E. 5). Die mit der Initiative vorgeschlagene Verfassungsbestimmung erscheint ausreichend präzise (E. 6); sie verfolgt ein offensichtlich im öffentlichen Interesse liegendes Ziel (E. 7.1) und trägt auch dem Verhältnismässigkeitsgebot ausreichend Rechnung, zumal Ausnahmen vom Rauchverbot in der Ausführungsgesetzgebung vorgesehen werden können (E. 7.2-7.5). Der zugelassene Initiativtext ist nicht irreführend (E. 8).

133 I 206 () from 1. Juni 2007
Regeste: Art. 8 Abs. 1, 49 Abs. 1, 127 Abs. 2 BV; Art. 88 OG; Verfassungsmässigkeit der degressiven Obwaldner Steuertarife; Eintretensfragen; Folgen festgestellter Verfassungswidrigkeit. Legitimation zur Anfechtung von Steuertarifen mit staatsrechtlicher Beschwerde (E. 2). Unzulässigkeit der Beschränkung der Anfechtung auf einzelne Tarifpositionen oder Teile des Tarifs (E. 3). Grundsatz des Vorrangs des Bundesrechts (Art. 49 Abs. 1 BV; E. 4). Tarifautonomie der Kantone (E. 5). Besteuerungsgrundsätze gemäss Art. 127 Abs. 2 BV und deren Bedeutung für die Kantone (E. 6). Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als allgemeines Konzept, welches der Konkretisierung bedarf (E. 7.1 und 7.2); das Leistungsfähigkeitsprinzip aus finanzwissenschaftlicher Sicht (E. 7.3); Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips anhand der rechtlichen Grundordnung (E. 7.4). Progressive, proportionale und degressive Steuertarife (E. 8.1). Anforderungen, die das Leistungsfähigkeitsprinzip an die Tarifgestaltung stellt, und Kognition des Bundesgerichts bei der Überprüfung von Steuertarifen (E. 8.2). Degressive Tarife im Besonderen (E. 8.3). Der neue Obwaldner Einkommenssteuertarif widerspricht dem allgemeinen Rechtsgleichheitsgebot und dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (E. 9). Weder Gründe des Steuerwettbewerbs (E. 10) noch andere fiskalische oder ausserfiskalische Zielsetzungen (E. 11) vermögen den verfassungsrechtlichen Mangel zu beheben. Gleiche Beurteilung bezüglich des neuen Obwaldner Vermögenssteuertarifs (E. 12). Folgen der festgestellten Verfassungsverletzung (E. 13).

133 I 270 (1B_154/2007) from 14. September 2007
Regeste: a Art. 31 Abs. 3 BV, Art. 5 Ziff. 3 EMRK, Art. 46 Abs. 1 BGG; Fristenstillstand bei strafprozessualer Haft. Der gesetzliche Fristenstillstand für die Beschwerdeführung beim Bundesgericht gilt in Fällen betreffend die strafprozessuale Haft nicht (E. 1.2.2). Diese neue Praxis war für den Beschwerdeführer nicht vorhersehbar. Auf die unter Beachtung des Fristenstillstands eingereichte Beschwerde ist nach Treu und Glauben einzutreten (E. 1.2.3).

133 II 97 (2C_19/2007, 2C_45/2007) from 2. April 2007
Regeste: Art. 5 Ziff. 1 lit. b und lit. f EMRK; Art. 13g Abs. 1, 2 und 6 lit. b ANAG (in der Fassung vom 16. Dezember 2005); Durchsetzungshaft eines aus Algerien stammenden Ausländers, der sich weigert, in seine Heimat zurückzukehren. Grundlage und Voraussetzungen für die Anordnung einer Durchsetzungshaft (E. 2 und 3). Werden haftbegründende Tatsachen, die nach dem Inkrafttreten der Neuregelung der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht gemäss Anhang zur Änderung des Asylgesetzes vom 16. Dezember 2005 eingetreten sind, im Lichte des früheren Verhaltens des Betroffenen gewürdigt, liegt hierin keine unzulässige Rückwirkung des neuen Rechts (E. 4.1). Nur eine Ausreise, die mit einer rechtmässigen Einreise in einen anderen Staat verbunden ist, lässt die Durchsetzungshaft dahinfallen, nicht bereits die Bereitschaft, sich illegal in ein Drittland zu begeben (E. 4.2).

133 II 136 () from 3. Mai 2007
Regeste: Art. 10 EMRK, Art. 17 und 93 Abs. 3 BV, Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Art. 56 ff. RTVG (Fassung 1991); Ausstrahlung von Werbespots für kostenpflichtige Downloads von pornographischen Videos und Bildern auf das Handy. Zuständigkeit zur Prüfung von Werbeausstrahlungen nach dem alten und neuen Radio- und Fernsehgesetz (E. 2). Begriff der "öffentlichen Sittlichkeit" bzw. des "Pornographischen" nach dem europäischen und schweizerischen Medienrecht (E. 4 und 5). Die umstrittenen Werbespots - und nicht nur die beworbenen Produkte - stellen vulgär und primitiv Menschen in Bild und Ton als auswechselbare, jegliche menschliche Dimension verlierende Sexualobjekte dar, und liegen damit jenseits dessen, was programmrechtlich in erotischer Hinsicht vor dem Hintergrund des Jugendschutzes noch zulässig ist (E. 6 und 7).

133 II 220 () from 2. Juli 2007
Regeste: Art. 29, 78 BV, Art. 18, 18b NHG, Art. 2 WaG, §§ 12, 18, 23, 24 NLG/LU; Heckenschutz. Abgrenzung zwischen Bundesrecht und selbstständigem kantonalem Recht im Bereich des Biotopschutzes: Biotope - so namentlich Hecken - sind nicht direkt aufgrund der Bestimmungen des Bundesrechts geschützt, sondern müssen von den zuständigen Behörden besonders bezeichnet werden. Sofern das kantonale Recht den Biotoptyp "Hecke" generell unter Schutz stellt, geht es in zulässiger Weise über das Bundesrecht hinaus (E. 2.3). Anwendungsfall eines generellen Heckenschutzes, der sich aus dem Zusammenspiel von kantonaler und kommunaler Regelung ergibt (E. 2.4-2.8). Anforderungen an die Wahrung des rechtlichen Gehörs des betroffenen Grundeigentümers bei der Feststellungsverfügung, die sich auf diese generelle Heckenschutzregelung stützt (E. 3). Verhältnis einer negativen Waldfeststellung zum Heckenschutz (E. 3.5).

134 I 75 () from 16. November 2007
Regeste: Art. 15 BV; Art. 9 EMRK; Glaubens- und Gewissensfreiheit; Anforderungen an den Austritt aus der römisch-katholischen Kirche. Die Erklärung des Austritts aus der Landeskirche genügt; vom Austrittswilligen darf nicht verlangt werden, dass er sich von der römisch-katholischen Kirche als solcher lossagt (Praxisänderung; E. 3-9.1).

134 I 140 (1C_407/2007, 1C_409/2007) from 31. Januar 2008
Regeste: Art. 82 ff. BGG; Art. 5 und 6 EMRK; Art. 9, Art. 10 Abs. 2, Art. 29 Abs. 1 und 2, Art. 31 und 32 BV; § 5, 6, 9 und 11 GSG/ZH; Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten; Schutzmassnahmen gegen häusliche Gewalt nach dem zürcherischen Gewaltschutzgesetz. Zur Überprüfung von Massnahmen, die gestützt auf das zürcherische Gewaltschutzgesetz ergangen sind, ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegeben (E. 2). Die im vorliegenden Fall auferlegten Gewaltschutzmassnahmen (Rayon- und Kontaktverbot) fallen weder unter den Begriff der Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 5 EMRK und Art. 31 BV (E. 3) noch unter den Begriff der strafrechtlichen Anklage im Sinne von Art. 6 EMRK (E. 4). Mit der Auferlegung von Gewaltschutzmassnahmen besteht die Möglichkeit der Gefährdung des durch das Zivil- und Strafrecht geschützten "guten Rufs". Der gute Ruf stellt ein "civil right" dar und fällt daher in den Schutzbereich von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 5.2). § 9 Abs. 3 GSG/ZH geht über den bundes- und konventionsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör hinaus und garantiert das Recht des Gesuchsgegners, nach Möglichkeit mündlich angehört zu werden. Im vorliegenden Fall wurde die Gehörsverletzung geheilt (E. 5.3-5.5). § 9 Abs. 4 GSG/ZH garantiert keinen über Art. 29 Abs. 2 BV hinausgehenden absoluten Anspruch auf Beweisabnahme (E. 5.6 und 5.7). Das angeordnete Rayonverbot stellt keine unverhältnismässige Einschränkung der persönlichen Freiheit des Beschwerdeführers dar (E. 6).

134 I 153 (2C_704/2007) from 1. April 2008
Regeste: Art. 5 Abs. 2 und Art. 9 BV; Art. 95 lit. a BGG; Kognition des Bundesgerichts bei der Verhältnismässigkeitsprüfung von kantonalrechtlichen Anordnungen. Ausserhalb von Grundrechtseingriffen (Art. 36 Abs. 3 BV) schreitet das Bundesgericht wegen Verletzung des Verhältnismässigkeitsgebots nur dann ein, wenn die kantonalrechtliche Anordnung offensichtlich unverhältnismässig ist und damit gleichzeitig gegen das Willkürverbot verstösst (E. 4).

134 I 172 (1C_261/2007) from 5. März 2008
Regeste: Art. 34 BV; Art. 89 Abs. 3 BGG; Ungültigerklärung einer kommunalen Volksinitiative. Die Gemeinde hat gestützt auf Art. 89 Abs. 3 BGG kein Beschwerderecht (E. 1.3). Eine teilweise Ungültigerklärung ist nur möglich, wenn der gültig verbleibende Teil der Initiative einen Sinn behält, der dem Willen der Initianten und der Unterzeichner entspricht. Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu (E. 2).

134 I 209 (5A_656/2007) from 13. März 2008
Regeste: Art. 10 BV, persönliche Freiheit; im Rahmen einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung angeordnete Zwangsmassnahmen. Die im Rahmen einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung gemäss Art. 397a ff. ZGB angeordnete Unterbringung eines drogenabhängigen Patienten in einem Sicherheitszimmer stellt eine zusätzliche Freiheitsentziehung dar, welche einer genügenden gesetzlichen Grundlage bedarf (E. 2.3). Art. 50 des Gesundheitsgesetzes des Kantons Genf ist vorliegend keine solche genügende gesetzliche Grundlage (E. 2.4).

134 I 293 (2C_73/2008) from 26. September 2008
Regeste: Art. 49 Abs. 1 BV; Art. 38, 44 und 92 Abs. 1 Ziff. 1a SchKG; Art. 641a und 896 ZGB; persönliche Freiheit; Eigentumsgarantie; Änderung des thurgauischen Gesetzes vom 5. Dezember 1983 über das Halten von Hunden. Die angefochtene Bestimmung im kantonalen Hundegesetz, welche den Einzug eines Hundes bzw. dessen Fremdplatzierung als Mittel zur Durchsetzung der finanziellen Verpflichtungen des Hundehalters vorsieht, stellt keine in den Regelungsbereich des Schuldbetreibungsrechts eingreifende, unmittelbar der Vollstreckung der Geldleistungspflicht dienende Massnahme, sondern ein indirektes Druckmittel im Sinne eines administrativen Rechtsnachteils dar (E. 3 und 4.1); kein Verstoss gegen das bundesrechtliche Pfändungs- und Retentionsverbot von Heimtieren (E. 4.2). Vereinbarkeit dieser Massnahme mit der persönlichen Freiheit und der Eigentumsgarantie (E. 5).

134 II 329 (2C_85/2008, 2C_94/2008) from 24. September 2008
Regeste: Art. 2 Abs. 4 und Art. 3 BGBM; Art. 3 BGFA; Art. 18 des Waadtländer Anwaltsgesetzes; Aufnahme in die kantonale Liste der Anwaltskandidaten. Verhältnis zwischen dem BGFA, dessen Art. 3 Abs. 1 das Recht der Kantone, die Anforderungen für den Erwerb des Anwaltspatents festzulegen, vorbehält, und dem Binnenmarktgesetz, welches in Art. 2 Abs. 4 Satz 1 jedermann - unter Vorbehalt der Beschränkungen nach Art. 3 - nach den Vorschriften am Ort der Erstniederlassung freien Zugang zum Markt gewährleistet. Schranken der durch Art. 3 Abs. 1 BGFA vorbehaltenen kantonalen Regelungsbefugnis (E. 5). Prüfung, ob das gegenüber einem Anwalt ausgesprochene Verbot, einen Anwaltskandidaten anzustellen, mit dem Binnenmarktgesetz vereinbar ist. Eine Auslegung des kantonalen Rechts in dem Sinn, dass dieses die Ausübung der Anwaltstätigkeit während fünf Jahren im Kanton verlange, verletzt das Verhältnismässigkeitsprinzip (E. 6). Die in Art. 3 Abs. 4 BGBM vorgesehene Unentgeltlichkeit des Verfahrens gilt nicht für Beschwerdeverfahren (E. 7).

134 III 323 (5A_654/2007) from 4. März 2008
Regeste: Bestimmung des Notbedarfs nach Art. 93 Abs. 1 SchKG; Berücksichtigung der Krankenversicherungsprämien. Bedeutung der Garantie des Notbedarfs nach Art. 93 Abs. 1 SchKG und Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 2). Bei der Berechnung des Notbedarfs können nur die Prämien der obligatorischen Krankenversicherung berücksichtigt werden, nicht jedoch die Prämien der Kranken-Zusatzversicherung (E. 3).

135 I 71 (1B_344/2008) from 20. Januar 2009
Regeste: Art. 10 Abs. 2, Art. 31 Abs. 1 und Art. 36 BV; Art. 369 StGB; Vortatenerfordernis beim strafprozessualen Haftgrund der Wiederholungsgefahr. Art. 369 StGB ist auch vom Haftrichter zu beachten mit der Wirkung, dass aus dem Strafregister entfernte Vorstrafen bei der Prüfung des strafprozessualen Haftgrundes der Wiederholungsgefahr grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind (E. 2).

135 I 79 (2C_149/2008) from 24. Oktober 2008
Regeste: Art. 15 BV und Art. 9 EMRK; Glaubens- und Gewissensfreiheit; Dispensation vom gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterricht aus religiösen Gründen. Aktuelles Rechtsschutzinteresse; Legitimation der Eltern (E. 1). Allgemeine Voraussetzungen für Praxisänderungen (E. 3). Nach dem angerufenen muslimischen Gebot dürfen Gläubige nicht den weitgehend nackten Körper des anderen Geschlechts sehen (E. 4.2). Glaubensinhalte, die ein religiös motiviertes Verhalten begründen oder bestimmte Bekleidungsweisen nahelegen, sind grundsätzlich nicht zu überprüfen (E. 4.4). Der Kerngehalt der Religionsfreiheit wird durch das in Frage stehende Glaubensgebot nicht berührt (E. 5). Genügende gesetzliche Grundlage für den obligatorischen, gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterricht an der Unterstufe der öffentlichen Grundschulen im Kanton Schaffhausen (E. 6). Bei der Interessenabwägung sind insbesondere die vielfältigen Bestrebungen zur Integration der muslimischen Bevölkerungsgruppe zu berücksichtigen (E. 7.2). Verbunden mit flankierenden Massnahmen stellt das angefochtene Obligatorium auch für muslimische Kinder keinen unzulässigen Eingriff in die Religionsfreiheit dar (E. 7.3).

135 I 130 (2C_605/2008) from 24. Februar 2009
Regeste: Art. 8 Abs. 1, Art. 27 und 127 Abs. 1 BV; Verordnung des Kantons Neuenburg über die Erhebung eines Kostenbeitrags für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit bei sportlichen Veranstaltungen mit Gewaltpotenzial. Unterscheidung von Steuern und Kausalabgaben (E. 2). Gesetzliche Grundlage und Umsetzung der Verordnung, die den Organisatoren einen Anteil zwischen 60 und 80 % an den Kosten überwälzt, welche der Einsatz der Kantonspolizei für die Gewährleistung der Sicherheit bei sportlichen Veranstaltungen mit Gewaltpotenzial verursacht (E. 3). Vereinbarkeit der Verordnung mit der Wirtschaftsfreiheit (E. 4) und dem Rechtsgleichheitsprinzip (E. 6). Mit der Verordnung hat der Staatsrat den Rahmen der gesetzlichen Delegation nicht überschritten; auch der der Kantonspolizei übertragene Ermessensspielraum verstösst nicht gegen den Grundsatz der Gesetzmässigkeit öffentlicher Abgaben (E. 7).

135 I 143 (2C_693/2008) from 2. Februar 2009
Regeste: Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG, Art. 126 AuG, Art. 8 EMRK und Art. 13 BV; Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung einer ausländischen Mutter gestützt auf ihre Beziehung zum schweizerischen Kind. Zulässigkeit und Modalitäten der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (E. 1). Voraussetzungen der Verweigerung der Bewilligung bzw. der Zulässigkeit eines Eingriffs in den Anspruch auf Achtung des Familienlebens, Interessenabwägung unter Berücksichtigung spezieller familiärer Verhältnisse: Die Bewilligung kann nur verweigert werden, wenn nebst der Zumutbarkeit der Ausreise aller Beteiligten ordnungs- oder sicherheitspolizeiliche Gründe gegeben sind (E. 2-4).

135 I 169 (8C_807/2008) from 15. Juni 2009
Regeste: Art. 13 Abs. 1, Art. 36 BV; Art. 43 ATSG; Schutz der Privatsphäre, Observation der versicherten Person durch Privatdetektive. Die Unfallversicherung ist befugt, eine versicherte Person durch einen Privatdetektiv observieren zu lassen (E. 4 und 5).

135 I 198 (2C_462/2008) from 20. März 2009
Regeste: Art. 59 Abs. 1 und 2 BGG; Öffentlichkeit von Parteiverhandlungen in Steuersachen. Anders als das frühere Bundesrechtspflegegesetz schliesst das Bundesgerichtsgesetz die Öffentlichkeit von Parteiverhandlungen in Steuersachen nicht mehr von vornherein aus. Allerdings kann das Gericht die Öffentlichkeit ausschliessen, um dem Steuergeheimnis Rechnung zu tragen (E. 1 und 2). Voraussetzungen eines Ausschlusses (E. 3).

135 I 209 (2C_797/2008) from 30. April 2009
Regeste: Art. 26 BV, Art. 31 WG, Art. 69 StGB, Art. 34 WV 1998; Entschädigungspflicht für eingezogene Waffen und Waffenbestandteile. Übersicht über die waffenrechtlichen Beschlagnahmungs- und Einziehungsregeln (E. 2). Das Waffengesetz enthält keine gesetzliche Grundlage für den Einzug des Nettoerlöses der Verwertung von aus Sicherheitsgründen beschlagnahmten bzw. eingezogenen Gegenständen zu Gunsten des Staates. Kann der Gegenstand dem Eigentümer nicht mehr zurück- oder herausgegeben werden, ist die Verwertung unter Herausgabe des Erlöses an den Berechtigten - als weniger weitgehender Eingriff in die Eigentumsgarantie als die entschädigungslose Überlassung, Vernichtung oder Verwertung zu Gunsten des Staates - zu prüfen. Entscheidend ist dabei, ob es sich bei den betroffenen Gegenständen überhaupt um verwertbare, d.h. rechtlich erwerb- und besitzbare Güter von einem gewissen Marktwert handelt, die legal verwendet werden können (E. 2-4).

135 I 233 (1C_469/2008) from 26. Mai 2009
Regeste: Kommunale Regelung über Quoten und Kontingente von Zweitwohnungen; Art. 50 und 75 BV, Art. 1-3 RPG, kommunale Zuständigkeiten; Art. 36 Abs. 2 und 3, Art. 8, 24, 26, 27 und 127 Abs. 2 BV. Die angefochtene Regelung stellt eine kompetenzgerechte raumplanerische Massnahme der Gemeinde dar (E. 2). Die Quote von Hauptwohnungen im Gebiet "Station", auf 70 % festgelegt und mit grosszügigen Ausnahmen versehen, ist mit Bezug auf den Regelungszweck verhältnismässig (E. 3, 4 und 7). Die Umschreibung der Hauptwohnungen mittels des Begriffs des zivil- und steuerrechtlichen Wohnsitzes verletzt die Niederlassungsfreiheit nicht (E. 5.1-5.3). Die Verpflichtung der Eigentümer von nicht selber benützten Hauptwohnungen, deren Vermietung über eine berufsmässige Gesellschaft vorzunehmen, verletzt weder die Eigentumsgarantie noch die Wirtschaftsfreiheit (E. 5.4 und 8). Die Ersatzabgabe bei Reduktion des Anteils an Hauptwohnungen stellt eine mit den Anforderungen des RPG vereinbare Kausalabgabe dar (E. 9). Die Übergangsbestimmung bewirkt keine Vorwirkung und wahrt den Grundsatz der Nichtrückwirkung (E. 15).

135 II 296 (2C_899/2008) from 18. Juni 2009
Regeste: Art. 16, 17, 26 und 93 Abs. 2 BV; Art. 59, 60, 107 Abs. 6 sowie Art. 110 Abs. 2 und 3 RTVG; rundfunkrechtliche Aufschaltpflicht für ein altrechtlich konzessioniertes privates Fernsehprogramm, welches neurechtlich keiner Konzession mehr bedarf und über keinen Leistungsauftrag verfügt ("Must carry"-Rules). Eine unter altem Recht konzessionierte Fernsehveranstalterin profitiert übergangsrechtlich von einem Zugangsrecht zu einem Netzwerk für die analoge Ausstrahlung ihres Programms nur, falls sie bereits altrechtlich in den Genuss einer Aufschaltverfügung gekommen ist (E. 2 und 3). Für den Erlass einer Aufschaltverfügung nach neuem Recht muss das Programm in besonderem Mass zur Erfüllung des verfassungsrechtlichen Auftrags beitragen (E. 4.1-4.3). Ein Programm, welches trotz spezifisch schweizerischen Sportbeiträgen weiterhin in erheblichem Mass aus Produktionen besteht (Call-In, Erotik, Wahrsagerei), die keinen Mehrwert zum bestehenden Programmangebot bieten, genügt dieser Anforderung nicht (E. 4.4).

135 III 503 (5A_244/2009) from 9. Juli 2009
Regeste: Art. 8a SchKG; Einsicht in Protokolle und Register. Einem nicht betreibenden Gläubiger kann Einsicht in das Protokoll und die Belege des Pfändungsvollzuges in anderen Betreibungen gewährt werden, um gegenüber dem Schuldner das Begehren der Konkurseröffnung ohne vorgängige Betreibung zu prüfen (E. 3).

135 III 633 (5A_428/2009) from 23. November 2009
Regeste: Art. 928 ZGB; Besitzesstörung; Fliegen und Landen mit Hängegleitern. Voraussetzung der Ansprüche gemäss Art. 928 Abs. 2 ZGB ist die Störung des Besitzes durch verbotene Eigenmacht. Eine öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung in einem kommunalen Bau- und Zonenreglement, die ein hindernisfreies und sicheres Überfliegen und Landen mit Hängegleitern bezüglich der dafür vorgesehenen Grundstücke gewährleistet, kann verbotene Eigenmacht ausschliessen. Prüfung des Ausschlusses im konkreten Fall (E. 3-5).

135 V 309 (9C_100/2009) from 28. August 2009
Regeste: Art. 82 lit. b, Art. 87 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG; Art. 10 Abs. 2 lit. a ELG; Beschlüsse des Regierungsrates des Kantons Neuenburg vom 22. Dezember 2008 und vom 16. Februar 2009 über die maximalen Tagestaxen für Bewohner privater Heime mit Anspruch auf Ergänzungsleistungen zur AHV und IV (EL); abstrakte Normenkontrolle. Als Teil der vom Regierungsrat des Kantons Neuenburg verabschiedeten "63 Beschlüsse betreffend die für jedes Heim individuelle Festsetzung der auf die EL-bezugsberechtigten Bewohner anwendbaren maximalen Tagestaxen" gehören die strittigen Beschlüsse zu einer für den gesamten Kanton gültigen Regelung der auf EL-beziehende Heimbewohner anwendbaren Taxen; sie sind daher als kantonale Erlasse im Sinne von Art. 82 lit. b BGG zu betrachten, gegen welche unmittelbar die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht zulässig ist (Art. 87 Abs. 1 BGG; E. 1). Art. 10 Abs. 2 lit. a ELG bildet keine genügende gesetzliche Grundlage für die in Art. 2 der Regierungsratsbeschlüsse vom 22. Dezember 2008 und 16. Februar 2009 vorgesehene Begrenzung der von Privatheimen gegenüber ihren EL-bezugsberechtigten Insassen angewandten Tarife (E. 7 und 8). Gleichwohl hebt das Bundesgericht die angefochtenen Beschlüsse nicht auf, da sie sich auch auf kantonalrechtliche Bestimmungen stützen, deren Verletzung von den beschwerdeführenden Heimen nicht gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG vorgebracht und begründet wurde (E. 10).

136 I 1 (2C_52/2009) from 13. Januar 2010
Regeste: Art. 8 Abs. 1, Art. 27, 36 Abs. 1 Satz 2 BV; Art. 10 TSchG, Art. 28 Abs. 2 TSchV; Verbot des Erwerbs, der Zucht und des Zuzugs von Hunden mit erhöhtem Gefährdungspotenzial. Kantonale Zuständigkeit zum Erlass von sicherheitspolizeilich motivierten Zuchtvorschriften (E. 3). Kantonale Vorschriften, welche sich zur Regelung eines Erwerbs-, Zucht- und Zuzugsverbots von Hunden mit erhöhtem Gefährdungspotenzial auf Rassetypen abstützen, verletzen das Rechtsgleichheitsgebot nicht (E. 4). Einschränkungen von Zuchtverboten müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Dabei ist nicht nur der Wortlaut der Bestimmung massgebend, sondern das gesamte Auslegungsresultat (E. 5.3). Vorschriften zum Schutz der Bevölkerung nach Massgabe der Gefährlichkeit der Hunde verletzen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Konkurrenten nicht, auch wenn sie sich für Züchter verschiedener Hunderassen unterschiedlich auswirken (E. 5.5).

136 I 17 (2C_195/2009) from 23. November 2009
Regeste: Art. 8 Abs. 1, Art. 26 und 27 BV; Schutz vor Passivrauchen, abstrakte Normenkontrolle. Eintretensvoraussetzungen (E. 1 und 2). Das Rauchen von Wasserpfeifen fällt unter die bernische Gesetzesregelung über den Schutz vor Passivrauchen (E. 2.4). Dass die bernische Gesetzesordnung zum Schutz vor Passivrauchen keine Sonderregelung für den Konsum von Wasserpfeifen in Gaststätten vorsieht, verstösst nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere nicht gegen die Wirtschaftsfreiheit, die Eigentumsgarantie und den Rechtsgleichheitsgrundsatz (E. 3-5).

136 I 29 (2C_283/2009) from 23. November 2009
Regeste: Art. 5 und 27 BV; Schutz vor Passivrauchen, abstrakte Normenkontrolle. Die Regelung im bernischen Verordnungsrecht, wonach die Nutzung des Hauptausschankraums eines Gastgewerbebetriebes als Raucherraum (Fumoir), die Verwendung einer Ausschankeinrichtung im Fumoir sowie der Zutritt zu den Raucherräumen für Personen unter 18 Jahren verboten sind, verstösst nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere nicht gegen die Wirtschaftsfreiheit (E. 3 und 4).

136 I 87 (1C_179/2008) from 30. September 2009
Regeste: Polizeigesetz des Kantons Zürich; Art. 5, 10, 13, 31 und 36 BV, Art. 2, 5 und 8 EMRK. Allgemeine Ausführungen zum Polizeirecht: Legalitätsprinzip (E. 3.1); Grundsatz der Verhältnismässigkeit (E. 3.2); Prüfung kantonaler Normen (E. 3.3); Polizeirecht und Strafprozessrecht (E. 3.4). Schusswaffengebrauch zur Verfolgung von fliehenden Personen, die durch ein schweres Vergehen oder Verbrechen eine besondere Gefährlichkeit oder Gewaltbereitschaft manifestiert haben (E. 4). Personenkontrolle, Identitätsfeststellung und erkennungsdienstliche Massnahmen (E. 5). Polizeilicher Gewahrsam: Dauer des Gewahrsams (E. 6.3). Gerichtlicher Rechtsschutz, Erfordernis eines unmittelbaren Zugangs zu einer richterlichen Behörde (E. 6.4 und 6.5). Polizeiliche Vorführung und Zuführung als besondere Form der Amts- und Vollzugshilfe (E. 7). Überwachung des öffentlichen Raums mit technischen Geräten. Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Überwachungsregelung (E. 8.3) und der Ordnung der Aufbewahrung von Aufzeichnungen (E. 8.4). Überwachung im Rahmen der Strafprozessordnung (E. 8.5).

136 I 184 (2C_407/2009) from 18. Januar 2010
Regeste: Art. 27 und 29 BV; Art. 105 BGG; Art. 1, 10, 11 Abs. 1 lit. f, Art. 13 und 16 in Verbindung mit Art. 66 HMG; Art. 13 und 14 AMZV; Art. 5 AWV; Änderung der Fachinformation für Spedifen®. Anwendung von Art. 105 BGG im Arzneimittelrecht: Welche Wirkungen Präparate haben und was die Studien dazu aussagen, bildet Teil der Sachverhaltsfeststellung (E. 1.2). Prüfungs- und Begründungspflicht des Bundesverwaltungsgerichts in Verfahren gegen Entscheide der Swissmedic (E. 2). Übersicht über die Anforderungen an die Arzneimittelinformation und -werbung: In der Fachinformation sind vergleichende Aussagen zu ähnlichen Produkten nicht ausgeschlossen, wenn sie behandlungsrelevant und wissenschaftlich unzweifelhaft belegt sind, was bei Spedifen® hinsichtlich der Wirkgeschwindigkeit gegenüber anderen Ibuprofenprodukten aufgrund der vorgelegten Studien und des Anwendungsbereichs als nicht hinreichend erwiesen beurteilt werden durfte (E. 3 und 4).

136 I 197 (4A_18/2010) from 15. März 2010
Regeste: Komplementäre Krankenversicherung; Gesetzes- und Verfassungsmässigkeit von Art. 156 AVO, welcher einen Wechsel von einem geschlossenen zu einem offenen Versicherungsbestand erlaubt (Art. 31 VAG; Art. 8, 9 und 27 BV). Art. 156 AVO, der den Schutz von älteren Komplementärversicherten bezweckt, fällt nicht aus dem Rahmen der in Art. 31 VAG vorgesehenen Kompetenzdelegation (E. 4.3). Die Einschränkung der Vertragsfreiheit, die sich aus der Regelung von Art. 156 AVO ergibt, beruht auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage; sie ist durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt und ist hinsichtlich des damit verfolgten Ziels verhältnismässig. Art. 156 AVO steht zudem weder mit dem Gleichbehandlungsgebot noch dem Grundsatz von Treu und Glauben im Widerspruch. Er verletzt die Bundesverfassung nicht (E. 4.4-4.6).

136 I 332 (8C_1065/2009) from 31. August 2010
Regeste: Art. 16 Abs. 2 BV; Art. 10 EMRK; Art. 19 UNO-Pakt II; Art. 116 BGG; § 49 des kantonalzürcherischen Gesetzes über das Arbeitsverhältnis des Staatspersonals; Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit eines öffentlich-rechtlichen Angestellten. Die gegenüber dem Dozenten einer staatlichen Hochschule wegen Verteilung eines Flugblattes an die Mitglieder des Kantonsrates verfügten Massnahmen - Verweis und Entzug einer Leitungsfunktion - stellen eine unzulässige Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit dar (E. 3).

136 II 43 (2C_276/2009) from 22. September 2009
Regeste: Art. 1 Abs. 2 und Art. 23ter Abs. 1 BankG (Fassung vor dem 1. Januar 2009); Art. 3a Abs. 3 lit. a BankV; Art. 10 Abs. 1 und Art. 2 lit. d BEHG; Art. 3 Abs. 2 BEHV; Art. 31 und 37 Abs. 3 FINMAG; Verhältnismässigkeit der aufsichtsrechtlichen Liquidation zweier Firmen, die im Rahmen einer Gruppe finanzmarktrechtlich bewilligungspflichtigen Aktivitäten nachgegangen sind. Bestätigung der Rechtsprechung bezüglich der Aufsichtsbefugnisse der FINMA gegen Finanzintermediäre, die in Verletzung aufsichtsrechtlicher Bestimmungen als Gruppe arbeitsteilig tätig sind (E. 3 und 4.3). Begriff des Emissionshauses (E. 4.1) und der unerlaubten gewerbsmässigen Entgegennahme von Publikumseinlagen (E. 4.2). Eigenkapitalbezogene Selbstemissionen fallen nicht in den Aufsichtsbereich der EBK bzw. der FINMA, auch wenn ein beigezogener Intermediär anderweitig illegal als Emissionshaus auftritt (E. 4-6). Verhältnismässigkeit der aufsichtsrechtlichen Liquidation einer Holdinggesellschaft, die Beziehungen zu einer bewilligungslos als Emissionshaus tätigen Gruppe unterhält und deren Tochtergesellschaften im Immobilienbereich einer eigenständigen Geschäftstätigkeit nachgehen (E. 7).

136 IV 20 (1C_381/2009) from 13. Oktober 2009
Regeste: a Art. 93 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 sowie Art. 84 BGG; Auslieferungshaft, anfechtbarer Entscheid, besonders bedeutender Fall. Ein Entscheid über die Auslieferungshaft stellt einen anfechtbaren Zwischenentscheid dar (E. 1.1). Auch insoweit muss die Eintretensvoraussetzung des besonders bedeutenden Falles gegeben sein. Diese wird bejaht, da sich eine rechtliche Grundsatzfrage stellt (E. 1.2).

136 IV 97 (6B_599/2010) from 26. August 2010
Regeste: Art. 92 StGB und Art. 36 Abs. 1 BV; Unterbrechung des Vollzugs von Strafen und Massnahmen; polizeiliche Generalklausel. Kognition des Bundesgerichts im Verfahren der Beschwerde gegen einen Entscheid, durch welchen die Unterbrechung des Vollzugs einer Strafe oder einer Massnahme verweigert wird (E. 4). Auslegung von Art. 92 StGB; Begriff der "wichtigen Gründe" (E. 5.1); Schranken des Ermessensspielraums der Vollzugsbehörde (E. 5.2). Problematik des länger dauernden Hungerstreiks eines Strafgefangenen; unter bestimmten Voraussetzungen kann die Strafvollzugsbehörde die Zwangsernährung anordnen, mit Rücksicht auf die Subsidiarität der Vollzugsunterbrechung aber nicht, solange keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass einer Gefahr für die Gesundheit des Betroffenen gegebenenfalls nicht durch Zwangsernährung begegnet werden kann (E. 6).

136 IV 145 (1B_44/2010) from 10. November 2010
Regeste: Quellenschutz für Blog-Kommentar auf Internetseite des Schweizer Fernsehens; Art. 17 Abs. 3 BV, Art. 28a StGB. Bedeutung von Redaktionsgeheimnis und Quellenschutz (E. 3.1 und 3.2). Allgemeine Voraussetzungen für die Berufung auf den Quellenschutz (E. 3.3 und 3.4). Begriff der Information; für den umstrittenen Blog-Kommentar kann der Quellenschutz nach Art. 28a StGB in Anspruch genommen werden (E. 3.5-3.8).

136 V 117 (8C_84/2009) from 25. Januar 2010
Regeste: a Art. 44 ATSG; Art. 12 lit. e VwVG; Mitwirkungsrechte bei Begutachtung durch die Rehaklinik Bellikon. Die fachmedizinischen Stellungnahmen der Rehaklinik Bellikon, soweit sie von der SUVA verlangt werden, sind nicht als Gutachten unabhängiger Sachverständiger zu betrachten, weshalb vorliegend Art. 44 ATSG nicht anwendbar ist und sich damit aus dieser Bestimmung auch keine Pflicht zur Gewährung des rechtlichen Gehörs ergeben kann (E. 3.4).

137 I 8 (1B_292/2010) from 23. Dezember 2010
Regeste: Medienfreiheit (Art. 17 BV); Filmaufnahmen in einer Strafanstalt mit einem Insassen. Die Durchführung eines Fernsehinterviews in einer Strafanstalt fällt unabhängig vom konkreten Inhalt des Beitrags in den Schutzbereich der Medienfreiheit (E. 2.5). Im Rahmen der gemäss Art. 36 BV vorzunehmenden Interessenabwägung sind die Interessen an einem sicheren und geordneten Strafvollzug wie auch allfällige Beeinträchtigungen von Rechten Dritter gegen das entgegenstehende Interesse der Beschwerdeführer als Medienschaffende am Porträtieren eines Anstaltsinsassen abzuwägen (E. 2.6).

137 I 31 (1C_428/2009) from 13. Oktober 2010
Regeste: Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen; Art. 10 Abs. 2, Art. 22, Art. 32 Abs. 1, Art. 36 und 49 Abs. 1 BV, Art. 5 Ziff. 1 und Art. 6 Ziff. 2 EMRK, Art. 82 lit. b BGG. Die Bestimmungen des Konkordates über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen (Konkordat) können mit Beschwerde nach Art. 82 lit. b BGG angefochten werden (E. 1.3). Die im Konkordat vorgesehenen Massnahmen (Rayonverbot, Meldeauflage und Polizeigewahrsam) sind polizeilicher Natur (E. 3 und 4). Sie sind mit dem Bundesrecht vereinbar (E. 4) und halten vor der Unschuldsvermutung stand (E. 5). Die Massnahmen beeinträchtigen die persönliche Freiheit und die Versammlungsfreiheit. Das Konkordat stellt eine verfassungsgemässe Grundlage für die Grundrechtseingriffe dar (gesetzliche Grundlage, öffentliches Interesse, Verhältnismässigkeit; E. 6). Der Polizeigewahrsam als Massnahme zur Durchsetzung von Rayonverboten lässt sich unter die von der EMRK zugelassenen Freiheitsbeschränkungen subsumieren (E. 7). Die Empfehlung von Stadionverboten hält vor der Verfassung stand (E. 8).

137 I 167 (2C_230/2010) from 12. April 2011
Regeste: Art. 8 Abs. 1 und 2, Art. 13 Abs. 1 und 2, Art. 27 und 49 Abs. 1 BV; Art. 8 EMRK; DSG; Gesetz des Kantons Genf vom 17. Dezember 2009 über die Prostitution; Rechtsgleichheit und Nichtdiskriminierung, Privatsphäre (Datenschutz) und Wohnsitz, Wirtschaftsfreiheit, Vorrang des Bundesrechts. Darstellung und Konkurrenz der angerufenen verfassungsmässigen Rechte (E. 3). Das gesetzliche Erfordernis, wonach der Betreiber eines Prostitutionsunternehmens oder einer Begleitagentur das vorgängige Einverständnis des Hauseigentümers erlangen muss, um dort seinen Betrieb führen zu können, verstösst gegen die Wirtschaftsfreiheit (E. 4). Verfassungskonforme Auslegung der dem Betreiber auferlegten Verpflichtung, jeglichen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung zu verhindern bzw. zu vermeiden (E. 6), der von den Behörden in den Betrieben durchgeführten Kontrollen (E. 7) und, unter dem Blickwinkel der gesetzlichen Grundlage sowie der Verhältnismässigkeit, des Umgangs mit den prostitutionsbezogenen Personendaten (E. 9). Verfassungsmässigkeit der dem Betreiber gemachten Verpflichtung, ein internes und laufend auf den neuesten Stand gebrachtes Verzeichnis der in seinem Unternehmen tätigen (männlichen oder weiblichen) Prostituierten und der anerbotenen Dienstleistungen zu führen (E. 5). Die der Prostitution eigenen Besonderheiten rechtfertigen Erfassungsmassnahmen und Meldepflichten, die nicht gegen die Verfassung verstossen (E. 8).

137 I 209 (1B_134/2011) from 14. Juli 2011
Regeste: Art. 17 und 36 BV, Art. 6 Ziff. 1 und Art. 10 EMRK, § 135 GVG/ZH, Art. 70 StPO; Medienfreiheit, Gerichtsberichterstattung über eine nicht öffentliche strafgerichtliche Hauptverhandlung. Der Berichterstatter, der sich der gerichtlichen Auflage für den Zugang zur Hauptverhandlung (hier: die Wahrung der Anonymität der Verfahrensbeteiligten) nicht unterzieht, darf davon ausgeschlossen werden (E. 4 und 5).

137 I 218 (6B_849/2010) from 14. April 2011
Regeste: Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Beweisverwertungsverbote. Auswertung einer verloren gegangenen Filmkamera ausserhalb einer abzuklärenden Straftat, um ihren Eigentümer zu ermitteln. Frage offengelassen, ob anlehnend an eine verpönte Beweisausforschung ("fishing expedition") auf diese Weise erlangte Indizien auf eine strafbare Handlung unter ein absolutes Beweisverwertungsverbot fallen (E. 2.3.2). Güterabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Wahrheitsfindung und dem privaten Interesse der angeklagten Person an der Unverwertbarkeit der Beweise (E. 2.3.3-2.3.5). Fernwirkung der rechtswidrig erlangten Beweismittel (E. 2.4).

137 I 327 (8C_272/2011) from 11. November 2011
Regeste: Art. 13 Abs. 1 und Art. 36 BV; Art. 179quater StGB; Art. 43 in Verbindung mit Art. 28 Abs. 2 ATSG; Art. 59 Abs. 5 IVG. Art. 59 Abs. 5 IVG bildet eine genügende gesetzliche Grundlage für die privatdetektivliche Observation in einem von jedermann ohne weiteres frei einsehbaren Privatbereich (in casu: Balkon; E. 5.2). Die Observation muss objektiv geboten sein (E. 5.4.2). Videoaufnahmen der versicherten Person, die sie bei alltäglichen Verrichtungen (Haushaltsarbeiten) auf dem frei einsehbaren Balkon zeigen, verletzen den dabei durch Art. 179quater StGB vorgegebenen Rahmen nicht (E. 6.1 und 6.2).

137 II 371 (2C_719/2010) from 27. Mai 2011
Regeste: Art. 20 BEHG und Art. 46a aBEHV-EBK; Pflicht zur Offenlegung von Beteiligungen und Ausnahmen hievon; Übergangsrecht. Anwendbares Recht: Ob die Beschwerdeführer ihre Beteiligungen an der E. AG im Jahr 2008 melden mussten, beurteilt sich im Lichte von Art. 46a aBEHV-EBK (E. 4). Art. 20 Abs. 5 BEHG stellt eine genügende formell-gesetzliche Grundlage dar, gestützt auf welche die Aufsichtsbehörde eine Übergangsbestimmung betreffend die Meldepflicht in Art. 46a aBEHV-EBK erlassen konnte (E. 5). Die den Beschwerdeführern auferlegte Meldepflicht stellt keinen schweren Eingriff in ihre Privatsphäre dar; es handelt sich dabei um eine übergangsrechtliche Massnahme, welche im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist (E. 6).

137 II 431 (2C_127/2010) from 15. Juli 2011
Regeste: Art. 36 Abs. 1 und Art. 185 Abs. 3 BV; Art. 25 f. BankG; Art. 10 VwVG und Art. 11 des Organisationsreglements FINMA 2008; Zulässigkeit der Herausgabe von Bankkundendaten der UBS an die amerikanischen Behörden durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) im Februar 2009. Inhalt und Stellenwert des Bankkundengeheimnisses im schweizerischen Recht (E. 2.1). Bankenrechtliche Schutzmassnahmen müssen das Bankkundengeheimnis wahren und dürfen nicht dazu dienen, die Kompetenzen der Rechtshilfe- oder Steuerbehörden bzw. die von diesen zu prüfenden, für die amtshilfeweise Aufhebung des Bankkundengeheimnisses erforderlichen Voraussetzungen zu umgehen (E. 2.2 und 2.3). Bejahung der Zulässigkeit der Herausgabe der Kundendaten gestützt auf die polizeiliche Generalklausel (E. 3 und 4). Feststellung des Anscheins einer Befangenheit des damaligen Präsidenten der FINMA (E. 5).

137 IV 13 (1B_25/2011) from 14. März 2011
Regeste: Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO; Haftverlängerung wegen Wiederholungsgefahr. Ein psychiatrisches Gutachten diagnostiziert beim Beschwerdeführer, der das Bestehen eines dringenden und konkreten Tatverdachts gegen ihn betreffend eines Tötungsdeliktes einräumt, eine psychische Störung mit gravierenden dissozialen Persönlichkeitsstrukturen, welche nur mit einer langfristigen Psychotherapie behandelbar sei, der er sich widersetzt. Zudem besteht eine massive und ernsthafte Wiederholungsgefahr, indem die Freilassung des Beschwerdeführers mit erheblichen konkreten Risiken für die öffentliche Sicherheit verbunden wäre (E. 2). Aus einer systematisch-teleologischen Auslegung von Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO ergibt sich, dass es - selbst bei Fehlen von früheren gleichartigen Straftaten - nicht in der Absicht des Gesetzgebers lag, mögliche Opfer von weiteren Gewaltdelikten derartigen Risiken auszusetzen. Angesichts der Besonderheiten des beurteilten Falles erscheint die Sicherheit anderer hier nicht weniger gefährdet als im Falle der Drohung einer Person, sie werde ein schweres Verbrechen ausführen, im Sinne von Art. 221 Abs. 2 StPO. Die Haftverlängerung erweist sich daher als rechtmässig (E. 3 und 4).

137 IV 122 (1B_141/2011) from 16. Mai 2011
Regeste: Haftgrund der Ausführungsgefahr (Art. 221 Abs. 2 StPO); Ersatzmassnahme der Aufenthaltsbeschränkung (Art. 237 Abs. 2 lit. c StPO). Der dringende Tatverdacht (E. 3) und der besondere Haftgrund der Kollusionsgefahr (E. 4) sind zu bejahen. Hingegen liegt keine Ausführungsgefahr gemäss Art. 221 Abs. 2 StPO vor; denn die Möglichkeit der Anordnung von Präventivhaft entfällt, wenn sich die Drohung "lediglich" auf die Ausführung eines Vergehens im Sinne von Art. 10 Abs. 3 StGB bezieht (E. 5.2 und 5.3). Die Aufenthaltsbeschränkung gemäss Art. 237 Abs. 2 lit. c StPO besteht entweder in der Verpflichtung, ein bestimmtes Gebiet nicht zu verlassen (Eingrenzung), oder in jener, eine bestimmte Gegend nicht zu betreten (Ausgrenzung; E. 6.2). Eine Eingrenzung auf ein bestimmtes Gebiet kommt primär bei Fluchtgefahr in Betracht. Geht es demgegenüber darum einer Kollusionsgefahr in Form der möglichen Beeinflussung des mutmasslichen Opfers zu begegnen, genügt in aller Regel eine Ausgrenzung als mildere Massnahme (E. 6.4).

137 IV 180 (1B_222/2011) from 1. Juni 2011
Regeste: Dauer der Sicherheitshaft; Art. 229 Abs. 3 StPO. Auslegung von Art. 229 Abs. 3 StPO nach seinem Wortlaut; dieser verweist auf die analoge Anwendung der Art. 225-227 StPO. Mit oder ohne vorbestehende Untersuchungshaft darf die Sicherheitshaft für längstens 3 Monate (in Ausnahmefällen für 6 Monate) bewilligt bzw. verlängert werden (E. 3.5).

137 IV 189 (1B_412/2010) from 4. April 2011
Regeste: Art. 13 BV; Art. 69 Abs. 1-3 BStP; Entsiegelung. Aufgaben des Entsiegelungsrichters; Schutz der Privatsphäre und Untersuchungsrelevanz von beschlagnahmten elektronischen Dateien (insbesondere privaten Bilddateien); prozessuale Mitwirkungsobliegenheit der Betroffenen; Bestätigung der Praxis; teilweise Gutheissung der Beschwerde (E. 2-5).

137 IV 230 (1B_232/2011) from 12. Juli 2011
Regeste: Art. 81 BGG, Art. 222, 226 Abs. 5 und Art. 388 StPO; Untersuchungshaft, Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen Freilassungsentscheid des Zwangsmassnahmengerichts. Rechtsschutzinteresse der Staatsanwaltschaft an der Beschwerdeführung gegen die Beendigung der Untersuchungshaft (E. 1). Die Beschwerdeinstanz kann ohne vorherige Anhörung der beschuldigten Person die vorläufige Weiterführung der Haft anordnen, wenn dies zum Schutz des Untersuchungszwecks notwendig ist (E. 2.2.1). Die Nichtbehandlung des Gesuchs um vorläufige Weiterführung der Untersuchungshaft führt zur Vereitelung des Beschwerderechts der Staatsanwaltschaft (E. 2.3).

137 IV 237 (1B_273/2011) from 31. August 2011
Regeste: Art. 81 und 93 BGG, Art. 222, 226 Abs. 5 und Art. 387 f. StPO; Untersuchungshaft, Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen einen Freilassungsentscheid des Zwangsmassnahmengerichts, aufschiebende Wirkung. Beschwerde der Staatsanwaltschaft wegen Verweigerung der aufschiebenden Wirkung in Bezug auf eine Beschwerde gegen die Beendigung der Untersuchungshaft. Nicht wieder gutzumachender Nachteil bejaht, da die sofortige Freilassung des Beschuldigten die Fortführung des Strafverfahrens erschweren oder vereiteln kann, wenn ein besonderer Haftgrund vorliegt (E. 1.1). Die wirksame Geltendmachung des Beschwerderechts durch die Staatsanwaltschaft setzt voraus, dass die beschuldigte Person in Haft bleibt, bis die Beschwerdeinstanz über die Weiterführung der Haft (superprovisorisch) entscheiden kann (E. 2.4). In diesem zeitlich begrenzten Umfang ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels Teil des Beschwerderechts der Staatsanwaltschaft (E. 2.5).

137 IV 249 (6B_46/2011) from 27. September 2011
Regeste: a Widerruf der bedingten Strafe; Änderung der Vorstrafe zur Bildung einer Gesamtstrafe in Anwendung von Art. 49 StGB (Art. 46 Abs. 1 Satz 2 StGB). Es widerspricht der ratio legis der Bestimmung von Art. 46 Abs. 1 StGB, eine (rechtskräftige) Vorstrafe zulasten des Verurteilten zu ändern. Das Verfahren ist nicht anwendbar, um eine Vorstrafe in eine schwerere Sanktion umzuwandeln (E. 3.4.3).

137 IV 313 (6B_143/2011) from 16. September 2011
Regeste: Art. 173 StGB; Art. 16 Abs. 2 BV, Art. 10 EMRK; üble Nachrede; Zulassung zum Wahrheitsbeweis; Meinungsäusserungsfreiheit. Einer Person zu unterstellen, sie habe Sympathien für das Nazi-Regime, ist selbst für einen Politiker ehrverletzend. Voraussetzungen von Art. 173 Ziff. 3 StGB für die Zulassung zum Entlastungsbeweis im Sinne von Art. 173 Ziff. 2 StGB (E. 2). Grenzen der Meinungsäusserungsfreiheit in der politischen Diskussion (E. 2.1.4 und 3).

138 I 55 (2C_360/2010) from 22. November 2011
Regeste: Art. 15 BV, Art. 14 KV/BE und Art. 9 EMRK; Finanzierung der Pfarrerlöhne durch den Staat. Abgabepflichten für religiöse Zwecke sind nach dem Wegfall von Art. 49 Abs. 6 aBV anhand der allgemeinen bei der Glaubens- und Gewissensfreiheit geltenden Kriterien zu beurteilen (E. 2). Aufgrund der Allgemeinheit der Steuer kann die Steuerpflicht nicht mit Argumenten bestritten werden, welche die Mittelverwendung durch den Staat betreffen (E. 3).

138 I 123 (2C_449/2011) from 26. April 2012
Regeste: Art. 18 und 70 BV; Sprachenfreiheit; Territorialitätsprinzip; Ausnahme von der Pflicht, die Grundschule an einem privaten Institut in italienischer Sprache zu absolvieren. Die Rechtsprechung führt auch die Befugnis der Kantone, für Privatschulen den Unterricht in der Amtssprache obligatorisch zu erklären, auf das Territorialitätsprinzip zurück. Die Möglichkeit der Kantone, unter Einschränkung der Sprachenfreiheit in diesem Sinne zu legiferieren, beruht auf dem Prinzip der Einheit des Sprachgebiets als ein Teilgehalt des Territorialprinzips (E. 5-7). Die Normen des Tessiner Schulgesetzes, die den Gebrauch der italienischen Sprache in den öffentlichen und, unter gewissen Bedingungen, auch in den privaten Schulen als obligatorisch erklären, stellen zugleich eine Massnahme zur Erhaltung der Identität der italienischsprachigen Schweiz dar. An diesen Normen besteht daher ein erhebliches öffentliches Interesse (E. 8.1-8.3). Die Beschwerdeführer - die für sich offenbar ein selbständiges Recht auf Gebrauch einer beliebigen anderen Sprache in Anspruch nehmen - stellen dem erwähnten öffentlichen Interesse keine privaten Interessen gegenüber, welche die vom Tessiner Gesetzgeber im Schulbereich getroffenen Massnahmen als nachrangig erscheinen lassen (E. 8.4 und 8.5).

138 I 274 (2C_415/2011) from 3. Juli 2012
Regeste: Aushängen von Plakaten im Bahnhof: öffentlich-rechtliche Angelegenheit; Benützung öffentlicher Sachen; Meinungsfreiheit; Zensurverbot; Art. 16 Abs. 2 und Art. 35 Abs. 2 BV; Art. 82 lit. a BGG. Die Regelung der Zulässigkeit und des Umfangs einer ausserordentlichen Nutzung der öffentlichen Sachen i.e.S. ist öffentlich-rechtlicher Natur (Art. 82 lit. a BGG; E. 1.1-1.4). Aushängen von Plakaten zu aussenpolitischen Themen stellt eine Form der Meinungsäusserung dar, die in den Schutzbereich der Meinungsäusserungsfreiheit fällt; die SBB sind grundrechtsgebunden (E. 2.2). Die SBB sehen vor, dass die öffentliche Sache i.e.S. auch ausserordentlich für die Plakatierung genutzt werden kann; das Ausscheiden von Plakatanschlagstellen muss durch die SBB aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung (einschliesslich der zweckmässigen Nutzung der öffentlichen Anlage) erfolgen. Sind die Stellen für den Plakataushang bezeichnet, so ist das einzelne Plakat nur noch unter polizeilichen Gesichtspunkten zu prüfen (E. 2.3). Ein generelles Verbot von Plakaten mit aussenpolitischen Themen ist nicht zulässig (E. 3.4). Das konkrete Plakat ist nicht zu beanstanden (E. 3.5).

138 I 331 (8C_949/2011) from 4. September 2012
Regeste: Art. 12, Art. 13 Abs. 1 und 2 BV; Art. 8 EMRK; abstrakte Normenkontrolle; Sozialhilferecht. Die am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Änderungen des kantonalbernischen Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe (SHG) betreffend Entfallen des Sozialhilfegeheimnisses bei Ermächtigung der betroffenen Person oder der vorgesetzten Stelle zur Auskunftserteilung und bei Anzeige einer Straftat (Art. 8 Abs. 2 lit. a-c SHG), betreffend Einholen einer Vollmacht von den betroffenen Personen (Art. 8b Abs. 3 SHG) sowie betreffend Auskunftspflichten privater Dritter (Art. 8c Abs. 1 lit. c-e SHG) sind verfassungs- und konventionskonform (E. 5-8).

138 I 378 (2C_485/2010) from 3. Juli 2012
Regeste: Art. 27, 51 Abs. 2, Art. 94, 98 Abs. 3, Art. 189 Abs. 4 BV; Art. 1 ff. VVG; Art. 2 VAG; Versicherungsabkommen Schweiz-EU; Wirtschaftsfreiheit; Zulässigkeit einer unternehmerischen Tätigkeit des Staates im Allgemeinen und der Kantonalen Sachversicherung Glarus (Glarnersach) im Besondern; Prüfungsbefugnisse des Bundesgerichts nach Gewährleistung einer Kantonsverfassung durch die Bundesversammlung. Überprüfung einer Kantonsverfassung (E. 5). Tritt ein staatliches Unternehmen mit gleichen Rechten und Pflichten wie ein privater Unternehmer und im Wettbewerb zu diesem auf, so entsteht den Privaten bloss ein weiterer Konkurrent, was keine Einschränkung der individualrechtlichen Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) darstellt, solange das private Angebot durch die staatliche Massnahme nicht geradezu verdrängt wird (E. 6.2). Mit dem Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit (Art. 94 Abs. 4 BV) ist eine unternehmerische Tätigkeit des Staates vereinbar, sofern eine formell-gesetzliche Grundlage besteht, die Tätigkeit im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist und der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität gewahrt bleibt (E. 6.3). Die Ausdehnung des Tätigkeitsgebietes der Glarnersach entspricht dem Willen des Gesetzgebers des Kantons Glarus (E. 7), was im vorliegenden Zusammenhang ein genügendes öffentliches Interesse darstellt, zumal dieses jedenfalls nicht rein fiskalischer Natur ist (E. 8). Die Wettbewerbsneutralität der unternehmerischen Staatstätigkeit verbietet systematische Quersubventionierungen zwischen Monopol- und Wettbewerbsbereich (E. 9.1-9.3). Eine öffentliche Versicherungsanstalt untersteht auch im Wettbewerbsbereich nicht dem Versicherungsaufsichtsgesetz (E. 9.5). Keine Verletzung des Versicherungsabkommens Schweiz-EU (E. 10). Versicherungsverträge im Wettbewerbsbereich unterliegen dem Versicherungsvertragsgesetz (E. 11.2).

138 II 42 (2C_842/2010) from 13. Januar 2012
Regeste: Art. 83 lit. t und Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG; Art. 1 Abs. 2 und Art. 32 des Luftverkehrsabkommens; Art. 4 lit. b und Art. 6 der Verordnung (EG) 1008/2008; Verordnung (EWG) 3922/91 EU OPS 1.003 lit. a Ziff. 1 und EU OPS 1.175 lit. a und i sowie Anlage 2 zu EU OPS 1.175; Zulässigkeit eines "Assessments" für "Postholder". Tragweite des Ausschlussgrunds von Art. 83 lit. t BGG sowie Verzicht auf die Voraussetzung des aktuellen Interesses (E. 1). Verhältnis des schweizerischen zum europäischen Luftrecht sowie Auslegung der europäischen Rechtsgrundlagen; Abgrenzung von behördlichen "approval" und "acceptance actions" (E. 2 und 3). Die Anforderungen, denen ein "Postholder Flight Operations" genügen muss, ergeben sich aus dem europäischen Recht mit hinreichender Klarheit. Ein "Assessment" ist zulässig, ohne dass es zusätzlicher Rechtsgrundlagen im nationalen Recht bedürfte (E. 4).

138 II 267 (2C_790/2011) from 22. März 2012
Regeste: Art. 93 Abs. 2 BV; Art. 59 und 60 Abs. 1 lit. a und b RTVG; Zugang zu Verbreitungsinfrastruktur von Fernsehprogrammen ("Must-Carry"-Verpflichtungen); Aufschaltpflicht für das Jugendprogramm "joiz". Ausnahmsweise kann auch ein Sparten- oder Zielpublikumsprogramm in den Genuss einer Aufschaltverfügung nach Art. 60 Abs. 1 RTVG kommen, wenn es ein originelles und finanziell realisierbares Gesamtprogramm offeriert, das über die bestehenden Angebote hinaus in qualitativ und quantitativ relevanter Weise zur Erfüllung des verfassungsrechtlichen Leistungsauftrags für Radio und Fernsehen beiträgt und die bestehende audiovisuelle Medienlandschaft thematisch sinnvoll ergänzt (E. 2 und 3). Beurteilung des Jugendprogramms "joiz" (E. 4).

138 II 440 (2C_237/2011) from 7. September 2012
Regeste: Art. 27 BV; Art. 8 Abs. 1 lit. d, Art. 12 lit. b und Art. 13 BGFA; Zulässigkeit körperschaftlich organisierter Anwaltskanzleien. Allgemeine Bedeutung von Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA unter Berücksichtigung von Lehre und Praxis sowie der gesetzgeberischen Entwicklungen in der Schweiz und im Ausland (E. 3-12). Tragweite der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) und der institutionellen Unabhängigkeit (Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA) mit Bezug auf Anwaltskörperschaften (E. 13-22). Die institutionelle Unabhängigkeit ist gewahrt, wenn eine Anwaltskörperschaft vollständig durch registrierte Anwälte beherrscht wird (E. 17); Frage offengelassen hinsichtlich Multidisciplinary Partnerships (E. 23). Vereinbarkeit von Anwaltskörperschaften mit der Berufsausübung unter eigener fachlicher Verantwortung gemäss Art. 12 lit. b BGFA (E. 19) und dem Berufsgeheimnis des Art. 13 BGFA (E. 20). Vorkehren zur Wahrung der Unabhängigkeit in der zu beurteilenden Anwalts-AG (E. 23).

138 IV 13 (6B_345/2011) from 17. November 2011
Regeste: Grobe Verletzung von Sitte und Anstand in der Öffentlichkeit (Art. 19 des Strafrechts des Kantons Appenzell A.Rh.), "Nacktwandern"; Gesetzgebungskompetenz der Kantone auf dem Gebiet des Übertretungsstrafrechts (Art. 335 Abs. 1 StGB); Bestimmtheitsgebot (Art. 1 StGB); persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV); Verbotsirrtum (Art. 21 StGB); Strafbefreiung wegen fehlenden Strafbedürfnisses (Art. 52 StGB). Die Kantone sind gestützt auf Art. 335 Abs. 1 StGB befugt, das "Nacktwandern" im öffentlichen Raum unter Strafe zu stellen (E. 3). Eine Norm, welche demjenigen Strafe androht, der "öffentlich Sitte und Anstand grob verletzt", ist hinreichend bestimmt (E. 4). Das "Nacktwandern" kann willkürfrei als grobe Verletzung von Sitte und Anstand qualifiziert werden (E. 5). Der Tatbestand setzt nicht voraus, dass der "Nacktwanderer" auf einen Menschen trifft, der dadurch in seinem Anstandsgefühl verletzt wird (E. 6). Verletzung des Grundrechts der persönlichen Freiheit verneint (E. 7). Verbotsirrtum verneint (E. 8). Keine Strafbefreiung wegen fehlenden Strafbedürfnisses (E. 9).

138 IV 92 (1B_442/2011) from 4. Januar 2012
Regeste: Art. 5 Abs. 2, Art. 222, 224 ff., 388 lit. b und Art. 393 StPO; Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Nichtanordnung der Untersuchungshaft durch das Zwangsmassnahmengericht. Vorgehen der Staatsanwaltschaft, damit sie die Freilassung des Beschuldigten bis zum Entscheid der Verfahrensleitung der Beschwerdeinstanz über die vorsorgliche Inhaftierung während des Beschwerdeverfahrens verhindern kann (E. 3). Lehnt die Verfahrensleitung die vorsorgliche Inhaftierung ab, kann die Staatsanwaltschaft diesen Entscheid nicht beim Bundesgericht anfechten (E. 2).

138 IV 148 (1B_254/2012) from 24. Mai 2012
Regeste: Telefonische Mitteilung des Haftentscheids an die Staatsanwaltschaft, wenn keine Untersuchungshaft angeordnet wird; Art. 222, 225 Abs. 1 und Art. 226 Abs. 2 und 5 StPO; Art. 10 Abs. 2 und Art. 31 BV; Art. 5 EMRK. Beantragt die Staatsanwaltschaft für eine beschuldigte Person die Anordnung bzw. Verlängerung von Untersuchungshaft, kann ihr das Zwangsmassnahmengericht einen negativen Entscheid telefonisch mitteilen, wenn die Staatsanwaltschaft nicht an der Verhandlung vor dem Zwangsmassnahmengericht teilnimmt. Einen gesetzlichen Anspruch darauf hat die Staatsanwaltschaft allerdings nicht. Die vorläufige Fortdauer der Haft, bis die Verfahrensleitung der Beschwerdeinstanz über die vorsorgliche Inhaftierung während des Beschwerdeverfahrens entscheiden kann, ist in einem solchen Fall unter bestimmten Voraussetzungen rechtmässig (E. 3.1-3.4).

139 I 2 (1C_273/2012) from 7. November 2012
Regeste: Art. 34 BV; Stimmrechtsbeschwerde zur Umsetzung einer Planungsinitiative und zu den entsprechenden Erläuterungen des Gemeinderates zuhanden der Gemeindeversammlung. Bei der Umsetzung einer angenommenen Planungsinitiative ist eine Vorlage eines Planerlasses oder von Plananpassungen auszuarbeiten, die dem mit der Initiative angestrebten planerischen Ergebnis entsprechen und grundsätzlich mit dem höherrangigen Recht, insbesondere der Eigentumsgarantie, vereinbar erscheinen. Hinsichtlich des räumlichen Ausmasses einer Umzonung kommt den Gemeindebehörden ein gewisser Ermessensspielraum zu (E. 5). Vereinbarkeit von Abstimmungserläuterungen mit der Garantie der politischen Rechte (E. 6).

139 I 16 (2C_828/2011) from 12. Oktober 2012
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 5, 190 und 121 Abs. 3-6 (Fassung vom 28. November 2010 ["Ausschaffungsinitiative"]) in Verbindung mit Art. 197 Ziff. 8 BV; Art. 62 lit. b, Art. 63 Abs. 1 lit. a und b sowie Abs. 2 AuG; direkte Anwendbarkeit neuer verfassungsrechtlicher Vorgaben, die im Widerspruch zu geltendem Gesetzes- und Völkerrecht stehen? Übersicht über die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und der bundesgerichtlichen Praxis zu beachtenden Kriterien bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit aufenthaltsbeendender Massnahmen von straffällig gewordenen Ausländerinnen und Ausländern (E. 2 und 3). Die mit der Ausschaffungsinitiative am 28. November 2010 in die Bundesverfassung aufgenommenen Abs. 3-6 von Art. 121 sind aufgrund einer der praktischen Konkordanz verpflichteten Auslegung und mangels hinreichender Bestimmtheit nicht direkt anwendbar, sondern bedürfen der Umsetzung durch den Gesetzgeber; sie haben keinen Vorrang vor den Grundrechten oder den Garantien der EMRK. Den vom Verfassungsgeber zum Ausdruck gebrachten Wertungen kann insoweit Rechnung getragen werden, als dies zu keinem Widerspruch zu übergeordnetem Recht bzw. zu Konflikten mit dem Beurteilungsspielraum führt, den der EGMR den einzelnen Konventionsstaaten bei der Umsetzung ihrer Migrations- und Ausländerpolitik zugesteht (E. 4 und 5).

139 I 37 (2C_195/2012) from 2. Januar 2013
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 13 Abs. 1 und Art. 29 Abs. 1 BV; Art. 34 Visakodex (Verordnung [EG] Nr. 810/2009); Art. 5, 10 und 17 AuG; Art. 6 und 11 VZAE; Art. 2, 4, 15 i.V.m. 16 VEV; Weigerung der Migrationsbehörde, ein Familiennachzugsgesuch zu prüfen, bei Heirat im Rahmen eines Schengenvisums zu Besuchszwecken. Die Anwendung von Art. 17 Abs. 1 AuG, wonach der Bewilligungsentscheid grundsätzlich im Ausland abzuwarten ist, muss grundrechtskonform erfolgen (E. 2). Der Anspruch auf Familiennachzug fällt nicht dahin, wenn während der Gültigkeit des Schengenvisums zu Besuchszwecken geheiratet wird, weshalb die zuständige Migrationsbehörde verpflichtet ist, auf rechtzeitiges Gesuch hin das Bewilligungsverfahren zu eröffnen und den Familiennachzug zu prüfen. Ergeht kein positiver erstinstanzlicher Entscheid während des bewilligungsfrei zulässigen Aufenthalts, hat die betroffene Person den Bewilligungsentscheid im Ausland abzuwarten, es sei denn, die Zulassungs- bzw. Bewilligungsvoraussetzungen könnten im Sinne von Art. 17 Abs. 2 AuG als mit grosser Wahrscheinlichkeit erfüllt gelten (E. 3). Beurteilung des konkreten Falles (E. 4).

139 I 180 (6B_182/2013) from 18. Juli 2013
Regeste: Art. 1, 74 f., 81 Abs. 1 und Art. 90 Abs. 3 StGB, Art. 7 und 10 BV, Art. 7 Ziff. 1 EMRK; Arbeitspflicht im Straf- und Massnahmenvollzug. Die Verpflichtung des Gefangenen zur Arbeit gilt unabhängig von seinem Alter (E. 1). Sie verletzt weder Bundes- noch Verfassungsrecht (E. 2). Die Arbeitspflicht für Eingewiesene gemäss Art. 90 Abs. 3 StGB dient dem Vollzug der Massnahme und stellt keine zusätzliche Bestrafung dar (E. 3).

139 I 218 (8C_962/2012) from 29. Juli 2013
Regeste: Sozialhilfe; Recht auf Existenzsicherung (Art. 12 BV; Art. 29 Abs. 1 KV/BE). Die Ausrichtung materieller Hilfe darf mit der Auflage verbunden werden, einen zeitlich befristeten Arbeitseinsatz an einem sog. Testarbeitsplatz zu leisten (E. 4.2). Diese Massnahme ist weder unverhältnismässig noch stellt sie eine Verletzung der persönlichen Freiheit dar (E. 4.3). Der Einsatz am Testarbeitsplatz ist als zumutbare Arbeit zu betrachten (E. 4.4). Hat die betroffene Person die Möglichkeit, die Stelle jederzeit anzutreten und ermöglicht ihr die Teilnahme ein existenzsicherndes Erwerbseinkommen, können die finanziellen Unterstützungsleistungen für die vorgesehene Dauer des Einsatzes vollständig eingestellt werden (E. 5).

139 I 229 (2C_806/2012, 2C_807/2012) from 12. Juli 2013
Regeste: Art. 4, 18 und 70 BV; Art. 3 KV/GR, Art. 2, 7 und 8 der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitssprachen: Der Beschluss der Bündner Regierung vom 5. Dezember 2011, wonach ein Wechsel der Schulsprache vom Rumantsch Grischun zum Idiom oder umgekehrt grundsätzlich nur auf den Beginn der 1. Primarschulklasse erfolgen kann, berührt den Schutzbereich der Sprachenfreiheit nicht und erweist sich auch nicht als konventionswidrig. Die individuelle Sprachenfreiheit garantiert das Recht, sowohl Rumantsch Grischun als auch ein romanisches Idiom zu sprechen (E. 5.4). Einschränkung der Sprachenfreiheit durch das Amtssprachen- und Territorialitätsprinzip (E. 5.5) sowie durch die staatliche Festlegung der Unterrichtssprache (E. 5.6). Der Verfassungsbegriff des "Rätoromanischen" lässt offen, ob damit "Rumantsch Grischun" oder die Idiome gemeint sind (E. 5.7). Daher ist der Schutzbereich der Sprachenfreiheit durch den angefochtenen Beschluss nicht berührt (E. 5.8 und 5.9). Der Charta der Regional- oder Minderheitssprachen ist hinreichend Rechnung getragen worden (E. 6).

139 I 280 (2C_794/2012) from 11. Juli 2013
Regeste: Kopftuchverbot für Schülerinnen; gesetzliche Grundlage. Das Verbot des Tragens eines Kopftuches an der Schule ist ein schwerer Eingriff in das Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit, der einer formellgesetzlichen Grundlage bedarf; die allgemeine Volksschulgesetzgebung des Kantons Thurgau stellt keine solche Grundlage dar (E. 5).

139 I 306 (2C_1032/2012) from 16. November 2013
Regeste: Art. 10 EMRK; Art. 16 Abs. 2, Art. 17, 35 Abs. 2 sowie Art. 93 Abs. 3 BV; Art. 4-6, 94, 95 Abs. 3 lit. b und Art. 97 Abs. 2 lit. b RTVG; Grundrechtsbindung der SRG im Werbebereich; "Was das Schweizer Fernsehen totschweigt". Die Weigerung der SRG bzw. der publisuisse SA, eine Werbebotschaft auszustrahlen, kann mit Zugangsbeschwerde bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio- und Fernsehen (UBI) angefochten werden; gegen deren Entscheid steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (E. 1). Bei ihrem privatrechtlichen Handeln im Werbebereich ist die SRG grundrechtsgebunden. Sie hat dabei insbesondere (auch) dem ideellen Gehalt der Freiheitsrechte Rechnung zu tragen. Die blosse Befürchtung, eine umstrittene (ideelle) Werbung könnte ihrem Ruf abträglich sein, stellt kein hinreichendes Interesse dar, die Ausstrahlung eines ihr gegenüber kritischen Werbespots zu verweigern, solange der Auftraggeber nicht widerrechtlich handelt (E. 3-5).

139 II 28 (1C_262/2011) from 15. November 2012
Regeste: a Restwassersanierung nach Art. 80 Abs. 1 GSchG. Sanierungsmassnahmen sind Eigentumsbeschränkungen, die die Voraussetzungen von Art. 36 BV erfüllen, d.h. im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein müssen. Der Gesetzgeber hat im Rahmen von Art. 80 Abs. 1 GSchG die Interessenabwägung in generell-abstrakter Weise vorgenommen und entschieden, dass Sanierungen bis zur Entschädigungsschwelle einem überwiegenden öffentlichen Interesse entsprechen und zumutbar sind (E. 2.7.1). Sanierungen sind zulässig, soweit hierdurch nicht in die Substanz bestehender wohlerworbener Rechte eingegriffen wird. Ob ein staatlicher Eingriff die Substanz respektiert, beurteilt sich nach der verbleibenden oder fehlenden wirtschaftlichen Tragbarkeit des Eingriffs für den Träger des Rechts. Das Kriterium der wirtschaftlichen Tragbarkeit ist darauf gerichtet, den Wert rechtmässig getätigter Investitionen zu bewahren (E. 2.7.2). Zur Bestimmung des Umfangs der Sanierungspflicht ist es sachgerecht, von der durchschnittlichen Produktion der Werkanlagen über einen genügend langen, repräsentativen Zeitraum auszugehen. Im Weiteren sind die möglichen Sanierungsmassnahmen und deren ökologisches Potenzial zu evaluieren und die auf die einzelnen Massnahmen entfallenden Produktionseinbussen und Erlösminderungen konkret zu ermitteln. Alsdann ist ein sinnvolles Massnahmenpaket zusammenzustellen und zu bestimmen, ob dieses den Rahmen der zulässigen Einschränkungen ausschöpft, ohne ihn zu überschreiten. Bei einer Sanierung im Sinne von Art. 80 Abs. 1 GSchG ist diejenige Variante zu wählen, welche unter Berücksichtigung der Grenze der wirtschaftlichen Tragbarkeit das optimale ökologische Nutzenverhältnis bzw. ökologische Potenzial aufweist (E. 2.7.3). Zur Ermittlung des Umfangs der trag- bzw. zumutbaren Einschränkungen ist auf die konkreten betrieblichen Verhältnisse des konzessionierten Werks abzustellen. Zu berücksichtigen sind insbesondere der Gewinn, die Konzessionsdauer und der Umfang der bereits erfolgten Abschreibungen. Bei guter bis sehr guter Ertragslage und entsprechend abgeschriebenen Anlagen können sich Sanierungsmassnahmen rechtfertigen, die Produktions- bzw. Erlösminderungen von über 5 % zur Folge haben (E. 2.7.4).

139 II 185 (2C_347/2012, 2C_357/2012) from 28. März 2013
Regeste: Art. 4, 5, 19, 20, 21, 22, 65, 67, 70, 71 und 72 KEG, Art. 2 und 21 ENSIG, Art. 49 VwVG, KEV, ENSIV, VKNS, Art. 94 StSV, Gefährdungsannahmen- und Ausserbetriebnahmeverordnung. Bewilligungspflicht für den Betrieb von Kernanlagen, Voraussetzungen für Erteilung, Inhalt und Entzug der Betriebsbewilligung, allgemeine Pflichten des Bewilligungsinhabers, Aufsichtsbehörden und deren Aufgaben und Befugnisse (E. 4). Zuständigkeiten von Bewilligungs-, Aufsichts- und Rechtsmittelbehörden (E. 9). Verhältnis von Bewilligungs-, Aufsichts- und Bewilligungsentzugsverfahren; Voraussetzungen für die Befristung einer Betriebsbewilligung (E. 10). Anforderungen (zweistufiger Ansatz) an die nukleare Sicherheit im Normal- und Auslegungs- und auslegungsüberschreitendem Störfall sowie an Nachrüstungen (E. 11). Überprüfung des Vorwurfs der ungenügenden Prüfung durch das UVEK (E. 12). Zulässigkeit der Forderung eines Instandhaltungskonzepts durch die Vorinstanz (E. 13). Überprüfung einzelner Sicherheitsfragen: Kernmantel (E. 14.2), Erdbebengefährdung (E. 14.3), Kühlung (E. 14.4).

139 II 404 (2C_269/2013) from 5. Juli 2013
Regeste: Art. 43, 84a, 89 Abs. 1 und Art. 103 BGG; Art. 6 EMRK; Art. 26 DBA-USA 96; internationale Amtshilfe in Steuerfragen mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Verfahrensgrundsätze: Anwendbares Recht und Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (E. 1). Beschwerdelegitimation des Kontoinhabers und des wirtschaftlich Berechtigten (E. 2). Keine aufschiebende Wirkung der Beschwerde von Gesetzes wegen (E. 4). Keine Möglichkeit der nachträglichen Ergänzung der Beschwerdeschrift (E. 5). Die strafprozessualen Garantien sind auf das Verfahren der internationalen Amtshilfe in Steuerfragen nicht anwendbar (E. 6). Ein gerichtliches Urteil über die Verweigerung der Amtshilfe entfaltet nur eine eingeschränkte materielle Rechtskraft und hindert den ersuchenden Staat nicht, ein neues, verbessertes Gesuch in der gleichen Sache zu stellen (E. 8). Auf Rechtsmittel, die stellvertretend für einen Dritten eingereicht werden, ist nicht einzutreten (E. 11). Verfahren betreffend die internationale Amtshilfe in Steuerfragen sind Streitigkeiten mit Vermögensinteresse (E. 12). Gruppenanfragen: Auf ein auf das DBA-USA 96 gestütztes Amtshilfegesuch, welches die Namen der betroffenen Steuerpflichtigen nicht erwähnt, ist grundsätzlich einzutreten, sofern die Darstellung des Sachverhalts genügend detailliert ist, um einen Verdacht auf Betrugsdelikte und dergleichen zu ergeben und die Identifikation der gesuchten Personen zu ermöglichen (E. 7.2). Der nicht namentlich genannte Informationsinhaber muss mit einem für den ersuchten Staat zumutbaren Aufwand identifiziert werden können (E. 7.3). Betrugsdelikte und dergleichen: Die von den Vereinigten Staaten von Amerika erhobene Quellensteuer auf Zinsen und Dividenden aus amerikanischen Wertschriften fällt in den Anwendungsbereich des DBA-USA 96 (E. 9.2). Begriff der Betrugsdelikte und dergleichen gemäss Art. 26 DBA-USA 96 (E. 9.3-9.5). Die vom IRS beschriebene Vorgehensweise der betroffenen Steuerpflichtigen erfüllt die Anforderungen des Abgabe- und des Steuerbetrugs; sie war nicht nur darauf ausgerichtet, die normale Einkommenssteuer der an der Gesellschaft wirtschaftlich berechtigten Personen zu hinterziehen, sondern auch den vom IRS zur Absicherung dieser Einkommenssteuerpflicht eingerichteten Kontrollmechanismus zu hintergehen (E. 9.7 und 9.8); das dazu benutzte Formular hat Urkundencharakter (E. 9.9).

139 IV 186 (1B_36/2013) from 6. März 2013
Regeste: Art. 227 Abs. 7 und Art. 231 Abs. 2 StPO; keine periodische automatische Überprüfung der Sicherheitshaft während des Berufungsverfahrens. Mangels Verweis auf Art. 227 Abs. 7 StPO erfolgt keine periodische Überprüfung der Sicherheitshaft, sobald das Berufungsgericht mit der Sache befasst ist (E. 2).

139 IV 250 (1B_98/2013) from 25. April 2013
Regeste: Art. 90 Abs. 3 und 4, Art. 90a SVG; Art. 196 f., Art. 263 Abs. 1 lit. d StPO; "Via sicura"; Einziehungsbeschlagnahme nach qualifiziert grober Verkehrsregelverletzung (Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit ausserorts um 69 km/h). Die Einziehungsbeschlagnahme setzt (wie bisher) voraus, dass ein konkreter Tatverdacht besteht, die Verhältnismässigkeit gewahrt wird und die Einziehung nicht bereits aus materiellrechtlichen Gründen offensichtlich unzulässig erscheint (E. 2.1). Bei qualifiziert groben Verkehrsregelverletzungen im Sinn von Art. 90 Abs. 3 und 4 SVG dürfte die Einziehungsvoraussetzung von Art. 90a Abs. 1 lit. a SVG in der Regel erfüllt sein. Für die kumulativ zu erfüllende Voraussetzung von lit. b hat das Gericht im Sinne einer Gefährdungsprognose zu prüfen, ob die Einziehung des Tatfahrzeugs geeignet ist, den Täter vor weiteren groben Verkehrswidrigkeiten abzuhalten. In concreto sind beide Voraussetzungen erfüllt (E. 2.3.3 und 2.3.4). Prüfung der Beschlagnahme unter Verhältnismässigkeitsgesichtspunkten (E. 2.4).

139 IV 314 (1B_270/2013) from 22. Oktober 2013
Regeste: Art. 188 Abs. 1 BV; Art. 1, 12 und 13 StPO; Art. 103 f. BGG; Beschwerde in Strafsachen der Staatsanwaltschaft gegen eine (umgehend vollzogene) Haftentlassung durch die Verfahrensleitung des Berufungsgerichts. Anders als bei der Anfechtung eines Haftentlassungsentscheids des Zwangsmassnahmengerichts oder des erstinstanzlichen Strafrichters (E. 2.2), kann mit einer Beschwerde in Strafsachen gegen eine Haftentlassung durch die Verfahrensleitung des Berufungsgerichts in der Regel nicht verhindert werden, dass die Haftentlassung sofort vollzogen wird (E. 2.3).

140 I 2 (1C_176/2013, 1C_684/2013) from 7. Januar 2014
Regeste: Art. 82 lit. b BGG; Änderung des Konkordats über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen, abstrakte Normenkontrolle, Art. 10 Abs. 2, Art. 13 Abs. 2, Art. 35 Abs. 2, Art. 36, 57 und 123 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Polizeirechtliche Natur des Konkordats und Hinweise auf weitere Bestimmungen zur Verhinderung von Gewalt bei Sportveranstaltungen (E. 5). Das Konkordat regelt das polizeiliche Verwaltungshandeln im Hinblick auf Gewalttaten bei Sportanlässen. Die vorgesehenen Massnahmen sind auf das zukünftige Verhalten ausgerichtet und gelangen unabhängig von der strafrechtlichen Beurteilung bereits verübter Gewalttaten zur Anwendung (E. 6). Örtlicher und zeitlicher Geltungsbereich des Konkordats: Die Massnahmen nach dem Konkordat (Rayonverbot, Meldeauflage, polizeilicher Gewahrsam) sind beschränkt auf gewalttätiges Verhalten, das in einem konkreten Zusammenhang mit der Sportveranstaltung und der Anhängerschaft bei einer der Mannschaften steht (E. 7.2). Die Anordnung von konkreten Massnahmen hängt von der Art und Schwere des gewalttätigen Verhaltens ab und muss insbesondere verhältnismässig sein (E. 8). Die Bewilligungspflicht ermöglicht die Anordnung von Auflagen zur Durchführung bestimmter Spiele (E. 9). Verhältnismässigkeit von sog. Kombitickets für die An- und Abreise sowie den Besuch eines Spiels im Gästesektor (E. 9.2). Zulässigkeit einer Pflicht zur Ausweiskontrolle und zum Abgleich mit dem Informationssystem HOOGAN (E. 9.3). Durchsuchung der Besucher von Sportveranstaltungen am Eingang der Stadien und beim Besteigen von Fantransporten (E. 10.1). Übertragung von Durchsuchungsbefugnissen an private Sicherheitsdienste im halböffentlichen Raum vor dem Hintergrund des staatlichen Gewaltmonopols und der Grundrechtsbindung (E. 10.2). Bestimmtheitsgebot in Bezug auf verbotene Gegenstände und Pflicht zur Bekanntmachung bestehender Verbote (E. 10.3). Eignung, Notwendigkeit, Zumutbarkeit und Modalitäten der körperlichen Durchsuchung zur Verhinderung von Gewalttaten (E. 10.4-10.6). Die vorgeschriebene Dauer eines Rayonverbots von mindestens einem Jahr ist mit dem Verhältnismässigkeitsprinzip nicht vereinbar (E. 11.2.2). Anforderungen an den Inhalt und die Eröffnung der Verfügung eines Rayonverbots (E. 11.3). Gesetzliche Grundlage für die Anordnung einer Meldeauflage (E. 12.2). Die Bestimmung, die zwingend eine Verdoppelung der Dauer einer Meldeauflage vorsieht, wenn die Massnahme ohne entschuldbare Gründe verletzt wird, hält vor dem Verhältnismässigkeitsprinzip nicht stand (E. 12.3).

140 I 168 (1C_466/2013) from 24. April 2014
Regeste: Art. 26 Abs. 1 sowie Art. 36 Abs. 1 und 3 BV; Art. 38 und 38a GSchG; Art. 3 und 4 Abs. 2 WBG; Freilegung eines Baches. Unter die Erde verlegter, in einem Rohr mit geringem Fassungsvermögen fliessender Bach; häufige Überschwemmungen hangseits des unterirdischen Teils. Art. 3 und 4 WBG stellen eine hinreichende gesetzliche Grundlage für die Verpflichtung zur Freilegung des Baches im Rahmen einer Änderung des Nutzungsplans dar. Das Gleiche gilt für Art. 38 GSchG (E. 4.1). Die Freilegung des Baches entspricht dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Mit der Vergrösserung der bestehenden Kanalisation liesse sich der angestrebte Schutz vor Überschwemmungen zwar ebenfalls erreichen. Art. 38 Abs. 2 lit. e GSchG sieht jedoch abschliessend die - hier nicht gegebenen - Ausnahmen vom Verbot der Überdeckung von Fliessgewässern vor, so dass das Bundesrecht für diese Alternativmassnahme keinen Raum lässt. Diese Lösung entspricht dem WBG, dem die Bewahrung und Wiederherstellung des natürlichen Verlaufs und der natürlichen Funktionen des Fliessgewässers ebenfalls ein Anliegen ist (E. 4.2).

140 I 176 (2C_1076/2012, 2C_1088/2012) from 27. März 2014
Regeste: Art. 3 i.V.m. Art. 42 BV; Art. 26 Abs. 1 und 2 BV; Art. 36 BV; Art. 75b BV; Art. 127 Abs. 1 und 2 BV; Art. 134 BV; Art. 8a Abs. 2 und 3 RPG; rechtliche Qualifikation und Zulässigkeit einer Abgabe auf unbewirtschaftete Zweitwohnungen. Die im Streit liegende Abgabe ist eine Steuer und keine Kausalabgabe (E. 5). Die Zweitwohnungssteuer bezweckt insbesondere die bessere Auslastung der bereits bestehenden Zweitwohnungen auf dem Gemeindegebiet. Da ein Lenkungseffekt jedenfalls potentiell vorhanden ist, erscheint sie hierzu als grundsätzlich geeignet (E. 6). Die Gemeinde ist zur Einführung dieser Steuer kompetent: Die in der eidgenössischen Volksabstimmung vom 11. März 2012 angenommene Zweitwohnungsinitiative bzw. der damit neu geschaffene Art. 75b BV beinhalten keinen umfassenden und somit abschliessenden Lösungsansatz für die Problematik der sog. "kalten Betten" und stehen der hier streitigen kommunalen Zweitwohnungssteuer mithin nicht entgegen (E. 7.2). Auch bietet das kantonale Recht hinreichende Legiferierungsgrundlagen für die Gemeinde (E. 7.3 und 7.4). Eine Verletzung des Grundsatzes der Allgemeinheit der Besteuerung ist nicht zu erkennen (E. 7.5-7.10). Es ist nicht willkürlich, die Gleichartigkeit von Zweitwohnungssteuer und der ebenfalls erhobenen Liegenschaftensteuer zu verneinen (E. 8). Die Zweitwohnungssteuer bewirkt keine unzulässige Einschränkung der Eigentumsgarantie (E. 9).

140 I 201 (2C_421/2013) from 21. März 2014
Regeste: Art. 8, 9, 23, 35 und 36 BV; Art. 10 des Übereinkommens vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau; Weigerung einer Universität, eine Studentenverbindung, die keine Frauen zur Mitgliedschaft zulässt, anzuerkennen und dieser Leistungen zu erbringen; Rechtsgleichheit; Gleichberechtigung von Mann und Frau; Vereinigungsfreiheit; Lösung von Grundrechtskollisionen. Darf ein Verwaltungsträger, der eine staatliche Aufgabe wahrnimmt und deswegen an die Grundrechte gebunden ist, einer zivilrechtlichen Studentenverbindung den Status als universitäre Vereinigung verwehren und die zugehörigen Leistungen verweigern, weil sie Frauen von der Mitgliedschaft ausschliesst (E. 5)? Eingriff in die universitäre Autonomie (E. 6.1-6.3). Grundrechtskollision, d.h. einerseits die legitime Verwirklichung der Gleichberechtigung von Mann und Frau durch die Universität, anderseits die Vereinigungsfreiheit und rechtsgleiche Behandlung der Studentenverbindungen (E. 6.4 und 6.5). Methodik und Problemlösung im vorliegenden Fall im Sinne des Vorrangs der Vereinigungsfreiheit (E. 6.6-6.8).

140 I 218 (2C_123/2013) from 16. Dezember 2013
Regeste: Art. 3, 27, 49 Abs. 1, Art. 94 und 117 BV; Art. 32, 35, 39, 49a und 56 KVG; Übereinstimmung mit dem übergeordneten Recht (KVG und Wirtschaftsfreiheit) einer kantonalen Bedürfnisklausel, wonach der Erwerb von medizinischen Grossgeräten im stationären oder ambulanten, öffentlichen oder privaten Bereich bewilligungspflichtig ist. Die kantonale Regelung, die - unter Berücksichtigung des im Kanton bestehenden medizinischen Bedürfnisses - den Erwerb von medizinischen Grossgeräten, vorliegend ein CT-Scan oder ein MRT, der Bewilligungspflicht unterwirft, um einerseits die Gesundheit der Patienten zu schützen (grundsätzlich in der Zuständigkeit der Kantone verbleibende Aufgabe) und andererseits die Gesundheitskosten besser zu kontrollieren (vom Bund nicht erschöpfend geregelt), verletzt den Grundsatz des Vorranges des Bundesrechts nicht; Durchlässigkeit zwischen den privaten Finanzierungssystemen (ausserhalb Spitalplanung) und dem KVG betreffend medizinische Grossgeräte (E. 5). Vorliegend verletzt die Verweigerung des Kantons, die Inbetriebnahme eines MRT und eines CT-Scan durch eine nicht in die kantonale Spitalplanung einbezogene Klinik zu bewilligen, weder die Wirtschaftsfreiheit noch den Grundsatz der Wirtschaftsordnung noch die Gleichbehandlung direkter Konkurrenten (E. 6).

140 I 257 (2C_701/2013) from 26. Juli 2014
Regeste: Art. 28 Abs. 1 BV; Koalitionsfreiheit im öffentlichen Dienst; Kriterien zur Anerkennung einer Gewerkschaft als Sozialpartner im Bereich der ETH. Eine Gewerkschaft kann die Koalitionsfreiheit anrufen, um Ansprüche auf Teilnahme an Tarifverhandlungen oder auf den Abschluss eines Tarifvertrags mit einem öffentlichen Arbeitgeber geltend zu machen (E. 5.1.1), soweit sie als Sozialpartner anerkannt werden kann. Dies setzt voraus, dass sie hinreichend repräsentativ ist und sich loyal verhält (E. 5.2.1 und 5.2.2). Kriterien für die Beurteilung, ob eine Gewerkschaft als repräsentativ einzustufen ist (E. 6.1). Prüfung des Kriteriums der Loyalität, deren Vorhandensein vermutet werden muss (E. 6.2). Im vorliegenden Fall Ermessensmissbrauch und Verletzung der Verhältnismässigkeit mit Bezug auf die Kriterien der Repräsentativität (E. 6.3.2-6.3.5).

140 I 353 (1C_653/2012) from 1. Oktober 2014
Regeste: Art. 13 Abs. 1 und Art. 123 Abs. 1 BV, Art. 8 EMRK; Polizeigesetz des Kantons Zürich; verdeckte Vorermittlung, Chatroom-Überwachung, Schutz des Post- und Fernmeldeverkehrs. Zuständigkeit der Kantone zur Regelung der präventiven Polizeitätigkeit, die nicht an einen Tatverdacht anknüpft und sich nicht auf die Strafprozessordnung des Bundes stützt (E. 5). Übersicht über die Regelung der verdeckten Vorermittlung und der Informationsbeschaffung im Internet gemäss dem Polizeigesetz (E. 6). Verdeckte Vorermittlung: Die kantonale Bestimmung (§ 32e PolG/ZH) bezieht sich auf schwere Delikte im Sinne von Art. 286 Abs. 2 StPO. Für die Durchführung wird auf die Art. 151 und 287-298 StPO verwiesen. Damit wird verhindert, dass die verdeckten Vorermittler als "agents provocateurs" tätig werden. Die Regelung entspricht den rechtsstaatlichen Anforderungen in Bezug auf die richterliche Genehmigung sowie die Verfahrensrechte und den Rechtsschutz der betroffenen Personen (E. 7). Chatroom-Überwachung: § 32f Abs. 2 PolG/ZH lässt die Überwachung der Kommunikation auf virtuellen Kommunikationsplattformen zu, die nur einem beschränkten Benutzerkreis zugänglich sind (sog. Closed User Groups). Eine solche Informationsbeschaffung kann mit einem Eingriff in die Privatsphäre und in das Fernmeldegeheimnis verbunden sein (E. 8.4). Sie betrifft grundsätzlich alle Benutzer dieser Kommunikationsmittel. Es handelt sich um eine sehr weit gehende Überwachungsmethode, die das Sammeln und Auswerten von Informationen aus den Privatbereichen einer Vielzahl von Personen erlaubt, gegen die überhaupt kein Verdacht für rechtswidriges Verhalten vorliegt (E. 8.7.2.1). Die Bestimmung ist mit dem Verhältnismässigkeitsprinzip nicht vereinbar, weil keine richterliche Genehmigung der Überwachung vorgeschrieben ist, keine nachträgliche Mitteilung an die Betroffenen erfolgt und ihnen auch kein Rechtsschutz gewährt wird (E. 8.7.2.4). Hinweis auf die Bestimmungen der StPO zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (E. 8.8).

140 I 381 (1C_518/2013) from 1. Oktober 2014
Regeste: Art. 13 Abs. 1 BV, Art. 8 EMRK; Genfer Polizeigesetz; Observation, verdeckte Fahndung und verdeckte Vorermittlung; Schutz der Privatsphäre. Umschreibung der Observation, der verdeckten Fahndung und der verdeckten Vorermittlung im Sinne des Genfer Polizeigesetzes (E. 4.2). Diese drei Massnahmen stellen eine Beeinträchtigung des Schutzes der Privatsphäre dar (E. 4.3), die auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage basiert (E. 4.4). Sie respektieren jedoch das Prinzip der Verhältnismässigkeit im engeren Sinne nicht, da keine nachträgliche Information der observierten Person (Gründe, Form und Dauer) und kein Beschwerderecht vorgesehen sind; die Regelung über die nachträgliche Information kann indessen Ausnahmen vorsehen. Wie bei der Observation ist bei einer verdeckten Fahndung eine Genehmigung durch die Staatsanwaltschaft oder durch den Richter erforderlich, wenn die Massnahme länger als einen Monat dauert; bei der verdeckten Vorermittlung ist eine Genehmigung durch den Richter ab Beginn der Massnahme notwendig (E. 4.5).

140 II 33 (1C_250/2013) from 12. Dezember 2013
Regeste: Vorsorgliche Begrenzung von Lichtemissionen (Weihnachts- und ganzjährige Zierbeleuchtung) gestützt auf Art. 11 Abs. 2 und Art. 12 Abs. 2 USG. Rechts- und Beurteilungsgrundlagen (E. 4). Öffentliches Interesse an der Begrenzung von Lichtemissionen im Allgemeinen (E. 5.4) und insbesondere im Nachtruhefenster zwischen 22.00 und 06.00 Uhr (E. 5.5). Die ganzjährige Zierbeleuchtung wurde auf die Zeit bis 22.00 Uhr begrenzt. Dies schränkt die Eigentumsgarantie und allfällige andere Grundrechte der Beschwerdeführer nur geringfügig ein und ist verhältnismässig (E. 5.6- 5.8). Die Weihnachtsbeleuchtung wurde auf die Zeit vom 1. Advent bis zum 6. Januar begrenzt und darf bis 01.00 Uhr des Folgetags betrieben werden. Damit wurde dem privaten Interesse der Beschwerdeführer wie auch der Tradition der Advents- und Weihnachtsbeleuchtung ausreichend Rechnung getragen (E. 6). Keine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots (E. 7).

140 II 65 (1C_835/2013) from 14. Februar 2014
Regeste: Art. 27 Abs. 1 sowie Art. 41 Abs. 1 BüG; Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung. Erklärt der Bewerber im Einbürgerungsverfahren wahrheitswidrig unter Verschweigen von noch unentdeckten Straftaten, die schweizerische Rechtsordnung einzuhalten, erfüllt er die Voraussetzungen der Nichtigerklärung der nachmaligen Einbürgerung. Dies verstösst nicht gegen das Verbot der Selbstanzeige, da es sich um ein freiwillig eingeleitetes Verfahren handelt und das Einbürgerungsgesuch jederzeit zurückgezogen werden kann. Die Nichtigerklärung muss verhältnismässig sein (E. 2-4).

140 IV 28 (1B_231/2013) from 25. November 2013
Regeste: Art. 248 Abs. 1 StPO; Berechtigung zum Siegelungsantrag. Zum Zweck eines wirksamen Geheimnisschutzes ist das Recht auf Siegelung gemäss Art. 248 Abs. 1 StPO auf die Berechtigung, sich nach Art. 264 Abs. 3 StPO gegen eine Beschlagnahme zu wehren, abzustimmen. Berechtigt im Sinne von Art. 248 Abs. 1 StPO, die Siegelung zu beantragen, sind Personen, welche unabhängig der Besitzverhältnisse ein rechtlich geschütztes Interesse an der Geheimhaltung des Inhalts der Aufzeichnungen haben (E. 4.3.4). Die Strafbehörde hat vor der Durchsuchung der Aufzeichnungen von Amtes wegen den geheimnisschutzberechtigten Personen die Möglichkeit einzuräumen, ein Siegelungsbegehren zu stellen (E. 4.3.5).

140 IV 74 (1B_105/2014) from 24. April 2014
Regeste: a Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG; Beschwerderecht. Behandlung der Beschwerde trotz Wegfalls des aktuellen praktischen Interesses während des bundesgerichtlichen Verfahrens (E. 1.3).

141 I 20 (2C_97/2014) from 13. Dezember 2014
Regeste: Art. 26, 36, 54 Abs. 2 und Art. 184 Abs. 3 BV; Art. 7e RVOG; Verordnung über Massnahmen gegen gewisse Personen aus der Arabischen Republik Ägypten (Ägypten-V); Weigerung, den Namen des Beschwerdeführers von der Liste der Ägypten-V zu streichen; Blockierung der (potentiellen) Vermögenswerte in der Schweiz. Die Weigerung, den Namen des Beschwerdeführers von der Liste der Ägypten-V zu streichen, was die Sperrung aller Vermögenswerte in der Schweiz zur Folge hat, bildet einen Eingriff in die Eigentumsgarantie. Die Voraussetzungen nach Art. 184 Abs. 3 und Art. 36 BV sind nicht identisch; deren Gehalt ist jeweils separat zu prüfen (E. 4). Voraussetzungen von Art. 184 Abs. 3 BV; Vorliegen einer genügenden gesetzlichen Regelung (E. 5). Die Einschränkung der Grundrechte des Beschwerdeführers verfolgt ein öffentliches Interesse (E. 6.1) und ist noch verhältnismässig (E. 6.2 und 6.3).

141 I 172 (2C_1006/2014) from 24. August 2015
Regeste: Art. 9, 29 Abs. 1 und Art. 29a BV; Art. 86 Abs. 3 BGG; Art. 110 DBG und Art. 39 Abs. 1 StHG; Art. 320 StGB. Oberaufsicht des Parlaments über die Verwaltung; Steuergeheimnis; Ausnahme von der Rechtsweggarantie; Willkürverbot und Verbot formeller Rechtsverweigerung. Überweisung von Steuerdossiers der beschwerdeführenden Steuerpflichtigen durch die kantonale Regierung an die parlamentarische Geschäftsprüfungskommission, die eine Untersuchung über angebliche Missstände in der Verwaltung führt. Der Ausschluss der Zuständigkeit der kantonalen Gerichtsbehörden für die Prüfung der Ausübung der parlamentarischen Oberaufsicht verletzt weder das Willkürverbot (E. 4.3) noch die Rechtsweggarantie; die Oberaufsicht trägt überwiegend politische Züge, was den Kantonen erlaubt, eine Ausnahme von der Rechtsweggarantie vorzusehen (E. 4.4 und 4.5). Da die Ausübung der Oberaufsicht die Beschwerdeführenden nicht direkt in ihren Rechten berührt und diese nicht glaubhaft machen konnten, dass eine für sie nachteilige atypische Verfahrensart vorliegt, konnten sie von der Regierung nicht zulässigerweise verlangen, es sei ihnen eine beschwerdefähige Verfügung über die Aufhebung des Steuer- und Amtsgeheimnisses der Verwaltung zuzustellen (E. 5).

141 I 201 (2C_1058/2014) from 28. August 2015
Regeste: Art. 13, 16 und 36 BV; gesetzliche Grundlage für Grundrechtseingriffe. Die unbefristete Auflage an einen Verfügungsadressaten, wonach er den Inhalt der Verfügung nur mit Zustimmung der FINMA herausgeben oder zugänglich machen darf, stellt einen schweren Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht und die Meinungsäusserungsfreiheit dar. Die FINMA verfügt über keine ausreichende gesetzliche Grundlage für einen solchen Eingriff (E. 4).

141 II 103 (2C_455/2014) from 27. Januar 2015
Regeste: Art. 10 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 lit. d BEHG; Mindestumsatzvolumen von 5 Mia. Fr. gemäss FINMA-Rundschreiben 2008/5 vom 20. November 2008 als Voraussetzung der Bewilligungspflicht für das gewerbsmässige Effektengeschäft auf eigene Rechnung. Mit dem Kriterium des jährlichen Mindestumsatzvolumens soll die Bewilligungspflicht für den gewerbsmässigen Effektenhandel auf eigene Rechnung auf das Effektengeschäft beschränkt werden, das durch seine Grösse die Funktionsfähigkeit des Marktes gefährden kann. Dieses Kriterium ist bundesrechtskonform (E. 3). Die Festsetzung des Schwellenwertes von 5 Mia. Fr. basiert auf der Überlegung, dass das Effektengeschäft unabhängig von den tatsächlich eingegangenen Risiken ab einem bestimmten Umsatzvolumen die Funktionsfähigkeit des Marktes gefährden kann. Das bestehende, zwar schematisierende, aber eindeutige Raster lässt keinen Raum für die beantragte Einzelgeschäftsrisikoprüfung (E. 5).

141 II 141 (2C_300/2014) from 9. Februar 2015
Regeste: Art. 4 Abs. 1 lit. a und b, Art. 5, 6, 13 und 14 StromVG sowie Art. 11 Abs. 1 und 4 StromVV, Art. 68 Abs. 3 BGG; Rechte und Pflichten der Verteilnetzbetreiber, der Arealnetzbetreiber und der Endverbraucher in Arealnetzen. Ein Arealnetz ist kein Verteilnetz und untersteht dem StromVG nicht. Rechte und Pflichten der Verteilnetzbetreiber gelten deshalb nicht für Arealnetze. Das StromVG gewährt zwar allen Endverbrauchern einen Anspruch auf Grundversorgung resp. Netzzugang; es regelt aber nicht, wie Endverbraucher, die nicht direkt, sondern über ein Arealnetz an das Verteilnetz angeschlossen sind, diesen Anspruch geltend machen können (E. 3). Keine abschliessende Regelung im StromVG. Aus Art. 6 Abs. 1 StromVG ergibt sich eine Lieferpflicht der Verteilnetzbetreiberin an feste Endverbraucher, aber kein Liefermonopol. Der Verteilnetzbetreiber ist aufgrund des StromVG nicht verpflichtet, Strom zum Weiterverkauf zu liefern (E. 4 und 5.1). Die Verteilnetzbetreiberin hat Anspruch auf ein Netznutzungsentgelt für die Energie, die sie an ein Areal liefert. Wer dieses bezahlt, ist aus Sicht des StromVG unerheblich und kann vertraglich geregelt werden (E. 5.2). Keine Bündelung innerhalb des Areals (E. 5.3). Durchleitungspflicht des Arealnetzbetreibers (E. 5.4)? Anspruch der Netzbetreiberin auf Parteientschädigung (E. 7).

141 II 280 (2C_701/2014, 2C_713/2014) from 13. April 2015
Regeste: Art. 68 Abs. 2 lit. b und d ZPO; Art. 1-3 BGBM; Art. 27 BV; Befugnis von Rechtsagenten zur gewerbsmässigen Vertretung vor Gericht in einem anderen Kanton als sie zugelassen sind; Verhältnis zwischen BGBM und Art. 68 Abs. 2 lit. b und d ZPO; Wirtschaftsfreiheit. Tragweite des BGBM und die Auswirkungen dieser Gesetzgebung auf die Ausübung eines kantonal anerkannten Berufs anhand des Beispiels der Rechtsagenten nach dem Recht des Kantons Waadt (E. 5). Auslegung von Art. 68 Abs. 2 lit. b und d ZPO i.V.m. Art. 68 Abs. 2 lit. a ZPO. Diese bundesrechtlichen Bestimmungen gehen denjenigen des BGBM vor (E. 6-8). Gewerbsmässige Vertretung von Parteien vor Gericht. Vereinbarkeit mit der Wirtschaftsfreiheit (E. 9).

141 III 328 (5A_443/2014) from 14. September 2015
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 2, 3 und 7 KRK; Art. 119 Abs. 2 lit. d BV; Art. 4 FMedG; Art. 27 Abs. 1, Art. 32 und 70 IPRG; Art. 45 Abs. 2 Ziff. 4 und Art. 252 Abs. 1 ZGB; Art. 7 und 8 ZStV; Anerkennung und Eintragung ausländischer Geburtsurkunden ins Personenstandsregister bei Leihmutterschaft; Ordre public. Eine kalifornische Geburtsurkunde kann nicht anerkannt werden, wenn die verurkundeten Kindesverhältnisse zu genetisch nicht verwandten Eltern in Umgehung des schweizerischen Leihmutterschaftsverbotes entstanden sind (E. 2-8).

141 IV 77 (1B_330/2014) from 21. November 2014
Regeste: Art. 13 BV; Art. 8 EMRK; Art. 171 Abs. 1 und 2, Art. 197 Abs. 1 lit. c und d sowie Abs. 2, Art. 248 und 264 Abs. 1 lit. b und c sowie Abs. 3 StPO; Arzt- und Patientengeheimnis, Entsiegelung von ärztlichen Aufzeichnungen und Unterlagen. Wenn der von den Zwangsmassnahmen unmittelbar betroffene Arzt selbst beschuldigt ist, bildet sein Berufsgeheimnis zwar kein absolutes gesetzliches Beschlagnahme- und Entsiegelungshindernis. Damit erhobene ärztliche Unterlagen von der Staatsanwaltschaft durchsucht und ausgewertet werden dürfen, müssen sie jedoch zunächst einen engen Sachzusammenhang zum Gegenstand der Strafuntersuchung aufweisen bzw. für den angestrebten Untersuchungszweck unentbehrlich sein. Bei der Abwägung der sich gegenüberstehenden Strafverfolgungs- und Geheimnisschutzinteressen ist weiter zu berücksichtigen, dass Zwangsmassnahmen, die auch in die Grundrechte nicht beschuldigter Personen eingreifen, besonders zurückhaltend einzusetzen sind. Bei ärztlichen Aufzeichnungen (insbesondere Krankengeschichten mit Anamnese-, Diagnose- und Therapieverlaufsberichten) fällt ins Gewicht, dass sie regelmässig sehr sensible höchstpersönliche Informationen aus der Intim- und Privatsphäre von Patientinnen und Patienten enthalten, die von Art. 13 BV in besonderem Masse geschützt sind, weshalb nicht pauschal sämtliche vertraulichen Patienteninformationen eines beschuldigten Arztes zur Durchsuchung an die Staatsanwaltschaft freigegeben werden dürfen, solange keine Entbindung vom Arztgeheimnis erfolgt ist. Im Rahmen der Gesamtbeurteilung der Verhältnismässigkeit der konkreten Zwangsmassnahmen ist auch der Schwere der untersuchten Delikte Rechnung zu tragen. Im vorliegenden Fall wurde das kantonale Zwangsmassnahmengericht (in teilweiser Gutheissung der Beschwerde des beschuldigten Arztes) angewiesen, eine Triage der sichergestellten ärztlichen Unterlagen vorzunehmen. Bei den für die Strafuntersuchung unentbehrlichen ärztlichen Aufzeichnungen und Gegenständen hat vor einer Freigabe zur Durchsuchung an die Staatsanwaltschaft eine Anonymisierung der Namen von betroffenen Patientinnen und Patienten zu erfolgen (E. 4 und 5).

141 IV 305 (6B_978/2014) from 23. Juni 2015
Regeste: Illegaler Abbruch eines schützenswerten Einfamilienhauses; Verjährung der Einziehung bei Übertretungen; Berechnung der Ersatzforderung; Art. 26 und 36 Abs. 3 BV; Art. 97 Abs. 3, Art. 70 f. und 109 StGB. Verjährung der Einziehung bei Übertretungen (E. 1). Anwendung des Brutto- oder Nettoprinzips bei der Festlegung einer Ersatzforderung (Zusammenfassung und Bestätigung der Rechtsprechung; E. 6.3.3). Kognition des Bundesgerichts bei Ersatzforderungen in Anwendung kantonalen Rechts (E. 6.4). Der Beschwerdeführer liess das Einfamilienhaus im Wissen um die verweigerte Entlassung des Objekts aus dem kommunalen Inventar der schützenswerten Kulturobjekte abreissen, um darauf eine gewinnbringende Überbauung vornehmen zu können. Nicht als willkürlich oder unverhältnismässig zu beanstanden ist unter diesen Umständen, wenn die Kosten des Abbruchs, d.h. der eigentlichen Straftat, und der Wert des abgebrochenen Gebäudes bei der Berechnung der Ersatzforderung nicht zum Abzug zugelassen werden. Unerheblich war, dass im Zeitpunkt des Einziehungsentscheids noch nicht mit letzter Sicherheit feststand, ob das Immobilienprojekt mit der höheren Ausnutzung überhaupt verwirklicht werden kann (E. 6.5). Ermittlung des Verkehrswerts des unüberbauten Grundstücks nach der Lageklassenmethode (E. 6.6).

141 IV 317 (6B_988/2014 und andere) from 23. Juni 2015
Regeste: Illegaler Abbruch eines schützenswerten Einfamilienhauses; Berechnung der Ersatzforderung gegenüber Drittbetroffenen; Art. 26 und 36 Abs. 3 BV; Art. 70 f. StGB. Illegaler Abbruch eines schützenswerten Einfamilienhauses durch einen Eigentümer und Vertreter des Baukonsortiums, wobei die weiteren Eigentümer (Drittbetroffene) das Haus bloss auf legale Weise zerstören wollten. Kognition des Bundesgerichts bei Ersatzforderungen in Anwendung kantonalen Rechts (E. 5.4). Anwendung des Brutto- oder Nettoprinzips bei der Festlegung einer Ersatzforderung (Zusammenfassung und Bestätigung der Rechtsprechung; E. 5.8.2). Das Nettoprinzip drängt sich vorliegend bei der Berechnung der Ersatzforderungen der Drittbetroffenen aus Gründen der Verhältnismässigkeit auf und ist auch mit dem Grundsatz "Verbrechen soll sich nicht lohnen" vereinbar. Es ist daher zumindest der von diesen bezahlte Kaufpreis für das Grundstück bzw. der Marktwert des Grundstücks vor Abbruch des Einfamilienhauses zum Abzug zuzulassen (E. 5.8.3-5.8.5).

141 V 557 (9C_201/2015) from 22. September 2015
Regeste: a Art. 89 Abs. 1 KVG; Zuständigkeit des kantonalen Schiedsgerichts. Im Rechtsstreit zwischen einem Arzt und einer Krankenkasse, die ihn im Rahmen einer Versicherung mit eingeschränkter Wahl des Leistungserbringers im Sinne von Art. 41 Abs. 4 und 62 Abs. 1 KVG nicht als Hausarzt anerkennen will, entscheidet das kantonale Schiedsgericht in Angelegenheiten der Krankenversicherung (E. 2).

141 V 688 (8C_897/2014) from 22. Oktober 2015
Regeste: Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 und Art. 6 Abs. 2 und 6 Anhang I FZA; Art. 6 lit. h des Gesetzes des Kantons Wallis über die Eingliederung und die Sozialhilfe (GES); Art. 12 des Ausführungsreglementes zum GES (ARGES): kantonalrechtliche Konkretisierung der im FZA vorgesehenen Möglichkeit, Personen von der Sozialhilfe auszuschliessen, welche nur über eine Kurzaufenthaltsbewilligung (Ausweis L) verfügen; Gesetzmässigkeitsprinzip. Soweit sich Art. 12 ARGES direkt auf Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Anhang I FZA stützen kann und nur eine einfache Umsetzung direkt aus dem FZA resultierender, allgemein anerkannter Prinzipien darstellt, bedarf es keiner präziseren gesetzlichen Grundlage als Art. 6 lit. h GES (E. 4).

142 I 1 (8C_455/2015) from 8. März 2016
Regeste: a Art. 12 BV; grundrechtlicher Anspruch auf Nothilfe bei Nichtteilnahme an nicht entlöhntem Beschäftigungsprogramm. Wird die Nothilfe (im Sinne des absolut Notwendigen) wegen Nichtbefolgung der Weisung, an einem Beschäftigungsprogramm teilzunehmen, verweigert, verstösst dies, wenn die Teilnahme am Programm nicht entlöhnt wäre und das Subsidiaritätsprinzip daher nicht zur Anwendung gelangt, gegen Art. 12 BV (Bestätigung und Präzisierung der Rechtsprechung; E. 7.1-7.2.4, 7.2.6). Frage, ob die Nothilfe wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der sie beanspruchenden Person verweigert werden könnte, weiterhin offengelassen (E. 7.2.5). Erwägungen zu denkbaren anderen Sanktionen (etwa Erbringung der Nothilfe in Naturalleistungen; Verbindung von Auflagen/Weisungen mit einer Strafandrohung) bei renitentem Verhalten der Nothilfe beanspruchenden Person (E. 7.2.5).

142 I 26 (1C_118/2015) from 8. Dezember 2015
Regeste: Bestimmung des Kantons Tessin zum Standort von Mobilfunkantennen; Gewaltenteilungsprinzip und Gemeindeautonomie; Einschränkung der Informationsfreiheit und der Wirtschaftsfreiheit (Art. 16 Abs. 3, 27 und 36 BV). Die angefochtene, von der Kantonsregierung erlassene Bestimmung verlangt die Festlegung des Standorts von Mobilfunkantennen innert einer Übergangsfrist von zehn Jahren. Dies verletzt das Gewaltenteilungsprinzip und die Gemeindeautonomie im Bereich der Raumplanung (E. 3.3-3.7). Möglichkeiten für Gemeinden und Kanton, den Standort von Mobilfunkanlagen mittels raumplanerischer Massnahmen und Bauordnung festzulegen (E. 4.2). Die umstrittene Regelung sieht ein Kaskadenmodell vor, welches undifferenziert auf das gesamte Kantonsgebiet anwendbar sein soll. Sie garantiert keine ausreichende Mobilfunkversorgung und ist nicht verhältnismässig zum Schutz bestimmter Wohnzonen in den einzelnen Gemeinden (E. 4.3-4.5).

142 I 49 (2C_121/2015) from 11. Dezember 2015
Regeste: Art. 15 BV; Art. 9 EMRK; Art. 18 UNO-Pakt II und Art. 2 lit. i KV/SG; Art. 36 BV; Art. 5 KV/SG. Kopftuchverbot für Schülerinnen an einer öffentlichen Schule; unzulässiger Eingriff in die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Leitprinzipien der Glaubens- und Gewissensfreiheit; Inhalt des Grundrechts (E. 3). Überblick über die Rechtsprechung zu religiösen Verhaltensweisen der Schüler an öffentlichen Schulen (E. 4.2 und 4.3) und zur Verwendung von religiösen Symbolen durch die Schule selbst (E. 4.4). Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR und einzelner ausländischer Verfassungsgerichte (E. 4.5). Eingriff in den Schutzbereich der Glaubens- und Gewissensfreiheit; Anforderungen an die Einschränkung des Grundrechts (E. 5 und 6). Gesetzliche Grundlage (E. 7); Erfordernis der einschlägigen öffentlichen Interessen (E. 8); Prüfung der Verhältnismässigkeit (E. 9 und 10).

142 I 76 (1C_86/2015, 1C_87/2015) from 20. April 2016
Regeste: Art. 26 und 27 BV, Gesetz über das Wohnungswesen und den Mieterschutz des Kantons Genf (LGL); Vorkaufsrecht zugunsten des Kantons und der Gemeinden; Ausübung dieses Rechts in Bezug auf ein bereits bestehendes Gebäude. Voraussetzungen zur Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Gemeinde (E. 3.1 und 3.2) und Kognition des Bundesgerichts (E. 3.3). Prüfung der gesetzlichen Grundlage und des öffentlichen Interesses: Übersicht über die Rechtsprechung (E. 3.4.1); in Anbetracht der Wohnungsnot und des geringen Potenzials des Wohnungsbaus in der Gemeinde ist die Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts im vorliegenden Fall durch die Möglichkeit gerechtfertigt, das bestehende Gebäude aufzustocken und Sozialwohnungen zu errichten (3.4.2 und 3.4.3). Prüfung der Verhältnismässigkeit: Bestätigung der vom kantonalen Gericht vorgenommenen Interessenabwägung angesichts der Zurückhaltung, welche sich das Bundesgericht in diesem Bereich auferlegt (E. 3.5).

142 I 99 (2C_689/2015) from 31. März 2016
Regeste: Art. 27, 29 Abs. 1, Art. 76 Abs. 2 und 4, Art. 94 Abs. 4 BV; Art. 60 Abs. 3bis WRG; die revidierten Bestimmungen zur Sondernutzungskonzession nach dem Wassernutzungsrecht des Kantons Uri, insbesondere zur Konkurrenzsituation bei der Verleihung der Konzession, sind bundesrechtlich nicht zu beanstanden (abstrakte Normenkontrolle). Grundsatzkompetenz des Bundes zur Regelung der Wassernutzung bei gleichzeitiger Gewässerhoheit der Kantone. Diese sind daher befugt, die öffentlichen Gewässer entweder selber zu nutzen oder das Recht zur Nutzung konzessionsweise an Dritte zu verleihen. Keine bundesrechtliche Pflicht, vor der beabsichtigten Konzedierung des Nutzungsrechts eine öffentliche Ausschreibung durchzuführen (E. 2.2). Kein Rechtsanspruch der Interessenten auf Erteilung der Sondernutzungskonzession und daher keine Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1 EMRK auf das Verfahren der Konzessionserteilung (E. 2.3). Die Gewässerhoheit stellt ein kantonales Regal dar, weshalb die Verfügungsmacht über die öffentlichen Gewässer vom Anwendungsbereich der Wirtschaftsfreiheit ausgenommen ist. Die Konzedierung liegt im pflichtgemässen Ermessen der Konzessionsbehörde (E. 2.4). Die konkrete Ausgestaltung der Konzessionserteilung nach der revidierten Gewässernutzungsverordnung des Kantons Uri vom 19. November 2014 entspricht den bundesrechtlichen Vorgaben, namentlich was die Befristung von Konkurrenzofferten (E. 3), die Berücksichtigung des öffentlichen Wohls, insbesondere das Kriterium der Beteiligung der öffentlichen Hand (E. 4), das Verfahren und die Zuständigkeit betrifft (E. 5). Verhältnis von abstrakter und konkreter Normenkontrolle (E. 4.3.5).

142 I 121 (1C_230/2015) from 20. April 2016
Regeste: Art. 10 Abs. 2, Art. 16 Abs. 1 und 2, Art. 22, Art. 31 Abs. 1 und 4 sowie Art. 36 Abs. 1 und 2 BV; Art. 5 Ziff. 1, Art. 10 sowie 11 EMRK; polizeiliche Festhaltung eines potenziellen Teilnehmers einer bevorstehenden unbewilligten Demonstration. Die rund zweieinhalbstündige Festhaltung des Beschwerdeführers im Rahmen einer polizeilichen Einkesselung sowie die anschliessende knapp dreieinhalbstündige Festhaltung zur sicherheitspolizeilichen Überprüfung stellten gesamthaft betrachtet einen Freiheitsentzug im Sinne von Art. 31 BV dar und waren mit einer Einschränkung in die Bewegungsfreiheit, die Versammlungsfreiheit und allenfalls die Meinungsfreiheit verbunden (E. 3.1). Gesetzliche Grundlage für die polizeiliche Festhaltung (E. 3.2 und 3.3). Die Festhaltung des Beschwerdeführers lag im öffentlichen Interesse (E. 3.4) und war unter den gegebenen Umständen verhältnismässig (E. 3.5). Der mit der Festhaltung des Beschwerdeführers verbundene Freiheitsentzug war im Sinne von Art. 5 Ziff. 1 lit. b und c EMRK gerechtfertigt (E. 3.6).

142 I 135 (2C_207/2016) from 2. Mai 2016
Regeste: Art. 5 Ziff. 1 und Ziff. 4 EMRK, Art. 10 Abs. 2 und Art. 31 Abs. 4 BV, Art. 76a und Art. 80a AuG, Art. 83 lit. d Ziff. 1 BGG; Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts betreffend die Anordnung von Administrativhaft durch das SEM; Anspruch auf möglichst rasche richterliche Prüfung der Haft; Haftvoraussetzungen im Dublin-Verfahren. Gegen die Anordnung von Administrativhaft ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auch dann zulässig, wenn die Haft in funktionellem Zusammenhang mit einem Asylverfahren steht und die richterliche Haftprüfung nicht durch eine kantonale Vorinstanz, sondern durch das Bundesverwaltungsgericht erfolgte (E. 1). Verlangt der Betroffene erstmals die richterliche Prüfung der Haftanordnung, hat diese so rasch wie möglich zu erfolgen. Die 8-tägige Frist gemäss Art. 80a Abs. 4 AuG betrifft nicht die erstmalige richterliche Prüfung der Haft, sondern die Beurteilung eines späteren Haftentlassungsgesuchs (E. 3). Allein der Umstand, dass eine Person in einem anderen Dublin-Staat ein Asylgesuch gestellt hat, rechtfertigt eine Haft nicht. Für eine Haftanordnung gestützt auf Art. 76a AuG müssen konkrete Anzeichen einer erheblichen Gefahr des Untertauchens bestehen (E. 4).

142 I 162 (1C_140/2016) from 9. November 2016
Regeste: Art. 27 und 94 BV; Vereinbarkeit einer Tourismuszone mit der Wirtschaftsfreiheit. Übersicht über die Rechtsprechung zur Vereinbarkeit raumplanerischer Massnahmen mit der Wirtschaftsfreiheit (E. 3.3). Gesetzliche Grundlage (E. 3.4). Öffentliches Interesse (E. 3.5). Verhältnismässigkeit (E. 3.6). Gleichbehandlung der Konkurrenten (E. 3.7).

142 I 195 (2C_66/2015) from 13. September 2016
Regeste: Art. 8 Abs. 1, Art. 10 Abs. 2, Art. 13 Abs. 1, Art. 15 und 36 BV; Art. 8 und 9 EMRK; Art. 35a des Gesundheitsgesetzes des Kantons Neuenburg. Gesetzliche Verpflichtung der staatlich subventionierten gemeinnützigen Einrichtungen, den begleiteten Suizid bei sich zu dulden; Widerstreit zwischen der Freiheit, die Form und den Zeitpunkt des eigenen Lebensendes selbst zu wählen, und der Glaubens- und Gewissensfreiheit; Grundsatz der Rechtsgleichheit. Übersicht über die Gesetzgebung und Rechtsprechung zum begleiteten Suizid und zum Recht auf Selbstbestimmung (E. 3 und 4). In der Interessenabwägung überwiegt die Freiheit der Bewohner und Patienten des betroffenen Pflegeheims, den Zeitpunkt und die Form ihres Lebensendes selbst zu wählen, gegenüber der Glaubens- und Gewissensfreiheit der Genossenschaft, die Trägerin des Pflegeheims ist (E. 5). Die Zusprechung von Subventionen kann mit geeigneten Bedingungen verbunden werden; demzufolge ist das Gebot der Rechtsgleichheit nicht verletzt, wenn nur die anerkannten gemeinnützigen Einrichtungen (nicht aber jene, die nicht anerkannt sind) eine externe Unterstützung zum Zweck der begleiteten Suizidhilfe zulassen müssen (E. 6).

142 I 216 (1C_844/2013) from 3. Juni 2016
Regeste: Art. 4 Abs. 6 und Art. 5 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung; Ungültigerklärung der Verfassungsinitiative zum Zusammenschluss von Agglomerationsgemeinden des Sopraceneri durch den Grossen Rat wegen Verletzung übergeordneten Rechts bestätigt. Auslegung einer kantonalen Volksinitiative; Vereinbarkeit mit übergeordnetem Recht (E. 3). Konkret verlangt die Initiative - die bewusst keine vorgängige Konsultation der betroffenen Gemeinden vorsieht - die unmittelbare Fusion von Locarno mit 17 und von Bellinzona mit 16 umliegenden Gemeinden. Begründung des Grossen Rats für die Ungültigerklärung (E. 4). Die Grenzen von kommunalen Gebietskörperschaften werden durch Art. 5 der Charta geschützt. Diese unmittelbar anwendbare Norm, die sich - anders als Art. 4 Abs. 6 - nicht auf die Behörden, sondern auf die Gemeindebevölkerung bezieht, verlangt eine vorgängige Befragung der Stimmbürger der betroffenen Gemeinden. Diese Garantie muss unabhängig von der gewählten Art der Fusion und ihrer Rechtsnatur eingehalten werden (E. 7). Die Volksabstimmung über die Initiative auf Kantonsebene genügt nicht zur Einhaltung von Art. 5 der Carta - der Zwangsfusionen nicht grundsätzlich entgegensteht -, weil die Stimmbürger der betroffenen Gemeinden nicht vorab konsultiert worden sind. Die von den Initianten verlangte nachträgliche Organisation von Konsultativabstimmungen durch die betroffenen Gemeinden und die kantonalen Behörden bedürfte einer gesetzlichen Grundlage; im Übrigen würde dies die Initiative verfälschen und dem Willen ihrer Unterzeichner widersprechen (E. 8).

142 II 243 (2C_739/2015) from 25. April 2016
Regeste: Art. 3 lit. a, Art. 33 FINMAG; Art. 29 Abs. 2 BV; Art. 35, Art. 61 VwVG; Art. 9 Abs. 2 aBankV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Art. 14 Ziff. 3 lit. g UNO-Pakt II. Verfahren auf Erlass eines finanzmarktrechtlichen Berufsverbots; Selbstbelastungsverbot. Eine im Verfahren gegen die Beaufsichtigte ergangene Verfügung kann der für die Beaufsichtigte tätigen oder tätig gewesenen natürlichen Person im anschliessend gegen sie geführten Verfahren nicht im Sinne einer rechtskräftig beurteilten Vorfrage entgegengehalten werden (E. 2). Anforderungen an die Begründungsdichte im Falle von aufsichtsrechtlich relevanten Unterlassungen (E. 3.1). In auf Auferlegung eines Berufsverbots gerichteten Verfahren kann auf Aussagen abgestellt werden, welche die natürliche Person im gegen die Beaufsichtigte geführten Verfahren getätigt hat: Das Selbstbelastungsverbot steht einer Verwertung dieser Aussagen nicht entgegen, weil das Berufsverbot hinsichtlich seiner Art und Schwere eine wirtschaftspolizeirechtlich motivierte Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit und nicht eine strafrechtliche Anklage i.S.v. Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist (E. 3.2-3.4).

142 IV 29 (1B_419/2015) from 21. Dezember 2015
Regeste: Art. 226 Abs. 4 lit. c, Art. 227 Abs. 5, Art. 237 Abs. 1 StPO; Anordnung von Ersatzmassnahmen an Stelle der Untersuchungshaft. Das Zwangsmassnahmengericht kann keine Untersuchungshaft anordnen, wenn die Staatsanwaltschaft lediglich Ersatzmassnahmen beantragt hat (E. 3).

142 IV 105 (6B_640/2015) from 25. Februar 2016
Regeste: Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB; stationäre therapeutische Behandlung von psychischen Störungen, Beginn der fünfjährigen Dauer. Der mit der stationären Behandlung verbundene Freiheitsentzug im Sinne von Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB umfasst auch den Freiheitsentzug zwischen der rechtskräftigen sowie vollstreckbaren Massnahmeanordnung und dem effektiven Behandlungsbeginn (E. 4 und 5).

142 IV 367 (1B_365/2016) from 24. Oktober 2016
Regeste: Art. 237 StPO; Ersatzmassnahmen an Stelle der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft. Die Aufzählung der Ersatzmassnahmen in Art. 237 Abs. 2 StPO ist nicht abschliessend (E. 2.1). Wenn die Untersuchungshaft Flucht- oder Wiederholungsgefahr zu bannen bezweckt, stellt der auf einer vorgängigen Verurteilung basierende Vollzug einer Freiheitsstrafe grundsätzlich eine angemessene Ersatzmassnahme dar (E. 2.2). Im Rahmen des Strafvollzugs sind unter gewissen Voraussetzungen Vollzugserleichterungen denkbar, wenn mindestens die Hälfte der Freiheitsstrafe verbüsst ist (vgl. z.B. Art. 77a Abs. 1, Art. 84 Abs. 6 oder Art. 86 Abs. 4 StGB). Daraus ergibt sich aber nicht, dass der Beschuldigte freizulassen ist. Der Haftrichter kann nämlich im Sinne einer Bedingung zur Ersatzmassnahme die Versetzung in Untersuchungshaft vorsehen, wenn der Vollzug vorgängiger Verurteilungen bzw. der Vollzugserleichterung die Freilassung des Beschuldigten zur Folge hat, bevor das Verfahren abgeschlossen ist, das Anlass zur Versetzung in Untersuchungshaft gegeben hat (E. 2.2).

143 I 21 (2C_27/2016) from 17. November 2016
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 3, 9 und 18 KRK; Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 36 BV; Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG; Art. 273 Abs. 1, 298a Abs. 1 und 2, 301 Abs. 1bis, 301a ZGB; ausländerrechtlicher Familiennachzug unter dem neuen zivilrechtlichen Sorge- und Betreuungsrecht. Beim nachehelichen Härtefall im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AuG stehen die Interessen der gemeinsamen Kinder der Eheleute, deren Beziehung gescheitert ist, im Vordergrund und nicht jene von Kindern aus einer den Behörden verschwiegenen Parallelbeziehung (E. 4). Anspruch auf Schutz des Familienlebens bei umgekehrtem Familiennachzug: Interessenabwägung in Bezug auf eine Mutter, welche die Kinder mehrheitlich betreut und über das gemeinsame Sorgerecht mit dem Vater verfügt, dem ein gefestigtes Anwesenheitsrecht zusteht (E. 5). Im konkreten Fall wird der Nachzug verweigert, da der Vater lediglich einen "besuchsrechtsähnlichen" Umgang mit den Kindern pflegt (keine alternierende Obhut), er seinen finanziellen Pflichten diesen gegenüber nicht in einer Weise nachgekommen ist, dass von einer Kompensation der Geld- durch eine entsprechende Naturalleistung gesprochen werden könnte, die Mutter ihrerseits ohne absehbare Aussichten auf Besserung auf Sozialhilfeleistungen angewiesen ist und die Migrationsbehörden im Zusammenhang mit ihrem Aufenthalt getäuscht wurden (E. 6).

143 I 37 (2C_647/2015) from 11. November 2016
Regeste: Art. 5 Abs. 2, 27 und 94 BV; Parkservice ("Valet-Parken") auf dem Internationalen Flughafen Genf; Verwaltungsvermögen; Wirtschaftsfreiheit; Verhältnismässigkeit; Gleichbehandlung direkter Konkurrenten. Die Parkplätze, die im Eigentum des Internationalen Flughafens Genf stehen, gehören zu dessen Verwaltungsvermögen; er kann deren Benutzung regulieren und einen nicht zweckkonformen Gebrauch wie das "Valet-Parken" beschränken (E. 6). Keine Berufung auf die Wirtschaftsfreiheit für die Ausübung dieser Tätigkeit; demgegenüber kann sie angerufen werden im Zusammenhang mit der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen; was die Erteilung der Konzession betrifft, ist sie nicht Verfahrensgegenstand (E. 7 und 8). Die Verhältnismässigkeit des Verbots richtet sich nach Art. 5 Abs. 2 BV (E. 7.5).

143 I 73 (2C_826/2015) from 5. Januar 2017
Regeste: Art. 26 BV; Eigentumsgarantie, Verbot der konfiskatorischen Besteuerung, Vermögenssteuer, nicht börsenkotierte Wertpapiere. Präzisierung der Rechtsprechung im Bereich der Vermögenssteuer. Da die Vermögenssteuer die Substanz des Vermögens zum Gegenstand hat und sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gerade durch deren Höhe bestimmt, und da eine Besteuerung nur dann als konfiskatorisch gilt, wenn die Vermögenserträgnisse auf Dauer nicht ausreichen, um die Steuerlast zu decken, kann die verfassungsmässige Eigentumsgarantie nicht bereits dann als verletzt angesehen werden, wenn in einer einzigen Steuerperiode die Steuerlast die Vermögenserträgnisse übersteigt. Insbesondere wenn der Wert der Aktien steigt, weil der Erlös der Gesellschaft thesauriert und nicht verteilt wird und deren Eigenwert ansteigt, ohne dass die Erträge besteuert werden, ist die Steuerlast - selbst wenn diese erheblich ist, aber dennoch geringer als die thesaurierten Erträge ausfällt - nicht als konfiskatorisch zu qualifizieren (E. 5).

143 I 147 (1C_502/2015) from 18. Januar 2017
Regeste: a Art. 16 Abs. 1 und 2 und Art. 22 BV; Meinungs- und Versammlungsfreiheit im Zusammenhang mit der Auferlegung von Kosten bei Kundgebungen auf öffentlichem Grund. Auferlegung von Kosten als Grundrechtseingriff (E. 3.1). Grundzüge der Meinungs- und Versammlungsfreiheit bei Kundgebungen auf öffentlichem Grund (E. 3.2). Abschreckungswirkung bzw. Einschüchterungseffekt ("chilling effect") bei der Ausübung dieser ideellen Grundrechte (E. 3.3).

143 I 194 (1B_349/2016, 1B_350/2016) from 22. Februar 2017
Regeste: Art. 16, 17, 30 Abs. 3 und 36 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Art. 14 UNO-Pakt II; Art. 69 und 70 StPO; § 11 Abs. 2 AEV/ZH; Ausschluss der Medien von der Berufungsverhandlung und Urteilseröffnung. Die rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung des Grundsatzes der Justizöffentlichkeit gebietet, einen Ausschluss des Publikums und der Medienschaffenden in gerichtlichen Strafverfahren nur sehr restriktiv, mithin bei überwiegenden entgegenstehenden Interessen, zuzulassen (E. 3.1). Zur Wahrung gewichtiger Anliegen des Kinder-, Jugend- oder Opferschutzes kommt eine Zugangsverweigerung nur dann in Frage, wenn sich weniger weitgehende Einschränkungen als zweckuntauglich erweisen; sie ist auf diejenigen Verfahrensabschnitte zu beschränken, in denen schwergewichtig besonders sensible Umstände thematisiert werden, die in der Öffentlichkeit auszubreiten den betroffenen Personen nicht zugemutet werden kann (E. 3.6.1). Im vorliegenden Fall verletzte der vollständige Ausschluss der akkreditierten Gerichtsberichterstatterinnen und -erstatter von der Berufungsverhandlung und mündlichen Urteilsverkündung den Grundsatz der Justizöffentlichkeit und die Medien- und Informationsfreiheit, zumal die Interessen am Schutz der Privatkläger nicht gegen die Interessen der Medienschaffenden an der Informationsbeschaffung bzw. -verbreitung und an einer wirksamen Justizkontrolle aufzukommen vermochten (E. 3.6 und 3.7).

143 I 227 (2C_501/2015, 2C_512/2015) from 17. März 2017
Regeste: Art. 29a und 127 BV; Art. 6 EMRK; Gebühren- und Entschädigungstarif des waadtländischen Kantonsgerichts in Verwaltungsangelegenheiten (TFJDA/VD); steuerrechtliche Prinzipien; Kausalabgaben; Rechtsweggarantie. Das Kostendeckungs- und das Äquivalenzprinzip erlauben bei Kausalabgaben eine Aufweichung der Anforderungen des Legalitätsprinzips, sofern die streitbetroffene Bestimmung darauf abzielt oder zum Ergebnis führt, dass die Gesamtheit der Kosten einer staatlichen Leistung auf die jeweiligen Empfänger überwälzt wird. Dies ist bei Gerichtsgebühren nicht der Fall. Aus diesem Grund hat der formelle Gesetzgeber deren Höhe zu begrenzen (E. 4-4.4). Relativierung dieses Grundsatzes angesichts der Besonderheiten der abstrakten Normenkontrolle sowie der Gebührenpraxis der waadtländischen Gerichte (E. 4.5). Die Pflicht zur Bezahlung von verhältnismässigen Gerichtsgebühren verletzt die Rechtsweggarantie nicht (E. 5).

143 I 241 (1B_34/2017) from 18. April 2017
Regeste: Art. 10 Abs. 2, Art. 14, Art. 32 Abs. 1 sowie Art. 36 Abs. 1, 2, 3 und 4 BV; Art. 78 Abs. 1, Art. 80, Art. 81 Abs. 1 und Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; Art. 220 Abs. 2, Art. 235 Abs. 1, 2 und 5 sowie Art. 236 Abs. 1 und 4 StPO; Besuchsrecht unter strafprozessual inhaftierten Lebenspartnern. Sachurteilsvoraussetzungen bei Beschwerden in Strafsachen gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide betreffend den Vollzug von strafprozessualer Haft (E. 1). Vom Besuchsrecht unter Lebenspartnern tangierte Grundrechte; Sicherheitshaft und vorzeitiger Sanktionsvollzug als strafprozessuale Haftarten; gesetzliche Vorschriften und Praxis zum strafprozessualen Haftvollzugs- und Besuchsrecht. Mangels entgegenstehender gewichtiger öffentlicher Interessen haben auch strafprozessuale Häftlinge das Recht auf angemessenen regelmässigen Kontakt zu ihrer Familie, wozu auch unverheiratete Lebenspartner gehören. Dies gilt besonders nach länger andauernder strafprozessualer Haft und Wegfall von Kollusionsgefahr (E. 3). Besondere Konstellation, wenn zwei strafprozessuale Häftlinge in Sicherheitshaft bzw. im vorzeitigen Strafvollzug beantragen, sich gegenseitig besuchen zu dürfen; Verhältnis zwischen den beiden Haftregimes. Im vorliegenden Fall haben die kantonalen Behörden ein angemessenes Besuchsrecht des Beschuldigten in der Haftvollzugsanstalt seiner mitbeschuldigten Lebensgefährtin zu gewährleisten (E. 4).

143 I 253 (1C_214/2016) from 22. März 2017
Regeste: Art. 13 Abs. 2 und Art. 36 Abs. 1 BV, Art. 17 Abs. 2 DSG, Art. 23 FINMAG, Datenverordnung-FINMA; Gesetzmässigkeit der von der FINMA geführten sog. Watchlist. Die Watchlist dient als Hilfsmittel der FINMA, um sicherzustellen, dass nur Personen, die Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten, mit der Verwaltung oder Geschäftsführung von beaufsichtigten Unternehmungen oder Personen betraut werden oder sich daran beteiligen. Die darin aufgenommenen Daten ergeben ein Persönlichkeitsprofil der betroffenen Personen. Die Aufnahme in die Datenbank bewirkt einen schweren Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und bedarf einer formellgesetzlichen Grundlage (E. 3 und 4). Ob auch ein schwerer Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit vorliegt, kann offenbleiben (E. 5). Art. 23 FINMAG stellt eine genügende gesetzliche Grundlage für die Aufnahme von erhärteten Daten zur Person in Verbindung mit zuverlässigen Daten zur Geschäftstätigkeit in die Watchlist dar (E. 6). Die in der Datenverordnung-FINMA vorgesehene Datenbank ist grundsätzlich mit dem Gesetz vereinbar. Bei den im vorliegenden Fall gesammelten Informationen handelt es sich aber nicht um zuverlässige Daten, für die eine rechtmässige Grundlage bestehen würde (E. 7).

143 I 292 (1B_115/2016) from 21. März 2017
Regeste: Art. 113 Abs. 1 und Art. 280 f. i.V.m. Art. 269 ff. StPO; Art. 10 Abs. 2, Art. 13 Abs. 1 und Art. 36 BV; Art. 8 EMRK; Überwachung mit technischen Überwachungsgeräten. Überwachung mit technischen Überwachungsgeräten von Eltern, die beschuldigt werden, ihren beiden Kleinkindern schwere Körperverletzungen zugefügt und eines davon getötet zu haben. Überwachung als rechtmässig beurteilt. Diese war verhältnismässig und verletzte den Kerngehalt der verfassungsmässigen Rechte der Beschuldigten nicht (E. 2).

143 I 310 (1B_118/2016) from 21. März 2017
Regeste: Art. 151 Abs. 2 und Art. 297 Abs. 3 StPO; Art. 13 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 36 BV; Art. 8 EMRK; Entdeckung der verdeckten Ermittlung durch die Beschuldigte, Schutz der verdeckten Ermittler. Für die sofortige und unwiederbringliche Löschung von Bildaufnahmen der verdeckten Ermittler auf Datenträgern der Beschuldigten bestand eine hinreichende gesetzliche Grundlage (E. 3.3). Die Massnahme war jedoch unverhältnismässig. Die Staatsanwaltschaft hätte zumindest Kopien der Aufnahmen sicherstellen und zu den Akten geben müssen (E. 3.4).

143 I 377 (9C_806/2016) from 14. Juli 2017
Regeste: Art. 59 Abs. 5 IVG; Art. 13 BV; Art. 8 EMRK; Zulässigkeit und Verwertbarkeit einer im Invalidenversicherungsverfahren angeordneten Observation. Eine von der IV-Stelle angeordnete Observation entbehrt einer genügenden gesetzlichen Grundlage und verletzt daher Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV (E. 4). Das Beweismaterial, das im Rahmen einer rechtswidrig angeordneten Observation im öffentlich frei einsehbaren Raum gewonnen wurde, ist im Invalidenversicherungsverfahren gestützt auf eine Interessenabwägung zwischen privaten und öffentlichen Interessen verwertbar. In casu überwiegt das erhebliche und gewichtige öffentliche Interesse an der Verhinderung des Versicherungsmissbrauchs den hier relativ bescheidenen Eingriff in die grundrechtliche Position der versicherten Person (E. 5).

143 I 388 (2C_234/2016) from 24. Mai 2017
Regeste: Art. 7, 8, 27 und 94 BV; § 55 des Gesundheitsgesetzes des Kantons Zürich vom 2. April 2007 (GesG/ZH); § 29 Bestattungsverordnung des Kantons Zürich vom 20. Mai 2015; gewerbsmässige Bestattungen ausserhalb von öffentlichen Friedhöfen. Sachlicher Anwendungsbereich der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) (E. 2.1). Das Bestattungswesen ist im Kanton Zürich monopolisiert und als öffentliche Aufgabe der Gemeinde ausgestaltet worden (E. 2.2). Das Monopol beruht mit § 55 GesG/ZH auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage, umfasst sowohl die Erd- wie auch die Feuerbestattung und ist aus sozialpolitischen und polizeilichen Gründen gerechtfertigt, wird doch dem Gemeinwesen aus Gründen der Menschenwürde die Aufgabe übertragen, dafür zu sorgen, dass jeder Verstorbene schicklich begraben werden kann (E. 2.2.1). Das (Selbst-)Bestimmungsrecht über den Leichnam innerhalb der gebotenen Schicklichkeit kann bereits angesichts des zulässigen staatlichen Monopols keinen aus der Wirtschaftsfreiheit fliessenden Anspruch darauf vermitteln, das Bestattungswesen ausserhalb von öffentlichen Friedhöfen nach der Art eines Gewerbes zu betreiben und damit als eine privatwirtschaftliche Erwerbstätigkeit ausüben zu können (E. 2.2.2).

143 I 395 (2C_1142/2016) from 14. Juli 2017
Regeste: Art. 27 und 91 BV, Art. 4 Abs. 2 und Art. 7 ff. EnG, Art. 1, 5, 6, 13 StromVG, Art. 8 Abs. 2 StromVV; es besteht kein Monopol für das Messwesen; die Wahl des Messdienstleisters unterliegt der Wirtschaftsfreiheit des Produzenten. Der Betreiber von Photovoltaikanlagen ist Elektrizitätserzeuger; die zuständige Verteilnetzbetreiberin ist daher verpflichtet, ihn an das Elektrizitätsnetz anzuschliessen. Streitig war, ob der Elektrizitätserzeuger die Messdienstleistungen von der Verteilnetzbetreiberin beziehen muss oder ob er damit einen anderen Dienstleister beauftragen darf (E. 3.1-3.4). Er befindet sich im Schutzbereich der Wirtschaftsfreiheit, weshalb nicht zu fragen ist, ob eine gesetzliche Grundlage für die Liberalisierung des Messwesens besteht, sondern ob eine solche für die Einschränkung dieser Freiheit vorhanden ist. Zwar besteht ein gesetzliches Ausschliesslichkeitsrecht des Netzbetreibers für den Netzbetrieb in seinem Gebiet, im Übrigen aber Wirtschaftsfreiheit; entscheidend ist deshalb die Frage, ob die Messdienstleistungen zum Netzbereich gehören (E. 4.1-4.5). Diese von der Vorinstanz zu Unrecht offengelassene Frage verneint das Bundesgericht und heisst die Beschwerde gut.

143 I 403 (2C_774/2014) from 21. Juli 2017
Regeste: Art. 27, 28 Abs. 1, 36, 49 Abs. 1, 94, 110 und 122 BV; Art. 71 ArG; ELG; Art. 4 AVEG; Art. 342 und 356 ff. OR; Art. 34a KV/NE; abstrakte Normenkontrolle des Gesetzes des Kantons Neuenburg vom 28. Mai 2014 zur Änderung des Gesetzes über die Beschäftigung und die Arbeitslosenversicherung (LEmpl/NE); Verfassungs- und Rechtmässigkeit eines kantonalen Minimallohns. Eine Gesetzesänderung, die für den Kanton Neuenburg einen Mindestlohn bestimmt mit dem Ziel, allen Arbeitnehmenden einen angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen, ohne dass sie Sozialhilfe beanspruchen müssen, und die Armut zu bekämpfen, ist keine wirtschafts-, sondern eine sozialpolitische Massnahme. Sie verstösst nicht gegen den Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit (E. 5.1-5.5). Vereinbarkeit des kantonalen Gesetzes mit dem individualrechtlichen Gehalt der Wirtschaftsfreiheit (E. 5.6 und 5.7) und der Koalitionsfreiheit vor dem Hintergrund der Gesetzgebung über die Gesamtarbeitsverträge (E. 6). Die Einführung eines minimalen Stundenlohns auf kantonaler Ebene verletzt den Vorrang des Bundesrechts weder im Hinblick auf das private noch das öffentliche Arbeitsrecht (E. 7).

143 I 437 (2C_1052/2016, 2C_1053/2016) from 26. April 2017
Regeste: Art. 3, Art. 5 Ziff. 1 lit. f, Art. 8 EMRK; Art. 10 Abs. 3, Art. 25 Abs. 3 BV; Art. 76a, Art. 80a Abs. 5 AuG; Art. 1 Abs. 3, Art. 4 Dublin-Assoziierungsabkommen; Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung. Ein durch das Folterverbot bzw. das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (Art. 3 EMRK) untersagtes Verhalten kann auch in einer Inhaftierung von Kindern in einer nicht kindergerecht ausgestalteten Umgebung liegen, wodurch sowohl die Rechtsstellung der Kinder wie auch diejenige naher Familienangehöriger tangiert sein kann (E. 2.2 und 2.3). Die getrennte Inhaftierung der Eltern unter Platzierung ihrer älteren drei Kinder in einem Heim ohne Möglichkeit eines telefonischen Kontakts erreicht die Schwelle von Art. 3 EMRK knapp noch nicht (E. 2.4). Frage offengelassen, ob die Ausschaffungshaft der Eltern im Lichte von Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK und die als rechtlicher Freiheitsentzug zu qualifizierende Heimeinweisung der Kinder rechtmässig war (E. 3). Werden Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren, die nach innerstaatlichem Recht nicht in ausländerrechtliche Dublin-Haft genommen werden können, im Zusammenhang der Inhaftierung ihrer Eltern in ein Heim eingewiesen, führt die Behörde deren Status als unbegleitete Minderjährige herbei und vereitelt eine Zusammenführung mit nahen Familienangehörigen, wozu sie unter Art. 8 EMRK geradezu verpflichtet wäre. Ein solcher Eingriff in das Familienleben erweist sich unter Berücksichtigung des Kindeswohls nur als verhältnismässig im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK, wenn die Inhaftierung als ultima ratio und nach gründlicher Prüfung weniger einschneidender Massnahmen sowie akribischer Berücksichtigung des Beschleunigungsgebots angeordnet wird. Fehlende Prüfung weniger einschneidender Massnahmen als einer Inhaftierung im vorliegenden Fall, weshalb Art. 8 EMRK verletzt worden ist (E. 4).

143 II 297 (2C_180/2014) from 28. Juni 2016
Regeste: Art. 2 Abs. 2, Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1-4, Art. 49a Abs. 1 KG; Art. 5 Abs. 1, Art. 96 BV; Art. 7 EMRK; Art. 23 Abs. 1 und 2 FHA; grundsätzlich erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung von Abreden nach Art. 5 Abs. 3 und 4 KG; Abreden, die in Art. 5 Abs. 3 und 4 KG aufgeführt und nach Art. 5 Abs. 1 KG unzulässig sind, unterliegen der Sanktion nach Art. 49a Abs. 1 KG. Grundlagen des Auswirkungsprinzips nach Art. 2 Abs. 2 KG und dessen völkerrechtliche Zulässigkeit (E. 3 und 8). Erhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf einem Markt: Auslegung und Inhalt des Begriffs "Erheblichkeit"; Abreden nach Art. 5 Abs. 3 und 4 KG erfüllen danach grundsätzlich das Kriterium der Erheblichkeit nach Art. 5 Abs. 1 KG (E. 5.1-5.3). Auslegung des Begriffs "Beeinträchtigung"; es genügt, dass Abreden den Wettbewerb potentiell beeinträchtigen können (E. 5.4). Auslegung von Art. 5 Abs. 4 KG und dessen Anwendung auf den Sachverhalt. In casu liegt eine vertikale Vertriebs-Wettbewerbsabrede mit einem absoluten Gebietsschutz i.S. von Art. 5 Abs. 4 KG vor (E. 6). Eine Rechtfertigung durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz gelingt nicht (E. 7). Sanktionierung nach Art. 49a KG: Die Passage "unzulässige Abreden nach Artikel 5 Absätze 3 und 4" in Art. 49a Abs. 1 KG verweist auf die in den beiden Absätzen aufgeführten Abreden (Bezugnahme auf den Abredetyp; E. 9.4). Art. 49a Abs. 1 KG verletzt Art. 7 EMRK nicht (E. 9.3 und 9.5). Sanktionierung in casu (E. 9.6 und 9.7).

143 II 495 (1C_95/2017) from 24. Mai 2017
Regeste: Art. 15a SVG; nachträgliche Verlängerung des Führerausweises auf Probe im Falle eines hängigen Gerichtsverfahrens nach Ablauf der dreijährigen Probezeit. Nach Ablauf der dreijährigen Probezeit nimmt die Gültigkeit des Führerausweises auf Probe automatisch ein Ende. Anschliessend muss die Verwaltungsbehörde den definitiven Führerausweis - zumindest provisorisch - erteilen, sofern dessen Voraussetzungen erfüllt sind, auch wenn ein Gerichtsverfahren hängig ist, das zu einem Entzug des Führerausweises auf Probe und seiner Verlängerung um ein Jahr führen kann. Wird der Entscheid über den Entzug des Führerausweises auf Probe und seiner Verlängerung um ein Jahr bestätigt, zählen die Dauer des Verfahrens und die Zeitspanne, während welcher der Betroffene provisorischer Inhaber des definitiven Führerausweises war, nicht als Probezeit. Die Verlängerung um ein Jahr beginnt am Ende des Vollzugs des Führerausweisentzugs und muss ab diesem Zeitpunkt vollständig vollstreckt werden (E. 4.4). Diese Lösung drängt sich aufgrund der Systematik des Bundesrechts und aus Gründen der Rechtssicherheit auf, obschon sie nicht gänzlich zu überzeugen vermag (E. 4.5).

143 II 598 (2C_380/2016) from 1. September 2017
Regeste: Art. 27 und 94 BV; 2 Abs. 7 BGBM; interkommunales System der Bewilligungszuteilung an Gesellschaften und Fahrer von Taxis auf Standplätzen ("A-Taxis") der Region Lausanne; Konzession für die ausschliessliche Nutzung des öffentlichen Grundes; Ausschreibungspflicht; Wirtschaftsfreiheit. Abstrakte Normenkontrolle des geänderten interkommunalen Reglements über die Taxidienste (RIT) und der Anwendungsvorschriften zum RIT (E. 3). Bedeutung von Art. 2 Abs. 7 BGBM in Bezug auf die Übertragung der Nutzung kantonaler und kommunaler Monopole auf Private (E. 4.1). Die Änderung des RIT schliesst, zumindest per Analogie, die Übertragung einer Monopolkonzession zu Gunsten der Betreiber von A-Taxis in der Region Lausanne mit ein (E. 4.2), was die interkommunalen Behörden verpflichtet, eine transparente und nicht diskriminierende Ausschreibung vorzusehen; Aufhebung der reglementarischen Bestimmungen, die gegen diese aus dem BGBM abgeleitete Pflicht verstossen (E. 4.3). Die reglementarische Verpflichtung, wonach die individuellen Betreiber von A-Taxis zwei Jahre Vollzeitarbeit (1'500 Stunden pro Jahr) vorweisen müssen, bevor sie eine A-Bewilligung beantragen können, verstösst weder gegen die Wirtschaftsfreiheit noch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen im Vergleich zu den A-Taxi-Gesellschaften, welche gewissen spezifischen Regelungen unterworfen sind (E. 5).

143 III 600 (4A_240/2016) from 13. Juni 2017
Regeste: Art. 12 lit. e und i BGFA; Erfolgshonorar; pactum de palmario; Zulässigkeit. Ein pactum de palmario ist grundsätzlich zulässig, muss sich aber in gewissen Grenzen bewegen (E. 2).

143 IV 168 (1B_61/2017) from 29. März 2017
Regeste: Art. 5 Ziff. 1 lit. f und Ziff. 3 EMRK; Art. 31 Abs. 3 BV; Art. 212 Abs. 3, 220 Abs. 2 und 231 Abs. 1 lit. a StPO; Art. 66a Abs. 1 lit. b StGB; Art. 76 Abs. 1 AuG; Sicherheitshaft zur Gewährleistung einer Landesverweisung; rechtliche Grundlage und Verhältnismässigkeitsprinzip. Da es sich bei der Landesverweisung um eine strafrechtliche Massnahme handelt (Art. 66a Abs. 1 lit. b StGB), stellen Art. 220 Abs. 2 und Art. 231 Abs. 1 lit. a StPO eine hinreichende gesetzliche Grundlage dar, um eine Person zur Sicherstellung des Vollzugs einer erstinstanzlich ausgesprochenen Landesverweisung in Sicherheitshaft zu versetzen (E. 3.2). Die Zuständigkeit der Strafbehörden, welche bis zum Ende des Strafverfahrens besteht, hindert die Verwaltungsbehörden nicht daran, bereits vor diesem Zeitpunkt einzugreifen: Gemäss Art. 76 Abs. 1 AuG kann die Verwaltungsbehörde die betroffene Person ab der Eröffnung einer erstinstanzlichen Landesverweisung nach Art. 66a oder 66abis StGB und mithin noch vor der Rechtskraft des Strafurteils in Administrativhaft nehmen oder belassen (E. 3.3). Eine derartige Haft muss das Verhältnismässigkeitsprinzip respektieren (Art. 5 Ziff. 3 EMRK, Art. 31 Abs. 3 BV und Art. 212 Abs. 3 StPO). Eine Person, die zu einer Landesverweisung und einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, kann in Sicherheitshaft belassen werden, falls die Frage des bedingten Vollzugs ungewiss ist, die erstandene Haft nicht die Dauer des erstinstanzlich ausgesprochenen Freiheitsentzugs übersteigt und das Beschleunigungsgebot (Art. 5 Abs. 1 StPO) gewahrt ist (E. 5).

143 IV 270 (1B_29/2017) from 24. Mai 2017
Regeste: Art. 13 Abs. 1 BV; Art. 1, Art. 54, Art. 113 Abs. 1, Art. 141, Art. 192 Abs. 2, Art. 196 lit. a, Art. 235, Art. 241 Abs. 1 und Abs. 3, Art. 246, Art. 247 Abs. 1 und Abs. 3, Art. 248 Abs. 1 und Abs. 3 lit. a, Art. 263 Abs. 1 lit. a und Abs. 3, Art. 264 Abs. 1 lit. b, Art. 265 Abs. 4, Art. 277 Abs. 2 sowie Art. 312 StPO; Online-Recherche und vorläufige Sicherstellung von Chat-Verläufen auf einem digitalen sozialen Netzwerk; Entsiegelung. Zusammenfassung der einschlägigen Rechtsprechung, insbesondere bezüglich Datenerhebung bei sogenannten "abgeleiteten" Internetdiensten, und Abgrenzung der anwendbaren strafprozessualen Untersuchungsmassnahmen (E. 4.3-4.8). Abwehr von akuter Kollusion und Durchsuchung eines Kassibers mit persönlichen Zugangsdaten des inhaftierten Beschuldigten zum sozialen Netzwerk Facebook (FB); Online-Recherche auf dem FB-Konto und vorläufige Sicherstellung von untersuchungsrelevanten (auf elektronischen Servern bzw. sogenannten "Internet-Clouds" gespeicherten) Chat-Nachrichten; Versiegelung von provisorisch sichergestellten Nachrichten; Fehlen von gesetzlichen Verwertungsverboten (Art. 140 und 141 StPO) im beurteilten (das Untersuchungsverfahren betreffenden) Entsiegelungsfall (E. 5-7). Die Artikel 269-279 StPO sind auf abgeleitete Internetdienste wie FB nicht anwendbar (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 7.1). Die Online-Recherche auf dem FB-Konto verstösst nicht gegen das Territorialitätsprinzip (E. 7.10).

143 IV 387 (1B_75/2017) from 16. August 2017
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 13 Abs. 1, 36 Abs. 1 BV; Art. 141 Abs. 2, 197 Abs. 1 lit. a, 248, 282 StPO; Observationen durch Privatdetektive; Verwertbarkeit im Entsiegelungs- und Untersuchungsverfahren. Für systematische private Observationen im Strafprozess besteht keine gesetzliche Grundlage. Die Frage, ob die insofern rechtswidrig erhobenen Beweismittel im Entsiegelungsverfahren verwertbar oder bereits im Vorverfahren auszuscheiden sind, ist nach Art. 141 Abs. 2 StPO zu prüfen. Falls die Beweismittel nicht klarerweise unverwertbar sind, besteht kein Entsiegelungshindernis und ist die abschliessende Prüfung der Verwertbarkeit dem Sachrichter im Endentscheid vorzubehalten (E. 4).

143 V 208 (9C_304/2016) from 23. Mai 2017
Regeste: Art. 53k BVG; Art. 32 ASV; Tochtergesellschaften im Anlagevermögen einer Anlagestiftung. Die Bestimmung von Art. 32 Abs. 1 ASV ist gesetzeskonform (E. 5.3). Sie tangiert auch nicht die Wirtschaftsfreiheit (E. 6.1.2) und die Eigentumsgarantie (E. 6.2.2). In concreto spricht kein verfassungsrechtlicher Aspekt gegen ihre Anwendung (E. 6.3-6.5).

144 I 1 (2C_206/2016) from 7. Dezember 2017
Regeste: Art. 19 BV; § 39 Abs. 1 und 2 VG/TG. Anspruch auf ausreichenden und unentgeltlichen Schulunterricht. Abstrakte Normenkontrolle. Der Anspruch auf unentgeltlichen Unterricht umfasst alle notwendigen und unmittelbar dem Unterrichtszweck dienenden Mittel. Einschränkende Konkretisierungen durch den Gesetzgeber sind daran zu messen, ob sie mit dem verfassungsrechtlich garantierten Minimalgehalt noch zu vereinbaren sind (E. 2). Aufwendungen für Exkursionen und Lager gehören zum notwendigen und somit zwingend unentgeltlichen Unterricht, sofern eine Pflicht zur Teilnahme besteht. Für solche Veranstaltungen dürfen den Eltern nur diejenigen Kosten in Rechnung gestellt werden, die sie aufgrund der Abwesenheit ihrer Kinder einsparen. Sie beschränken sich auf die Verpflegung der Kinder, da die Eltern die Unterkunft auch bei deren Abwesenheit bereithalten müssen (E. 3.1). Erachtet eine Schule einen Sprachkurs als notwendig, damit das betroffene Kind ein ausreichendes Bildungsangebot erhält, muss dieser zwingend unentgeltlich erfolgen. Dasselbe gilt für allenfalls benötigte Dolmetscherdienste (E. 3.2). § 39 Abs. 1 und 2 VG/TG widersprechen diesen verfassungsmässigen Vorgaben und sind folglich aufzuheben (E. 3.3).

144 I 50 (2C_499/2015) from 6. September 2017
Regeste: Art. 28 BV, Art. 11 EMRK, Art. 22 UNO-Pakt II, Art. 8 UNO-Pakt I, ILO-Übereinkommen Nr. 87 und 98, insb. Art. 3 ILO-Übereinkommen Nr. 87; Regierungsbeschluss, welcher den Gewerkschaften grundsätzlich den Zutritt zu den Gebäuden verbietet, die der Staat - ausser als deren Eigentümer - auch als Arbeitgeber verwaltet, und welcher die Ausübung gewerkschaftlicher Tätigkeiten im Gebäudeinnern bestimmten Bedingungen unterwirft. Inhalt und Tragweite der Koalitionsfreiheit gemäss Art. 28 BV, besonders in Bezug auf die Tätigkeiten der Gewerkschaften (E. 4.1). Hinweis auf die Normen des internationalen Rechts, welche diese Freiheit ebenfalls schützen (E. 4.2). Darstellung der (nicht einhellig vertretenen) Auffassung der Lehre zur Frage des Zutrittsrechts der Gewerkschaftsvertreter zu den Gebäuden einer Unternehmung sowie der "abgeleiteten Rechte", welche die Internationale Arbeitsorganisation als unabdingbar erachtet, um die Ausübung der Koalitionsfreiheit effektiv sicherzustellen (E. 4.3). Das Urteil 6B_758/2011 vom 24. September 2012 ist hier nicht massgeblich, weil das Recht auf Zugang zum Arbeitsort öffentliche Gebäude und nicht privaten Grund betrifft (E. 5.1-5.3). Der Staat muss unter anderem die Gewerkschaften in die Lage versetzen, dass sie ihre Aktivitäten tatsächlich frei gestalten können (E. 5.3.2), im Einklang mit den Verpflichtungen des internationalen Rechts, namentlich der ILO-Übereinkommen Nr. 87 und 98; wie weit diese self-executing-Charakter haben, ist nicht entscheidend, da sie sich teilweise mit Art. 11 EMRK und Art. 22 UNO-Pakt II überschneiden (E. 5.3.3). Zugehörigkeit der Gebäude der Kantonsverwaltung zum Verwaltungsvermögen des Staates und Modalitäten betreffend den gewöhnlichen Gebrauch und/oder den ausserordentlichen Gebrauch der öffentlichen Güter (E. 6.2.1). Der Staat muss die Grundrechte einhalten (E. 6.3). Das Recht auf Zutritt zu den Verwaltungsgebäuden ist ein wesentlicher Teilgehalt der Koalitionsfreiheit (E. 5.3.3.1, 5.3.3.2 und 5.4). Wenngleich das hier beanstandete System, welches den Gewerkschaften den Zutritt zu den Verwaltungsgebäuden grundsätzlich verweigert, und welches die Ausübung von gewerkschaftlichen Tätigkeiten im Gebäudeinnern bestimmten Bedingungen unterwirft, von einem relevanten öffentlichen Interesse getragen wird (E. 6.4.1), stellt es dennoch einen übermässigen Eingriff in die Koalitionsfreiheit dar. Es ist somit unverhältnismässig und wird aufgehoben. Einladung an die betreffenden Parteien, auf dem Verhandlungsweg eine Einigung zu suchen, sowie Beispiele für zulässige Massnahmen (E. 6.4.2 und 6.4.3).

144 I 126 (1C_598/2016) from 2. März 2018
Regeste: Speicherung und Aufbewahrung von Randdaten der Telekommunikation. Streitgegenstand bildet die verwaltungsrechtliche Frage, ob die Speicherung und Aufbewahrung von mit dem Fernmeldeverkehr verbundenen Randdaten konform mit der Verfassung bzw. der EMRK sind (E. 2.2). Art. 15 Abs. 3 des bis zum 28. Februar 2018 geltenden Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (aBÜPF) verpflichtete die Fernmeldedienstanbieter - gleich wie das heute geltende BÜPF -, die für die Teilnehmeridentifikation notwendigen Daten sowie die Verkehrs- und Rechnungsdaten ihrer Kunden zu speichern und während sechs Monaten aufzubewahren (E. 3). Die Speicherung und die Aufbewahrung von Randdaten stellen einen Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen dar, insbesondere in das Recht auf Achtung des Privatlebens, das den Anspruch auf informationelle Selbstbestimmung miteinschliesst (E. 4). Die Intensität dieses Grundrechtseingriffs ist allerdings zu relativieren: Die gespeicherten Daten betreffen nicht den Inhalt der Kommunikation und werden von den Fernmeldeunternehmen weder gesichtet noch miteinander verknüpft; für einen Zugriff der Strafverfolgungsbehörden müssen die qualifizierten gesetzlichen Voraussetzungen der Strafprozessordnung erfüllt sein (E. 5). Art. 15 Abs. 3 aBÜPF bildete für die Randdatenspeicherung eine hinreichende gesetzliche Grundlage (E. 6). Die Randdatenspeicherung und -aufbewahrung dient namentlich der Aufklärung von Straftaten; damit liegt ein gewichtiges öffentliches Interesse vor (E. 7). Die datenschutzrechtlichen Bestimmungen sehen wirksame und angemessene Garantien zum Schutz vor Missbrauch und behördlicher Willkür vor. Unter diesen Rahmenbedingungen ist auch die sechsmonatige Aufbewahrungsdauer verhältnismässig (E. 8).

144 I 281 (1C_211/2016, 1C_212/2016) from 20. September 2018
Regeste: Art. 13 Abs. 2, 16, 22, 27, 49 Abs. 1 BV; Kanton Tessin; Gesichtsverhüllungsverbot im öffentlichen Raum. Die Tessiner Gesetze über die Gesichtsverhüllung im öffentlichen Raum und über die öffentliche Ordnung sehen eine abschliessende Liste mit Ausnahmen zum Gesichtsverhüllungsverbot vor. Politische, gewerbliche oder Werbeveranstaltungen kommen auf dieser Liste nicht vor (E. 3.4). Im Lichte der Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 117 Ia 472) erscheint das so formulierte Verbot unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit, der Versammlungsfreiheit und der Wirtschaftsfreiheit als unverhältnismässig (E. 5.3 und 7). Um es mit diesen Grundrechten vereinbar zu machen, wird der Grosse Rat die Gesetze ergänzen und zusätzliche Ausnahmen für die betreffenden Veranstaltungen vorsehen müssen (E. 5.4.3- 5.5 und 7.4). Das im Gesetz über die öffentliche Ordnung vorgesehene Gesichtsverhüllungsverbot verstösst weder gegen den Grundsatz des Vorrangs des Bundesrechts (E. 4) noch gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (E. 6). Die Vereinbarkeit der neuen Bestimmungen mit der Religionsfreiheit wurde nicht bestritten und daher vom Bundesgericht nicht geprüft (E. 3).

144 I 306 (8C_80/2018) from 9. Oktober 2018
Regeste: Art. 28 Abs. 4, Art. 36 BV; Art. 27 Abs. 4, Art. 38 KV/FR; abstrakte Kontrolle des Gesetzes vom 17. November 2017 zur Änderung des Gesetzes des Kantons Freiburg vom 17. Oktober 2001 über das Staatspersonal (StPG/FR); Streikverbot für das Pflegepersonal. Anerkennung des Streikrechts und Einschränkungen seiner Ausübung (E. 4.3.1-4.3.3). Entwicklung des Streikrechts im öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis auf kantonaler Ebene (E. 4.3.4). Lehre zu den Grenzen des Streikrechts im Bereich der Gesundheitspflege (E. 4.3.5). Prüfung der Massnahme hinsichtlich der Voraussetzungen für Grundrechtseinschränkungen (E. 4.4). Das im neuen Art. 68 Abs. 7 StPG/FR vorgesehene Streikverbot für das Pflegepersonal betrifft die dem StPG/FR unterstellten Beschäftigten der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen des Kantons Freiburg in undifferenzierter Weise (E. 4.4.3.2). Die fehlende Beschränkung auf das für den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Patienten absolut unverzichtbare Personal ist unverhältnismässig, zumal bereits die rechtmässige Ausübung des Streiks sehr strengen Voraussetzungen unterliegt. Die in den Art. 68 und 68a StPG/FR vorgesehene Regelung bietet hinreichende Garantien, um die für die Bevölkerung unabdingbaren Leistungen im Gesundheitsbereich nicht zu gefährden (E. 4.4.3.3). Die in den parlamentarischen Beratungen für die Massnahme genannten Gründe vermögen einen so schweren Eingriff ins Streikrecht nicht zu rechtfertigen (E. 4.4.3.4).

144 II 147 (2C_1054/2016, 2C_1059/2016) from 15. Dezember 2017
Regeste: Art. 27 BV; Art. 321 StGB; Art. 8 Abs. 1 lit. d, Art. 12 lit. b und Art. 13 BGFA; Art. 2 Abs. 4 und Abs. 6 sowie Art. 3 BGBM; Zulässigkeit einer Anwaltskanzlei in der Form einer juristischen Person, wenn einer der Teilhaber, der Anteilsrechte hält und im Verwaltungsrat über einen Sitz verfügt, nicht im kantonalen Anwaltsregister eingetragen ist. Verhältnis zwischen BGFA und BGBM. Soweit das BGFA in seinem gesamten räumlichen Geltungsbereich einheitlich zur Anwendung gelangt (Art. 4-8 BGFA), ist das BGBM grundsätzlich nicht anwendbar. Ausnahme von diesem Grundsatz im Falle unterschiedlicher kantonaler Interpretationen des BGFA im Zusammenhang mit dem Recht auf Marktzugang gemäss Art. 2 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 6 BGBM (E. 4.2). Fall einer Unternehmung, der gestützt auf eine vom Kanton der Erstniederlassung abweichende Auslegung von Bundesrecht das Recht auf Niederlassung in einem anderen Kanton verweigert wird. Prüfung unter dem Gesichtswinkel von Art. 2 Abs. 4 BGBM und nicht von Art. 2 Abs. 6 BGBM (E. 4.4). Zusammenfassung der Rechtsprechung zu Art. 8 Abs. 1 lit. d BGFA (E. 5.2). Überblick über die Lehrmeinungen zur Frage der Zulässigkeit einer Anwaltskanzlei in der Form einer juristischen Person, wenn einer der Teilhaber, der Anteilsrechte hält und/oder im Verwaltungsrat der Gesellschaft Einsitz hat, nicht im kantonalen Anwaltsregister eingetragen ist (E. 5.3.1). Die Frage ist mit Blick auf das BGFA zu verneinen (E. 5.3.2). Eine solche Struktur gefährdet ebenfalls das anwaltliche Berufsgeheimnis (E. 5.3.3). Keine Anwendung von Art. 3 BGBM, wenn sich die Einschränkung auf Bundesrecht stützt (E. 6). Vereinbarkeit der Verweigerung der Zulassung mit der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV; E. 7).

144 III 257 (5A_429/2017) from 13. April 2018
Regeste: Art. 28b Abs. 1 ZGB; Massnahmen zum Schutz vor Nachstellungen. Verhältnismässigkeit, Befristung und Bestimmtheit von Massnahmen zum Schutz vor Stalking (E. 3 und 4).

144 IV 127 (1B_425/2017) from 13. März 2018
Regeste: Art. 141, 259 StPO; Art. 9 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 2003 über die Verwendung von DNA-Profilen im Strafverfahren und zur Identifizierung von unbekannten oder vermissten Personen; Zulässigkeit einer Beschwerde, mit der die Vernichtung einer DNA-Probe beantragt wird. Prüfung der Anwendbarkeit von Art. 9 Abs. 1 des DNA-Profil-Gesetzes. Eine blosse Streitigkeit (im Vorverfahren) über die Verwertbarkeit von Beweismitteln begründet grundsätzlich keinen drohenden nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG. Eine Ausnahme besteht namentlich, wenn das Gesetz ausdrücklich die sofortige Rückgabe oder die sofortige Vernichtung rechtswidrig erhobener Beweise vorsieht (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 1.3.1). Die Bestimmung von Art. 9 Abs. 1 lit. b des DNA-Profil-Gesetzes, die für den Fall, dass die anordnende Behörde drei Monate nach der Probenahme keine Analyse veranlasst hat, die Vernichtung der betreffenden DNA-Probe vorsieht, begründet eine solche gesetzliche Ausnahme (E. 1.3.3). Art. 9 Abs. 1 lit. b des DNA-Profil-Gesetzes ist ungeachtet der Frage anwendbar, ob auch noch die Voraussetzungen einer anderen Bestimmung von Art. 9 Abs. 1 erfüllt sind, etwa diejenigen von lit. c (E. 2.2 und 2.3).

145 I 73 (1C_188/2018) from 13. Februar 2019
Regeste: Art. 4 und 5 Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten, Art. 17 und 27 UNO-Pakt II, Art. 2 FZA, Art. 6 und 8 EMRK, Art. 8, 9, 13, 24, 26, 27, 29, 29a und 30 BV; abstrakte Kontrolle des Neuenburger Gesetzes über Lagerplätze fahrender Gemeinschaften (LSCN). Konventions- und verfassungsrechtlicher Rahmen zum Schutz fahrender Gemeinschaften (E. 4). Das LSCN begründet keine Ungleichbehandlung zwischen den fahrenden Gemeinschaften und der sesshaften Bevölkerung (E. 5.2); es verletzt das Diskriminierungsverbot nicht, indem es Plätze für den Aufenthalt und die Durchreise von "schweizerischen fahrenden Gemeinschaften" und Plätze für die Durchreise von "anderen fahrenden Gemeinschaften" vorsieht (E. 5.3). Das LSCN ist sowohl mit der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) als auch mit der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) vereinbar (E. 6). Die Räumung eines rechtswidrigen Lagers - vorgesehen in den Art. 24 bis 28 LSCN - verletzt weder den Schutz der Privatsphäre (Art. 13 BV) noch die Niederlassungsfreiheit (Art. 24 BV) noch die Allgemeinen Verfahrensgarantien (Art. 29 BV) noch die Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) noch die gerichtlichen Verfahrensgarantien (Art. 30 BV) (E. 7).

145 I 297 (4D_65/2018) from 15. Juli 2019
Regeste: Art. 17 Abs. 2 KV/FR; Art. 129 ZPO; Verfahrenssprache. Wie im Verwaltungsgerichtsverfahren (vgl. BGE 136 I 149) erlaubt Art. 17 Abs. 2 der Verfassung des Kantons Freiburg dem Rechtsuchenden auch in einem Zivilprozess, sich in der Amtssprache seiner Wahl an das Kantonsgericht zu wenden (E. 2).

145 II 32 (1C_46/2017) from 21. November 2018
Regeste: Art. 9, 26 und 30 BV; Art. 664 und 667 ZGB; Art. 2 Abs. 7 BGBM; Art. 10 Abs. 1 und 11 USG; Art. 30 Abs. 1bis RPV; kantonaler Sondernutzungsplan für ein Pilotprojekt im Bereich der Tiefengeothermie. Der Kanton ist zur Verfügung über den tiefen Untergrund befugt und kann dessen Nutzung regeln (E. 2). Selbst wenn eine Konzession angemessener erscheint, kann das kantonale Recht sich mit einem blossen Bewilligungsregime begnügen (E. 3). Eine Ausschreibung im Sinne von Art. 2 Abs. 7 BGBM ist nicht erforderlich (E. 4). Es ist nicht willkürlich und verletzt nicht die allgemeinen Verfahrensgarantien, den Inhalt der Baubewilligung (die zu Unrecht von der Kantonsregierung an Stelle der Gemeindebehörde erteilt worden war) in die Sondernutzungsplanung zu integrieren (E. 5). Die Frage der Wertminderung der Liegenschaften der Einsprecher ist nicht Gegenstand der Sondernutzungsplanung (E. 6). Die (teilweise kompensierte) Inanspruchnahme von Fruchtfolgeflächen ist vorliegend zulässig (E. 7).

145 II 70 (1C_539/2017 und andere) from 12. November 2018
Regeste: Uferschutzplanung Wohlensee; Gesamtinteressenabwägung. Die Behörden nehmen bei der Genehmigung einer Sondernutzungsplanung eine umfassende Interessenabwägung vor (vgl. Art. 3 RPV; E. 3.2). Würdigung des Gutachtens der Vogelwarte Sempach und der Stellungnahme des BAFU als Fachbehörde (E. 5.5, 6.3 und 6.4). Im zu beurteilenden Fall wird das öffentliche Interesse an einer ufernahen Wegführung (vgl. Art. 3 Abs. 2 lit. c RPG) relativiert, weil ein durchgehender Sichtschutz zum Schutz der im Gebiet vorkommenden Vogelarten erforderlich wäre, was Spaziergängern das Erleben der Uferlandschaft nur sehr beschränkt ermöglichen würde (E. 6.5 sowie 3.3). Das Gebiet des Wohlensees stellt eines von insgesamt 25 Wasser- und Zugvogelreservaten von nationaler Bedeutung dar (vgl. Art. 11 Abs. 2 JSG, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Anhang 1 WZVV). Die erhöhte Besucherfrequenz des Uferwegs würde mutmasslich zu einem Verlust des für die Wat- und Wasservögel nutzbaren Lebensraums führen (E. 6.6 sowie 3.4.1). Das geplante Betretungs- und Schifffahrtsverbot als flankierende Massnahme bewirkt für die betroffenen Grundeigentümer Einschränkungen ihres Eigentums (Art. 26 BV), die über das bei der Planung von Fluss- und Seeuferwegen Übliche hinausgehen (E. 6.7 sowie 3.5). Im konkreten Fall überwiegen das öffentliche Interesse des Vogelschutzes und die Eigentumsinteressen der Grundeigentümer (E. 6.8).

145 IV 23 (6B_805/2017) from 6. Dezember 2018
Regeste: Art. 261bis Abs. 4 zweiter Satzteil StGB, Art. 16 BV und Art. 10 EMRK; Rassendiskriminierung, Leugnung von Völkermord, Beweggrund; Freiheit der Meinungsäusserung. Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 zweiter Satzteil StGB setzt in subjektiver Hinsicht einen diskriminierenden Beweggrund voraus (E. 2.3). Hinweis auf das Urteil des EGMR Perinçek gegen Schweiz und Anwendung der entsprechenden Beurteilungskriterien zur Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit auf den konkreten Fall (E. 5).

145 IV 263 (1B_17/2019) from 24. April 2019
Regeste: Erstellung eines DNA-Profils im Hinblick auf allfällige künftige Straftaten. Art. 10 Abs. 2, Art. 13 Abs. 2 sowie Art. 36 BV; Art. 197 Abs. 1, Art. 255 Abs. 1 lit. a und Art. 259 StPO; Art. 1 Abs. 2 lit. a und Art. 16 DNA-Profil-Gesetz. Art. 255 Abs. 1 lit. a StPO bildet (auch) eine gesetzliche Grundlage für die Erstellung eines DNA-Profils im Hinblick auf allfällige künftige Straftaten (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3.3). Die Verhältnismässigkeit der Erstellung eines DNA-Profils im Hinblick auf allfällige künftige Straftaten setzt insbesondere erhebliche und konkrete Anhaltspunkte dafür voraus, dass die beschuldigte Person in solche Delikte verwickelt sein könnte, wobei diese von einer gewissen Schwere sein müssen. Ein hinreichender Tatverdacht im Sinne von Art. 197 Abs. 1 StPO kann und muss insoweit nicht bestehen. Er ist jedoch erforderlich hinsichtlich der Tat, die Anlass zur Probenahme oder Profilerstellung gibt (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3.4).

145 IV 503 (1B_362/2019) from 17. September 2019
Regeste: Art. 221 Abs. 1 lit. a, 231 Abs. 1 und 237 Abs. 3 StPO; Fluchtgefahr nach erstinstanzlicher Verurteilung; elektronische Fussfessel. Der 82-jährige Beschuldigte, der erstinstanzlich zu einer Freiheitsstrafe von 18 Jahren wegen Mordes verurteilt worden ist, muss damit rechnen, bis zum Lebensende im Gefängnis zu bleiben. Trotz seines Alters und seines Gesundheitszustands erscheint die Fluchtgefahr, die während der Untersuchung noch verneint wurde, nun als konkret (E. 2.1-2.3). Ausserdem ist es notwendig, die Anwesenheit des Beschuldigten während des Berufungsverfahrens sicherzustellen (E. 2.4). Elektronische Fussfessel als Ersatzmassnahme (E. 3.3.1 und 3.3.2). Im vorliegenden Fall erscheint diese Massnahme nicht als ausreichend, um die Fluchtgefahr zu bannen (E. 3.3.3).

146 I 11 (6B_908/2018) from 7. Oktober 2019
Regeste: Art. 13 Abs. 2, Art. 36 Abs. 1 BV; Art. 141 Abs. 2 StPO; Verwertbarkeit von polizeilichen Aufzeichnungen der automatischen Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung (AFV). Die Erhebung und die Aufbewahrung von Aufzeichnungen der AFV stellen einen Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen dar, insbesondere in das Recht auf Privatsphäre, das den Anspruch auf informationelle Selbstbestimmung miteinschliesst (E. 3.1). Für die AFV besteht im Kanton Thurgau keine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage. Der mit der Überwachung verbundene Eingriff in die Privatsphäre verstösst daher gegen Art. 13 Abs. 2 i.V.m. Art. 36 Abs. 1 BV (E. 3.2 und 3.3). Stellt die Polizei im Rahmen ihrer präventiven Kontrolltätigkeit strafbare Handlungen fest, ermittelt sie nach Art. 306 ff. StPO. Die Frage, ob die mangels gesetzlicher Grundlage rechtswidrig erhobenen Beweismittel im Strafprozess verwertbar sind, ist nach Art. 141 Abs. 2 StPO zu prüfen (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 4.1 und 4.2). Verwertbarkeit im vorliegenden Fall verneint (E. 4.3).

146 I 70 (1C_441/2018) from 14. November 2019
Regeste: Art. 26 Abs. 1, Art. 27 Abs. 1, Art. 36, Art. 49 Abs. 1, Art. 109 Abs. 1, Art. 122 Abs. 1 BV; kommunale Bestimmungen zum preisgünstigen Wohnungsbau; abstrakte Normenkontrolle; Vorrang von Bundesrecht; Eigentumsgarantie; Wirtschaftsfreiheit. Grundsätze der abstrakten Normenkontrolle (E. 4). Die in die Bauordnung der Stadt Bern aufgenommenen Bestimmungen zur Sicherstellung eines genügenden Angebots an preisgünstigen Mietwohnungen sind mit dem Grundsatz des Vorrangs von Bundesrecht vereinbar (E. 5). Sie lassen sich so auslegen und umsetzen, dass mit ihrer Anwendung grundsätzlich keine ungerechtfertigten Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit oder die Eigentumsgarantie verbunden sind (E. 6).

146 I 97 (1B_115/2019) from 18. Dezember 2019
Regeste: Art. 7, Art. 10 Abs. 2 und 3, Art. 13 Abs. 1, Art. 36 Abs. 3 BV; Art. 3 EMRK; Art. 197 Abs. 1 lit. c und d, Art. 241 Abs. 4, Art. 249 f. StPO; Leibesvisitation. Ohne ernsthafte und konkrete Anhaltspunkte für eine Selbst- oder Fremdgefährdung ist eine Leibesvisitation, bei welcher sich der Festgenommene vor seiner Verbringung in die Zelle entkleiden und er in die Hocke gehen muss, damit der Polizeibeamte die Aftergegend sichten kann, unverhältnismässig (E. 2).

146 I 157 (2C_572/2019) from 11. März 2020
Regeste: Art. 13, 26, 27 BV; Art. 8 EMRK; Art. 3 SRVG; Bundesgesetz über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen; Verordnung über die Sperrung von Vermögenswerten im Zusammenhang mit der Ukraine (V-Ukraine); Ablehnung der Streichung eines Namens von der Liste der mit der Verordnung anvisierten Personen; Aufhebung der Sperrung; Verhältnismässigkeit der Massnahme. Die Ablehnung der Streichung des Beschwerdeführers von der Liste der durch die V-Ukraine anvisierten Personen, was die Einfrierung seines gesamten Vermögens in der Schweiz zur Folge hat, steht im Einklang mit den rechtlichen Voraussetzungen und Anforderungen von Art. 3 Abs. 2 und 3 SRVG (E. 4). Der Umstand der Streichung des Betroffenen im Ausland aufgrund anderer Regelungen entkräftet weder den Verdacht der Unrechtmässigkeit des Erwerbs des blockierten Vermögens (E. 4.2), noch bedeutet er eine mangelhafte internationale Abstimmung (E. 4.3). Die Vermögenssperre liegt ausserdem im öffentlichen Interesse und bleibt vorliegend verhältnismässig, selbst wenn sie eine strafrechtliche Beschlagnahme überlagert (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 5).

147 I 103 (1C_181/2019) from 29. April 2020
Regeste: a Art. 10 und 22 BV; Art. 11 EMRK; Art. 84 Abs. 1 PolG/BE; Unverhältnismässigkeit der Verbindung der Wegweisungs- und Fernhaltungsmassnahmen mit einer Strafdrohung nach Art. 292 StGB. Die automatische Verbindung zwischen den Wegweisungs- und Fernhaltungsmassnahmen mit der Strafdrohung nach Art. 292 StGB ist weder erforderlich noch verhältnismässig im engeren Sinne (E. 10.4).

147 I 161 (1C_586/2019) from 3. August 2020
Regeste: Art. 22 BV, Art. 11 EMRK, Art. 21 UNO-Pakt II, § 6 Abs. 2 lit. d KV/BL; Versammlungsfreiheit im Zusammenhang mit dem Verbot einer Veranstaltung im privaten Raum; allgemeine Polizeiklausel als gesetzliche Grundlage und Verhältnismässigkeit des Verbots; Begriff des Störers. Schutzgehalt der Versammlungsfreiheit (E. 4). Der Anwendungsbereich der polizeilichen Generalklausel als gesetzliche Grundlage für einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit ist grundsätzlich auf unvorhersehbare Notfälle beschränkt, ausser wenn es um die Abwehr einer ernsten, unmittelbaren und nicht anders abwendbaren Gefahr für fundamentale Rechtsgüter geht; Ausnahme im vorliegenden Fall bejaht (E. 5). Eine polizeiliche Massnahme wie ein Veranstaltungsverbot darf sich grundsätzlich nur gegen den Störer richten. Geht die Gefahr von Gegenveranstaltungen aus, kann auch der Veranstalter des ursprünglichen Anlasses als Zweckveranlasser Störer sein (E. 6). Im privaten Raum sind beschränkende staatliche Massnahmen nur mit grösserer Zurückhaltung zulässig als im öffentlichen Bereich. Im vorliegenden Fall wurde die Verhältnismässigkeit aufgrund der kurzen Reaktionszeit für die Behörden und wegen eingeschränkter Kapazitäten bei den Polizeikräften bejaht (E. 7).

147 I 268 (2C_175/2020) from 24. November 2020
Regeste: Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG; Art. 8 EMRK; prekärer Aufenthalt; Umwandlung des Status der vorläufigen Aufnahme in eine Aufenthaltsbewilligung im Lichte des Anspruchs auf Achtung des Privatlebens. Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gestützt auf einen potenziellen konventionsrechtlichen Anspruch auf Regularisierung der Anwesenheit in der Schweiz bejaht (E. 1). Frage des Vorliegens eines Eingriffs in den Schutzbereich von Art. 8 Ziff. 1 EMRK aufgrund der Nachteile des Status der vorläufigen Aufnahme im Vergleich zur Aufenthaltsbewilligung offengelassen (E. 4). Die Nichterteilung der Aufenthaltsbewilligung hält den Voraussetzungen von Art. 8 Ziff. 2 EMRK stand, womit ein allfälliger Eingriff in den Anspruch auf Achtung des Privatlebens gerechtfertigt ist (E. 5).

147 I 280 (1C_377/2019) from 1. Dezember 2020
Regeste: Unterlassungs- und Feststellungsgesuche betreffend Funk- und Kabelaufklärung (Art. 38 ff. NDG); Anspruch auf materielle Beurteilung der Gesuche (Art. 25 Abs. 1 DSG; Art. 13 EMRK). Bei der Funk- und Kabelaufklärung werden Personendaten bearbeitet, unabhängig davon, ob Informationen durch den NDB gespeichert werden (E. 6.1). Die Beschwerdeführenden sind potenziell in gleicher Weise von der Funk- und Kabelaufklärung betroffen wie alle Kommunikationsteilnehmer (E. 6.2.2). Speziell betroffen sind Medienschaffende sowie Anwälte und Anwältinnen (E. 6.2.3). Das Recht auf wirksame Beschwerde gemäss Art. 13 EMRK kann bei geheimen Überwachungsmassnahmen eingeschränkt oder aufgeschoben werden, wenn überwiegende Geheimhaltungsinteressen dies rechtfertigen und das System insgesamt mit Art. 8 EMRK vereinbar ist (E. 7.1). Dies muss von einer unabhängigen Instanz innerstaatlich überprüft werden können (E. 7.2). Für die "Opferstellung" i.S.v. Art. 34 EMRK genügt nach der EGMR-Rechtsprechung die hinreichende Wahrscheinlichkeit, einer geheimen Überwachung ausgesetzt zu sein, wenn es nicht möglich oder zumutbar ist, Beschwerde gegen konkrete Überwachungsmassnahmen zu ergreifen (E. 7.2.2). Die Beschwerdeführenden werden durch die Funk- und Kabelaufklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 8 EMRK und Art. 13 BV) tangiert (E. 8). Sie haben keine Möglichkeit, Kenntnis von sie betreffenden Massnahmen der Funk- und Kabelaufklärung zu erhalten (E. 9.2) und sind daher darauf angewiesen, das System der Funk- und Kabelaufklärung in der Schweiz auf seine Verfassungs- und EMRK-Konformität überprüfen zu lassen. Dies stellt keine abstrakte Normenkontrolle dar: Gegenstand der Prüfung ist nicht das Gesetz als solches, sondern die (vermutete) Erfassung von Daten der Beschwerdeführenden (E. 9.3). Auf die Gesuche ist daher grundsätzlich nach Art. 25 Abs. 1 DSG i.V.m. Art. 13 EMRK einzutreten (E. 9.4).

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