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Art. 10a Verbot der Verhüllung des eigenen Gesichts * 34
1 Niemand darf sein Gesicht im öffentlichen Raum und an Orten verhüllen, die öffentlich zugänglich sind oder an denen grundsätzlich von jedermann beanspruchbare Dienstleistungen angeboten werden; das Verbot gilt nicht für Sakralstätten. 2 Niemand darf eine Person zwingen, ihr Gesicht aufgrund ihres Geschlechts zu verhüllen. 3 Das Gesetz sieht Ausnahmen vor. Diese umfassen ausschliesslich Gründe der Gesundheit, der Sicherheit, der klimatischen Bedingungen und des einheimischen Brauchtums. 3 Angenommen in der Volksabstimmung vom 7. März 2021, in Kraft seit 7. März 2021 (BB vom 19. Juni 2020, BRB vom 31. Mai 2021 – AS 2021 310; BBl 2017 6447; 2019 2913; 2020 5507; 2021 1185). 4* Mit Übergangsbestimmung. BGE
148 I 160 (2C_1079/2019) from 23. Dezember 2021
Regeste: Art. 8 Abs. 2, 15 und 36 BV; Art. 9 EMRK; Art. 3, 6 und 7 des Gesetzes über die Laizität des Staates des Kantons Genf vom 26. April 2018 (LLE/GE); Glaubens- und Gewissensfreiheit; Verbot von Diskriminierungen; abstrakte Normenkontrolle. Zulässigkeit, Überprüfungsbefugnis, appellatorische Kritik an den Feststellungen des Sachverhalts (E. 1-4). Der Kanton Genf legt grossen Wert auf die Laizität des Staates; es ist angezeigt, diesem Aspekt im Rahmen der vorliegenden abstrakten Normenkontrolle Rechnung zu tragen (E. 5). Die Rügen bezüglich einer Bestimmung, die bereits vom kantonalen Gericht aufgehoben worden ist, sind nicht zu berücksichtigen (E. 6). Art. 3 Abs. 3 und 5 LLE/GE, wonach Gerichtspersonen, Mitglieder von kantonalen Exekutivbehörden und Beamte davon abzusehen haben, ihre Religionszugehörigkeit durch Verlautbarungen oder äusserliche Zeichen zur Schau zu stellen, ist - im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle - mit Art. 15 und 36 BV und Art. 9 Ziff. 1 EMRK konform. Zu vermeiden ist aber eine exzessiv strikte Anwendung dieser Bestimmung im Einzelfall, die mit der Glaubens- und Gewissensfreiheit der betroffenen Personen nicht zu vereinbaren wäre (E. 7). Art. 3 Abs. 3 und 5 LLE/GE ist mit Art. 8 Abs. 2 BV konform (E. 8). Abweisung der Beschwerde, soweit sie Art. 3 LLE/GE betrifft (E. 9 und 10). Gemäss dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 und 2 LLE/GE können Veranstaltungen zu religiösen Kultuszwecken auf öffentlichem Grund lediglich "ausnahmsweise" bewilligt werden. Dies kommt einem grundsätzlichen Verbot von Veranstaltungen dieser Art gleich, was mit Art. 15 BV nicht vereinbar ist (E. 11). Art. 7 Abs. 1 LLE/GE, der dem Regierungsrat die Kompetenz verleiht, unter gewissen Bedingungen das Tragen auffälliger religiöser Zeichen auf öffentlichem Grund und in öffentlichen Gebäuden zu beschränken oder zu verbieten, verletzt Art. 15 und 36 BV und Art. 9 Ziff. 1 EMRK nicht (E. 12 und 13). Art. 7 Abs. 2 LLE/GE, der vorschreibt, dass an gewissen öffentlichen Orten das Gesicht sichtbar bleiben muss, ist mit Art. 15 und 36 BV und Art. 9 Ziff. 1 EMRK konform (E. 14). Verfahrensausgang, Kosten und Entschädigungen (E. 15). |