Bundesverfassung
der Schweizerischen Eidgenossenschaft


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Art. 122 Zivilrecht 93

1 Die Ge­setz­ge­bung auf dem Ge­biet des Zi­vil­rechts und des Zi­vil­pro­zess­rechts ist Sa­che des Bun­des.

2 Für die Or­ga­ni­sa­ti­on der Ge­rich­te und die Recht­spre­chung in Zi­vil­sa­chen sind die Kan­to­ne zu­stän­dig, so­weit das Ge­setz nichts an­de­res vor­sieht.

93 An­ge­nom­men in der Volks­ab­stim­mung vom 12. März 2000, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (BB vom 8. Okt. 1999, BRB vom 17. Mai 2000, BB vom 8. März 2005 – AS 2002 3148; 2006 1059; BBl 1997 I 1; 19998633; 2000 2990; 2001 4202).

BGE

128 I 206 () from 19. Juni 2002
Regeste: Art. 49 BV; Genfer Gesetze über die Abbrüche, Umbauten und Renovierungen von Wohnhäusern (LDTR) sowie über die Anwendung des SchKG (LALP); Zwangsverwertung von Wohnungen im Stockwerkeigentum; Pflicht zum gesamthaften Verkauf der Wohnungen; Veräusserungsbewilligung. Art. 134 ff. SchKG, Art. 45 ff. VZG. Die dem Betreibungs- und Konkursamt auferlegte Verpflichtung, die Wohnungen zusammen zu verkaufen und um eine vorherige Bewilligung zu ersuchen, widerspricht Bundesrecht, insbesondere Art. 134 SchKG (E. 5).

132 III 470 () from 20. April 2006
Regeste: Art. 2 lit. c und d sowie Art. 3 und 99 FusG, Art. 22 SBBG; Unzulässigkeit der Übernahme einer privatrechtlichen Aktiengesellschaft durch ein Institut des öffentlichen Rechts mittels Absorptionsfusion. Die SBB ist eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft des öffentlichen Rechts und damit als Institut des öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 2 lit. d FusG zu qualifizieren. Sie darf nicht mit einer unter die Kapitalgesellschaften nach Art. 2 lit. c FusG fallenden privatrechtlichen Aktiengesellschaft gleichgesetzt werden (E. 3). Der in Art. 22 SBBG enthaltene Verweis auf das Aktienrecht betrifft, soweit es um Umstrukturierungen geht, die umfassende Neuordnung von Strukturanpassungstatbeständen im FusG. Für die SBB sind die Sonderregeln für Institute des öffentlichen Rechts nach Art. 99 ff. FusG zu beachten und die Art. 3 ff. FusG sind nicht anwendbar (E. 4). Dass die abschliessende Regelung von Art. 99 FusG die Absorptionsfusion einer privatrechtlichen Aktiengesellschaft durch ein Institut des öffentlichen Rechts nicht vorsieht, stellt keine Lücke im Gesetz dar (E. 5).

134 I 23 (9C_83/2007, 9C_84/2007) from 15. Januar 2008
Regeste: Art. 82 lit. b und Art. 87 BGG; Art. 8, 9, 26 und 49 Abs. 1 BV; Art. 1 und 88-98 FusG; Art. 61 und 62 BVG, Art. 51 Abs. 5 und Art. 65d Abs. 2 BVG; IAO-Übereinkommen Nr. 98, 150 und 154; Gesetz vom 12. Oktober 2006 über die staatlichen Vorsorgeeinrichtungen des Kantons Wallis (GVE); abstrakte Normenkontrolle; derogatorische Kraft des Bundesrechts. Gegen das GVE kann direkt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht erhoben werden (E. 3). Das GVE, welches u.a. die Umwandlung der registrierten privatrechtlichen Stiftung "Vorsorgekasse für das Personal des Staates Wallis" in ein unabhängiges Institut des öffentlichen Rechts und eine Erhöhung des Pensionsalters vorsieht, verletzt die folgenden Gesetze, Bestimmungen oder Grundsätze nicht: das Fusionsgesetz (E. 6.2); die sich auf Massnahmen zur Behebung von Unterdeckungen beziehende Bestimmung des Art. 65d Abs. 2 BVG (E. 6.3); das Anhörungsrecht gemäss Art. 51 Abs. 5 BVG und die IAO-Übereinkommen Nr. 98, 150 und 154 (E. 6.4); den Grundsatz von Treu und Glauben gemäss Art. 9 BV, namentlich den daraus und aus der Eigentumsgarantie gemäss Art. 26 BV abgeleiteten Grundsatz des Schutzes wohlerworbener Rechte (E. 7); das Willkürverbot (Art. 9 BV; E. 8); das Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV; E. 9).

134 I 184 (4A_512/2007) from 13. Mai 2008
Regeste: a Art. 74 Abs. 2 lit. a und Art. 113 BGG. Verhältnis der Beschwerde in Zivilsachen betreffend eine "Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung" zur subsidiären Verfassungsbeschwerde (E. 1).

135 V 443 (9C_725/2008) from 9. November 2009
Regeste: a Art. 89 Abs. 1 und Art. 44 Abs. 1 KVG; Zuständigkeit des Schiedsgerichts. Auch wenn eine Vergütungspflicht im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ausser Betracht fällt, ist das Schiedsgericht in Krankenversicherungsstreitigkeiten nach Art. 89 KVG zuständig für die Beurteilung der Frage nach der Tragweite des Tarifschutzes von Art. 44 Abs. 1 KVG (E. 1.2).

137 III 217 (4A_578/2010) from 11. April 2011
Regeste: Einstufiger kantonaler Rechtsmittelzug gegen Verfügungen der Handelsregisterbehörden (Art. 165 Abs. 2 HRegV). Art. 165 Abs. 2 HRegV kann sich auf die Delegationsnorm von Art. 929 Abs. 1 OR abstützen und steht im Einklang mit dem Prinzip der "double instance" gemäss Art. 75 Abs. 2 BGG (E. 2).

138 II 557 (2C_199/2012) from 23. November 2012
Regeste: Art. 103 FusG, Art. 24 Abs. 3 und 3quater StHG; Handänderungssteuer bei Umstrukturierungen. Art. 103 FusG ist eine direkt anwendbare Norm des Bundesrechts; sie bedarf keiner Konkretisierung durch das kantonale Recht und dieses kann nicht von ihr abweichen (E. 4.2). Lediglich der Begriff der "Umstrukturierung" ist im Handänderungssteuerrecht zu verwenden, unter Ausschluss der übrigen Kriterien, welche das StHG für die Befreiung von den direkten Steuern aufstellt (E. 5.2). Der Begriff der Umstrukturierung im Sinn von Art. 24 Abs. 3 StHG umfasst die Fusion, die Spaltung und die Umwandlung, nicht aber die Vermögensübertragung; diese ist in Art. 24 Abs. 3quater StHG geregelt (E. 6.1 und 7.3). Die im Wortlaut von Art. 24 Abs. 3quater StHG enthaltene Beschränkung auf gewisse Gesellschaftsformen (E. 7.2) steht dem grundlegenden Ziel des FusG entgegen, die Flexibilität der Unternehmen bei der Wahl ihrer Rechtsform zu erhöhen (E. 7.5). Der Begriff des Konzerns gemäss Art. 663e OR gebietet nicht, Art. 24 Abs. 3quater StHG einzig auf Konzerne anzuwenden, die aus Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften bestehen (E. 7.4). Eine Vermögensübertragung zwischen zwei Gesellschaften des gleichen Konzerns ist auch von der Handänderungssteuer befreit, wenn die übernehmende Gesellschaft eine Vorsorgestiftung ist (E. 7.5).

139 III 225 (5A_44/2013) from 25. April 2013
Regeste: Art. 54 SchlT ZGB; Art. 1 lit. b ZPO; Anwendbarkeit der ZPO im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit findet die ZPO nur dort direkte Anwendung, wo das Bundesrecht selbst eine gerichtliche Behörde vorschreibt. Soweit der Kanton die zuständige Behörde bezeichnet, regelt er auch das Verfahrensrecht; erklärt er die ZPO als anwendbar, stellt diese kantonales Recht dar (E. 2).

140 III 155 (4A_480/2013) from 10. Februar 2014
Regeste: Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 ZPO; ausschliessliche Zuständigkeit des Handelsgerichts; Regelungsbefugnisse der Kantone. Mit Art. 6 ZPO hat der Bundesgesetzgeber für den Fall, dass ein Kanton von der Möglichkeit, ein Handelsgericht zu schaffen, Gebrauch gemacht hat, die sachliche Zuständigkeit für handelsrechtliche Streitigkeiten (Art. 6 Abs. 2 lit. a-c ZPO) abschliessend geregelt. Für eine weitere Zuständigkeitsregelung durch den Kanton bleibt kein Raum (E. 4.3).

140 IV 49 (6B_459/2013) from 13. Februar 2014
Regeste: Art. 20 und 56 Abs. 3 StGB; sachverständige Person. Die sachverständige Person, die gestützt auf Art. 20 und 56 Abs. 3 StGB Gutachten erstellt, muss in aller Regel Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sein (E. 2). Das kantonale Recht kann weitergehende Bestimmungen vorsehen (z.B. forensische Weiterbildung) (E. 2.8).

141 II 280 (2C_701/2014, 2C_713/2014) from 13. April 2015
Regeste: Art. 68 Abs. 2 lit. b und d ZPO; Art. 1-3 BGBM; Art. 27 BV; Befugnis von Rechtsagenten zur gewerbsmässigen Vertretung vor Gericht in einem anderen Kanton als sie zugelassen sind; Verhältnis zwischen BGBM und Art. 68 Abs. 2 lit. b und d ZPO; Wirtschaftsfreiheit. Tragweite des BGBM und die Auswirkungen dieser Gesetzgebung auf die Ausübung eines kantonal anerkannten Berufs anhand des Beispiels der Rechtsagenten nach dem Recht des Kantons Waadt (E. 5). Auslegung von Art. 68 Abs. 2 lit. b und d ZPO i.V.m. Art. 68 Abs. 2 lit. a ZPO. Diese bundesrechtlichen Bestimmungen gehen denjenigen des BGBM vor (E. 6-8). Gewerbsmässige Vertretung von Parteien vor Gericht. Vereinbarkeit mit der Wirtschaftsfreiheit (E. 9).

142 III 521 (4A_386/2015) from 7. September 2016
Regeste: a Internationale Schiedsgerichtsbarkeit; Verfahrenssprache vor Bundesgericht (Art. 42 Abs. 1 und 54 Abs. 1 BGG in Verbindung mit Art. 70 Abs. 1 BV). Auch wenn der angefochtene Schiedsentscheid auf Englisch abgefasst wurde, sind die Beschwerdeschrift und allfällige weitere Eingaben der Parteien in einer Amtssprache des Bundes zu verfassen. In einem solchen Fall führt das Bundesgericht das Instruktionsverfahren und ergeht sein Entscheid praxisgemäss in der Sprache der Beschwerde (E. 1).

142 III 795 (5A_386/2016) from 27. Oktober 2016
Regeste: Letztinstanzlicher kantonaler Entscheid betreffend Massnahmen des kantonalen Rechts (Art. 437 Abs. 2 ZGB); Rechtsmittel. Zulässiges Rechtsmittel an das Bundesgericht ist die Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG) (E. 2).

143 I 403 (2C_774/2014) from 21. Juli 2017
Regeste: Art. 27, 28 Abs. 1, 36, 49 Abs. 1, 94, 110 und 122 BV; Art. 71 ArG; ELG; Art. 4 AVEG; Art. 342 und 356 ff. OR; Art. 34a KV/NE; abstrakte Normenkontrolle des Gesetzes des Kantons Neuenburg vom 28. Mai 2014 zur Änderung des Gesetzes über die Beschäftigung und die Arbeitslosenversicherung (LEmpl/NE); Verfassungs- und Rechtmässigkeit eines kantonalen Minimallohns. Eine Gesetzesänderung, die für den Kanton Neuenburg einen Mindestlohn bestimmt mit dem Ziel, allen Arbeitnehmenden einen angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen, ohne dass sie Sozialhilfe beanspruchen müssen, und die Armut zu bekämpfen, ist keine wirtschafts-, sondern eine sozialpolitische Massnahme. Sie verstösst nicht gegen den Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit (E. 5.1-5.5). Vereinbarkeit des kantonalen Gesetzes mit dem individualrechtlichen Gehalt der Wirtschaftsfreiheit (E. 5.6 und 5.7) und der Koalitionsfreiheit vor dem Hintergrund der Gesetzgebung über die Gesamtarbeitsverträge (E. 6). Die Einführung eines minimalen Stundenlohns auf kantonaler Ebene verletzt den Vorrang des Bundesrechts weder im Hinblick auf das private noch das öffentliche Arbeitsrecht (E. 7).

143 III 395 (5A_243/2016) from 12. Juni 2017
Regeste: Art. 285 ff. SchKG; Art. 1 lit. c, Art. 5 Abs. 1 lit. f ZPO; Anfechtungsklage gegen den Bund für bezahlte Mineralölsteuern. Die Anfechtungsklage gemäss Art. 285 ff. SchKG gegen den Fiskus gehört zu den gerichtlichen Angelegenheiten des SchKG, welche von der ZPO geregelt werden. Sie fällt hingegen nicht unter die "Klagen gegen den Bund" im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. f ZPO, für welche eine einzige kantonale Instanz zuständig ist (E. 3-8).

146 I 70 (1C_441/2018) from 14. November 2019
Regeste: Art. 26 Abs. 1, Art. 27 Abs. 1, Art. 36, Art. 49 Abs. 1, Art. 109 Abs. 1, Art. 122 Abs. 1 BV; kommunale Bestimmungen zum preisgünstigen Wohnungsbau; abstrakte Normenkontrolle; Vorrang von Bundesrecht; Eigentumsgarantie; Wirtschaftsfreiheit. Grundsätze der abstrakten Normenkontrolle (E. 4). Die in die Bauordnung der Stadt Bern aufgenommenen Bestimmungen zur Sicherstellung eines genügenden Angebots an preisgünstigen Mietwohnungen sind mit dem Grundsatz des Vorrangs von Bundesrecht vereinbar (E. 5). Sie lassen sich so auslegen und umsetzen, dass mit ihrer Anwendung grundsätzlich keine ungerechtfertigten Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit oder die Eigentumsgarantie verbunden sind (E. 6).

147 I 183 (1C_105/2019) from 16. September 2020
Regeste: Art. 34 und Art. 35 Abs. 2 und 3 BV; § 48 Abs. 2 lit. a der Verfassung vom 23. März 2005 des Kantons Basel-Stadt; Vereinbarkeit der kantonalen Volksinitiative "Grundrechte für Primaten" mit übergeordnetem Recht. Gründe für die Ungültigerklärung einer kantonalen Volksinitiative im Kanton Basel-Stadt (E. 5). Grundsätze der Überprüfung der materiellen Rechtmässigkeit einer kantonalen Volksinitiative (E. 6.1 und 6.2). Verhältnis kantonaler Grundrechte zu den Grundrechten der Bundesverfassung und der EMRK (E. 8.1). Vereinbarkeit kantonaler Grundrechte für bestimmte Tiere mit übergeordnetem Recht (E. 8.2-8.4). Für die Beurteilung der materiellen Rechtmässigkeit der Initiative ist unter den gegebenen Umständen vom Wortlaut der Initiative auszugehen und nicht auf den subjektiven Willen der Initiantinnen und Initianten abzustellen (E. 9.1-9.3).

147 I 241 (2C_283/2020) from 5. Februar 2021
Regeste: Art. 213 ff. ZPO; Art. 6 ff. der Verordnung über die Mediation in Zivil-, Straf- und Jugendstrafsachen des Kantons Freiburg vom 6. Dezember 2010 (MedV/FR); Mediation; Bewilligung der Ausübung; Rechtsprechung und Organisation der Gerichte; unentgeltliche Rechtspflege; derogatorische Kraft des Bundesrechts. Darstellung der rechtlichen Vorschriften des Kantons Freiburg, welche die justizförmige Tätigkeit des Mediators in Zivilsachen einer Bewilligungspflicht unterwerfen (E. 3). Die Kantone haben die originäre Kompetenz, die justizförmige Tätigkeit von Mediatoren in Zivilsachen zu regeln (E. 5.1). Aus Art. 213 ff. ZPO folgt jedoch, dass die Kantone das Recht zur Ausübung dieser Funktion nicht von der vorgängigen Erteilung einer Bewilligung abhängig machen dürfen (E. 5.2-5.8). Möglichkeit für einen Kanton, eine Liste mit Personen zu führen, die im Bereich der Mediation qualifiziert sind, und die Kosten für Mediationsverfahren nur zu übernehmen, wenn sich die Parteien an eine dieser Personen wenden (E. 5.7.6 und 5.7.7). Praktische Auswirkungen dieser Grundsätze (E. 6).

147 III 351 (5A_485/2020) from 25. März 2021
Regeste: Art. 49 Abs. 1 BV, Art. 59 und 124 Abs. 1 ZPO, Art. 12 lit. c und 34 Abs. 1 BGFA; Zuständigkeit für den Entscheid über die Vertretungsbefugnis des Anwalts in einem hängigen Verfahren. Der Entscheid über die Vertretungsbefugnis des Anwalts dient der Garantie eines korrekten Verfahrens, sodass er in die Kategorie der prozessleitenden Verfügungen fällt (Art. 124 Abs. 1 ZPO). In einem hängigen Verfahren hat darüber das für den Entscheid in der Hauptsache zuständige Gericht oder delegationsweise ein Mitglied dieses Gerichts zu befinden (Art. 124 Abs. 2 ZPO) (E. 6).

148 I 1 (2C_451/2020) from 9. Juni 2021
Regeste: Art. 426 ZGB; Art. 5 Ziff. 1 lit. e EMRK; disziplinarische Massnahme gegen einen Arzt aufgrund der Anordnung einer ungerechtfertigten fürsorgerischen Unterbringung einer Patientin in einer Einrichtung. Das Recht auf Selbstbestimmung, welches verfassungsrechtlich an die in Art. 10 BV garantierte persönliche Freiheit anknüpft, drückt sich im medizinischen Bereich durch das Recht auf Zustimmung oder Ablehnung einer Behandlung aus, die durch den Arzt oder das Pflegepersonal vorgeschlagen wird (E. 6.2.1 und 6.2.3). Die Missachtung des Rechts des Patienten, einer vom Arzt vorgeschlagenen Handlung zuzustimmen oder sie abzulehnen, stellt - selbst wenn die Handlung in seinem therapeutischen Interesse liegt - einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit dar. Vorbehaltlich besonderer Umstände muss das Prinzip, zum Wohle des Patienten zu handeln, hinter den Grundsatz der Achtung der Autonomie zurücktreten (E. 6.2.3). Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten ist nicht absolut. Wenn das Rechtsverhältnis zwischen Patient und Arzt öffentlich-rechtlicher Natur ist, müssen die Grundsätze von Art. 36 BV beachtet werden, um es einzuschränken (E. 7.1). Eine Anordnung zur Errichtung einer fürsorgerischen Unterbringung nach Art. 426 ZGB ist ein hoheitlicher Akt des öffentlichen Rechts, der zu einem Freiheitsentzug im Sinne von Art. 5 Ziff. 1 EMRK führt (E. 7.3.2). Der in Art. 426 ZGB enthaltene Begriff der schweren Verwahrlosung muss einem Zustand entsprechen, der mit der Menschenwürde unvereinbar ist und nur durch die Unterbringung in einer Einrichtung behoben werden kann. Er schliesst Handlungen aus, die auf eine vorübergehende Beeinträchtigung zurückzuführen sind (E. 8.1.2). Eine Bewusstseinsstörung, die eine somatische Ursache hat und nur vorübergehend ist, steht einer so einschneidenden Massnahme wie einer fürsorgerischen Unterbringung entgegen (E. 8.2.2).

148 I 251 (5A_524/2021) from 8. März 2022
Regeste: Art. 49 BV; Art. 310 Abs. 1, Art. 440 Abs. 2 und 3 und Art. 445 Abs. 1 und 2 ZGB; Entscheid über vorsorgliche Massnahmen, mit dem der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts über das Kind und dessen Fremdplatzierung angeordnet wird. Prüfung der Bundesrechtskonformität einer Norm des kantonalen Rechts (Art. 49 BV), die die Zuständigkeit eines einzelnen Mitglieds der Kindesschutzbehörde (Art. 440 Abs. 2 und 3 ZGB) für den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts über das Kind und dessen Platzierung (Art. 310 Abs. 1 ZGB) im Rahmen vorsorglicher Massnahmen (Art. 445 Abs. 1 und 2 ZGB) vorsieht (E. 3).

148 II 121 (2C_624/2021) from 28. März 2022
Regeste: Art. 9, 27, 49, 94 Abs. 1, 127 BV; Art. 34 KAG; Art. 39 FINIG; Art. 103 FusG; Handänderungsabgabe, die anlässlich des Wechsels der Leitung eines Immobilien-Anlagefonds erhoben wird; Wirtschaftsfreiheit und Wettbewerbsneutralität; Vorrang des Bundesrechts. Wenn die Leitung eines Anlagefonds im Grundbuch als Eigentümerin von Immobilien eingetragen wird, handelt es sich um treuhänderisches Eigentum (E. 4). Es ist nicht willkürlich, anlässlich des Wechsels der Leitung eines Immobilien-Anlagefonds eine Handänderungsabgabe zu erheben. Auch ist im konkreten Fall die Beurteilung vertretbar, dass einer solchen Eigentumsübertragung eine Gegenleistung gegenübersteht (E. 6.5 und 6.6). Eine Handänderungsabgabe ist keine Spezialsteuer, so dass die Wirtschaftsfreiheit gemäss Art. 27 BV dagegen keinen Schutz gewährt (E. 7). Wenn anlässlich des Wechsels der Leitung eines Immobilien-Anlagefonds eine Handänderungsabgabe von 3 % erhoben wird, so verstösst das nicht gegen die ratio legis des früheren Art. 34 KAG oder von Art. 39 FINIG; ebenso wenig verletzt es den Vorrang des Bundesrechts (E. 8).

149 I 25 (1C_759/2021) from 19. Dezember 2022
Regeste: Art. 49, 109 und 122 BV; § 34 KV/BS; § 8a Abs. 3 lit. a des Gesetzes des Kantons Basel-Stadt vom 5. Juni 2013 über die Wohnraumförderung (WRFG); abstrakte Normenkontrolle; Rückkehrrecht von Mietparteien nach einer Sanierung. Die streitige kantonale Bestimmung statuiert für Umbau-, Renovations- und Sanierungsvorhaben in Zeiten von Wohnungsnot eine Bewilligungspflicht. Die Bewilligung hängt davon ab, dass den bisherigen Mietparteien das Recht zur Rückkehr in die sanierte oder umgebaute Liegenschaft eingeräumt wird (E. 4.4). Vereinbarkeit der Norm mit der gewährleisteten Kantonsverfassung (E. 4.4.2 und 4.4.3). Methoden zur Abgrenzung von Privatrecht und öffentlichem Recht (E. 4.4.4). Das vorgesehene, pauschal eingeräumte Rückkehrrecht ist zivilrechtlicher Natur und greift direkt in das vom Bundesrecht abschliessend geregelte Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter ein. Aufhebung der Bestimmung, weil sie gegen den Vorrang des Bundesrechts verstösst (E. 4.4.5).

150 II 98 (9C_312/2023) from 7. Dezember 2023
Regeste: Art. 49 BV; Art. 38 und 39 FINIG; Art. 37 KKV; Handänderungssteuer, die anlässlich des Wechsels der Leitung eines Immobilien-Anlagefonds erhoben wird; Überwälzung der Steuer auf die Anleger. Sofern der Wechsel der Fondsleitung - nach Abwägung von Nutzen und Kosten - im Interesse der Anleger liegt und die erforderlichen Genehmigungen der FINMA vorliegen, kann eine dadurch ausgelöste Handänderungssteuer nach Art. 38 Abs. 1 lit. b und c FINIG i.V.m. Art. 37 Abs. 2bis lit. a KKV dem Fondsvermögen jedenfalls dann belastet werden, wenn der Fondsvertrag dies ausdrücklich vorsieht (E. 4.5). Die Erhebung der Handänderungssteuer verunmöglicht den Wechsel der Fondsleitung nicht und verletzt weder Art. 39 FINIG noch den Grundsatz des Vorrangs des Bundesrechts (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 4.6).

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