Code pénal suisse

du 21 décembre 1937 (État le 22 novembre 2022)


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Art. 56

1. Prin­cipes

 

1 Une mesure doit être or­don­née:

a.
si une peine seule ne peut écarter le danger que l’auteur com­mette d’autres in­frac­tions;
b.
si l’auteur a be­soin d’un traite­ment ou que la sé­cur­ité pub­lique l’ex­ige, et
c.
si les con­di­tions prévues aux art. 59 à 61, 63 ou 64 sont rem­plies.

2 Le pro­non­cé d’une mesure sup­pose que l’at­teinte aux droits de la per­son­nal­ité qui en ré­sulte pour l’auteur ne soit pas dis­pro­por­tion­née au re­gard de la vraisemb­lance qu’il com­mette de nou­velles in­frac­tions et de leur grav­ité.

3 Pour or­don­ner une des mesur­es prévues aux art. 59 à 61, 63 et 64 ou en cas de change­ment de sanc­tion au sens de l’art. 65, le juge se fonde sur une ex­pert­ise. Celle-ci se déter­mine:

a.
sur la né­ces­sité et les chances de suc­cès d’un traite­ment;
b.
sur la vraisemb­lance que l’auteur com­mette d’autres in­frac­tions et sur la nature de celles-ci;
c.
sur les pos­sib­il­ités de faire ex­écuter la mesure.

4 Si l’auteur a com­mis une in­frac­tion au sens de l’art. 64, al. 1, l’ex­pert­ise doit être réal­isée par un ex­pert qui n’a pas traité l’auteur ni ne s’en est oc­cupé d’une quel­conque man­ière.

4bis Si l’in­terne­ment à vie au sens de l’art. 64, al. 1bis, est en­visagé, le juge prend sa dé­cision en se fond­ant sur les ex­pert­ises réal­isées par au moins deux ex­perts in­dépend­ants l’un de l’autre et ex­péri­mentés qui n’ont pas traité l’auteur ni ne s’en sont oc­cupés d’une quel­conque man­ière.50

5 En règle générale, le juge n’or­donne une mesure que si un ét­ab­lisse­ment ap­pro­prié est à dis­pos­i­tion.

6 Une mesure dont les con­di­tions ne sont plus re­m­plies doit être levée.

50 In­troduit par le ch. I de la LF du 21 déc. 2007 (In­terne­ment à vie des dé­lin­quants ex­trêm­ement dangereux), en vi­gueur depuis le 1er août 2008 (RO 2008 2961; FF 2006 869).

BGE

116 IV 300 () from 22. November 1990
Regeste: Art. 11, Art. 63 ff., Art. 68 Ziff. 1 Abs. 1 StGB; Strafzumessung bei verminderter Zurechnungsfähigkeit und Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, darunter Mord. 1. Strafschärfungs- und Strafmilderungsgründe erweitern den ordentlichen Strafrahmen und bilden zugleich Straferhöhungs- und -minderungsgründe (E. 2a). 2. Der Richter muss Strafschärfungs- und -milderungsgründe mindestens straferhöhend bzw. -mindernd berücksichtigen, wobei sich diese in ihrer zweiten Bedeutung kompensieren können (E. 2a). Vorgehen bei der Bemessung der Strafe nach Art. 68 Ziff. 1 StGB (E. 2b, 2c/aa und dd). 3. Das Höchstmass der Strafe und der Strafart gemäss Art. 68 Ziff. 1 StGB richtet sich nach der abstrakt angedrohten Strafe (E. 2c/bb und cc). 4. Bei Konkurrenz eines in verminderter Zurechnungsfähigkeit begangenen Mordes mit einer weiteren Straftat kann aus diesen Gründen auf lebenslängliches Zuchthaus erkannt werden.

129 IV 296 () from 6. August 2003
Regeste: Entzug der Jagdberechtigung (Art. 20 Abs. 1 JSG); bedingter Vollzug (Art. 41 StGB). Der Entzug der Jagdberechtigung im Sinne von Art. 20 Abs. 1 JSG ist keine Massnahme, sondern eine Nebenstrafe. Er kann daher bedingt erfolgen (E. 2).

134 IV 121 (6B_347/2007) from 29. November 2007
Regeste: Art. 2 und 64 StGB, Ziff. 2 Abs. 1 der Schlussbestimmungen der Änderung vom 13. Dezember 2002; Art. 7 Ziff. 1 EMRK; Art. 15 Abs. 1 UNO-Pakt II; Geltung des Rückwirkungsverbots für die Verwahrung. Das Rückwirkungsverbot gilt auch für die Verwahrung (E. 3.3.3). Das neue Recht ist hinsichtlich der Anordnung der Verwahrung und der Entlassung aus dieser Massnahme nicht strenger als das alte Recht. Die Schlussbestimmung der Änderung vom 13. Dezember 2002, welche die rückwirkende Anwendung des neuen Rechts auf noch nicht beurteilte Straftäter vorsieht, verstösst daher nicht gegen das Rückwirkungsverbot (E. 3.4).

134 IV 246 (6B_556/2007) from 4. Juli 2008
Regeste: Änderung und Aufhebung ambulanter Massnahmen; Begutachtung. Die Vollzugsbehörde ist zuständig zur Anpassung ambulanter Massnahmen, soweit die Änderung dem Zweck der ursprünglich angeordneten Massnahme entspricht und sich die neue Massnahme in den Rahmen der Behandlung einfügt, wie er im Strafurteil vorgezeichnet ist. Solche Anordnungen sind in Verfügungsform zu erlassen (E. 3.3). Erachtet die Vollzugsbehörde die Fortführung der ambulanten Behandlung als aussichtslos, so stellt sie deren Scheitern mittels anfechtbarer Verfügung fest (vgl. Art. 63a Abs. 2 lit. b StGB). Erwächst diese Verfügung in Rechtskraft, obliegt es dem Gericht zu entscheiden, ob die aufgeschobene Freiheitsstrafe zu vollziehen (Art. 63b Abs. 2 StGB) oder eine stationäre therapeutische Massnahme anzuordnen ist (Art. 63b Abs. 5 StGB). Für das Aussprechen einer anderen ambulanten Massnahme besteht kein Raum (E. 3.4). Aus Art. 56 Abs. 3 StGB ist zu folgern, dass Änderungsentscheide im Sinne von Art. 63b Abs. 2 und 5 StGB gestützt auf ein Gutachten einer sachverständigen Person zu treffen sind. Soweit ein früheres Gutachten mit Ablauf der Zeit und zufolge veränderter Verhältnisse an Aktualität eingebüsst hat, ist eine neuerliche Begutachtung unabdingbar (E. 4.3).

135 IV 49 (6B_144/2008) from 9. September 2008
Regeste: Ziff. 2 Abs. 2 Schlussbestimmungen der Änderung vom 13. Dezember 2002; Art. 42, 43 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB; Art. 56 Abs. 6 und Art. 64 ff. StGB; bedingte Entlassung von Tätern, die unter altem Recht wegen wiederholter Vermögensdelikte verwahrt wurden. Die in Anwendung von Art. 42 und 43 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB angeordneten Verwahrungen werden weitergeführt, sofern keine der in Art. 59-61 oder 63 StGB vorgesehenen Massnahmen in Betracht kommt. Dies gilt selbst, wenn die neuen Voraussetzungen der Verwahrung nach Art. 64 StGB nicht erfüllt sind (E. 1.1.1). Diese Verwahrungen werden nach neuem Recht weitergeführt, welches in Art. 64a und Art. 64b StGB die Regeln zur bedingten Entlassung enthält. Die Entlassung ist auszusprechen, wenn der Verwahrte nur Vermögensdelikte begangen hat und nicht zu erwarten ist, dass der Verwahrte Straftaten im Sinne von Art. 64 Abs. 1 StGB begehen wird (E. 1.1.2).

135 IV 130 (6B_772/2008) from 6. März 2009
Regeste: Art. 52 StGB; Absehen von einer Bestrafung. Voraussetzung für die Strafbefreiung ist ein vom Verschulden wie von den Tatfolgen her unerhebliches Verhalten des Täters. Dieses ist aufgrund eines Quervergleichs zu typischen unter dieselbe Gesetzesbestimmung fallenden strafbaren Handlungen zu beurteilen. Bei der Würdigung des Verschuldens sind sämtliche relevanten Strafzumessungskomponenten mit Einschluss der Täterkomponenten zu berücksichtigen (E. 5).

135 IV 180 (6B_769/2008) from 18. Juni 2009
Regeste: a Bemessung der Geldstrafe; Höhe des Tagessatzes; Art. 34 Abs. 2 und Art. 380 StGB. Wurde gegen die zu einer Geldstrafe verurteilte Person eine Massnahme angeordnet, muss für die Berechnung ihres Reineinkommens festgelegt werden, ob die Kosten derselben nach Art. 380 StGB zu ihren Lasten oder denjenigen des Kantons gehen (E. 1.3). Eine Geldstrafe ist nicht symbolisch, sofern der Tagessatz für mittellose Täter wenigstens 10 Franken beträgt (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 1.4).

136 IV 156 (6B_750/2009) from 13. Juli 2010
Regeste: Art. 63b StGB; Art. 5 EMRK; Anordnung einer stationären Massnahme nach vollständiger Verbüssung der Freiheitsstrafe. Die Umwandlung einer ambulanten in eine stationäre Massnahme nach vollständiger Verbüssung der Strafe bleibt auch unter dem Geltungsbereich des neuen Massnahmenrechts in klaren Ausnahmefällen und unter strenger Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsgebotes zulässig (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2-4).

137 II 233 (2C_903/2010) from 6. Juni 2011
Regeste: Art. 10 und 11 ANAG, Art. 70 VZAE, Art. 5 Anhang I FZA, aArt. 43 StGB sowie Art. 56 ff. StGB; Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen; Ausweisung eines Unionsbürgers. Es verstösst nicht gegen Landes- sowie gegen Staatsvertragsrecht, möglichst früh bzw. vor dem Ende des Straf- oder Massnahmenvollzugs über eine Ausweisung zu entscheiden (E. 5).

137 IV 201 (6B_854/2010) from 5. Mai 2011
Regeste: Art. 56 Abs. 2 und 6, Art. 59 Abs. 1, Art. 62 Abs. 1, Art. 62c Abs. 1 und 3-6, Art. 62d Abs. 1 StGB; Verweigerung der bedingten Entlassung aus einer stationären Massnahme. Zusammenfassung der Grundsätze (E. 1). Voraussetzungen der Gefährlichkeit und der Wiederholungsgefahr erfüllt bei einer schweren geistigen Erkrankung (paranoide Schizophrenie) einhergehend mit einer beträchtlichen psychischen Instabilität und einer Zwangsstörung (Abhängigkeit von verschiedenen psychoaktiven Substanzen), die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit mit sich bringt - bestätigt durch zahlreiche Aggressionen gegenüber Aufsichtspersonen und das zweimalige Inbrandsetzen des eigenen Bettes -, welche die Schwere der begangenen Straftaten übersteigt (E. 2). In Anbetracht der Gefährlichkeit für Dritte erscheint die Fortsetzung der bald acht Jahre andauernden, nicht aussichtslosen stationären Massnahme gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung künftiger Straftaten nicht unverhältnismässig (E. 3).

137 V 154 (9C_833/2010) from 16. Mai 2011
Regeste: Art. 21 Abs. 5 ATSG; Art. 59 Abs. 1 und 4 StGB (in der ab 1. Januar 2007 gültigen Fassung); Sistierung der Rente der Invalidenversicherung während des Vollzugs einer stationären therapeutischen Massnahme gemäss Art. 59 StGB. Für die Rentensistierung gestützt auf Art. 21 Abs. 5 ATSG ist allein darauf abzustellen, ob der stationäre Massnahmenvollzug gemäss Art. 59 StGB eine Erwerbstätigkeit zulässt oder nicht. Von der Differenzierung einer gegenüber der Sozialgefährlichkeit im Vordergrund stehenden Behandlungsbedürftigkeit - als Hinderungsgrund einer Sistierung - ist abzusehen (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 6).

140 IV 49 (6B_459/2013) from 13. Februar 2014
Regeste: Art. 20 und 56 Abs. 3 StGB; sachverständige Person. Die sachverständige Person, die gestützt auf Art. 20 und 56 Abs. 3 StGB Gutachten erstellt, muss in aller Regel Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sein (E. 2). Das kantonale Recht kann weitergehende Bestimmungen vorsehen (z.B. forensische Weiterbildung) (E. 2.8).

141 IV 49 (6B_227/2014) from 11. Februar 2015
Regeste: Aufhebung und Änderung stationärer Massnahmen, Rechtsweg; Art. 62c Abs. 1 lit. a und Abs. 4 StGB. Den Entscheid, ob und wann eine stationäre therapeutische Massnahme als aussichtslos erscheint und aufzuheben ist, trifft die Vollzugsbehörde. Diese Frage fällt mit dem Erreichen der in der Regel fünfjährigen Höchstfrist des mit der Behandlung verbundenen stationären Freiheitsentzugs nicht als gegenstandslos dahin. Nach rechtskräftiger Aufhebung der Massnahme obliegt es dem Sachgericht, über die Rechtsfolgen zu befinden, d.h. auf Antrag der Vollzugsbehörde gegebenenfalls die Verwahrung anzuordnen (E. 2 und 3).

141 IV 203 (6B_798/2014) from 20. Mai 2015
Regeste: Art. 56 Abs. 6 und Art. 65 Abs. 1 i.V.m. Art. 59 StGB. Damit eine stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 65 Abs. 1 i.V.m. Art. 59 StGB nachträglich (überhaupt) angeordnet und - a fortiori - weitergeführt werden kann, setzt Art. 65 Abs. 1 StGB voraus, dass der Täter zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurde (E. 3.2).

141 IV 236 (6B_385/2014) from 23. April 2015
Regeste: Art. 431 StPO, Art. 51 StGB. Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft ist an freiheitsentziehende Massnahmen gemäss Art. 56 ff. StGB, konkret an stationäre therapeutische Massnahmen im Sinne von Art. 59 StGB, grundsätzlich anzurechnen (E. 3).

142 IV 1 (6B_708/2015) from 22. Oktober 2015
Regeste: Art. 59 Abs. 3 StGB; stationäre therapeutische Behandlung von psychischen Störungen in einer geschlossenen Einrichtung oder Strafanstalt, Zuständigkeit. Ob ein Täter gemäss Art. 59 Abs. 3 StGB in einer geschlossenen Einrichtung oder Strafanstalt nach Art. 76 Abs. 2 StGB unterzubringen ist, ist eine Vollzugsfrage, die von den Vollzugsbehörden zu beurteilen ist (E. 2).

142 IV 49 (6B_565/2015) from 10. Februar 2016
Regeste: Art. 61 und 59 Abs. 3 StGB; Unterbringung in einer Einrichtung für junge Erwachsene, Behandlung von psychischen Störungen in einer geschlossenen Einrichtung. Voraussetzungen einer Massnahme für junge Erwachsene gemäss Art. 61 StGB; die zum alten Recht entwickelte Rechtsprechung findet weiterhin Anwendung (E. 2.1.2). Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdeführer gefährlich und dessen Persönlichkeit derart gestört, dass diese nur schwer veränderbar ist; seine Unterbringung in einer Einrichtung für junge Erwachsene ist somit nicht zweckmässig. Unter diesen Voraussetzungen erweist sich die Anordnung einer stationären Massnahme in einer geschlossenen Einrichtung zur Behandlung psychischer Störungen eines jungen Erwachsenen nicht als bundesrechtswidrig (E. 2.4).

142 IV 56 (6B_513/2015) from 4. Februar 2016
Regeste: Lebenslängliche Freiheitsstrafe, Verwahrung (Art. 64 Abs. 1 StGB); Verhältnis. Die Verwahrung im Sinne von Art. 64 Abs. 1 StGB ist auch bei Ausfällung einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe anzuordnen, wenn die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt sind (E. 2).

142 IV 105 (6B_640/2015) from 25. Februar 2016
Regeste: Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB; stationäre therapeutische Behandlung von psychischen Störungen, Beginn der fünfjährigen Dauer. Der mit der stationären Behandlung verbundene Freiheitsentzug im Sinne von Art. 59 Abs. 4 Satz 1 StGB umfasst auch den Freiheitsentzug zwischen der rechtskräftigen sowie vollstreckbaren Massnahmeanordnung und dem effektiven Behandlungsbeginn (E. 4 und 5).

143 IV 445 (6B_1192/2016) from 9. November 2017
Regeste: Aufhebung einer strafvollzugsbegleitenden ambulanten Behandlung, Wechsel der Sanktion, Verwahrung; Art. 63b Abs. 5, Art. 65 Abs. 2 StGB. Ist eine ambulante Behandlung wegen Aussichtslosigkeit aufzuheben, kann das Gericht nicht die Verwahrung anordnen (siehe Art. 63b Abs. 5 StGB; E. 2). Art. 65 Abs. 2 StGB erlaubt es ebenfalls nicht, eine strafvollzugsbegleitende ambulante Behandlung in eine Verwahrung umzuwandeln (E. 3).

144 IV 113 (1B_136/2018) from 9. April 2018
Regeste: Schlechterstellungsverbot (Art. 391 Abs. 2 StPO). Die Umwandlung einer ambulanten in eine stationäre Massnahme im Rechtsmittelverfahren bzw. nach einer Rückweisung verstösst nicht gegen das Schlechterstellungsverbot (Verbot der reformatio in peius) gemäss Art. 391 Abs. 2 StPO (E. 4).

144 IV 176 (6B_835/2017) from 22. März 2018
Regeste: Art. 56 Abs. 3 StGB; Art. 184 Abs. 1, 2 lit. a und b, Abs. 3, Art. 185 Abs. 1 und Art. 187 Abs. 1 StPO; § 27 Abs. 2 der Verordnung des Kantons Zürich vom 1./8. September 2010 über psychiatrische und psychologische Gutachten in Straf- und Zivilverfahren (PPGV/ZH); Delegationsverbot und Transparenzgebot bei der psychiatrischen Begutachtung. Wird für ein psychiatrisches Gutachten ein bestimmter Sachverständiger bestellt und mit der Begutachtung betraut, hat er den Auftrag grundsätzlich persönlich auszuführen (Delegationsverbot). Hingegen ist der Sachverständige nicht verpflichtet, sämtliche für die Begutachtung notwendigen Tätigkeiten selber vorzunehmen, sondern er kann für untergeordnete Arbeiten Hilfspersonen heranziehen. Umfang und Grenzen des zulässigen Beizugs von Hilfspersonen (E. 4.2.3, 4.5.1 und 4.6). Der Beizug von Hilfspersonen ist im Gutachten transparent zu machen. Aus dem Gutachten muss u.a. hervorgehen, wie die Hilfspersonen konkret eingesetzt wurden und wie der Sachverständige seine Gesamtverantwortung wahrnehmen konnte bzw. wahrgenommen hat (E. 4.2.4 und 4.5.2). Für den blossen Beizug von Hilfspersonen bedarf es keiner vorgängigen Ermächtigung durch die Strafverfolgungsbehörde. Sind Dritte am Gutachtensprozess als Hilfspersonen unmittelbar beteiligt, ist es aber dennoch zu begrüssen, wenn der Gutachter der auftraggebenden Strafbehörde de- ren Name sowie Art und Umfang von deren Beizug vorab bekannt gibt (E. 4.5.2 und 4.6).

145 IV 65 (6B_691/2018) from 19. Dezember 2018
Regeste: Art. 59 Abs. 4 StGB; Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG; Anordnung und Verlängerung einer stationären therapeutischen Massnahme; Beginn der Fünfjahresfrist; Beschwerdelegitimation der Staatsanwaltschaft. Die Interessen "tangierter Behörden" im Zusammenhang mit dem Massnahmenvollzug sind von der Staatsanwaltschaft zu wahren. Diese kann vor Bundesgericht rügen, der Beginn der Verlängerung einer stationären therapeutischen Massnahme nach Art. 59 Abs. 4 Satz 2 StGB sei vom Gericht falsch berechnet worden, auch wenn der Antrag auf Verlängerung der Massnahme von der Vollzugsbehörde ausging (E. 1). Wird die stationäre therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB nicht aus der Freiheit heraus angetreten - was der Regel entspricht -, ist für die (Fünfjahres-)Frist gemäss Erstanordnung auf das Datum des in Rechtskraft erwachsenen Anordnungsentscheids abzustellen (E. 2.2-2.7). Für die Verlängerung der stationären therapeutischen Massnahme ist der Zeitpunkt des Ablaufs der (Fünfjahres-)Frist gemäss Erstanordnung bzw. einer allfälligen vorausgegangenen früheren Verlängerung entscheidend. Letzteres gilt auch, wenn der Verlängerungsentscheid vor Ablauf der laufenden Periode erging, d.h. die (Fünfjahres-)Frist gemäss Erstanordnung bzw. der vorausgegangenen Verlängerung im Zeitpunkt des (neuen) Verlängerungsentscheids noch nicht abgelaufen ist (E. 2.8). Zulässigkeit und Grenzen der Verlängerung der Massnahme vor Ablauf der laufenden Periode (E. 2.9)

145 IV 281 (6B_156/2019) from 27. Juni 2019
Regeste: Art. 56 Abs. 3, 63a Abs. 2 und 63b Abs. 5 StGB, Art. 363 ff. StPO; Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme an Stelle des Strafvollzugs, Verwertbarkeit des Gutachtens. Das Gericht muss sich zur in Art. 63b Abs. 5 StGB vorgesehenen Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme an Stelle des Strafvollzugs auf eine Begutachtung durch einen Sachverständigen stützen (E. 2.1.4). Die Strafvollzugsbehörde kann gestützt auf kantonales Recht ein für ihren Entscheid zur Einleitung eines Verfahrens im Sinne von Art. 364 Abs. 1 StPO massgebendes Gutachten selbst anordnen. Die Gerichtsbehörde, welche über die Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme im Rahmen eines Verfahrens gemäss Art. 363 ff. StPO entscheidet, darf ein solches Gutachten berücksichtigen. Wenn eine möglicherweise freiheitsentziehende Massnahme in Erwägung gezogen wird, bedarf die verurteilte Person einer notwendigen Verteidigung. Der Anspruch auf rechtliches Gehör und die Verteidigungsrechte der von einem Verfahren nach Art. 364 Abs. 1 StPO betroffenen Person sind nicht notwendigerweise bereits vor der Anrufung der Gerichtsbehörde durch die Strafvollzugsbehörde sicherzustellen, sofern dies anschliessend im entsprechenden Verfahren ausreichend gewährleistet wird (E. 2.3).

146 IV 1 (6B_933/2018) from 3. Oktober 2019
Regeste: a Art. 56 Abs. 3 StGB, Art. 184 f. und 189 StPO; Verwertbarkeit und Beweiswert eines forensisch-psychiatrischen Aktengutachtens; Einholung einer Zweitexpertise; fremdanamnestische Erhebungen des Gutachters. Anforderungen an ein Aktengutachten bei verweigerter persönlicher Untersuchung (E. 3.2). Die Einholung eines Zweitgutachtens ist nicht nur in den Fällen nach Art. 189 StPO zulässig (E. 3.3). Bei Angehörigen des Exploranden telefonisch erhobene Auskünfte: Qualifizierung (vgl. Art. 185 Abs. 3 und 4 StPO) offengelassen, zumal die Angaben nicht geeignet waren, zu anderen als gutachterlich-medizinischen Zwecken verwendet zu werden (E. 3.4).

146 IV 49 (6B_95/2020) from 20. Februar 2020
Regeste: Art. 61 Abs. 4 Satz 1 StGB; stationäre therapeutische Massnahme für junge Erwachsene, Beginn der vierjährigen Höchstdauer. Der vorzeitige Massnahmenvollzug ist bei der Berechnung der vierjährigen Höchstdauer gemäss Art. 61 Abs. 4 Satz 1 StGB zu berücksichtigen. Abzustellen ist auf das Datum der Bewilligung des vorzeitigen Massnahmenvollzugs (E. 2.4-2.9).

147 IV 209 (6B_1456/2020) from 10. März 2021
Regeste: Art. 63 Abs. 4 StGB; Anordnung einer ambulanten Behandlung von psychischen Störungen; Beginn der (Fünfjahres-)Frist. Wird eine ambulante Behandlung von psychischen Störungen erst nach deren rechtskräftigen Anordnung angetreten, beginnt die Fünfjahresfrist gemäss Art. 63 Abs. 4 Satz 1 StGB bzw. die richterlich festgesetzte Frist mit dem effektiven Behandlungsbeginn zu laufen. Hat die betroffene Person bereits "vorzeitig" - in Freiheit als Ersatzmassnahme oder während der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft bzw. dem vorzeitigen Strafvollzug - mit einer ambulanten Behandlung begonnen, ist für den Fristenlauf grundsätzlich auf das Datum des in Rechtskraft erwachsenen Anordnungsentscheids abzustellen (E. 2.3 und 2.4).

 

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