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Art. 1
1. Pas de sanction sans loi Une peine ou une mesure ne peuvent être prononcées qu’en raison d’un acte expressément réprimé par la loi. BGE
147 I 354 (2C_657/2018) from 18. März 2021
Regeste: Art. 13 BV, Art. 8 EMRK, Art. 321 StGB, Art. 68 des Tessiner Gesundheitsgesetzes (LSan/TI); ärztliches Berufsgeheimnis, Bestimmungen des kantonalen Rechts über die Meldepflicht von Angehörigen der Gesundheitsberufe gegenüber der Strafverfolgungsbehörde, abstrakte Normenkontrolle. Bedeutung der ärztlichen Schweigepflicht (E. 3.2 und 3.3.1). Einwilligung des Patienten, Entbindung von der Schweigepflicht durch die Aufsichtsbehörde und Meldepflichten bzw. -rechte als Ausnahmen von der Strafbarkeit bei Offenbarung des Arztgeheimnisses (E. 3.3.2 und 3.3.3). Auch nach Inkrafttreten der StPO können die Kantone eine Meldepflicht der Gesundheitsfachpersonen bei der Staatsanwaltschaft gemäss Art. 321 Ziff. 3 StGB vorsehen (E. 3.3.3 und 4). Anforderungen, die von der kantonalen Gesetzgebung berücksichtigt werden müssen (E. 3.4 und 3.5). Art. 68 Abs. 2 LSan/TI legt eine allgemeine Verpflichtung für Angehörige der Gesundheitsberufe fest, der Staatsanwaltschaft jeden Krankheits- oder Verletzungsfall im Zusammenhang mit einer bekannten oder vermuteten Straftat zu melden, der ihnen bei der Ausübung ihrer Pflichten oder ihres Berufs bekannt wird. Eine Verpflichtung dieses Umfangs verletzt die Substanz des Arztgeheimnisses und verstösst damit gegen Art. 321 StGB (E. 5). Darüber hinaus verpflichtet Art. 68 Abs. 3 LSan/TI die Angehörigen der Gesundheitsberufe, jedes Offizialdelikt, das eine Gesundheitsfachperson im Zusammenhang mit ihrer Funktion oder ihrem Beruf begangen hat, der Staatsanwaltschaft anzuzeigen, wobei die ärztliche Schweigepflicht im Zusammenhang mit einer therapeutischen Beziehung vorbehalten bleibt. Im Lichte der Strafbarkeit des Meldeversäumnisses ist die Beschreibung des Straftatbestandes nicht hinreichend präzise und eingegrenzt. Die Vorschrift verstösst insofern gegen das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot (E. 6.3).
147 IV 274 (6B_786/2020) from 11. Januar 2021
Regeste: a Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Art. 30 Abs. 1 BV; Art. 70 VStrR; Art. 97 Abs. 3 StGB; Strafverfügung; Verjährungsunterbrechung. Bestätigung der Rechtsprechung, wonach eine Strafverfügung gemäss Art. 70 VStrR verjährungsrechtlich im Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB als erstinstanzliches Urteil zu qualifizieren ist, mit deren Erlass die Verjährung nicht mehr eintritt. Die Rechtsprechung verstösst nicht gegen das Recht auf Beurteilung durch ein unabhängiges und unparteiisches Gericht gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 1).
147 IV 439 (6B_282/2021) from 23. Juni 2021
Regeste: Art. 91 Abs. 2 lit. b, Art. 31 Abs. 2 und Art. 55 Abs. 7 lit. a SVG, Art. 2 Abs. 2 lit. a VRV, Art. 34 lit. a VSKV-ASTRA, Art. 12 Abs. 2 StGB; Fahren in fahrunfähigem Zustand nach Cannabiskonsum, Zulässigkeit der auf Verordnungsebene festgelegten Grenzwerte, Vorsatz. Die in Art. 2 Abs. 2 VRV festgelegte Nulltoleranz für THC im Strassenverkehr sowie der für einen entsprechenden Nachweis im Blut des Fahrzeuglenkers in Art. 34 lit. a VSKV-ASTRA festgesetzte Bestimmungsgrenzwert von 1,5 µg/L liegen im Rahmen der delegierten Rechtsetzungsbefugnisse des Bundesrats resp. des Bundesamts für Strassen und sind nicht unhaltbar (E. 3). Eventualvorsatz bejaht bei einem Fahrzeuglenker, der am Vortag Cannabis konsumiert hatte, den THC-Grenzwert im Zeitpunkt der Kontrolle deutlich überschritt und einschlägige körperliche Auffälligkeiten aufwies (E. 7.3).
148 IV 1 (6B_544/2021, 6B_610/2021) from 23. August 2021
Regeste: Art. 59 Abs. 1 und 4, Art. 62a Abs. 1 lit. b, Art. 62c Abs. 1 lit. a, Abs. 3 und 4, Art. 63 Abs. 1, Art. 63a Abs. 2 und 3, Art. 63b Abs. 5 und Art. 64 Abs. 1 StGB; Art. 2 Abs. 2, Art. 29 f., Art. 80 Abs. 1, Art. 197 Abs. 1 lit. a, Art. 393 und Art. 398 Abs. 1-3 StPO; Art. 31 Abs. 1 und Art. 36 Abs. 1 BV; ambulante und stationäre therapeutische Massnahme; Antrag auf nachträgliche Anordnung der Verwahrung infolge Aussichtslosigkeit der stationären therapeutischen Massnahme und Antrag auf originäre Verwahrung infolge neuer Anlassdelikte; Verfahrensvereinigung; Zuständigkeit; Grundsatz der Formstrenge. Eine direkte Umwandlung einer ambulanten Massnahme in eine Verwahrung ist nicht möglich (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3.4.1). Das Gericht hat im Rahmen von Art. 59 Abs. 4 Satz 2 StGB lediglich über die Verlängerung der stationären Massnahme zu befinden. Für die Aufhebung der stationären therapeutischen Massnahme infolge Aussichtslosigkeit ist die Vollzugsbehörde zuständig. Nach rechtskräftiger Aufhebung der stationären therapeutischen Massnahme ist es am erstinstanzlichen Gericht, auf Antrag der Vollzugsbehörde über die Rechtsfolgen zu befinden (E. 3.4.2). Dass das Berufungsgericht im zweitinstanzlichen Entscheid über die Nichtverlängerung der stationären Massnahme nach Art. 59 Abs. 4 Satz 2 StGB zu Unrecht eine ambulante Massnahme anordnete, hinderte die Vollzugsbehörde nicht daran, nach Aufhebung der stationären Massnahme infolge Aussichtslosigkeit beim zuständigen erstinstanzlichen Gericht in Anwendung von Art. 62c Abs. 4 StGB eine nachträgliche Verwahrung zu beantragen (E. 3.4.3). Tragweite des in Art. 2 Abs. 2 StPO verankerten Grundsatzes der Formstrenge (E. 3.5.1). Der Grundsatz der Formstrenge steht einer Gesetzesauslegung und einer richterlichen Lückenfüllung nicht entgegen (E. 3.5.2). Die kantonalen Instanzen sprachen sich zu Recht für eine Vereinigung des Verfahrens auf nachträgliche Verwahrung im Sinne von Art. 62c Abs. 4 StGB mit dem ebenfalls hängigen Verfahren auf originäre Verwahrung infolge neuer Anlassdelikte und für die abschliessende Beurteilung der Frage der Verwahrung im erstinstanzlichen Strafurteil aus. Die Zuständigkeit für die Beurteilung der Verwahrung im Rechtsmittelverfahren liegt damit ausschliesslich bei der Berufungsinstanz (E. 3.6).
148 IV 30 (6B_384/2020) from 23. August 2021
Regeste: § 229 aZPO/LU; § 20 UeStG/LU, Art. 258 ZPO, Art. 1 SVG, Art. 1 Abs. 2 VRV; allgemeines bzw. gerichtliches Verbot; öffentliche Strasse. Im Rahmen des Strafverfahrens wegen kantonaler Übertretung eines allgemeinen bzw. gerichtlichen Verbots kann man sich grundsätzlich darauf berufen, das Verbot sei nicht zulässig (E. 1.3). Der Charakter als öffentliche Strasse im Sinne des Strassenverkehrsrechts hängt von ihrer tatsächlichen Benutzung ab und nicht davon, ob sie in privatem oder öffentlichem Eigentum steht (E. 1.4.2). Der Begriff der öffentlichen Strasse i.S.v. Art. 1 SVG i.V.m. Art. 1 Abs. 2 VRV ist weiter als der Begriff der öffentlichen Sache im Gemeingebrauch nach öffentlich-sachenrechtlicher Terminologie. Ist ein Areal im fraglichen Zeitpunkt eine öffentliche Strasse im Sinne des Strassenverkehrsrechts, beurteilt sich das Verhalten der Motorfahrzeugführerin, wie beispielsweise das Überschreiten der zulässigen Parkzeit, nach dem SVG und dessen Ausführungsbestimmungen, weshalb eine Bestrafung wegen kantonaler Übertretung eines allgemeinen bzw. gerichtlichen Verbots nicht zulässig ist (E. 1.5).
148 IV 188 (6B_1360/2021) from 7. April 2022
Regeste: Art. 261bis Abs. 1 und 4 StGB; Prüfung der möglichen strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Inhabers eines Kontos in einem sozialen Netzwerk für rassistische Kommentare, die Dritte auf seiner Seite veröffentlichen. Indem der Kontoinhaber, der eine in der Öffentlichkeit bekannte Person war, den Zugang zur "Pinnwand" seines Facebook-Kontos nicht eingeschränkt, sondern diese öffentlich zugänglich gemacht und darauf zudem politische Themen angesprochen hat, die heikel und anfällig für Unsachlichkeit waren, hat er ein Risiko für das Deponieren rechtswidriger Beiträge auf seiner "Pinnwand" geschaffen. Diese Gefahr übersteigt das gesellschaftlich Erlaubte indes nur dann, wenn der Betroffene Kenntnis vom problematischen Inhalt hat, der auf seiner Seite hinzugefügt wurde, was hier nicht der Fall ist. Dem Kontoinhaber kann im Weiteren auch keine Unterlassung vorgeworfen werden mit der Begründung, er habe die Inhalte auf seiner "Pinnwand" nicht betreut. Eine entsprechende Pflicht, die von Drittpersonen veröffentlichten Inhalte zu moderieren, ist für den Inhaber eines Social-Media-Kontos - und im Übrigen auch für die Dienstanbieter selber - bis heute gesetzlich nicht vorgesehen. Es verstiesse gegen das Legalitätsprinzip, gestützt auf die konkreten Umstände des Einzelfalls auf eine solche Pflicht zu schliessen. Würde im Bereitstellen des freien Zugangs zur "Pinnwand" eine positive Leistung des Kontoinhabers zugunsten Dritter erblickt, wäre dieses Verhalten ausserdem als aktives Tun zu bewerten. Weil der Kontoinhaber vorliegend nichts von den von Dritten auf seiner Seite veröffentlichten rechtswidrigen Inhalten wusste, konnte er mangels Willensübereinstimmung jedoch auch diesfalls weder als Täter noch als Teilnehmer an den von den Dritten begangenen strafbaren Handlungen mitwirken (E. 1 und 3).
148 IV 234 (6B_894/2021) from 28. März 2022
Regeste: Art. 3 und 8 EMRK; Art. 36 Istanbul-Konvention; Art. 189 und 190 StGB; die Nötigungshandlung als Tatbestandsmerkmal; Legalitätsprinzip; Zustimmungsprinzip ("Nur-Ja-heisst-Ja") und Widerspruchsprinzip ("Nein-heisst-Nein"). Auch wenn die Rechtsprechung diesbezüglich keine sehr hohen Anforderungen stellt, bildet die Nötigungshandlung eines der Tatbestandsmerkmale der Straftatbestände der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung (E. 3.3 und 3.4). Es kann offenbleiben, ob der Wortlaut der Art. 189 und 190 StGB den Anforderungen der Istanbul-Konvention entspricht, da diese für die Person, die sich darauf beruft, keine subjektiven Rechte begründet (E. 3.1 und 3.7.1). Darlegung der Grundsätze, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) aus den Art. 3 und 8 EMRK in Bezug auf Verletzungen der sexuellen Integrität ableitet und Analyse der Rechtsprechung des EGMR. Aus dieser kann nicht abgeleitet werden, dass die Hohen Vertragsparteien die Zustimmungslösung ("Nur-Ja-heisst-Ja") im Rahmen der genannten Bestimmungen zur Anwendung zu bringen hätten, da sich der EGMR noch mit keinem Fall zu befassen hatte, bei dem es unter der Geltung einer Gesetzgebung, die nicht die Zustimmungslösung vorsieht, einzig um die fehlende Zustimmung ging (E. 3.2 und 3.7.2). Jedenfalls verlangt das Legalitätsprinzip, dass das in den Art. 189 und 190 StGB nach wie vor vorgesehene Tatbestandselement der Nötigungshandlung berücksichtigt wird; ein entsprechender Verzicht fällt in die Zuständigkeit des Gesetzgebers (E. 3.5 und 3.8).
148 IV 298 (6B_120/2021) from 11. April 2022
Regeste: Anwendungsbereich von aArt. 260ter Ziff. 1 bzw. Art. 260ter Abs. 1 StGB, von Art. 2 Abs. 1 des "Al-Qaïda/IS-Gesetzes" vom 12. Dezember 2014 und von Art. 74 Abs. 4 NDG; Vereinbarkeit von Art. 2 Abs. 1 des Al-Qaïda/ IS-Gesetzes mit dem Legalitätsprinzip und dem Bestimmtheitsgebot; objektiver und subjektiver Tatbestand. Anwendbarkeit des Al-Qaïda/IS-Gesetzes bejaht, da das der Beschwerdeführerin vorgeworfene Verhalten in den zeitlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes fällt. Beim auf dem Dringlichkeitsweg erlassenen Al-Qaïda/IS-Gesetz handelt es sich um ein Gesetz im formellen Sinne, das dem in Art. 1 StGB verankerten Legalitätsprinzip gerecht wird. Offengelassen, ob das Verhalten der Beschwerdeführerin auch unter aArt. 260ter StGB fällt (E. 6.4.1). Art. 74 Abs. 4 NDG geht Art. 2 des Al-Qaïda/IS-Gesetzes nicht vor, solange noch kein bundesrätliches Verbot von Al-Qaïda und des Islamischen Staats (IS) im Sinne von Art. 74 Abs. 1 NDG erlassen wurde und das Al-Qaïda/IS-Gesetz noch in Kraft ist (E. 6.4.2). Art. 2 Abs. 1 des Al-Qaïda/IS-Gesetzes ist mit dem in Art. 1 StGB verankerten Bestimmtheitsgebot vereinbar. Der Gesetzgeber wollte mit der Bestimmung alle Handlungen, die darauf abzielen, Al-Qaïda, den IS und verwandte Organisationen materiell oder personell zu unterstützen, unter Strafe stellen. Verlangt wird jedoch eine gewisse Tatnähe des Handelns zu den verbrecherischen Aktivitäten (E. 7.2). Die Beschwerdeführerin reiste mit ihrem Bruder aus ihrem radikalen Glauben heraus handelnd und im Wissen um die Gräueltaten des IS in das Gebiet des IS, wo sie während mehrerer Monate mit der finanziellen Unterstützung des IS lebte und als Mitglied der Gesellschaft am Leben des IS teilnahm, wobei sie die ihr nach den Regeln des IS als Frau zufallenden Aufgaben im Haus erfüllte. Darin liegt objektiv und subjektiv eine Unterstützung des IS im Sinne von Art. 2 Abs. 1 des Al-Qaïda/IS-Gesetzes (E. 7.4 und 7.5).
148 IV 329 (6B_265/2020) from 11. Mai 2022
Regeste: Art. 1 und 191 StGB; fällt "Stealthing" (d.h. der ohne Wissen der betroffenen Person und gegen ihren erklärten Willen ungeschützt vollzogene Geschlechtsverkehr) unter den Tatbestand der Schändung? Art. 191 StGB schützt einzig die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung (E. 4.1). Die Bedingung, unter der nur sich eine Person auf den Geschlechtsverkehr einlassen will, ist allein dann erheblich, wenn sie sich auf wesentliche Merkmale des Sexualverkehrs selbst bezieht. Dies trifft auf die Verwendung eines Kondoms zu (E. 4.2). Der zuvor einvernehmliche Geschlechtsverkehr geht mit der heimlichen Entfernung des Kondoms in eine neue Handlung über, die das für Art. 191 StGB relevante Rechtsgut verletzt (E. 4.3). Völkerrechtliche Verpflichtungen betreffend die Strafbarkeit von nicht-einvernehmlichen sexuellen Handlungen adressieren den Gesetzgeber. Die gesetzgeberische Auswahl der strafbaren Verhaltensweisen (aus allen gegebenenfalls strafwürdigen Handlungen) bindet die Gerichte (E. 5.1). Schändung meint den Missbrauch eines vorbestehenden, von den Umständen des Sexualkontakts unabhängigen Zustands, der das Opfer dem Täter ausliefert (E. 5.2). Die mit der laufenden Revision des Sexualstrafrechts eingeleitete Neuordnung der Art. 189 ff. StGB bestätigt die Erkenntnis, dass Stealthing nach geltendem Recht nicht unter Art. 191 StGB einzuordnen ist (E. 5.4). Stealthing lässt die Abwehrfähigkeit als solche intakt. Mithin besteht keine Widerstandsunfähigkeit im Sinn von Art. 191 StGB (E. 5.5).
149 I 248 (1C_537/2021) from 13. März 2023
Regeste: Art. 8 Abs. 2, Art. 10 Abs. 2, Art. 16, 27 und 36 BV; Art. 8, 10 und 14 EMRK; Grund- und Menschenrechtskonformität eines partiellen Bettelverbots; abstrakte Normenkontrolle. Bettelei fällt in den Schutzbereich des Grundrechts der persönlichen Freiheit bzw. des Rechts auf Achtung des Privatlebens. Ein partielles Bettelverbot greift in diese Rechte ein und hat die entsprechenden Voraussetzungen zu erfüllen. Auf die Rechtsprechung, dass Betteln nicht unter den Schutz der Meinungsfreiheit und der Wirtschaftsfreiheit fällt, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht zurückzukommen (E. 4). Das Verbot organisierten Bettelns ist verfassungs- und menschenrechtskonform auszulegen. Das Verbot von passivem Betteln in Parks ist aufzuheben. Passives Betteln mit einer Busse zu bestrafen, die bei Nichtleistung in eine Freiheitsstrafe umgewandelt wird, ist nur zulässig, wenn vorweg angemessene Administrativmassnahmen ergriffen worden sind, um die Sanktionsfolge abzumildern. Im Übrigen ist die erlassene Regelung eines partiellen Bettelverbots mit Blick auf die persönliche Freiheit bzw. den Schutz des Privatlebens nicht zu beanstanden (E. 5). Das Bettelverbot verstösst nicht gegen Freizügigkeitsrecht (E. 6). Das partielle Bettelverbot bewirkt als Gesetzesbestimmung keine indirekte Diskriminierung; bei der Umsetzung des Verbots ist jedoch den Anforderungen an eine diskriminierungsfreie Rechtsanwendung gebührend Rechnung zu tragen (E. 7).
149 IV 361 (6B_1495/2022) from 12. Mai 2023
Regeste: Verordnung (EU) 2018/1861; Art. 2 Abs. 1 und 2 StGB; Eintrag der Landesverweisung in das Schengener Informationssystem (SIS); Grundsätze des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots und der lex mitior. Die Ausschreibung in das SIS-Register ist Teil des Vollzugs-, beziehungsweise Polizeirechts, weswegen die Notwendigkeit der Ausschreibung nach dem Recht, das zum Zeitpunkt der Anordnung der Landesverweisung durch das Strafgericht in Kraft ist, zu beurteilen ist. Die Grundsätze des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots und der lex mitior finden keine Anwendung (E. 1). |