Code de procédure pénale suisse
(Code de procédure pénale, CPP)

du 5 octobre 2007 (Etat le 1 juillet 2022)er


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Art. 10 Présomption d’innocence et appréciation des preuves

1 Toute per­sonne est présumée in­no­cente tant qu’elle n’est pas con­dam­née par un juge­ment en­tré en force.

2 Le tribunal ap­précie lib­re­ment les preuves re­cueil­lies selon l’in­time con­vic­tion qu’il re­tire de l’en­semble de la procé­dure.

3 Lor­sque sub­sist­ent des doutes in­sur­mont­ables quant aux élé­ments fac­tuels jus­ti­fi­ant une con­dam­na­tion, le tribunal se fonde sur l’état de fait le plus fa­vor­able au prévenu.

BGE

137 IV 219 (1B_123/2011) from 11. Juli 2011
Regeste: Art. 9, 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 1 BV; Art. 6, 10 Abs. 3, Art. 139 Abs. 1, Art. 324 i.V.m. Art. 319 Abs. 1 sowie Art. 453 Abs. 1 StPO; Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 i.V.m. Art. 132 Abs. 1 BGG; Art. 29 Abs. 3 BGerR; Art. 122-125 StGB; Einstellung der Strafuntersuchung; strafprozessualer Grundsatz "in dubio pro duriore"; Untersuchungsmaxime; rechtliches Gehör; Willkürverbot. Intertemporalrechtliche Bestimmungen betreffend die Anwendbarkeit der StPO (E. 1.1), des BGerR (Zuständigkeit; E. 1.2) und des BGG (E. 2.1). Beschwerdeberechtigung des Privatklägers gegen definitive Verfahrenseinstellungen, wenn die Frage einer möglichen Strafbarkeit von weiteren Untersuchungsergebnissen abhängt (E. 2.2-2.7). Im vorliegenden Fall lässt sich eine strafbare Körperverletzung (durch einen medizinischen Kunstfehler) nicht mit grosser Wahrscheinlichkeit ausschliessen. Es bestehen Anhaltspunkte für schwere, sich langfristig auswirkende Gesundheitsschäden zum Nachteil des Privatklägers infolge eines (durch Erbgut-Schädigungen verursachten) deutlich erhöhten Krebsrisikos. Die definitive Einstellung des Strafverfahrens durch die Untersuchungsbehörde mangels Strafbarkeit verstösst gegen Bundesrecht, insbesondere gegen den Grundsatz "in dubio pro duriore" (E. 3-8). Der Grundsatz "in dubio pro reo" ist auf die Frage der Einstellung oder Anklageerhebung nach Abschluss der Strafuntersuchung nicht anwendbar (E. 7.3).

138 IV 161 (6B_770/2011) from 12. Juli 2012
Regeste: Art. 134 Abs. 2 StPO; Wechsel der amtlichen Verteidigung. Nach der früheren bundesgerichtlichen Rechtsprechung war ein Gesuch um Auswechslung der amtlichen Verteidigung zu bewilligen, wenn aus objektiven Gründen eine sachgemässe Vertretung der Interessen des Beschuldigten nicht mehr gewährleistet war. Die Regelung in der Schweizerischen Strafprozessordnung, wonach ein Wechsel der amtlichen Verteidigung beansprucht werden kann, sofern das Vertrauensverhältnis zwischen der beschuldigten Person und ihrer amtlichen Verteidigung erheblich gestört oder eine wirksame Verteidigung aus anderen Gründen nicht mehr gewährleistet ist, geht über diese Praxis hinaus (E. 2.4). Hält die amtliche Verteidigung einer nicht geständigen beschuldigten Person gegenüber dem Gericht fest, dass sie nicht an die Unschuld ihres Mandanten glaubt, weist dieses Verhalten auf einen Vertrauensverlust hin. Kommt das Gericht dem Begehren um Entlassung des amtlichen Verteidigers sowie Bestellung eines neuen Verteidigers nicht nach, missachtet es seine richterliche Fürsorgepflicht und verletzt Art. 134 Abs. 2 StPO (E. 2.5).

138 IV 186 (1B_78/2012) from 3. Juli 2012
Regeste: Art. 46 und 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG; Art. 5 Abs. 1 BV; Art. 2 Abs. 1, Art. 319 Abs. 1 und Art. 324 Abs. 1 StPO; Fristenstillstand bei Zwischen- und Endentscheiden; Beschwerdelegitimation; Legalitätsprinzip und Grundsatz "in dubio pro duriore" bei Einstellungen. Beim Fristenstillstand nach Art. 46 BGG ist zwischen End- und Zwischenentscheiden zu unterscheiden. Strafprozessuale Zwischenentscheide, insbesondere betreffend Beschlagnahmungen, sind (namentlich im Interesse der Verfahrensbeschleunigung) als "andere" vorsorgliche Massnahmen (i.S. von Art. 46 Abs. 2 BGG) zu behandeln, weshalb dort kein Fristenstillstand eintritt. Bei Endentscheiden, namentlich Einstellungsverfügungen, gelten hingegen die sogenannten "Gerichtsferien" (E. 1.1-1.3). Beschwerdelegitimation eines nahen Angehörigen des Opfers zur Anfechtung der Einstellung einer Strafuntersuchung gegen medizinisches Personal einer Privatklinik wegen fahrlässiger Tötung (E. 1.4). Grundsatz "in dubio pro duriore" bei Einstellungen. Bundesrechtswidrigkeit der Verfahrenserledigung im vorliegenden Fall verneint (E. 4).

140 IV 67 (6B_715/2012) from 6. Februar 2014
Regeste: Rassendiskriminierung (Herabsetzung; Art. 261bis Abs. 4 erste Hälfte StGB). Tatbestandsmässigkeit der Äusserungen "Sauausländer" und "Dreckasylant" verneint (E. 2).

141 IV 369 (6B_462/2014) from 27. August 2015
Regeste: a Art. 9 BV; Stellenwert von Parteigutachten. Den Ergebnissen eines vom Beschuldigten in Auftrag gegebenen Parteigutachtens kommt lediglich die Bedeutung einer der freien Beweiswürdigung unterliegenden Parteibehauptung zu (E. 6).

142 IV 137 (6B_165/2015) from 1. Juni 2016
Regeste: Art. 90 Abs. 3 und 4 SVG; qualifiziert grobe Verkehrsregelverletzung; besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit; subjektive Voraussetzungen. Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung im Sinne von Art. 90 Abs. 4 lit. a-d SVG besteht gestützt auf die Auslegung von Art. 90 Abs. 3 und 4 SVG keine unwiderlegbare Gesetzesvermutung, dass die subjektiven Voraussetzungen von Art. 90 Abs. 3 SVG erfüllt sind (Änderung der Rechtsprechung; E. 11.1). Derjenige, der eine Geschwindigkeitsüberschreitung nach Art. 90 Abs. 4 SVG begeht, begeht objektiv eine qualifiziert grobe Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 3 SVG. Er erfüllt grundsätzlich die subjektiven Voraussetzungen des Straftatbestands. Dem Richter kommt ein wenn auch begrenzter Handlungsspielraum zu, um unter besonderen Umständen die Erfüllung der subjektiven Voraussetzungen zu verneinen (E. 11.2). Im vorliegenden Fall verstösst die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen qualifiziert grober Verkehrsregelverletzung nicht gegen Bundesrecht. Es liegen keine besonderen Umstände vor, welche die Erfüllung der subjektiven Voraussetzungen des Straftatbestands ausschliessen würden (E. 12).

143 I 241 (1B_34/2017) from 18. April 2017
Regeste: Art. 10 Abs. 2, Art. 14, Art. 32 Abs. 1 sowie Art. 36 Abs. 1, 2, 3 und 4 BV; Art. 78 Abs. 1, Art. 80, Art. 81 Abs. 1 und Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; Art. 220 Abs. 2, Art. 235 Abs. 1, 2 und 5 sowie Art. 236 Abs. 1 und 4 StPO; Besuchsrecht unter strafprozessual inhaftierten Lebenspartnern. Sachurteilsvoraussetzungen bei Beschwerden in Strafsachen gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide betreffend den Vollzug von strafprozessualer Haft (E. 1). Vom Besuchsrecht unter Lebenspartnern tangierte Grundrechte; Sicherheitshaft und vorzeitiger Sanktionsvollzug als strafprozessuale Haftarten; gesetzliche Vorschriften und Praxis zum strafprozessualen Haftvollzugs- und Besuchsrecht. Mangels entgegenstehender gewichtiger öffentlicher Interessen haben auch strafprozessuale Häftlinge das Recht auf angemessenen regelmässigen Kontakt zu ihrer Familie, wozu auch unverheiratete Lebenspartner gehören. Dies gilt besonders nach länger andauernder strafprozessualer Haft und Wegfall von Kollusionsgefahr (E. 3). Besondere Konstellation, wenn zwei strafprozessuale Häftlinge in Sicherheitshaft bzw. im vorzeitigen Strafvollzug beantragen, sich gegenseitig besuchen zu dürfen; Verhältnis zwischen den beiden Haftregimes. Im vorliegenden Fall haben die kantonalen Behörden ein angemessenes Besuchsrecht des Beschuldigten in der Haftvollzugsanstalt seiner mitbeschuldigten Lebensgefährtin zu gewährleisten (E. 4).

144 IV 345 (6B_804/2017) from 23. Mai 2018
Regeste: Art. 32 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 2 EMRK, Art. 10 Abs. 2 und 3 StPO; Unschuldsvermutung und Beweiswürdigung, Wiederholung der Grundsätze. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung lässt keinen Raum für eine Anwendung der Regel in dubio pro reo auf die Sammlung und Sichtung der Beweismittel (E. 2.2.3.1). Die Unschuldsvermutung kommt erst in einem späteren Stadium zum Tragen (E. 2.2.3.2). Nur das Übergehen offensichtlich erheblicher Zweifel kann eine Verletzung des In-dubio-Grundsatzes begründen (E. 2.2.3.3). Anwendung dieser Grundsätze auf die Tatbestandselemente des Mordes (E. 2.2.3.4-2.2.3.7).

145 IV 42 (6B_181/2018) from 20. Dezember 2018
Regeste: Art. 196, Art. 280 lit. b, Art. 281 Abs. 4 i.V.m. Art. 272 Abs. 1 und Art. 277 Abs. 2, Art. 141 Abs. 1 StPO; polizeiliche Videoüberwachung am Arbeitsplatz; Beweisverwertungsverbot. Eine polizeiliche Videoüberwachung von Angestellten in Geschäftsräumen zwecks Aufklärung einer Straftat stellt eine strafprozessuale Zwangsmassnahme unter Einsatz technischer Überwachungsgeräte dar. Diese muss von der Staatsanwaltschaft angeordnet und vom Zwangsmassnahmengericht genehmigt werden (E. 4.2 und 4.5). Dass die Geschäftsleitung als Hausherrin in die Überwachung eingewilligt hat, ändert nichts daran (E. 4.4). Wird die Massnahme weder von der Staatsanwaltschaft angeordnet noch vom Zwangsmassnahmengericht genehmigt, sind die dabei gewonnenen Erkenntnisse absolut unverwertbar (Art. 281 Abs. 4 i.V.m. Art. 277 Abs. 2 i.V.m. Art. 141 Abs. 1 StPO) (E. 4.5).

145 IV 154 (6B_52/2019) from 5. März 2019
Regeste: Art. 125 StGB; im Rahmen eines Fussballspiels zugefügte fahrlässige Körperverletzung; Grundsatz "neminem laedere". Ob das im Rahmen eines Fussballspiels begangene Tackling eines Spielers als schwerwiegende Verletzung der Spielregeln zu qualifizieren ist und wie die Spielregeln grundsätzlich auszulegen sind, ist keine Tat-, sondern eine Rechtsfrage (E. 1). Um zu bestimmen, ob die Verletzung der Spielregeln derart schwer wiegt, dass eine stillschweigende Einwilligung des Opfers in das mit dem Fussballsport einhergehende Risiko einer Körperverletzung auszuschliessen ist, können die für das Strafrecht massgebenden Grenzen nicht von dem nach den Spielregeln vorgesehenen Sanktionen- und Verwarnungssystem übernommen werden. Im vorliegenden Fall ist das mit einem auf der Höhe von 10 bis 15 cm über dem Boden ausgestreckten Bein begangene Tackling, welches der Schiedsrichter als "gefährlich" einschätzte, als eine "schwerwiegende Verletzung" der Spielregeln zu qualifizieren, mit welcher der Täter seine Sorgfaltspflicht verletzt hat. Der Täter konnte sich insofern nicht auf den Grundsatz "volenti non fit iniuria" berufen (E. 2).

145 IV 190 (6B_1237/2018) from 15. Mai 2019
Regeste: Art. 30 Abs. 1, Art. 33 und 110 Abs. 4 StGB; Art. 10 Abs. 3, Art. 76 ff., 120 und 304 Abs. 1 StPO; Protokollierung des mündlichen Strafantrags; Beweis des gültigen Strafantrags; Desinteresse des Geschädigten am Strafverfahren. Ein mündlicher Strafantrag kann auch in einem Polizeirapport protokolliert werden (E. 1.3). Ein Polizeirapport, in welchem vermerkt ist, dass ein Strafantrag gestellt wurde, ist als Urkunde im Sinne von Art. 110 Abs. 4 StGB zu qualifizieren. Die Unterschrift des rapportierenden Polizeibeamten ist nicht zwingend. Entscheidend ist, dass aus dem Polizeirapport hervorgeht, wer diesen verfasst hat. Ebenfalls nicht erforderlich ist, dass die Anzeige erstattende Person das Protokoll unterzeichnet (E. 1.4). Ob ein gültiger Strafantrag vorliegt, ist vom Staat zu beweisen (E. 1.5.1). Der Verzicht auf die Stellung als Privatkläger gilt nicht als Rückzug des Strafantrags im Sinne von Art. 33 StGB. Wird der Strafantrag nicht ausdrücklich zurückgezogen, ist das Strafverfahren trotz Desinteresse des Geschädigten fortzusetzen (E. 1.5.2).

146 IV 1 (6B_933/2018) from 3. Oktober 2019
Regeste: a Art. 56 Abs. 3 StGB, Art. 184 f. und 189 StPO; Verwertbarkeit und Beweiswert eines forensisch-psychiatrischen Aktengutachtens; Einholung einer Zweitexpertise; fremdanamnestische Erhebungen des Gutachters. Anforderungen an ein Aktengutachten bei verweigerter persönlicher Untersuchung (E. 3.2). Die Einholung eines Zweitgutachtens ist nicht nur in den Fällen nach Art. 189 StPO zulässig (E. 3.3). Bei Angehörigen des Exploranden telefonisch erhobene Auskünfte: Qualifizierung (vgl. Art. 185 Abs. 3 und 4 StPO) offengelassen, zumal die Angaben nicht geeignet waren, zu anderen als gutachterlich-medizinischen Zwecken verwendet zu werden (E. 3.4).

146 IV 297 (6B_1162/2019) from 30. Juni 2020
Regeste: Art. 5 Abs. 3 BV; Art. 116 Abs. 1 lit. a i.V.m. Abs. 2 AIG; Art. 17 StGB; Förderung der rechtswidrigen Einreise; Notstandshilfe; Dublin-Verfahren. Die Beschwerde ist gegen Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts auf dem Gebiet des Asyls unzulässig. Das Bundesgericht tritt auf diesbezügliche Rügen nicht ein (E. 1.3). Der rechtfertigende wie der entschuldbare Notstand setzen voraus, dass die Gefahr nicht anders abwendbar war. Auch die Notstandshilfe steht deshalb unter der Voraussetzung der absoluten Subsidiarität. Entsprechendes gilt für den aussergesetzlichen Rechtfertigungsgrund der Wahrung berechtigter Interessen (E. 2.2.1). Der Asyl-Antragsteller befand sich im nach dem Dublin-Verfahren zuständigen Mitgliedstaat Italien (E. 1.3) in einer schwierigen, aber nicht ausweglosen und auch nicht in einer aussergewöhnlichen Situation im Sinne von Art. 3 EMRK (E. 2.2.3). Ein Notstand lässt sich nicht bejahen. Das tatbestandsmässige Handeln erweist sich als rechtswidrig (E. 2.2.9). Im Strafpunkt war keine doppelte Privilegierung (Art. 116 Abs. 2 AIG kumuliert mit Art. 52 StGB) vorzunehmen (E. 2.3).

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