Bundesgesetz
über die Enteignung
(EntG)1

vom 20. Juni 1930 (Stand am 1. Januar 2021)

1 Eingefügt durch Ziff. I 5 des BG vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Vereinfachung von Entscheidverfahren, in Kraft seit 1. Jan. 2000 (AS 1999 3071; BBl 1998 2591).


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Art. 72

1 Die Schät­zungs­kom­mis­si­on kann von Am­tes we­gen al­le zur Fest­stel­lung der Tat­sa­chen und der Hö­he der Ent­schä­di­gung er­for­der­li­chen Er­he­bun­gen ma­chen und zu die­sem Zwe­cke den Par­tei­en Be­wei­se auf­er­le­gen, Sach­ver­stän­di­ge bei­zie­hen, in die öf­fent­li­chen Bü­cher Ein­sicht neh­men und Zeu­gen ab­hö­ren.

2 Bei Fest­set­zung der Hö­he der Ent­schä­di­gung ist die Schät­zungs­kom­mis­si­on nicht an die An­trä­ge der Par­tei­en ge­bun­den.

BGE

96 I 292 () from 24. Juni 1970
Regeste: Beizug besonderer Sachverständiger durch die Schätzungskommission (Art. 72 EntG, 22. lit. b und 97 OG, 5 VwG). Der Entscheid, durch den die Schätzungskommission eine Expertise anordnet, kann nicht durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden (Erw. 1). Unter welchen Voraussetzungen hat die Schätzungskommission "besondere Sachverständige" (Art. 47 Abs. 2 der VO für die Schätzungskommissionen) beizuziehen? (Erw. 2).

102 IB 276 () from 17. November 1976
Regeste: Art. 41 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 lit. b EntG; Verwirkung von Entschädigungsforderungen. Kenntnis vom Schaden im Sinne von Art. 41 Abs. 2 lit. b EntG besitzt der Betroffene, wenn er dessen Beschaffenheit und die wesentlichen Merkmale, d.h. alle tatsächlichen Umstände kennt, die geeignet sind, eine Klage zu veranlassen und zu begründen. Das gilt auch für einen fortdauernden Schaden, der ebenso innert der gesetzlichen Frist angemeldet werden muss, sobald er als solcher und seinem Umfang nach zuverlässig voraussehbar ist, und die Auswirkungen der Erstellung des Werkes dem Betroffenen bei gebotener Sorgfalt als die wahrscheinlichste Ursache des Schadens erscheinen müssen (E. 1).

109 IB 26 () from 16. Februar 1983
Regeste: Enteignung eines an Dritte verpachteten Kieswerkes; Grundsätze der Entschädigungsbemessung. Verfahrensfragen (E. 1). Wird der für den Nationalstrassenbau benötigte Boden auf dem Wege der Landumlegung erworben, so kann dem Eigentümer im gleichzeitig durchgeführten Enteignungsverfahren nicht zusätzlich noch eine Entschädigung für entgangene Weg- und Baurechtszinsen in Form einer kapitalisierten ewigen Rente, m.a.W. eine Ertrags- oder Verkehrswertentschädigung zugesprochen werden (E. 2a). Das hoheitliche Recht der Bündner Gemeinden, Konzessionen zur gewerbsmässigen Sand- und Kiesgewinnung aus öffentlichen Gewässern gegen Gebühr zu verleihen, kann nicht Gegenstand der Enteignung im Sinne von Art. 5 EntG bilden (E. 2b). Die Parteientschädigung für ein bundesrechtliches Enteignungsverfahren bemisst sich nicht nach dem kantonalen Anwaltstarif. Für Privatgutachten wird grundsätzlich keine Vergütung zugesprochen (E. 3). Wird ein Betrieb enteignet, der an Dritte verpachtet ist, ist dessen Wert für den Eigentümer in der Regel einzig anhand des Ertrages (Pachtzinse) zu bestimmen (E. 4b); der Verkehrswert der Gebäude, Anlagen und Maschinen kann nicht zum Ertragswert hinzugezählt werden (E. 4c, d). Bei der Kapitalisierung der mutmasslichen zukünftigen Pachterträge ist der Konzessionsdauer, der Lebensdauer der Gebäulichkeiten und Maschinen, allenfalls notwendig werdenden Investitionen sowie dem Risiko von Ertragsschwankungen infolge wechselnder Nachfrage Rechnung zu tragen (E. 4d, e). Bedeutung einer im Pachtvertrag enthaltenen Klausel, welche die Vertragsauflösung im Falle der Enteignung vorsieht (E. 6a). Gegenstand der Enteignung von Mietern und Pächtern können nur deren vertragliche Rechte sein (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 6b). Der "volle Schaden" im Sinne von Art. 23 Abs. 2 EntG bemisst sich grundsätzlich nach dem Interesse der Pächterin an der Erfüllung des Vertrages; sie hat demnach Anspruch auf Ersatz des Gewinnes, den sie bei Weiterführung des Vertrages bis zum nächsten Kündigungstermin hätte erzielen können (E. 6c).

112 IA 198 () from 30. September 1986
Regeste: Art. 4 und 22ter BV; Enteignung nach kantonalem Recht; Entschädigung. 1. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts bei staatsrechtlichen Beschwerden betreffend Enteignungsentschädigungen nach kantonalem Recht (E. 1b). 2. Die Behörde, die neue Akten beizieht, auf die sie sich in ihrem Entscheid zu stützen gedenkt, ist grundsätzlich gehalten, die Parteien darüber zu informieren; sie kann davon absehen und begeht damit keine Rechtsverweigerung, wenn sie auf ein Dokument abstellt, das jedermann hätte einsehen können, im vorliegenden Fall die Botschaft einer Gemeindeexekutive betreffend die Änderung des kommunalen Zonenplans, oder wenn sie Bezug nimmt auf Entschädigungen, die für andere Grundstücke im gleichen Enteignungsverfahren festgelegt wurden (E. 2a). Die Behörde darf mit einer vorweggenommenen Beweiswürdigung auf einen Augenschein, der am Schätzungsergebnis nichts ändern würde, verzichten (E. 2b). 3. Begriff des Angebots des Enteigners und des Begehrens des Enteigneten im Sinne von Art. 19 des Walliser Enteignungsgesetzes. Das Prinzip von Treu und Glauben gebietet im vorliegenden Fall, das Vorliegen eines Angebots des Enteigners in einem gleich hohen Betrag wie dem von der Schätzungskommission festgelegten anzunehmen. Diese Lösung rechtfertigt sich auch unter dem Gesichtswinkel der Regeln des kantonalen Verwaltungsverfahrensrechts über die reformatio in pejus (E. 5).

112 IB 496 () from 3. Dezember 1986
Regeste: Art. 5 Abs. 2 RPG, Art. 22ter BV. Materielle Enteignung. Zinsenlauf ab Geltendmachung der Forderung durch die betroffenen Eigentümer. 1. a) Das Bundesrecht enthält keine Verfahrensvorschriften zu Art. 5 Abs. 2 RPG; indessen haben die Kantone aufgrund der Eigentumsgarantie ein gerichtliches Verfahren für die Geltendmachung der Ansprüche der Betroffenen vorzusehen. Regelung in der Tessiner Gesetzgebung (E. 2b). b) Der kantonale Richter hat sich bei der Beurteilung von Forderungen für materielle Enteignung grundsätzlich auf das Streitobjekt zu beschränken, auch wenn Offizialmaxime herrscht und er nicht an die Begehren der Parteien gebunden ist; eine Ausnahme gilt dann, wenn die neuen Fragen in engem Zusammenhang mit dem Streitgegenstand stehen und ein einheitlicher Sachverhalt vorliegt. Ein solcher Sachzusammenhang durfte im vorliegenden Fall ohne Willkür angenommen werden (E. 2d). 2. Begriff der materiellen Enteignung (Bestätigung der Rechtsprechung). Die Einführung einer Ausnützungsziffer von 0,79 bzw. 0,99 und ein Bauaufschub oder eine Bausperre von beschränkter Dauer (zwei bis drei Jahre) führen zu keiner materiellen Enteignung (E. 3a-d). Eine solche liegt dagegen bei der Zuweisung eines Baugrundstückes zur Zone für öffentliche Anlagen vor (E. 3e). 3. Die Forderung für materielle Enteignung entsteht und bemisst sich nach den Wertverhältnissen im Zeitpunkt des Inkrafttretens der planerischen Massnahme, ob es bei dieser bleibe oder ihr eine formelle Enteignung folge. Der für die formelle Enteignung geltende Grundsatz, dass nachteilige oder günstige Vorwirkungen des Werkes bei der Entschädigungsbemessung ausser acht zu lassen seien, findet dann keine Anwendung, wenn eine Vorbereitungshandlung für sich allein zu materieller Enteignung führt und unter diesem Titel eine selbständige Entschädigungsforderung entsteht. Die Kantone können kürzere als die in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung festgelegten Verjährungs- oder Verwirkungsfristen vorsehen, falls ihnen dies als zweckmässig erscheint (E. 3e). 4. Die Frage nach dem Beginn der Verzinsung der Forderung für materielle Enteignung wird, als Frage nach dem Umfang der "vollen Entschädigung" (Art. 22ter BV, Art. 5 Abs. 2 RPG), vom Bundesgericht frei geprüft. Die Zinspflicht beginnt nicht schon an sich mit dem Entstehen der Forderung, sondern erst auf Entschädigungsbegehren des Anspruchsberechtigten hin zu laufen; Anforderungen an dieses Verlangen. Steht für das Gemeinwesen ausser Zweifel, dass der Eigentümer sofort entschädigt zu werden wünscht, kann es die Verzinsung der Entschädigung nicht verweigern. Im vorliegenden Fall laufen die Zinse ab Inkrafttreten der Eigentumsbeschränkung (E. 4).

116 IB 386 () from 3. Oktober 1990
Regeste: Enteignungsrechtliche Entschädigungsforderung des Pächters; Rechtzeitigkeit der Anmeldung, Verwirkung des Anspruchs, Treu und Glauben. Rechtzeitigkeit der Geltendmachung und Verwirkung der enteignungsrechtlichen Entschädigungsansprüche der Grundeigentümer (E. 3a) und der Mieter und Pächter (E. 3b). Folgen der Verwirkung gemäss der Lehre im Privatrecht (E. 3c/aa) sowie nach Lehre und Rechtsprechung im öffentlichen Recht (E. 3c/bb). Zweck, formelle Voraussetzungen und Schranken der in den Art. 36, Art. 37 und Art. 41 EntG vorgesehenen Verwirkung. Keine Verwirkung gewisser Entschädigungsansprüche im vorliegenden Fall, da der Enteignete aufgrund des Verhaltens der Enteignerinnen nach Treu und Glauben annehmen durfte, eine formelle Anmeldung der Ansprüche sei nicht nötig (E. 4). Berechnung der für die vorzeitige Pachtauflösung geschuldeten Entschädigung (E. 5).

128 II 231 () from 28. Mai 2002
Regeste: Formelle Enteignung von Nachbarrechten (Art. 5 EntG). Voraussetzung der Unvorhersehbarkeit: Übersicht über die Rechtsprechung, namentlich zu übermässigen Immissionen, die sich aus dem Betrieb eines Flughafens ergeben (E. 2.1 und 2.2). Die Voraussetzung der Unvorhersehbarkeit ist erfülllt, wenn der Enteignete das lärmbelastete Grundstück nach dem massgeblichen Stichtag durch Erbnachfolge erworben hat; dies ist namentlich beim Erbvorempfang zu bejahen (E. 2.3). Prüfung der Umstände einer Grundstücksübertragung innerhalb einer Familie unter Beachtung dieser Grundsätze (E. 2.4).

129 II 420 () from 22. Juli 2003
Regeste: Enteignung, Durchleitungsrecht für eine Hochspannungsleitung, Festsetzung der Entschädigung (Art. 19 und 22 EntG). Verweigerung der Ausdehnung der Enteignung (E. 2). Grundsätze der Festsetzung der Entschädigung bei der Auferlegung einer Dienstbarkeit auf ein Grundstück, die einer Teilenteignung gleichkommt; Berücksichtigung des Schadens, der sich aus dem Entzug oder aus der Verminderung von Vorteilen für das Restgrundstück ergibt (E. 3.1), besonders, wenn der Betrieb der Anlage des Enteigners Immissionen verursacht (E. 4). Anspruch der Nachbarn der Hochspannungsleitung auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäss Art. 8 EMRK (E. 5). Entschädigung aufgrund des durch die Hochspannungsleitung verursachten Lärms (E. 6). Entschädigung aufgrund der elektromagnetischen Felder (E. 7).

132 II 427 () from 17. August 2006
Regeste: Art. 20 EBG, Art. 5 EntG, Art. 684 ZGB; Enteignung von Nachbarrechten, Entschädigung für übermässige Einwirkungen infolge Bauarbeiten an der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale. Freie Überprüfung der formellen Enteignung nach Bundesrecht, insbesondere wenn das Bundesgericht Mitglieder der Eidg. Oberschätzungskommission als Sachverständige für technische Fragen beizieht (E. 1). Hat der Grundeigentümer beim Bauen alle Massnahmen getroffen, die vernünftigerweise von ihm gefordert werden können, und kann er eine Störung des Nachbarrechts infolge der Bauarbeiten dennoch nicht vermeiden, so hat der geschädigte Nachbar einen Anspruch auf Entschädigung, wenn der Nachteil bedeutend und die Einwirkungen übermässig sind (E. 3). Die Beachtung der Richtlinien über bauliche und betriebliche Massnahmen zur Begrenzung des Baulärms (sog. Baulärm-Richtlinie) und über die Luftreinhaltung auf Baustellen (sog. Baurichtlinie Luft) schliesst nicht aus, dass übermässige Einwirkungen im Sinne von Art. 684 ZGB vorliegen. Ob die Einwirkungen übermässig sind, beurteilt der Richter in Abwägung der Interessen; er berücksichtigt dabei den Ortsgebrauch sowie die Lage und Beschaffenheit der Grundstücke (E. 4). Im konkreten Fall bewirken die Bauarbeiten am Gotthard-Basistunnel, Zwischenangriff Faido-Polmengo, unvermeidbare Staub- und Lärmimmissionen während 13 Jahren. Es sind übermässige Einwirkungen, die eine Enteignungsentschädigung zugunsten des Nachbarn begründen (E. 5). Die Baustelle und die damit verbundenen Einwirkungen sind zeitlich begrenzt. Die Entschädigung muss - analog zu einer vorübergehenden Enteignung - den beim betroffenen Grundeigentümer tatsächlich entstandenen Schaden decken (E. 6.1-6.3). Festsetzung des Schadens, im konkreten Fall bestehend aus der objektiven Ertragseinbusse der Liegenschaft und den zusätzlichen, durch die Immissionen im Zeitraum der Bauarbeiten verursachten Unterhaltskosten (E. 6.4). Berechnung der Gesamtentschädigung und der Zinsen (E. 6.5). Aus dem absehbaren Rückgang des Zugverkehrs auf der bestehenden Eisenbahnlinie nach der Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels entsteht dem Enteigneten kein Sondervorteil, der eine Herabsetzung der Entschädigung rechtfertigen würde (E. 6.6).

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