Bundesgesetz
über das Internationale Privatrecht
(IPRG)

vom 18. Dezember 1987 (Stand am 1. Februar 2021)


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Art. 69

2. Mass­ge­bli­cher Zeit­punkt

 

1 Für die Be­stim­mung des auf die Ent­ste­hung, Fest­stel­lung oder An­fech­tung des Kin­des­ver­hält­nis­ses an­wend­ba­ren Rechts ist der Zeit­punkt der Ge­burt mass­ge­bend.

2 Bei ge­richt­li­cher Fest­stel­lung oder An­fech­tung des Kin­des­ver­hält­nis­ses ist je­doch der Zeit­punkt der Kla­ge­er­he­bung mass­ge­bend, wenn ein über­wie­gen­des In­ter­es­se des Kin­des es er­for­dert.

BGE

118 II 468 () from 24. September 1992
Regeste: Vaterschaftsklage eines 35 Jahre alten, in der Schweiz wohnhaften Italieners gegen einen in der Schweiz wohnhaften Schweizer. 1. Intertemporales Recht. Obwohl die Vaterschaftsklage vor dem Inkrafttreten des IPRG angehoben wurde, ist das neue Gesetz anwendbar, da die Geburt des Klägers bis heute keinen Einfluss auf sein natürliches Kindesverhältnis hatte (Art. 196 Abs. 2 IPRG) (E. 4a). 2. Nach Art. 69 Abs. 1 IPRG ist die Geburt des Kindes für die Bestimmung des auf das Kindesverhältnis anwendbaren Rechts massgebend. Diese Vorschrift bezweckt, die Anknüpfungskriterien von Art. 68 IPRG zeitlich festzulegen (E. 4b). 3. Die Verweisung des IPRG auf ein ausländisches Recht umfasst alle nach diesem Recht auf den Sachverhalt anwendbaren Bestimmungen (Art. 13 IPRG), mithin auch diejenigen über das internationale Privatrecht (E. 4c). 4. Im Lichte der heutigen italienischen Lehre und Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Fall einzig italienisches Recht, Heimatrecht des Klägers, anwendbar (E. 4d). 5. Die Klage ist namentlich deshalb zulässig, weil nach italienischem Recht die Klage des Kindes auf richterliche Feststellung der natürlichen Vaterschaft nicht verjährt (E. 4e). 6. Ausländisches Recht, das für die Vaterschaftsklage keine Frist vorsieht, verletzt den schweizerischen Ordre public nicht (an dieser zu Art. 308 ZGB alte Fassung entwickelten Rechtsprechung ist auch unter der heutigen Gesetzgebung festzuhalten) (E. 4f). 7. Gutheissung der Vaterschaftsklage in Anwendung des italienischen Rechts (E. 4g).

129 III 288 () from 10. März 2003
Regeste: Art. 68 Abs. 1 und Art. 69 IPRG; anwendbares Recht bei gerichtlicher Anfechtung des Kindesverhältnisses. Berufungsfähigkeit von Vor- und Zwischenentscheiden nach Art. 50 Abs. 1 OG (E. 2). Als gewöhnlicher Aufenthalt (Art. 20 Abs. 1 lit. b IPRG) des Kindes ist im Rahmen von Art. 68 Abs. 1 IPRG der Schwerpunkt seiner Lebensbeziehungen zu verstehen (E. 4.1). Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes im massgeblichen Zeitpunkt (Art. 69 IPRG) der Geburt und der Klageerhebung (E. 4.2 und 4.3). Findet im Zeitpunkt der Klageerhebung ein anderes Recht Anwendung als im Zeitpunkt der Geburt, ist eine Prüfung der Interessenlage des Kindes nach Art. 69 Abs. 2 IPRG vorzunehmen (E. 4.4).

129 III 404 () from 18. Februar 2003
Regeste: Art. 1 Abs. 1 lit. a, 9 Abs. 2 und 66 IPRG; Klage auf Feststellung des Kindesverhältnisses; internationale Zuständigkeit; perpetuatio fori. Im internationalen Verhältnis gilt der Grundsatz, dass die zu Beginn des Prozesses - im konkreten Fall zur Feststellung des Kindesverhältnisses - bestehende Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte fortdauert, wenn der Wohnsitz als massgebliches Anknüpfungskriterium weggefallen ist. Der für die perpetuatio fori massgebliche Zeitpunkt bestimmt sich nach Art. 9 Abs. 2 IPRG (E. 4.3 und 4.4).

146 III 136 (5A_222/2018) from 28. November 2019
Regeste: Art. 69 Abs. 1 und 2 IPRG; bei einer Klage auf Anfechtung des Kindesverhältnisses anwendbares Recht, alternative Anknüpfung an den Ort der Geburt oder der Klage, Begriff des "überwiegenden Interesses". Die Anknüpfung an den Ort der Klageanhebung nach Art. 69 Abs. 2 IPRG erfolgt nur bei gerichtlicher Anfechtung des Kindesverhältnisses, um im konkreten Einzelfall das für das Kind günstigste Recht anzuwenden. Die angerufene Behörde ist daher verpflichtet, die konkreten Umstände zu prüfen und den voraussichtlichen Ausgang des Verfahrens zu berücksichtigen (E. 4.1).

 

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