Bundesgesetz
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Art. 55 Zuständigkeit
1 Das Bundesamt entscheidet über die Auslieferung des Verfolgten sowie über die Aushändigung der beschlagnahmten Gegenstände und Vermögenswerte, nachdem es dem Verfolgten und dem Dritten, der sich der Sachauslieferung widersetzt, eine angemessene Frist zur Stellungnahme eingeräumt hat.96 2 Macht der Verfolgte geltend, er werde eines politischen Deliktes bezichtigt, oder ergeben sich bei der Instruktion ernsthafte Gründe für den politischen Charakter der Tat, so entscheidet die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts.97 Das Bundesamt unterbreitet die Akten dem Gericht mit seinem Antrag. Der Verfolgte erhält Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. 3 Das Verfahren der Beschwerde nach Artikel 25 ist sinngemäss anwendbar.98 96Fassung gemäss Ziff. I des BG vom 4. Okt. 1996, in Kraft seit 1. Febr. 1997 (AS 1997 114; BBl 1995 III 1). 97 Fassung gemäss Anhang Ziff. 30 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 2197; BBl 2001 4202). 98 Fassung gemäss Anhang Ziff. 30 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 2197; BBl 2001 4202). BGE
111 IB 138 () from 17. April 1985
Regeste: Auslieferungsgesuch des Staates Tunesien. 1. Zuständigkeit zur Beurteilung eines Auslieferungsbegehrens gemäss Art. 55 IRSG (E. 1). 2. Da zwischen Tunesien und der Schweiz kein Auslieferungsvertrag besteht, sind tunesische Auslieferungsbegehren ausschliesslich in Anwendung des Landesrechts (IRSG) zu beurteilen. 3. Art. 2 lit. a und c IRSG verlangt, dass der ersuchte Staat die persönliche Lage des Verfolgten mit der bestehenden politischen Ordnung im ersuchenden Staat vergleicht (E. 4, 5 gekürzt). 4. Die Auslieferung an einen Staat, zu dem keine auslieferungsvertraglichen Verbindungen bestehen, kann nur unter Beachtung der in Art. 2 lit. a-c, 37 Abs. 2 und 38 IRSG aufgestellten Grundsätze erfolgen; sie ist somit nur dann zulässig, wenn der ersuchende Staat die Einhaltung eines diesen Grundsätzen entsprechenden Verfahrens zusichert. Im konkreten Fall ist die Auslieferung von Auflagen und Bedingungen abhängig zu machen, die geeignet sind, dem Verfolgten eine dem schweizerischen Recht entsprechende Behandlung zu gewährleisten (E. 6).
117 IV 209 () from 15. Juli 1991
Regeste: Art. 15 IRSG; Entschädigung für ungerechtfertigte Auslieferungshaft. 1. Zuständigkeit der Anklagekammer. Im Beschwerdeverfahren können auch im Zusammenhang mit prozessualen Zwangsmassnahmen stehende Verletzungen von Prozessvorschriften gerügt werden (E. 1). 2. Wird dem Auslieferungsbegehren nicht stattgegeben ("Nichtannahme" im Sinne von Art. 27 Abs. 5 IRSG), hat dies mit begründeter Verfügung zu geschehen, die dem Verfolgten mitzuteilen ist (E. 2). 3. Die Anklagekammer beurteilt einzig Begehren auf Entschädigung für ungerechtfertigte, nicht indessen für rechtswidrige Auslieferungshaft (E. 4c). 4. Die Entschädigung kann nur verweigert werden, wenn der Verfolgte die Untersuchung durch trölerisches Verhalten erschwert oder verlängert hat (E. 4d).
117 IV 359 () from 4. Oktober 1991
Regeste: 1.Zuständigkeit der Anklagekammer für die Behandlung von Beschwerden im Bereich der Auslieferung (E. 1). 2.Fälle, in welchen die Auslieferungshaft aufzuheben ist (E. 2).
122 II 373 () from 11. September 1996
Regeste: Auslieferung an die Türkei; Art. 3 EAUe; Art. 3 EMRK. Der Entscheid des Bundesamtes für Polizeiwesen über die Auslieferung kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden; die staatsrechtliche Beschwerde ist unzulässig (E. 1b). Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 1c). Tragweite von Art. 3 Abs. 2 EAUe, der die Auslieferung ausschliesst, wenn das Auslieferungsersuchen aus Gründen gestellt worden ist, die mit der Rasse, der Religion, der Nationalität oder den politischen Ansichten der verfolgten Person zusammenhängen (E. 2a und b). Vorliegend ist kein Fall, im Sinn von Art. 3 Abs. 2, 1. Halbsatz EAUe gegeben (E. 2c). Hingegen rechtfertigt es sich im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2, 2. Halbsatz EAUe, die Auslieferung des Beschwerdeführers von Zusicherungen des ersuchenden Staates betreffend die Haftbedingungen der ausgelieferten Person abhängig zu machen (E. 2d).
128 II 355 () from 18. September 2002
Regeste: Art. 55 Abs. 2 IRSG; Art. 1, Art. 2 Ziff. 1, Art. 3 Ziff. 1 und Art. 9 EAUe; Art. 1 lit. f und Art. 2 Ziff. 3 EÜBT; Art. 260ter Ziff. 1 StGB; Auslieferung eines mutmasslichen Angehörigen der "Brigate Rosse" an Italien. Anwendbares Recht (E. 1). Zuständigkeit und Verfahren für die materielle Beurteilung des Auslieferungsersuchens im Falle der Einrede des politischen Deliktes gemäss Art. 55 Abs. 2 IRSG (E. 1.1). Zuständigkeit und Verfahren für die Prüfung von Haftentlassungsgesuchen des Verfolgten (E. 1.2). Beidseitige Strafbarkeit betreffend den Vorwurf der Unterstützung (bzw. Beteiligung an) einer kriminellen Organisation, Art. 260ter Ziff. 1 StGB (E. 2). Einrede des politischen Deliktes (E. 4). Grundsatz "ne bis in idem" (E. 5).
130 II 337 () from 8. Juli 2004
Regeste: Art. 2 Ziff. 1, Art. 3 Ziff. 1 und Art. 12 Ziff. 2 lit. b EAUe, Art. 1 und 2 EÜBT, Art. 3 Abs. 1 und Art. 55 Abs. 2 IRSG; Auslieferungsersuchen von Serbien-Montenegro gegen eine Person, die Organisationen unterstützt haben soll, denen terroristische Anschläge vorgeworfen werden; Einrede des politischen Delikts. Rechtsquellen (E. 1); Zuständigkeit und Verfahren bei der Einrede des politischen Deliktes (E. 1.1); Sachurteilsvoraussetzungen, Beschwerdegründe und Kognition (E. 1.2-1.4). Begriff des "politischen Deliktes" im Auslieferungsrecht, besonders bei der Verfolgung von Terrorismusverdächtigen; heikle Abgrenzung zwischen mutmasslichen Terroristen bzw. bewaffneten politischen Widerstandskämpfern und Bürgerkriegsparteien (E. 3). Anforderungen an die Verlässlichkeit und Genauigkeit des Ersuchens im vorliegenden Fall (E. 6.1). Zusammenfassung der Tatvorwürfe gegen den Verfolgten (E. 6.2). Auf Grund des Ersuchens und der vorliegenden Akten können weder die Einrede des politischen Deliktes noch die übrigen geltend gemachten Auslieferungshindernisse ausreichend geprüft werden; Rückweisung zur Neubeurteilung (E. 7).
132 II 469 () from 7. November 2006
Regeste: Art. 2 lit. b und c, Art. 55 Abs. 2 IRSG; Art. 3 Ziff. 2 EAUe; Art. 33 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge. Ist das Asyl bereits durch einen rechtskräftigen Entscheid abgelehnt worden, hält sich der Auslieferungsrichter grundsätzlich an die Erwägungen, die zu dieser Ablehnung geführt haben (E. 2.1-2.5). Im vorliegenden Fall sind die Behauptungen einer Verfolgung nicht wahrscheinlich (E. 2.6 und 2.7). |