Bundesgesetz
über internationale Rechtshilfe in Strafsachen
(Rechtshilfegesetz, IRSG)

vom 20. März 1981 (Stand am 1. Juli 2021)


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Art. 6 Zusammentreffen von Ausschluss und Zulässigkeit der Zusammen­arbeit

1 Fällt die dem Ver­folg­ten zur Last ge­leg­te Tat un­ter meh­re­re schwei­ze­ri­sche Straf­be­stim­mun­gen, so darf dem Er­su­chen nur für die Tat­be­stän­de ent­spro­chen wer­den, für die kei­ne Aus­schluss­grün­de be­ste­hen und wenn ge­währ­leis­tet ist, dass der er­su­chen­de Staat die ge­stell­ten Be­din­gun­gen be­ach­tet.

2 Ei­ne Zu­sam­men­ar­beit ist un­zu­läs­sig in Ver­fah­ren we­gen ei­ner Tat, die un­ter meh­re­re Straf­be­stim­mun­gen des schwei­ze­ri­schen oder des frem­den Rechts fällt, wenn mit Be­zug auf einen die­ser Tat­be­stän­de, der die Tat nach al­len Sei­ten um­fasst, ei­nem Er­su­chen nicht ent­spro­chen wer­den darf.

BGE

112 IB 576 () from 19. November 1986
Regeste: Internationale Rechtshilfe in Strafsachen. 1. Das Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG) und das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen (EÜR) finden auch Anwendung, wenn die im Ersuchen aufgeführten Taten vor deren Inkrafttreten begangen wurden (E. 2). 2. Art. 17, 25, 78 f. IRSG, Art. 14 IRSV. Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen letztinstanzlicher kantonaler Behörden. Zulässige Rügen und Kognitionsbefugnis des Bundesgerichtes; Möglichkeit der reformatio in peius sive in melius der angefochtenen Verfügung; durch den Streitgegenstand gegebene Begrenzung der Offizialmaxime; Unzulässigkeit der Anfechtung des Vorentscheides des Bundesamtes (E. 3). 3. Art. 16 und 23 IRSG. Im Kanton Tessin - wo noch kein Einführungsgesetz zum IRSG erlassen worden ist - obliegt die Ausführung von Ersuchen um "andere" Rechtshilfe dem Instruktionsrichter, gegen dessen Anordnungen innert fünf Tagen Beschwerde bei der Camera dei ricorsi penali erhoben werden kann (Art. 93 in Verbindung mit Art. 120 ff., 226 und 227 CPP/TI). Vereinbarkeit dieser speziell kurzen Frist mit den Anforderungen des Bundesrechtes? Frage offengelassen (E. 7a-b). 4. Art. 1 Ziff. 2 EÜR, Art. 3 Abs. 1 IRSG. Begriff der militärischen strafbaren Handlung (E. 10). 5. Rechtshilfemassnahmen, die die Anwendung von Zwangsmassnahmen erfordern; Grundsatz der Spezialität und der beidseitigen Strafbarkeit (Art. 2 lit. b, Art. 5 Ziff. 1 lit. a, Art. 23 Ziff. 1 EÜR, Art. 3 des Bundesbeschlusses vom 27. September 1966, Art. 6, 64 und 67 IRSG). a) Vorbehalte und Erläuterungen der Schweiz zum EÜR. Die Schweiz hat in jedem Fall der Rechtshilfe die ersuchende Vertragspartei klar darüber zu informieren, welche Schranken sie für den Gebrauch der von ihr erteilten Auskünfte setzen will; wird im Zeitpunkt der Übermittlung kein solcher Vorbehalt gemacht, so kann der ersuchende Staat die erhaltenen Auskünfte gemäss Landesrecht verwenden, ohne gegen seine staatsvertraglichen Verpflichtungen zu verstossen (E. 11a). b) Tragweite der Art. 2 lit. d, Art. 6, Art. 35 Abs. 2, Art. 63, 64 und 67 IRSG im Hinblick auf das Prinzip der beidseitigen Strafbarkeit und den Spezialitätsgrundsatz. Bei "anderer" Rechtshilfe ist der Schweizer Richter in der Regel nicht verpflichtet, die Strafbarkeit der Tat gemäss dem Recht des ersuchenden Staates zu überprüfen; Ausnahmen von diesem Grundsatz (E. 11b/ba). Die Prüfung der Strafbarkeit gemäss Landesrecht schliesst auch die subjektiven Tatbestandsmerkmale ein, mit Ausnahme jedoch - gleich wie bei der Auslieferung - der besonderen Schuldformen und Strafbarkeitsbedingungen des schweizerischen Rechts (E. 11b/bb). Fall teilweiser Unzulässigkeit eines Rechtshilfebegehrens; Notwendigkeit, den ersuchenden Staat darauf aufmerksam zu machen, in welchem Rahmen die erhaltenen Auskünfte in weiteren Verfahren zur Verfolgung anderer Straftaten oder anderer Personen verwendet werden können; Pflichten der ersuchenden Partei (E. 11b/bc). 6. a) Keine Anwendbarkeit des EÜR auf die Übergabe von Gegenständen, die Beute bilden (Art. 1 Ziff. 2, Art. 3 Ziff. 1) (E. 12a). b) Anwendbarkeit der EÜR auf die Sicherungsbeschlagnahme von Deliktsgut oder von Erlös aus diesem? Frage offengelassen, da das interne Recht eine Übergabe von Deliktsgut an den ersuchenden Staat zum Zwecke der Beschlagnahme zulässt (Art. 74 IRSG) und vorläufige Massnahmen - wie gerade die Sicherungsbeschlagnahme - zur Sicherstellung der Übergabe gestattet (Art. 18 IRSG). Im vorliegenden Fall besteht das Deliktsgut teilweise aus Steuerbeträgen, die dem ausländischen Fiskus durch Steuerbetrug entzogen worden sind (Art. 3 Abs. 3 IRSG) und für welche praxisgemäss eine Übergabe nicht in Frage kommt; dennoch ist die vorsorgliche Massnahme zulässig, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die durch Steuerumgehung beiseite geschafften Gewinne nicht nur dem Fiskus, sondern auch Privaten entzogen worden sind, die sich auf Art. 74 Abs. 2 IRSG berufen könnten. Pflicht der Schweizer Behörde, die ausländische Behörde um die notwendigen näheren Angaben zu ersuchen, mit der Androhung, dass die Sicherungsbeschlagnahme allenfalls mangels weiterer Präzisierungen dahinfallen werde (E. 12b-c). 7. Unzulässigkeit des Rechtshilfeersuchens wegen Erlöschens des Strafanspruchs nach schweizerischen Recht (Art. 5 Abs. 1 lit. c IRSG). Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht erfüllt, da die Straftaten zwischen 1974 und 1979 begangen worden sind und die in Art. 11 Abs. 2 und 3 VStrR vorgesehene absolute Verjährung noch nicht eingetreten ist (E. 13b). 8. Die Angehörigen von Verfolgten, die nach den Gesuchsunterlagen weder Beschuldigte noch Verdächtigte sind, können sich nicht darauf berufen, am Strafverfahren nicht beteiligt zu sein (Art. 10 IRSG), und müssen daher dulden, dass Auskünfte eingeholt werden. Die ersuchende Partei darf indessen die von der Schweiz erhaltenen Beweismittel nicht in Verfahren verwenden, die gegen diese Personen eröffnet worden sind, ohne die Schweiz zusätzlich um Zustimmung zu ersuchen (E. 13d). 9. Übermittlung von Beweismitteln; Prüfung ihrer Eignung durch die Behörden des ersuchten Staates (E. 14a). 10. Beschlagnahme und Übergabe von Gütern, die Deliktsgut bilden; die Behörden des ersuchten Staates haben zu prüfen, ob diese Güter zumindest aller Wahrscheinlichkeit nach direkt oder indirekt strafbarer Tätigkeit entstammen (E. 14b).

129 II 462 () from 8. September 2003
Regeste: Rechtshilfevertrag mit Peru; Art. 322quater StGB (Korruptionsfall Fujimori/Montesinos). Anwendbarkeit des Rechtshilfevertrages mit Peru (E. 1.1). Beidseitige Strafbarkeit (E. 4). Intertemporalrechtliche Geltung von Art. 322quater StGB (E. 4.3 und 4.4). Objektive Tatbestandsmässigkeit (E. 4.5). Voraussetzung der Verhältnismässigkeit bzw. des ausreichenden Sachzusammenhangs zwischen den Rechtshilfemassnahmen und dem Gegenstand der ausländischen Strafuntersuchung (E. 5).

142 IV 175 (1C_644/2015) from 23. Februar 2016
Regeste: Art. 2 Ziff. 1 und Art. 3 Ziff. 1 EAUe; Art. 1 und Art. 2 EÜBT; Art. 3 Abs. 1 und Art. 35 Abs. 1 lit. a IRSG; Art. 260ter Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Auslieferung an Deutschland wegen mutmasslicher Unterstützung (insbesondere Finanzierung) einer kriminellen Organisation. Einrede des politischen Deliktes; beidseitige Strafbarkeit. Dem verfolgten türkischen Staatsangehörigen wird im deutschen Auslieferungsersuchen vorgeworfen, er sei Kadermitglied von getarnten Auslandorganisationen der linksextremen Gruppierung TKP/ML. Diese leite und organisiere die in der Türkei aktive regierungsfeindliche Kampforganisation TIKKO. Die Gewaltdelikte, die der TIKKO angelastet werden, lassen sich nicht mehr als "legitimer Befreiungskampf" bzw. als bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Bürgerkriegsparteien einstufen, weshalb die Einrede des politischen Deliktes abzuweisen ist (E. 4). Eine förmliche gesetzliche Einstufung als terroristische Vereinigung (etwa aufgrund der vom EU-Ministerrat geführten Liste von verbotenen terroristischen Organisationen) bildet kein zwingendes Erfordernis für die Bejahung der beidseitigen Strafbarkeit nach Art. 260ter StGB. Dem Verfolgten wird insbesondere vorgeworfen, er habe Spendensammlungen (mit jährlichen Einnahmen von über Fr. 100'000.-) organisiert und an Geldtransfers in die Türkei mitgewirkt. Die Spenden seien unter anderem für die Ausrüstung, Ausbildung und Rekrutierung von bewaffneten Kämpfern der TIKKO verwendet worden. Der inkriminierte Sachverhalt erfüllt bei einer "prima facie-Subsumtion" nach Schweizer Recht die Tatbestandsmerkmale der Unterstützung einer kriminellen Organisation (E. 5).

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