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Art. 53 Alibibeweis
1 Behauptet der Verfolgte, beweisen zu können, dass er zur Zeit der Tat nicht am Tatort war, so nimmt das BJ die gebotenen Abklärungen vor. 2 In klaren Fällen wird die Auslieferung verweigert. Andernfalls wird der ersuchende Staat unter Vorlage der entlastenden Beweise aufgefordert, innert kurzer Frist zu erklären, ob er das Ersuchen aufrechterhalten will. BGE
109 IB 60 () from 2. März 1983
Regeste: Auslieferung. Europäisches Auslieferungsübereinkommen, Bundesgesetz betreffend die Auslieferung gegenüber dem Auslande vom 22. Januar 1892 und Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe im Strafsachen vom 20. März 1981 (IRSG). 1. Auf ein Auslieferungsgesuch anwendbare verfahrens- und materiellrechtliche Bestimmungen, wenn dieses vor dem Inkrafttreten des IRSG gestellt worden ist, vom Bundesgericht aber erst nach dem 1. Januar 1983 beurteilt wird (E. 1 und 2). 2. Mit der Frage der Täterschaft und Schuld hat sich die ersuchte schweizerische Behörde nicht zu befassen; nach dem Inkrafttreten des IRSG ist allerdings der vom Verfolgten angebotene Alibibeweis zu prüfen (E. 5a).
109 IB 317 () from 19. August 1983
Regeste: Auslieferung. Europäisches Auslieferungsübereinkommen (EAÜ), Rechtshilfegesetz (IRSG). 1. a) Begriff des Alibis gemäss Art. 53 IRSG. b) Abklärungen zur Kontrolle des Alibis müssen nur dann durchgeführt werden, wenn bei positivem Ergebnis die Verweigerung der Auslieferung oder der Rückzug des Auslieferungsgesuchs in Betracht gezogen werden kann (E. 11b). 2. Betrügerischer Konkurs; Grundsatz der beidseitigen Strafbarkeit. Im schweizerischen Recht muss die Konkurserklärung, die eine objektive Strafbarkeitsbedingung darstellt, rechtskräftig sein. Art. 35 Abs. 2 Teil 1 IRSG, welcher die Tragweite des Grundsatzes der beidseitigen Strafbarkeit einschränkt, erlaubt jedoch die Bejahung der Strafbarkeit zu Auslieferungszwecken, selbst wenn die gerichtliche Insolvenzerklärung noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist (E. 11c/aa). Rechtslage nach italienischem Recht (E. 11c/bb). 3. Verfolgbarkeit der Straftat in der Schweiz. Anwendbarkeit des Art. 36 Abs. 2 IRSG auf den wegen mehrerer Straftaten Verfolgten, von denen eine die Auslieferung begründet (E. 11f). 4. Spezialitätsprinzip. a) Das in Art. 14 Ziff. 1 EAÜ enthaltene Verbot hat seine Grundlage und zugleich seine Beschränkung im Persönlichkeitseingriff, den die in dieser Bestimmung vorgesehenen Zwangsmassnahmen bewirken: im Gegensatz zum kontradiktorischen Verfahren ist daher die Durchführung eines Abwesenheitsverfahrens zulässig (E. 13). b) Art. 14 Ziff. 1 EAÜ verbietet die Ausübung richterlicher Gewalt - mit Ausnahme der Durchführung von Abwesenheitsverfahren (Ziff. 2) - in bezug auf Taten, für welche die Auslieferung nicht gewährt wurde, auch wenn im ersuchenden Staat, noch bevor das Auslieferungsgesuch gestellt wurde, für diese ein Strafverfahren eingeleitet worden war (E. 14). c) Der Spezialitätsgrundsatz verbietet auch Zwangsmassnahmen verwaltungsrechtlicher Natur mit Bezug auf andere von der Auslieferung nicht erfasste frühere Taten (im konkreten Fall hinsichtlich der vom Verfolgten vor der Parlamentarischen Kommission gemachten Ausführungen über die Freimaurer Loge P2, die seit dem 23. September 1981 in Italien besteht) (E. 15a). d) Gemäss Art. 14 Ziff. 1 lit. b EAÜ muss der endgültig freigelassene Ausgelieferte nicht nur theoretisch sondern auch praktisch die Möglichkeit gehabt haben, das Gebiet des ersuchenden Staates zu verlassen; diese ist nicht gegeben bei Krankheit und Mangel an finanziellen Mitteln (E. 15b). 5. Begriff der mit einer politischen Straftat konnexen Tat und des relativ politischen Delikts. Verhältnisse im konkreten Fall (E. 16b). 6. Verweigerung der Auslieferung gemäss Art. 3 Ziff. 2 EAÜ. Verhältnisse im konkreten Fall (E. 16c).
111 IB 138 () from 17. April 1985
Regeste: Auslieferungsgesuch des Staates Tunesien. 1. Zuständigkeit zur Beurteilung eines Auslieferungsbegehrens gemäss Art. 55 IRSG (E. 1). 2. Da zwischen Tunesien und der Schweiz kein Auslieferungsvertrag besteht, sind tunesische Auslieferungsbegehren ausschliesslich in Anwendung des Landesrechts (IRSG) zu beurteilen. 3. Art. 2 lit. a und c IRSG verlangt, dass der ersuchte Staat die persönliche Lage des Verfolgten mit der bestehenden politischen Ordnung im ersuchenden Staat vergleicht (E. 4, 5 gekürzt). 4. Die Auslieferung an einen Staat, zu dem keine auslieferungsvertraglichen Verbindungen bestehen, kann nur unter Beachtung der in Art. 2 lit. a-c, 37 Abs. 2 und 38 IRSG aufgestellten Grundsätze erfolgen; sie ist somit nur dann zulässig, wenn der ersuchende Staat die Einhaltung eines diesen Grundsätzen entsprechenden Verfahrens zusichert. Im konkreten Fall ist die Auslieferung von Auflagen und Bedingungen abhängig zu machen, die geeignet sind, dem Verfolgten eine dem schweizerischen Recht entsprechende Behandlung zu gewährleisten (E. 6).
111 IV 108 () from 24. Mai 1985
Regeste: 1. Art. 48 Abs. 2 IRSG und Art. 214 ff. BStP. Die Beschwerde an die Anklagekammer gegen die Verweigerung der provisorischen Entlassung aus der Auslieferungshaft muss selber eine schriftliche Begründung enthalten (E. 1). 2. Art. 47 ff. IRSG. Im Auslieferungsverfahren ist die Verhaftung des Verfolgten die Regel, von der nur ausnahmsweise abgewichen werden soll. Die provisorische Entlassung aus der Auslieferungshaft untersteht im übrigen strengeren Voraussetzungen als die Entlassung aus der Untersuchungshaft (E. 2 und 3).
112 IB 342 () from 2. September 1986
Regeste: Art. 21 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG). In der Regel ist für die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes gemäss Art. 21 Abs. 1 IRSG in erster Linie wegleitend, ob sich in bezug auf das Rechtshilfe- bzw. Auslieferungsverfahren schwierige Rechts- und Tatfragen stellen, die den Beizug eines Rechtsbeistandes notwendig machen, damit eine wirksame Wahrung der Rechte des Verfolgten gewährleistet ist. Gesichtspunkte, die bei der Anwendung dieses Grundsatzes mit zu berücksichtigen sind (E. 2a).
112 IB 347 () from 15. September 1986
Regeste: Art. 47 Abs. 1 lit. b IRSG: Ohne Verzug geltend gemachtes Alibi als Motiv der Haftaufhebung. 1. Verlangt der zu Auslieferungszwecken Verhaftete die Aufhebung der Haft, nachdem die Frist zur Anfechtung des Haftbefehls abgelaufen ist, und begründet er sein Begehren mit einem Alibi, muss dieses zusammen mit dem Begehren um Aufhebung der Haft beim Bundesamt für Polizeiwesen geltend gemacht werden; eine Geltendmachung erst in der Beschwerde gegen die Weigerung der Haftaufhebung wäre verspätet (E. 3). 2. Es ist nicht Sache der schweizerischen Behörden, Nachforschungen über die Glaubwürdigkeit der Zeugen des angeblichen Alibis zu machen oder machen zu lassen; wenn diesbezügliche Zweifel nicht ausgeschlossen werden können, ist das Alibi nicht ohne Verzug im Sinne von Art. 47 Abs. 1 lit. b IRSG nachgewiesen (E. 4).
113 IB 276 () from 28. Januar 1987
Regeste: Europäisches Auslieferungs-Übereinkommen (EAUe), Rechtshilfegesetz (IRSG). Überprüfung des Alibis. 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde und Kognition des Bundesgerichts (E. 1). 2. Prüfung des Alibibeweises unter der Herrschaft des aufgehobenen Auslieferungsgesetzes vom 22. Januar 1892; Zusammenfassung der Rechtsprechung (E. 3a). 3. Auslegung des Art. 53 IRSG im Lichte der Gesetzesmaterialien. Der Begriff des Alibis ist im herkömmlichen Sinn zu verstehen, nämlich als Beweis, dass sich der Verfolgte im Zeitpunkt der Tat, für die die Auslieferung nachgesucht wird, nicht am Ort der Tatbegehung aufgehalten hat: der Begriff lässt sich nicht auf jeden Beweis der Nicht-Schuld des Auszuliefernden ausdehnen (E. 3b). 4.Übereinstimmung des Art. 53 IRSG mit dem EAUe insbesondere mit seinem Art. 1, der den Grundsatz der Auslieferungspflicht aufstellt (E. 3c). 5. Im konkreten Fall Anwendung von Art. 53 Abs. 2 Satz 2 IRSG, da das vom Verfolgten behauptete Alibi weder klar noch eindeutig ist (E. 4).
122 II 373 () from 11. September 1996
Regeste: Auslieferung an die Türkei; Art. 3 EAUe; Art. 3 EMRK. Der Entscheid des Bundesamtes für Polizeiwesen über die Auslieferung kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden; die staatsrechtliche Beschwerde ist unzulässig (E. 1b). Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 1c). Tragweite von Art. 3 Abs. 2 EAUe, der die Auslieferung ausschliesst, wenn das Auslieferungsersuchen aus Gründen gestellt worden ist, die mit der Rasse, der Religion, der Nationalität oder den politischen Ansichten der verfolgten Person zusammenhängen (E. 2a und b). Vorliegend ist kein Fall, im Sinn von Art. 3 Abs. 2, 1. Halbsatz EAUe gegeben (E. 2c). Hingegen rechtfertigt es sich im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2, 2. Halbsatz EAUe, die Auslieferung des Beschwerdeführers von Zusicherungen des ersuchenden Staates betreffend die Haftbedingungen der ausgelieferten Person abhängig zu machen (E. 2d).
123 II 175 () from 28. April 1997
Regeste: Überstellung an das internationale Strafgericht für Ruanda (ISGR). Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen Überstellungsentscheid (E. 1); anwendbare Vorschriften (E. 2). Dem Überstellungsentscheid kommt auch die Bedeutung zu, dass eine von den Militärgerichtsbehörden - unter dem Vorbehalt der Überstellung - entschiedene Verfahrensabtretung wirksam wird (E. 3). Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Überstellung sind vorliegend erfüllt (E. 4), und der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör wurde gewahrt (E. 6). Es gilt die Vermutung, dass das Verfahren vor einem internationalen Strafgericht von der Art des ISGR den Anforderungen an einen fairen Prozess genügt: Es ist nicht angezeigt, an die Überstellung Bedingungen zu knüpfen, beim ISGR über die Modalitäten der amtlichen Verteidigung der Angeschuldigten Erkundigungen einzuholen (E. 7a und b) oder die Möglichkeiten der Verbüssung einer allfälligen vom ISGR verhängten Freiheitsstrafe in der Schweiz zu erörtern (E. 7c). Abweisung des Gesuchs um Freilassung, soweit darauf eingetreten werden konnte (E. 8).
123 II 279 () from 3. Juli 1997
Regeste: Auslieferung an Deutschland; Alibibeweis, Art. 53 IRSG; Art. 3 EMRK. Ein bloss partiell geltend gemachter Alibibeweis, d.h. ein solcher, der sich nur auf einen Teil des Auslieferungsersuchens bezieht, ist unbeachtlich (E. 2b). Voraussetzungen, unter denen die Garantien von Art. 3 EMRK einer Auslieferung entgegenstehen (E. 2d). |