Bundesgesetz
über internationale Rechtshilfe in Strafsachen
(Rechtshilfegesetz, IRSG)


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Art. 74a Herausgabe zur Einziehung oder Rückerstattung 122

1 Ge­gen­stän­de oder Ver­mö­gens­wer­te, die zu Si­che­rungs­zwe­cken be­schlag­nahmt wur­den, kön­nen der zu­stän­di­gen aus­län­di­schen Be­hör­de auf Er­su­chen am En­de des Rechts­hil­fe­ver­fah­rens (Art. 80 d) zur Ein­zie­hung oder Rück­er­stat­tung an den Be­rech­tig­ten her­aus­ge­ge­ben wer­den.

2 Ge­gen­stän­de oder Ver­mö­gens­wer­te nach Ab­satz 1 um­fas­sen:

a.
Ge­gen­stän­de, mit de­nen ei­ne straf­ba­re Hand­lung be­gan­gen wur­de;
b.
das Er­zeug­nis oder den Er­lös aus ei­ner straf­ba­ren Hand­lung, de­ren Er­satz­wert und einen un­recht­mäs­si­gen Vor­teil;
c.
Ge­schen­ke und an­de­re Zu­wen­dun­gen, die da­zu ge­dient ha­ben oder be­stimmt wa­ren, die straf­ba­re Hand­lung zu ver­an­las­sen oder zu be­loh­nen, so­wie de­ren Er­satz­wert.

3 Die Her­aus­ga­be kann in je­dem Sta­di­um des aus­län­di­schen Ver­fah­rens er­fol­gen, in der Re­gel ge­stützt auf einen rechts­kräf­ti­gen und voll­streck­ba­ren Ent­scheid des er­su­chen­den Staa­tes.

4 Ge­gen­stän­de oder Ver­mö­gens­wer­te kön­nen in­des­sen in der Schweiz zu­rück­be­hal­ten wer­den, wenn:

a.
der Ge­schä­dig­te sei­nen ge­wöhn­li­chen Auf­ent­halt in der Schweiz hat und sie ihm zu­rück­zu­ge­ben sind;
b.
ei­ne Be­hör­de Rech­te dar­an gel­tend macht;
c.
ei­ne an der straf­ba­ren Hand­lung nicht be­tei­lig­te Per­son, de­ren An­sprü­che durch den er­su­chen­den Staat nicht si­cher­ge­stellt sind, glaub­haft macht, sie ha­be an die­sen Ge­gen­stän­den oder Ver­mö­gens­wer­ten in der Schweiz oder, so­fern sie ih­ren ge­wöhn­li­chen Auf­ent­halt in der Schweiz hat, im Aus­land gut­gläu­big Rech­te er­wor­ben; oder
d.
die Ge­gen­stän­de oder Ver­mö­gens­wer­te für ein in der Schweiz hän­gi­ges Straf­ver­fah­ren be­nö­tigt wer­den oder für die Ein­zie­hung in der Schweiz ge­eig­net sind.

5 Macht ein Be­rech­tig­ter an den Ge­gen­stän­den oder Ver­mö­gens­wer­ten An­sprü­che nach Ab­satz 4 gel­tend, so wird de­ren Frei­ga­be an den er­su­chen­den Staat bis zur Klä­rung der Rechts­la­ge auf­ge­scho­ben. Die strei­ti­gen Ge­gen­stän­de oder Ver­mö­gens­wer­te dür­fen dem Be­rech­tig­ten nur her­aus­ge­ge­ben wer­den, wenn:

a.
der er­su­chen­de Staat zu­stimmt;
b.
im Fal­le von Ab­satz 4 Buch­sta­be b die Be­hör­de zu­stimmt; oder
c.
die Be­rech­ti­gung des An­spruchs von ei­ner schwei­ze­ri­schen Ge­richts­be­hör­de an­er­kannt wur­de.

6 Für die fis­ka­li­schen Pfand­rech­te gilt Ar­ti­kel 60.

7 Nicht nach Ab­satz 1 aus­ge­hän­digt wer­den Ge­gen­stän­de und Ver­mö­gens­wer­te, die der Schweiz auf Grund ei­ner Tei­lungs­ver­ein­ba­rung ge­stützt auf das Bun­des­ge­setz vom 19. März 2004123 über die Tei­lung ein­ge­zo­ge­ner Ver­mö­gens­wer­te zu­ste­hen.124

122Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 4. Okt. 1996, in Kraft seit 1. Fe­br. 1997 (AS 1997 114; BBl 1995 III 1).

123 SR 312.4

124 Ein­ge­fügt durch An­hang Ziff. 2 des BG vom 19. März 2004 über die Tei­lung ein­ge­zo­ge­ner Ver­mö­gens­wer­te, in Kraft seit 1. Aug. 2004 (AS 2004 3503; BBl 2002 441).

BGE

123 II 134 () from 1. April 1997
Regeste: Rechtshilfe; EUeR; Europaratsübereinkommen Nr. 141 von 1990 über Geldwäscherei sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten; Rückerstattung von Erträgen, die aus einer strafbaren Handlung herrühren; Art. 74a IRSG. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 1). Im Ausland gestohlene und in der Schweiz verkaufte Sache. Recht, das anwendbar ist, wenn eine Sache - im Hinblick auf deren Rückgabe - an einen ausländischen Staat ausgehändigt werden soll (E. 5). Schutz des Käufers, der seinen guten Glauben glaubhaft macht (E. 6a und b). Beweislast in dieser Frage (E. 6c). Im vorliegenden Fall hat der Käufer seinen guten Glauben nicht glaubhaft gemacht (E. 6d). Bedingungen, unter welchen eine Sache an einen um Rechtshilfe ersuchenden Staat ausgehändigt werden kann. Sowohl das Interesse des internationalen Ordre public am Schutz der Kulturgüter wie auch die für den Schutz der rechtmässigen Interessen des gutgläubigen Besitzers notwendigen Verfahrensgarantien im ersuchenden Staat müssen berücksichtigt werden (E. 7).

123 II 595 () from 10. Dezember 1997
Regeste: Rechtshilfe in Strafsachen an die Republik der Philippinen; Art. 74a IRSG: Herausgabe von Vermögenswerten zur Einziehung oder Rückerstattung. Auslegung von Art. 74a Abs. 3 IRSG; Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise auf das Vorliegen eines rechtskräftigen Entscheids des ersuchenden Staats verzichtet werden kann (E. 4). Angesichts des erheblichen Interesses der Schweiz an einer vorzeitigen Rückführung der Vermögenswerte und deren offensichtlich deliktischer Herkunft ist die vorzeitige Herausgabe gerechtfertigt, sofern die Philippinen zusichern, dass über die Einziehung bzw. die Rückerstattung nur in einem dem UNO-Pakt II genügenden gerichtlichen Verfahren entschieden wird (E. 5). Rechte Dritter i.S. von Art. 74a Abs. 4 und 5 IRSG stehen der sofortigen Herausgabe nicht entgegen (E. 6). Im Rahmen von Art. 1a IRSG ist den in internationalen Verträgen garantierten Menschenrechten Rechnung zu tragen; Berücksichtigung der Interessen der Opfer von Menschenrechtsverletzungen unter dem Marcos-Regime (Art. 2, 6, 7, 9, 14 und 41 UNO-Pakt II; Art. 13, 14, 16 Abs. 1 und 30 UN-Übereinkommen gegen die Folter von 1984) (E. 7c). Die in den Vereinigten Staaten ergangenen gerichtlichen Verfügungen bezüglich der in der Schweiz gesperrten Vermögenswerte sowie allfällige sich daraus ergebende Nachteile für die schweizerischen Banken stehen einer Herausgabe an die Philippinen nicht entgegen (E. 7d).

125 II 258 () from 20. Mai 1999
Regeste: Internationale Rechtshilfe in Strafsachen; Spezialitätsvorbehalt (Art. 67 Abs. 2 Satz 1 IRSG). Die Verwendung der durch Rechtshilfe in Strafsachen erlangten Auskünfte und Schriftstücke in einem Zivilprozess bedarf grundsätzlich der Zustimmung des Bundesamts für Polizei nach Art. 67 Abs. 2 Satz 1 IRSG. Das gilt jedoch nicht, soweit das Zivilverfahren die Rückführung der deliktisch erlangten Vermögenswerte an den Berechtigten zum Gegenstand hat und insofern das Strafverfahren ergänzt (E. 7a/bb). Zur Frage, ob auch die zivilprozessuale Verwendung für Schadenersatzforderungen des Opfers wegen der dem Rechtshilfeverfahren zugrundeliegenden Straftat der Zustimmung des Bundesamtes bedarf (E. 7a/cc). Die Zustimmung gemäss Art. 67 Abs. 2 IRSG kann im vorliegenden Verfahren nicht vom Bundesgericht erteilt werden (E. 7a/cc a.E.).

125 II 411 () from 9. Juli 1999
Regeste: Internationale Rechtshilfe in Strafsachen; Parteistellung des ersuchenden Staates. Dem ersuchenden Staat kann im Rechtshilfeverfahren (hier: Rekursverfahren vor dem Obergericht) keine Parteistellung eingeräumt werden, wenn um die Herausgabe von Bankdokumenten gestritten wird, d.h. um Informationen aus dem Geheimbereich, die dem ersuchenden Staat erst nach Abschluss des Rechtshilfeverfahrens bekannt gegeben werden dürfen. Das gilt selbst dann, wenn der ausländische Staat Geschädigter i.S.v. Art. 21 Abs. 2 IRSG ist und im Rechtshilfeverfahren auch über die Herausgabe von Vermögenswerten entschieden wird, die ihm angeblich deliktisch entzogen worden sind.

126 II 462 () from 6. November 2000
Regeste: Internationale Rechtshilfe in Strafsachen; Art. 5 Abs. 1 lit. c IRSG, 33a IRSV. Zulässigkeit von Rechtshilfemassnahmen nach Eintritt der absoluten Verjährung nach schweizerischem Recht (E. 4). Aufrechterhaltung von Kontosperren über die absolute Verjährungsfrist hinaus; Gesetzmässigkeit von Art. 33a IRSV (E. 5).

129 II 449 () from 29. Oktober 2003
Regeste: Art. 30 und 85 ff. IRSG; Schicksal der strafrechtlichen Beschlagnahme nach der Übertragung des Strafverfahrens ins Ausland. Wenn das Strafverfahren ins Ausland übertragen ist und die schweizerischen Strafverfolgungsbehörden damit nicht mehr befasst sind, obliegt es dem Bundesamt für Justiz, über ein Gesuch um Aufhebung der in der Schweiz angeordneten und im Interesse des ins Ausland übertragenen Strafverfahrens aufrechterhaltenen Beschlagnahme zu befinden (E. 2).

129 II 453 () from 27. Oktober 2003
Regeste: Art. 74a und 80h lit. b IRSG; Herausgabebegehren gestützt auf ein ausländisches Urteil. Die Gelder stammen aus einem veruntreuten Darlehen zwischen Privaten. Das ausländische Urteil räumt dem ersuchenden Staat ein Vorrecht auf diese Guthaben ein (um Vermögenswerte aus anderen Delikten wieder zu erlangen), erkennt aber, dass sie grundsätzlich dem Darleiher zustehen. Die Zulässigkeit der Beschwerde ist zweifelhaft, da der ersuchende Staat seine Betroffenheit nicht dargelegt hat (E. 2). Es besteht kein Zusammenhang zwischen den beschlagnahmten Vermögenswerten und den Delikten, welche dem Herausgabebegehren zu Grunde liegen; der Darleiher hat im Übrigen Anspruch auf die Guthaben. Art. 74a IRSG erlaubt somit die Rückgabe nicht (E. 3 und 4).

130 II 329 () from 8. Juni 2004
Regeste: Internationale Rechtshilfe in Strafsachen; Beschwerde gegen die Beschlagnahmeverfügung; Art. 80e lit. b Ziff. 1 IRSG. Begriff des unmittelbaren und nicht wieder gut zu machenden Nachteils im Sinne von Art. 80e lit. b Ziff. 1 IRSG (E. 2). Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts, wenn es auf eine Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung im Sinne von Art. 80e lit. b IRSG eintritt (E. 3). Im vorliegenden Fall verlangte der ersuchende Staat die strittige Beschlagnahme (E. 4). Ihr Gegenstand steht indessen mit den verfolgten Delikten nicht in einem ausreichend engen Zusammenhang (E. 5). Sie ist im Übrigen unverhältnismässig (E. 6).

133 IV 215 (1C_126/2007, 1C_127/2007) from 11. Juli 2007
Regeste: Art. 84 und 93 Abs. 2 BGG; Art. 74a und 94 ff. IRSG, Art. 13 GWÜ. Beschwerde gegen einen Zwischenentscheid über eine provisorische Beschlagnahme von Vermögenswerten im Hinblick auf die Herausgabe an den ersuchenden Staat zur Durchsetzung einer Ersatzforderung im Zusammenhang mit einem Steuerdelikt; die Voraussetzung von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG ist erfüllt (E. 1.1), und es handelt sich um eine Grundsatzfrage (E. 1.2). Eine Herausgabe nach Art. 13 GWÜ ist nicht möglich, wenn sie nach den Art. 74a und 94 ff. IRSG ausgeschlossen ist (E. 2).

136 IV 4 (1C_374/2009) from 12. Januar 2010
Regeste: Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Haiti; Rückgabe von Vermögenswerten des Duvalier-Clans; Art. 5 Abs. 1 lit. c und Art. 74a IRSG, Art. 33a IRSV; Verjährung nach Schweizer Recht. Zulässigkeit der Verjährungseinrede (E. 6.1). Anwendung schweizerischen Rechts bei fehlendem Staatsvertrag (E. 6.2 und 6.3). Die Verjährung für das Delikt der Beteiligung an einer kriminellen Organisation ist im Jahr 2001 eingetreten, weshalb auf das Rechtshilfegesuch nicht eingetreten werden kann (E. 6.4 und 6.5). Die anderen genannten Straftaten (Mord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit) haben keinen direkten Zusammenhang mit der Herkunft der Vermögenswerte (E. 6.6 und 6.7). Notwendigkeit, die gesetzliche Grundlage in diesem Bereich anzupassen (E. 7).

136 IV 179 (6B_900/2009) from 21. Oktober 2010
Regeste: Art. 305bis Ziff. 3 StGB, aArt. 315 und Art. 322quater StGB; Waschen von Vermögenswerten aus passiver Bestechung, beidseitige Strafbarkeit. Im Bereich von Art. 305bis Ziff. 3 StGB gilt das Prinzip der abstrakten beidseitigen Strafbarkeit. Daher ist das Waschen von Vermögenswerten aus einer von einem fremden Amtsträger im Ausland begangenen passiven Bestechung auch strafbar, wenn diese vor dem 1. Juli 2006 verübt wurde (E. 2).

145 IV 99 (1C_393/2018) from 14. Dezember 2018
Regeste: a Art. 42 Abs. 2 Satz 2 und Art. 84 BGG. Besonders bedeutender Rechtshilfefall; Verletzung elementarer Verfahrensgrundsätze im schweizerischen Verfahren; Substanziierung und vorläufige Prüfung der Rüge. Zusammenfassung und Präzisierung der Praxis zu den Eintretensvoraussetzungen des "besonders bedeutenden Falles" (E. 1.1 und 1.2). Widerspruch zwischen (einerseits) dem deutschen und italienischen Gesetzeswortlaut und (anderseits) der französischen Textfassung von Art. 84 Abs. 2 BGG. Massgeblich sind die Fassungen auf Deutsch und Italienisch. Danach kann auch die drohende Verletzung elementarer Verfahrensgrundsätze im schweizerischen Rechtshilfeverfahren - etwa des rechtlichen Gehörs - einen besonders bedeutenden Fall begründen (E. 1.3). Auf ausreichend substanziierte Vorbringen hin erfolgt (im Rahmen der Prüfung der Sachurteilsvoraussetzung) eine vorläufige materielle Prüfung der drohenden Verletzung elementarer Verfahrensgrundsätze (E. 1.4 und 1.5). Das Vorliegen eines besonders bedeutenden Falles wurde hier bejaht (E. 2).

145 IV 335 (6B_1208/2018, 6B_1209/2018) from 6. August 2019
Regeste: Art. 305bis Ziff. 1 und 3 StGB; Geldwäscherei. Geldwäscherei kann nur an Vermögenswerten begangen werden, die einziehbar sind. Soweit die Vortaten im Ausland begangen worden sind, setzt die Strafbarkeit wegen Geldwäscherei voraus, dass ein selbstständiger schweizerischer Einziehungsanspruch besteht oder die Vermögenswerte nach dem im Zeitpunkt der mutmasslichen Geldwäschereihandlung geltenden ausländischen Recht einziehbar sind (E. 3 und 4).

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