Bundesgesetz
über die Krankenversicherung
(KVG)


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Art. 43 Grundsatz

1 Die Leis­tungs­er­brin­ger er­stel­len ih­re Rech­nun­gen nach Ta­ri­fen oder Prei­sen.

2 Der Ta­rif ist ei­ne Grund­la­ge für die Be­rech­nung der Ver­gü­tung; er kann na­ment­lich:

a.
auf den be­nö­tig­ten Zeit­auf­wand ab­stel­len (Zeit­ta­rif);
b.
für die ein­zel­nen Leis­tun­gen Tax­punk­te fest­le­gen und den Tax­punkt­wert be­stim­men (Ein­zel­leis­tungs­ta­rif);
c.
pau­scha­le Ver­gü­tun­gen vor­se­hen (Pau­schal­ta­rif);
d.
zur Si­che­rung der Qua­li­tät die Ver­gü­tung be­stimm­ter Leis­tun­gen aus­nahms­wei­se von Be­din­gun­gen ab­hän­gig ma­chen, wel­che über die Vor­aus­set­zun­gen nach den Ar­ti­keln 36–40 hin­aus­ge­hen, wie na­ment­lich vom Vor­lie­gen der not­wen­di­gen In­fra­struk­tur und der not­wen­di­gen Aus‑, Wei­ter- oder Fort­bil­dung ei­nes Leis­tungs­er­brin­gers (Ta­rifaus­schluss).

3 Der Pau­schal­ta­rif kann sich auf die Be­hand­lung je Pa­ti­ent oder Pa­ti­en­tin (Pa­ti­en­ten­pau­scha­le) oder auf die Ver­sor­gung je Ver­si­cher­ten­grup­pe (Ver­si­cher­ten­pau­scha­le) be­zie­hen. Ver­si­cher­ten­pau­scha­len kön­nen pro­spek­tiv auf­grund der in der Ver­gan­gen­heit er­brach­ten Leis­tun­gen und der zu er­war­ten­den Be­dürf­nis­se fest­ge­setzt wer­den (pro­spek­ti­ves Glo­bal­bud­get).

4 Ta­ri­fe und Prei­se wer­den in Ver­trä­gen zwi­schen Ver­si­che­rern und Leis­tungs­er­brin­gern (Ta­rif­ver­trag) ver­ein­bart oder in den vom Ge­setz be­stimm­ten Fäl­len von der zu­stän­di­gen Be­hör­de fest­ge­setzt. Da­bei ist auf ei­ne be­triebs­wirt­schaft­li­che Be­mes­sung und ei­ne sach­ge­rech­te Struk­tur der Ta­ri­fe zu ach­ten. Bei Ta­rif­ver­trä­gen zwi­schen Ver­bän­den sind vor dem Ab­schluss die Or­ga­ni­sa­tio­nen an­zu­hö­ren, wel­che die In­ter­es­sen der Ver­si­cher­ten auf kan­to­na­ler oder auf Bun­des­ebe­ne ver­tre­ten.

4bis Die Ta­ri­fe und Prei­se ori­en­tie­ren sich an der Ent­schä­di­gung je­ner Leis­tungs­er­brin­ger, wel­che die ta­ri­fier­te ob­li­ga­to­risch ver­si­cher­te Leis­tung in der not­wen­di­gen Qua­li­tät ef­fi­zi­ent und güns­tig er­brin­gen.152

5 Ein­zel­leis­tungs­ta­ri­fe so­wie auf am­bu­lan­te Be­hand­lun­gen be­zo­ge­ne Pa­ti­en­ten­pau­schal­ta­ri­fe müs­sen je auf ei­ner ein­zi­gen ge­samtschwei­ze­risch ver­ein­bar­ten ein­heit­li­chen Ta­rif­struk­tur be­ru­hen.153 Kön­nen sich die Ta­rif­part­ner nicht ei­ni­gen, so legt der Bun­des­rat die­se Ta­rif­struk­tur fest.

5bis Der Bun­des­rat kann An­pas­sun­gen an der Ta­rif­struk­tur vor­neh­men, wenn sie sich als nicht mehr sach­ge­recht er­weist und sich die Par­tei­en nicht auf ei­ne Re­vi­si­on ei­ni­gen kön­nen.154

5ter Gibt es in ei­nem Be­reich ei­ne vom Bun­des­rat ge­neh­mig­te oder fest­ge­leg­te Ta­rif­struk­tur für auf am­bu­lan­te Be­hand­lun­gen be­zo­ge­ne Pa­ti­en­ten­pau­schal­ta­ri­fe, so muss die­se von al­len Leis­tungs­er­brin­gern für die ent­spre­chen­den Be­hand­lun­gen an­ge­wandt wer­den.155

5qua­ter Die Ta­rif­part­ner kön­nen für be­stimm­te am­bu­lan­te Be­hand­lun­gen re­gio­nal gel­ten­de Pa­ti­en­ten­pau­schal­ta­ri­fe ver­ein­ba­ren, die nicht auf ei­ner ge­samtschwei­ze­risch ein­heit­li­chen Ta­rif­struk­tur be­ru­hen, so­fern dies ins­be­son­de­re re­gio­na­le Ge­ge­ben­hei­ten er­for­dern. Ge­samtschwei­ze­risch ein­heit­li­che Ta­rif­struk­tu­ren nach Ab­satz 5 ge­hen vor.156

6 Die Ver­trags­part­ner und die zu­stän­di­gen Be­hör­den ach­ten dar­auf, dass ei­ne qua­li­ta­tiv hoch ste­hen­de und zweck­mäs­si­ge ge­sund­heit­li­che Ver­sor­gung zu mög­lichst güns­ti­gen Kos­ten er­reicht wird.

7 Der Bun­des­rat kann Grund­sät­ze für ei­ne wirt­schaft­li­che Be­mes­sung und ei­ne sach­ge­rech­te Struk­tur so­wie für die An­pas­sung der Ta­ri­fe auf­stel­len. Er sorgt für die Ko­or­di­na­ti­on mit den Ta­ri­f­ord­nun­gen der an­de­ren So­zi­al­ver­si­che­run­gen.

152 Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 21. Ju­ni 2019 (Stär­kung von Qua­li­tät und Wirt­schaft­lich­keit), in Kraft seit 1. April 2021 (AS 2021 151; BBl 2016 257).

153 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 18. Ju­ni 2021 (Mass­nah­men zur Kos­ten­dämp­fung – Pa­ket 1a), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2021 837; 2022 808; BBl 20196071).

154 Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 23. Dez. 2011, in Kraft seit 1. Jan. 2013 (AS 20124085; BBl 2011 73857393).

155 Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 18. Ju­ni 2021 (Mass­nah­men zur Kos­ten­dämp­fung – Pa­ket 1a), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2021 837; 2022 808; BBl 20196071).

156 Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 18. Ju­ni 2021 (Mass­nah­men zur Kos­ten­dämp­fung – Pa­ket 1a), in Kraft seit 1. Jan. 2023 (AS 2021 837; 2022 808; BBl 20196071).

BGE

151 V 1 (9C_480/2022) from 29. August 2024
Regeste: Art. 69 Abs. 1 und 2 ATSG, Art. 122 Abs. 1 KVV; Art. 14 und 15 ATSG; Art. 25a Abs. 1 KVG, Art. 7 Abs. 1 und Abs. 2 lit. c KLV; Art. 9 ATSG, Art. 42 und 42ter Abs. 1 und Abs. 3 IVG; intersystemische Koordination von Beiträgen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung an Kosten der Grundpflege (Sachleistung) im Verhältnis zur Hilflosenentschädigung der Invalidenversicherung (Geldleistung); keine Kürzung der Pflegebeiträge zufolge Überentschädigung (Änderung der Rechtsprechung). Beim Zusammentreffen von Leistungen verschiedener Sozialversicherungen beurteilt sich die Überentschädigung grundsätzlich nach dem Kongruenzprinzip (E. 6.1). Im Verhältnis von Grundpflegebeiträgen und Hilflosenentschädigung stellte die bisherige Rechtsprechung entscheidend auf das Kriterium der gleichartigen Pflege resp. Hilfestellung ab (E. 6.2 und 6.3). Für die Frage nach der Gleichartigkeit der Versicherungsleistungen (Art. 69 Abs. 1 ATSG) ist vorab die Begrifflichkeit von Art. 14 f. ATSG (Sach- oder Geldleistungen) massgebend (E. 6.4). Überentschädigung setzt daher funktionale Kongruenz voraus, was Natur und Wirkungsweise der konkurrierenden Leistungen betrifft; Krankenpflegebeiträge und Hilflosenentschädigung sind funktional verschiedenartig (E. 6.5). Die Vorgabe, wonach nur Leistungen "gleicher Zweckbestimmung" in die Überentschädigungsrechnung einbezogen werden, erfordert zusätzlich sachliche Kongruenz des versicherten Aufwands (inhaltliche Übereinstimmung der Grundpflege und der Hilfestellungen in alltäglichen Lebensverrichtungen); Pflegebeiträge und Hilflosenentschädigung verhalten sich diesbezüglich weitgehend komplementär zueinander (E. 6.6). In der Lehre herrscht die Ansicht vor, Art. 69 Abs. 2 ATSG sei einer Globalmethode verpflichtet, die die in Abs. 1 statuierte Kongruenzmethode verdränge resp. relativiere (E. 8.2). Auch mit Blick auf die Entstehungsgeschichte von Art. 69 ATSG zeigt sich, dass ein solcher Widerspruch nicht besteht; Abs. 2 lässt die in Abs. 1 geregelte Frage, welche zusammentreffenden Leistungen bei der Berechnung der Überentschädigung berücksichtigt werden, unberührt (E. 8.3). Art. 122 Abs. 1 KVV bietet ebenfalls keine Rechtsgrundlage zur Kürzung von Grundpflegebeiträgen im Verhältnis zu einer Hilflosenentschädigung (E. 9).

151 V 30 (9C_125/2022) from 10. September 2024
Regeste: Art. 32 Abs. 1, Art. 42 Abs. 3, 3bis, 4 und 5, Art. 56 Abs. 1 und 2, Art. 57, Art. 59 Abs. 1 lit. b und Abs. 3 lit. a, Art. 59a Abs. 1 und 3, Art. 84 Abs. 1 und 2, Art. 84a Abs. 1 lit. a KVG; Art. 30-30c, Art. 59 Abs. 1, Art. 59abis und Art. 76 KVV; Art. 6 Abs. 1 und 3 KVAG; nachträgliche systematische Wirtschaftlichkeitskontrolle von ambulanten Spitalleistungen auf der Ebene von Prozeduren (Tarifpositionen); Herausgabe von Akten des Leistungserbringers zwecks stichprobeweiser Überprüfung der medizinischen Indikation von verrechneten Leistungen; Vorrang der statistischen Vergleichsmethode gegenüber einer analytischen Auswertung von Patientendossiers. Streitgegenstand (E. 2.1). Gesetzlicher Rahmen und Methoden der Wirtschaftlichkeitskontrolle (E. 2.2.1 und 2.2.2). Auskunftspflichten der Leistungserbringer, insbesondere Angabe der Diagnose; Frage des geeigneten Kodiersystems. Aufbereitung und Verwendung der Daten (E. 2.2.3). Die strittige Aktenedition (radiologische Befundung und ärztliche Zuweisung zu 55 anonymisierten Rechnungen für Computertomographien) erfasst keine Personendaten und tangiert das Patientengeheimnis nicht (E. 3). Übertragung von Kontrollbefugnissen der Krankenversicherer an einen Dienstleister im Bereich der Datenverarbeitung (E. 4.1). Zur Frage, ob die Akten an einen vertrauensärztlichen Dienst übermittelt werden müssen resp. ob der Dienstleister über einen solchen verfügen kann (E. 4.2). Eine stichprobenweise Einzelfallprüfung mit Hochrechnung anhand von 55 Rechnungen würde nicht genügen, um eine Rückforderung zu begründen, die alle unter den fraglichen Tarifpositionen erbrachten Leistungen erfasst (vgl. BGE 150 V 178; E. 5.5). Analytische Auswertungen laufen dem Grundsatz einer wirksamen und effizienten (systematischen) Wirtschaftlichkeitskontrolle zuwider (E. 5.6). Die gesetzlichen Informationsrechte der Krankenversicherer kommen nur im Rahmen einer statistischen Methodik (Durchschnittskostenvergleich) zum Tragen (E. 5.7.1). Die datenbasierte Beurteilung, ob ein Leistungserbringer bestimmte Prozeduren systematisch zu oft abrechnet, bedingt an sich eine Differenzierung nach Krankheitsbildern resp. Indikationen (E. 5.7.2 und 5.7.3). Entgegen dem Gesetz enthalten die Rechnungen der Leistungserbringer häufig keine diagnostischen Angaben, so auch hier (E. 5.7.4). Die herausverlangten Unterlagen gleichen dieses Manko teilweise aus; regelmässig vorkommende Diskrepanzen zwischen Indikation und durchgeführter Prozedur können eine statistische Abweichung erklären (E. 5.7.5 und 5.7.6). Insofern ist die Aktenedition verhältnismässig (E. 5.7.7).

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