Legge
sul Tribunale federale
(LTF)

del 17 giugno 2005 (Stato 1° luglio 2022)


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Art. 106 Applicazione del diritto

1 Il Tri­bu­na­le fe­de­ra­le ap­pli­ca d’uf­fi­cio il di­rit­to.

2 Esa­mi­na la vio­la­zio­ne di di­rit­ti fon­da­men­ta­li e di di­spo­si­zio­ni di di­rit­to can­to­na­le e in­ter­can­to­na­le sol­tan­to se il ri­cor­ren­te ha sol­le­va­to e mo­ti­va­to ta­le cen­su­ra.

BGE

133 I 201 (8C_76/2007) from 6. Juli 2007
Regeste: Art. 9 und 29 Abs. 2 BV; § 4 Abs. 1 des thurgauischen Gesetzes über die Kinder- und Ausbildungszulagen; § 20 Abs. 1 des thurgauischen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege; Eröffnung einer Verfügung über Kinderzulagen. Die Verfügung über Kinderzulagen, welche dem Arbeitnehmer zustehen, ist diesem zu eröffnen. Eine Zustellung an den Arbeitgeber mit der Bitte, die Verfügung an den Arbeitnehmer weiterzuleiten, genügt nicht. Dieses Vorgehen verletzt das Willkürverbot und den Anspruch auf rechtliches Gehör (E. 2.1). Offengelassen, ob eine Heilung des Mangels im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich möglich wäre. Jedenfalls genügt es nicht, wenn dem Arbeitnehmer lediglich der Entscheid einer gerichtlichen Rechtsmittelinstanz zugestellt wird, welche nur über eingeschränkte Kognition verfügt (E. 2.3).

133 II 249 (1C_3/2007) from 20. Juni 2007
Regeste: Art. 82 lit. a und Art. 89 Abs. 1 i.V.m. Art. 42, 95-97, 105 f. BGG; Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten; Baubewilligung; Nachbarbeschwerde; Sachurteilsvoraussetzungen (Beschwerdegründe, Legitimation, Beschwerdebegründung). Pflicht des Nachbarn eines Bauprojekts, seine Beschwerdebefugnis darzulegen (E. 1.1). Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auf dem Gebiet des Raumplanungs- und Baurechts; Übersicht über die möglichen Beschwerdegründe (E. 1.2). Legitimation des Nachbarn zur Anfechtung eines Bauprojekts mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (E. 1.3.1); Auswirkungen auf die Zulässigkeit von Beschwerdegründen (E. 1.3.2). Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts und grundsätzliche Beschränkung auf die Beurteilung der vorgebrachten Rügen (E. 1.4.1). Anforderungen an Verfassungs- und Sachverhaltsrügen (E. 1.4.2 und 1.4.3).

133 II 396 (2C_224/2007) from 10. September 2007
Regeste: Art. 42 Abs. 2, Art. 83 lit. f, Art. 106 Abs. 2, Art. 113 ff. BGG; Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten/subsidiäre Verfassungsbeschwerde auf dem Gebiet der öffentlichen Beschaffungen. Die Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auf dem Gebiet der öffentlichen Beschaffungen setzt voraus, dass die in Art. 83 lit. f Ziff. 1 BGG erwähnten Schwellenwerte erreicht sind und sich zugleich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt (Art. 83 lit. f Ziff. 2 BGG). Die Erfüllung dieser letztgenannten Voraussetzung ist gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG vom Beschwerdeführer darzutun, ansonsten auf die Beschwerde nicht eingetreten wird (E. 2.1 und 2.2). Weil die Eingabe den qualifizierten Begründungsanforderungen für die Geltendmachung von Grundrechtsverletzungen nicht genügt, kann sie auch nicht als subsidiäre Verfassungsbeschwerde entgegengenommen werden (E. 3.1-3.3).

133 III 393 (5A_52/2007) from 22. Mai 2007
Regeste: Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft (Art. 172 ff. ZGB); Art. 72 Abs. 1, Art. 90, 98, 99 Abs. 1, Art. 106 Abs. 2 BGG. Die Anordnung von Eheschutzmassnahmen ist eine Zivilsache im Sinne von Art. 72 Abs. 1 BGG (E. 2). Noven (E. 3). Eheschutzentscheide sind Endentscheide im Sinne von Art. 90 BGG (E. 4). Eheschutzentscheide sind Entscheide über vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 98 BGG; gegen sie kann nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (E. 5). Aus Art. 106 Abs. 2 BGG ergibt sich, dass klar und detailliert darzulegen ist, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (E. 6). Im Falle einer Art. 98 BGG unterstehenden Beschwerde kommt eine Berichtigung oder Ergänzung von Sachverhaltsfeststellungen nur dann in Frage, wenn die kantonale Instanz verfassungsmässige Rechte verletzt hat (E. 7.1).

133 III 439 (4A_68/2007) from 4. Juni 2007
Regeste: a Art. 74 Abs. 2 lit. a und b und Art. 42 Abs. 2 BGG; Art. 85 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG); Beschwerde in Zivilsachen in einer Streitigkeit aus einer Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung. Grundsätzliche Zulässigkeit der Beschwerde in Zivilsachen (E. 2.1). Begründungsanforderungen, wenn das Rechtsmittel der Einheitsbeschwerde beansprucht wird, weil sich angeblich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG stelle (E. 2.2.2.1). Anforderungen an das Verfahren zum Entscheid über privatrechtliche Streitigkeiten aus einer Zusatzversicherung nach Art. 85 VAG und nach Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BGG. Art. 85 VAG schreibt nicht im Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG eine einzige kantonale Instanz vor (E. 2.2.2.2).

133 III 462 (4A_61/2007) from 13. Juni 2007
Regeste: Haftung des Staates für die Tätigkeit von Spitalärzten; Rechtsweg; entgangene Chance. Die Beschwerde in Zivilsachen steht offen gegen in Anwendung von kantonalem öffentlichem Recht ergangene Entscheide über die Verantwortlichkeit des Gemeinwesens für rechtswidrige Handlungen von in öffentlichen Spitälern angestellten Ärzten (Art. 72 Abs. 2 lit. b BGG; Art. 31 Abs. 1 lit. d BGerR; E. 2.1). Die Übernahme der Theorie der entgangenen Chance in das schweizerische Recht erscheint mindestens problematisch. Die Ablehnung dieser Theorie stellt insofern keine willkürliche Anwendung des kantonalen Rechts über die Verantwortlichkeit des Staates für medizinische Tätigkeiten dar (E. 3 und 4).

133 III 545 (4A_12/2007) from 3. Juli 2007
Regeste: a Bundesgerichtsgesetz (BGG); Zulässigkeit der Beschwerde in Zivilsachen nach Art. 72 ff. BGG. Übergangsrecht (E. 1). Zulässigkeitsvoraussetzungen der Beschwerde in Zivilsachen (E. 2.1). Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts im Verfahren der Beschwerde in Zivilsachen (E. 2.2-2.4). Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (E. 5).

133 III 589 (5A_134/2007) from 5. Juli 2007
Regeste: Beschwerde gegen den abweisenden Arrestentscheid. Der Arrestentscheid ist eine vorsorgliche Massnahme im Sinn von Art. 98 BGG (E. 1).

133 III 638 (5A_453/2007) from 3. Oktober 2007
Regeste: Art. 98 BGG; Besitzesschutz. Die Besitzesschutzklage ist eine vorsorgliche Massnahme im Sinn von Art. 98 BGG (E. 2).

133 III 639 (5A_433/2007) from 18. September 2007
Regeste: Art. 106 Abs. 2 BGG; Rügeprinzip. Der Anwendungsbereich entspricht demjenigen der früheren staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte und es gelten die gleichen Begründungsanforderungen; desgleichen sind neue tatsächliche und rechtliche Vorbringen grundsätzlich unzulässig (E. 2).

133 III 675 (4A_206/2007) from 29. Oktober 2007
Regeste: Art. 135 Ziff. 2 und Art. 138 Abs. 1 OR, Unterbrechung der Verjährung; Art. 33 VVG, Auslegung allgemeiner Versicherungsbedingungen nach dem Vertrauensprinzip. Soweit die Verjährung erst nach Klageanhebung zu laufen beginnt, wird sie durch jede folgende Prozesshandlung gemäss Art. 138 Abs. 1 OR unterbrochen (E. 2). Grundsätze der Auslegung allgemeiner Versicherungsbedingungen nach der Vertrauenstheorie sowie Art. 33 VVG; vorliegend Auslegung der allgemeinen Versicherungsbedingungen einer Insassen-Versicherung, die Unfälle deckt, die sich ereignen, während sich die versicherte Person im deklarierten Fahrzeug befindet, darin ein- oder daraus aussteigt (E. 3).

133 IV 150 (6B_46/2007) from 29. Mai 2007
Regeste: Art. 51 StGB; Anrechnung der Untersuchungshaft. Auf die Strafe ist auch die Untersuchungshaft anzurechnen, die in einem anderen Verfahren angeordnet worden ist. Zu entziehende Freiheit ist wenn immer möglich mit bereits entzogener Freiheit zu kompensieren (E. 5).

133 V 515 (8C_168/2007) from 17. August 2007
Regeste: Art. 13 Abs. 1 AVIG: Mit dem Kanton im Hinblick auf die Eröffnung einer neuen Rahmenfrist abgeschlossener Temporärarbeitsvertrag und Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung. Keine beitragspflichtige Beschäftigung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 AVIG übt aus, wer auf Grund eines mit dem Kanton im Wesentlichen zur Eröffnung einer (neuen) Rahmenfrist abgeschlossenen Temporärarbeitsvertrags einen Lohn bezieht, ohne dass die vereinbarte Entlöhnung an die tatsächliche Ausübung einer Tätigkeit für den Arbeitgeber gebunden wäre (E. 2).

134 I 23 (9C_83/2007, 9C_84/2007) from 15. Januar 2008
Regeste: Art. 82 lit. b und Art. 87 BGG; Art. 8, 9, 26 und 49 Abs. 1 BV; Art. 1 und 88-98 FusG; Art. 61 und 62 BVG, Art. 51 Abs. 5 und Art. 65d Abs. 2 BVG; IAO-Übereinkommen Nr. 98, 150 und 154; Gesetz vom 12. Oktober 2006 über die staatlichen Vorsorgeeinrichtungen des Kantons Wallis (GVE); abstrakte Normenkontrolle; derogatorische Kraft des Bundesrechts. Gegen das GVE kann direkt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht erhoben werden (E. 3). Das GVE, welches u.a. die Umwandlung der registrierten privatrechtlichen Stiftung "Vorsorgekasse für das Personal des Staates Wallis" in ein unabhängiges Institut des öffentlichen Rechts und eine Erhöhung des Pensionsalters vorsieht, verletzt die folgenden Gesetze, Bestimmungen oder Grundsätze nicht: das Fusionsgesetz (E. 6.2); die sich auf Massnahmen zur Behebung von Unterdeckungen beziehende Bestimmung des Art. 65d Abs. 2 BVG (E. 6.3); das Anhörungsrecht gemäss Art. 51 Abs. 5 BVG und die IAO-Übereinkommen Nr. 98, 150 und 154 (E. 6.4); den Grundsatz von Treu und Glauben gemäss Art. 9 BV, namentlich den daraus und aus der Eigentumsgarantie gemäss Art. 26 BV abgeleiteten Grundsatz des Schutzes wohlerworbener Rechte (E. 7); das Willkürverbot (Art. 9 BV; E. 8); das Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV; E. 9).

134 I 65 (8C_92/2007) from 14. Dezember 2007
Regeste: Art. 12 BV; Art. 2 Abs. 2, Art. 289 Abs. 2, Art. 328 und 329 ZGB; Art. 3c Abs. 1 lit. g ELG. Sozialhilfe an einen zum Bezug von Ergänzungsleistungen zur AHV berechtigten Vater, der freiwillig auf einen Teil seines Vermögens verzichtet hat, indem er diesen seinen Kindern als Erbvorbezug überlassen hat. Da kein offensichtlicher Rechtsmissbrauch vorliegt, darf das in Art. 12 BV garantierte Existenzminimum nicht verweigert werden. Regressmöglichkeit gegenüber den Kindern gestützt auf Art. 328 und 329 ZGB (E. 2-7).

134 I 83 (4A_221/2007) from 20. November 2007
Regeste: a Entscheid über vorsorgliche Massnahmen. Qualifikation eines Entscheids über vorsorgliche Massnahmen als End- oder Zwischenentscheid im Sinne von Art. 90 bzw. 93 BGG. Bejahung der Eignung, einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zu bewirken (E. 3.1). Nach Art. 98 BGG zulässige Rügen und Rügeprinzip (E. 3.2).

134 I 92 (2C_556/2007, 2C_700/2007) from 21. Januar 2008
Regeste: Art. 29 Abs. 3 und Art. 31 Abs. 2 Satz 2 BV; Art. 78 AuG; Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung im ausländerrechtlichen Haftprüfungsverfahren; Natur der Duchsetzungshaft. Die Durchsetzungshaft setzt ein "schwebendes Ausweisungsverfahren" voraus und stützt sich deshalb konventionsrechtlich auf Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK; in diesem Rahmen lehnt sie sich an Art. 5 Ziff. 1 lit. b EMRK an, indem die betroffene Person dadurch (zwangsweise) veranlasst werden soll, ihrer Mitwirkungs- und Ausreisepflicht nachzukommen (E. 2). Einer bedürftigen ausländerrechtlich inhaftierten Person darf im Haftverlängerungsverfahren nach drei Monaten auf ihr Gesuch hin der unentgeltliche Rechtsbeistand in der Regel nicht verweigert werden; schliesst sich eine Durchsetzungshaft an eine bereits längerdauernde Ausschaffungshaft an, ist dem Gesuch des Betroffenen mit Blick auf die Besonderheiten dieser Haftart bereits im erstmaligen mündlichen Haftprüfungsverfahren zu entsprechen, danach nur noch, wenn besondere Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Natur bestehen (E. 3 und 4).

134 I 159 (9C_84/2008) from 8. Mai 2008
Regeste: a Art. 82 lit. a und Art. 89 Abs. 1 BGG; Beschwerdelegitimation. Der vom kantonalen Gericht beauftragte Gutachter, dessen Honorarforderung im Entscheid in der Hauptsache gekürzt wird, ist zur Erhebung der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten legitimiert (E. 1.1 und 1.3).

134 I 172 (1C_261/2007) from 5. März 2008
Regeste: Art. 34 BV; Art. 89 Abs. 3 BGG; Ungültigerklärung einer kommunalen Volksinitiative. Die Gemeinde hat gestützt auf Art. 89 Abs. 3 BGG kein Beschwerderecht (E. 1.3). Eine teilweise Ungültigerklärung ist nur möglich, wenn der gültig verbleibende Teil der Initiative einen Sinn behält, der dem Willen der Initianten und der Unterzeichner entspricht. Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu (E. 2).

134 I 263 (1C_33/2008) from 20. Mai 2008
Regeste: Art. 9 BV; Art. 4 des Genfer Gesetzes über das Wohnungswesen und den Mieterschutz (LGL); Vorkaufsrecht der Gemeinde; Versprechen der Abtretung eines Erbanteils. Die Bedingungen der Abtretung sind nicht genügend bestimmt, um die Ausübung des Vorkaufsrechts der Gemeinde zu gestatten (E. 3).

134 I 313 (8C_790/2007) from 23. Juli 2008
Regeste: Gewaltenteilungsprinzip; Art. 9 des Einführungsgesetzes des Kantons Waadt zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung; Vollzugsverordnung des Regierungsrats. Gesetzmässigkeit einer kantonalen Verordnungsbestimmung, nach welcher das anrechenbare Einkommen einer im Konkubinat lebenden Person unter Berücksichtigung der Einkünfte beider im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen zu berechnen ist (E. 3-5).

134 II 192 (2C_203/2008) from 29. April 2008
Regeste: Art. 83 lit. f Ziff. 2 und Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; Art. 28 BoeB; öffentliches Beschaffungswesen des Bundes; Widerruf des Zuschlags und Abbruch des Vergabeverfahrens; aufschiebende Wirkung. Zulässigkeitsvoraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen einen Zwischenentscheid, mit welchem die beantragte aufschiebende Wirkung im Beschwerdeverfahren betreffend den Widerruf des Zuschlags und den Abbruch des Vergabeverfahrens verweigert wurde, insbesondere hinsichtlich des Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (E. 1.3) sowie des nicht wiedergutzumachenden rechtlichen Nachteils (E. 1.4). Die Vergabestelle kann ein bundesrechtliches Vergabeverfahren definitiv oder zwecks Neuauflage eines geänderten Projektes abbrechen und einen allfällig bereits erfolgten Zuschlag widerrufen, wenn sachliche Gründe dieses Vorgehen rechtfertigen und damit nicht die gezielte Diskriminierung von Bewerbern beabsichtigt ist (E. 2.3). Zulässige Verweigerung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gestützt auf eine bundesrechtskonforme prima-facie-Prüfung ihrer Begründetheit (E. 2.4).

134 II 207 (2C_648/2007) from 15. Mai 2008
Regeste: Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 StHG; Bewertungsvorschriften im Bereich der Vermögenssteuer natürlicher Personen; Besteuerung einer zum Geschäftsvermögen eines Selbständigerwerbenden gehörenden Liegenschaft; Genfer Gesetzgebung. Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen die Entscheide gemäss Art. 73 Abs. 1 StHG (E. 1). Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 2). Verhältnis zwischen den Buchhaltungsvorschriften und dem Steuerrecht (E. 3.3). Besteuerung der zum Geschäftsvermögen Selbständigerwerbender gehörenden Liegenschaften zum Verkehrswert/Ertragswert im Sinne von Art. 14 Abs. 1 StHG, unter Ausschluss des Buchwertes (E. 3.4 und 3.5); Spielraum der Kantone bei der Bewertung (E. 3.6); Vereinbarkeit der einschlägigen Genfer Gesetzgebung mit dem Bundesrecht (E. 3.7-3.9).

134 II 235 (2C_5/2008) from 2. April 2008
Regeste: Disziplinarbusse; Einwilligung des aufgeklärten, einsichtsfähigen Patienten. Der Wille des minderjährigen Patienten ist zu respektieren, soweit er urteilsfähig ist (E. 4.1). Fall, in dem sich eine 13 Jahre und zwei Monate alte Jugendliche in unzweideutiger Weise einer Behandlung widersetzte, ohne dass der intervenierende Osteopath dem Rechnung getragen hätte, da er allein auf die Zustimmung der beim Eingriff anwesenden Mutter abstellte (E. 4.2). Begriff der Urteilsfähigkeit im Sinne von Art. 16 ZGB; die betroffene Jugendliche war trotz ihres Zustands fähig, die Natur ihrer Verletzung und der vorgeschlagenen Behandlung sachgerecht und verständig einzuschätzen (E. 4.3). Verhältnismässigkeit der dem behandelnden Osteopathen auferlegten Disziplinarbusse (E. 4.4).

134 II 244 (1C_380/2007) from 19. Mai 2008
Regeste: Nichteintreten auf eine ungenügend begründete Beschwerde (Art. 42 Abs. 2 BGG). Art. 42 Abs. 2 BGG setzt voraus, dass sich der Beschwerdeführer wenigstens kurz mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinandersetzt. Dies ist nicht der Fall, wenn vor Bundesgericht dieselbe Beschwerdebegründung eingereicht wird wie schon im kantonalen Verfahren (E. 2.1-2.3). Kein Anspruch auf Nachfristansetzung nach Art. 42 Abs. 5 oder 6 BGG oder nach allgemeinen Grundsätzen (E. 2.4).

134 II 318 (2C_443/2007) from 28. Juli 2008
Regeste: Art. 112 DBG, Art. 98a OG, Art. 86 Abs. 2 und Art. 130 Abs. 3 BGG; Amtshilfe anderer Behörden zugunsten der Steuerbehörden; Verfahren; Zuständigkeit; Tragweite der Pflicht zur Amtshilfe. Überblick über die Rechtsprechung zur Zuständigkeit von Behörden zur Prüfung von Ersuchen um Amtshilfe zugunsten der Steuerbehörden gemäss Art. 112 DBG (E. 4.2). Anforderungen gemäss Art. 98a OG und Art. 86 Abs. 2 BGG (E. 4.4). Bejaht eine kantonale Behörde ihre Zuständigkeit, so prüft das Bundesgericht zurzeit nur, ob dies auf einer willkürlichen Auslegung des kantonalen Rechts beruht (E. 4.5). Tragweite der Pflicht zur Amtshilfe gemäss Art. 112 DBG (E. 6.1). Geht es um die Ausscheidung von Dokumenten, so gelten die Grundsätze analog, die für die internationale Rechtshilfe anwendbar sind, wobei zu berücksichtigen ist, dass der auf Art. 112 DBG gestützte Informationsaustausch nicht Fragen der Gewährleistung der nationalen Souveränität aufwirft und eine umfassende Zusammenarbeit zwischen den Behörden garantiert ist (E. 6.4 und 6.5).

134 III 71 (5A_481/2007) from 6. November 2007
Regeste: Art. 82 Abs. 1 SchKG; Schuldbrief als provisorischer Rechtsöffnungstitel. In der Betreibung auf Grundpfandverwertung ist der Schuldbrief Rechtsöffnungstitel für das Grundpfandrecht und auch für die Grundpfandforderung, soweit der betriebene Schuldner im Titel aufgeführt ist (E. 3).

134 III 88 (5A_582/2007) from 4. Dezember 2007
Regeste: Art. 13 Abs. 2 HEntfÜ; Widersetzen des Kindes. Das Widersetzen muss mit nachvollziehbaren Gründen unterlegt und nachdrücklich sein (E. 4).

134 III 102 (4A_48/2007) from 23. Oktober 2007
Regeste: Übergang der Arbeitsverhältnisse (Art. 333 OR). Ist Art. 333 OR anwendbar, wenn die Betriebsübertragung im Rahmen eines Verfahrens des Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung erfolgt? Frage offengelassen (E. 2.2). Wenn die Arbeitsverhältnisse infolge einer vorzeitigen Pensionierung des Arbeitnehmers vor dem Betriebsübertrag erlöschen, gehen die daraus fliessenden Rechte und Pflichten nicht auf den Erwerber über (E. 3).

134 III 141 (5A_42/2007, 5A_432/2007) from 25. Januar 2008
Regeste: Art. 75 und 130 BGG; Beschwerde gegen zürcherische Rechtsöffnungsentscheide. Der Kanton Zürich hat im genannten Bereich die nach Art. 75 Abs. 2 und Art. 111 Abs. 3 BGG erforderlichen Anpassungen noch nicht vorgenommen. Das Obergericht tritt jedoch während der Übergangsfrist von Art. 130 Abs. 2 BGG auf kantonale Nichtigkeitsklagen ein, weshalb dieses Rechtsmittel auszuschöpfen ist. Soweit das Obergericht Rügen mit engerer Kognition als das Bundesgericht prüft, ist der erstinstanzliche Entscheid in der Beschwerde in Zivilsachen mitanzufechten (E. 2).

134 III 159 (4A_421/2007) from 28. Januar 2008
Regeste: Wohngenossenschaft; Mietvertrag; Anfechtung des Anfangsmietzinses. Die Bestimmungen über die Anfechtung missbräuchlicher Mietzinse (Art. 269 ff. OR) können von jenem Mitglied angerufen werden, das mit der Wohngenossenschaft einen Mietvertrag geschlossen hat (E. 5).

134 III 186 (4A_468/2007) from 22. Januar 2008
Regeste: Internationale Schiedsgerichtsbarkeit; Art. 77 BGG; Art. 190 Abs. 2 IPRG. Art. 77 Abs. 3 BGG statuiert eine der Regelung von Art. 106 Abs. 2 BGG entsprechende Rügepflicht (E. 5). Aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs im Sinn von Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG ergibt sich auch unter der Geltung von Art. 77 BGG kein Anspruch auf Begründung des Entscheids (E. 6).

134 III 267 (5A_234/2007) from 5. Februar 2008
Regeste: a Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG; Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Hat das Bundesgericht eine Frage bislang nicht entschieden, bestehen diesbezüglich unterschiedliche kantonale Praxen und ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Frage dem Bundesgericht je unterbreitet werden kann, infolge der Streitwertgrenze äusserst gering, so liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (E. 1.2.3).

134 III 366 (4A_231/2007) from 6. März 2008
Regeste: Internationales Privatrecht über den internationalen Konkurs (Art. 166 ff. IPRG); Prozessführungsbefugnis einer ausländischen Konkursmasse. Die Anerkennung eines ausländischen Konkursdekrets kann in der Schweiz nicht vorfrageweise verlangt werden (E. 5.1). Eine ausländische Konkursmasse, die in der Schweiz nicht vorgängig die Anerkennung des im Ausland ausgesprochenen Konkursdekrets erwirkt hat, ist nicht befugt, in der Schweiz eine materiellrechtliche Klage gegen einen angeblichen Schuldner des Konkursiten zu erheben (E. 9).

134 III 379 (4D_81/2007) from 17. März 2008
Regeste: Bundesgerichtsgesetz; beschwerdefähiger Entscheid; Umwandlung des Rechtsmittels; Anforderungen an die in der Rechtsschrift enthaltenen Anträge. Der Entscheid über die Verweigerung der Streitverkündung stellt einen Teilentscheid nach Art. 91 lit. b BGG dar (E. 1.1). Die unrichtige Bezeichnung eines Rechtsmittels schadet dem Beschwerdeführer nicht, sofern die Prozessvoraussetzungen desjenigen Rechtsmittels, das hätte eingereicht werden müssen, erfüllt sind und es möglich ist, das Rechtsmittel als Ganzes umzuwandeln (E. 1.2). Der Beschwerdeführer darf sich nicht darauf beschränken, die Aufhebung des angefochtenen Entscheids zu beantragen, sondern muss grundsätzlich auch Anträge in der Sache stellen, es sei denn, das Bundesgericht wäre im Fall der Gutheissung der Beschwerde nicht in der Lage, in der Sache selbst zu entscheiden (E. 1.3).

134 III 467 (5A_74/2008) from 25. Juni 2008
Regeste: Art. 78 Abs. 1 IPRG; Anerkennung einer ausländischen Adoption. Eine ausländische Adoption kann im Erbteilungsprozess vorfrageweise anerkannt werden, wenn sie im Staat des Wohnsitzes oder im Heimatstaat der adoptierenden Person oder der adoptierenden Ehegatten ausgesprochen wurde, nicht hingegen, wenn sie im Staat des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthaltes oder im Heimatstaat der adoptierten Person erfolgt ist (E. 2-4).

134 V 53 (8C_274/2007) from 8. Januar 2008
Regeste: a Art. 89 Abs. 1 lit. c, Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG; Art. 62 Abs. 1bis ATSG und Art. 38 ELV; Prozessführungsbefugnis eines kantonalen Durchführungsorgans auf dem Gebiete der Ergänzungsleistungen. Das Amt für betagte Personen des Kantons Genf (OCPA) ist zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auf dem Gebiete der bundesrechtlichen Ergänzungsleistungen berechtigt (E. 2.2 und 3). Kein solches Beschwerderecht besteht im Bereiche der kantonalrechtlichen Ergänzungsleistungen (E. 2.3).

134 V 138 (9C_408/2007) from 4. März 2008
Regeste: Art. 85 Abs. 1 lit. a BGG; Art. 78 ATSG; Zulässigkeit der Beschwerde in Sachen Verantwortlichkeit der IV-Stelle für Dritten zugefügte Schäden. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen einen kantonalen Entscheid betreffend die Höhe des Schadens, für welche die IV-Stelle gestützt auf Art. 78 ATSG haftet, steht nur offen, wenn der Streitwert die Grenze von Fr. 30'000.- gemäss Art. 85 Abs. 1 lit. a BGG erreicht (E. 1.2.2). Ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den kantonalen Entscheid in der Sache unzulässig, gilt dasselbe auch hinsichtlich des Kostenentscheids des kantonalen Gerichts (E. 3).

134 V 208 (9C_589/2007) from 17. April 2008
Regeste: Art. 19 Abs. 3 BVG und Art. 20 BVV 2 (in den bis Ende 2004 gültig gewesenen Fassungen); Art. 46 der st. gallischen Verordnung vom 5. September 1989 über die Versicherungskasse für das Staatspersonal (VVK/ SG); Umfang der Hinterlassenenleistung an die geschiedene Person. Art. 46 Satz 1 VVK/SG, wonach sich die Ansprüche der geschiedenen Ehegatten "in Voraussetzung und Höhe nach den Vorschriften des BVG über die Ansprüche der geschiedenen Frau" richten, beschränkt den Anspruch auf Hinterlassenenleistungen auf die Minimalleistungen gemäss BVG, d.h. 60 % der obligatorischen BVG-Rente des verstorbenen Ex-Ehegatten (E. 3). Die - in casu gestützt auf Art. 46 Satz 2 VVK/SG anwendbare - Kürzungsregelung des Art. 20 Abs. 2 BVV 2 erlaubt die Anrechnung nur solcher Leistungen, welche durch den Tod des geschiedenen, unterhaltspflichtigen Ehegatten ausgelöst bzw. beeinflusst werden. Die AHV-Altersrente ist daher nicht bzw. lediglich im Umfange einer allfälligen, durch den Todesfall bedingten Erhöhung anrechenbar (E. 4).

134 V 223 (9C_568/2007) from 14. März 2008
Regeste: a Art. 99 Abs. 1 und 2 BGG; Art. 41 Abs. 2 und Art. 49 Abs. 2 Ziff. 6 BVG; Art. 142 OR. Die im Streit um Invalidenleistungen der beruflichen Vorsorge erstmals vor Bundesgericht erhobene und hier nicht von Amtes wegen zu berücksichtigende Verjährungseinrede ist, als neue Tatsache (Art. 99 Abs. 1 BGG) oder als neues Begehren (Art. 99 Abs. 2 BGG) betrachtet, unzulässig, soweit die Verjährung nicht erst nach dem angefochtenen Entscheid eingetreten ist (E. 2).

134 V 250 (9C_538/2007) from 28. April 2008
Regeste: Art. 3 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 AHVG; Art. 17 und 23 AHVV; Art. 18 Abs. 2 DBG; Beitragspflicht auf Mieterträgen von sich im Geschäftsvermögen befindenden Liegenschaften. Mieterträge aus Liegenschaften, die zum Geschäftsvermögen gehören, unterliegen kraft dieses Umstandes als Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit der AHV-Beitragspflicht (E. 4.3). Belassen die Erben von Liegenschaften diese nach dem Erbgang im Geschäftsvermögen, so müssen sie sich AHV-rechtlich - gleich wie im Steuerrecht - eine selbstständige Erwerbstätigkeit entgegenhalten lassen, selbst wenn sie die Geschäftstätigkeit des Erblassers nicht fortsetzen (E. 5.2).

134 V 369 (9C_874/2007) from 20. August 2008
Regeste: Art. 15 Abs. 1 lit. b Ziff. 2 FZV; Art. 20a Abs. 1 lit. a BVG; begünstigte Personen für Hinterlassenenleistungen. Eine Lebensgemeinschaft im Sinne von Art. 20a Abs. 1 lit. a BVG und Art. 15 Abs. 1 lit. b Ziff. 2 FZV können auch Personen gleichen Geschlechts bilden (E. 6.3). Eine ständige ungeteilte Wohngemeinschaft bildet kein begriffsnotwendiges (konstitutives) Element für eine Lebensgemeinschaft im berufsvorsorgerechtlichen Sinne (E. 7.1).

134 V 443 (9C_116/2008) from 20. Oktober 2008
Regeste: Art. 43 Abs. 5 und Art. 46 Abs. 4 KVG; Art. 86 Abs. 1 BGG; Art. 29a und Art. 189 Abs. 4 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Zulässigkeit der Beschwerde gegen einen Entscheid des Bundesrates. Gegen einen Genehmigungsentscheid des Bundesrates betreffend Änderung der für medizinische Leistungen geltenden Tarifstruktur TARMED steht kein Rechtsmittel an das Bundesgericht offen (E. 3).

135 I 91 (6B_611/2008) from 5. Dezember 2008
Regeste: Unentgeltliche Rechtspflege im Strafverfahren; Art. 29 Abs. 3 BV, Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK. Weder Art. 29 Abs. 3 BV noch Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK verpflichten den Staat, endgültig auf die Rückzahlung von Kostenvorschüssen zu verzichten, die dem Empfänger der unentgeltlichen Rechtspflege für die amtliche Verteidigung gewährt worden sind. Voraussetzungen, unter denen die letzte kantonale Instanz diese Kosten dem Empfänger der unentgeltlichen Rechtspflege auferlegen kann (E. 2).

135 I 176 (1C_564/2008) from 23. April 2009
Regeste: Art. 17 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 RPG; Art. 26 Abs. 1 und Art. 36 Abs. 1-3 BV; Denkmalschutzmassnahmen bei Fischerhäuschen. Gesetzliche Grundlagen und zulässige Rügen (E. 3 und 4). Die Ästhetik ist nicht das einzige Kriterium für die Unterschutzstellung; auch für eine bestimmte Epoche typische Bauten oder Zeugen eines bestimmten - auch jüngeren - Baustils sind schutzwürdig (E. 6). Die dicht an einander errichteten kleinen Fischerhäuschen in unmittelbarer Seenähe werden geschützt als Zeugen einer vergangenen Epoche und Tätigkeit sowie als seltene Vertreter dieses besonderen Siedlungstyps (E. 7). Die beiden Schutzmassnahmen - Teilnutzungsplan und Unterschutzstellung - sind für die Erhaltung des Objekts nötig (E. 8).

135 I 233 (1C_469/2008) from 26. Mai 2009
Regeste: Kommunale Regelung über Quoten und Kontingente von Zweitwohnungen; Art. 50 und 75 BV, Art. 1-3 RPG, kommunale Zuständigkeiten; Art. 36 Abs. 2 und 3, Art. 8, 24, 26, 27 und 127 Abs. 2 BV. Die angefochtene Regelung stellt eine kompetenzgerechte raumplanerische Massnahme der Gemeinde dar (E. 2). Die Quote von Hauptwohnungen im Gebiet "Station", auf 70 % festgelegt und mit grosszügigen Ausnahmen versehen, ist mit Bezug auf den Regelungszweck verhältnismässig (E. 3, 4 und 7). Die Umschreibung der Hauptwohnungen mittels des Begriffs des zivil- und steuerrechtlichen Wohnsitzes verletzt die Niederlassungsfreiheit nicht (E. 5.1-5.3). Die Verpflichtung der Eigentümer von nicht selber benützten Hauptwohnungen, deren Vermietung über eine berufsmässige Gesellschaft vorzunehmen, verletzt weder die Eigentumsgarantie noch die Wirtschaftsfreiheit (E. 5.4 und 8). Die Ersatzabgabe bei Reduktion des Anteils an Hauptwohnungen stellt eine mit den Anforderungen des RPG vereinbare Kausalabgabe dar (E. 9). Die Übergangsbestimmung bewirkt keine Vorwirkung und wahrt den Grundsatz der Nichtrückwirkung (E. 15).

135 I 313 (6B_962/2008) from 18. Juni 2009
Regeste: a Art. 29a BV, Art. 130 Abs. 1 BGG; Rechtsweggarantie. Übergangsrechtlich bestimmen sich die massgeblichen Vorinstanzen in Strafsachen gemäss Art. 80 in Verbindung mit Art. 130 Abs. 1 BGG (E. 1.2).

135 II 145 (2C_504/2008, 2C_505/2008) from 28. Januar 2009
Regeste: a Art. 89 Abs. 1 und Art. 111 Abs. 1 BGG; Beschwerderecht des Mandanten, dessen Anwalt wegen Interessenkonflikts diszipliniert worden ist. Beschwerderecht gegen einen Nichteintretensentscheid (E. 3); zulässige Beschwerdegründe (E. 4). Das Beschwerderecht vor den kantonalen Instanzen muss mindestens demjenigen vor Bundesgericht entsprechen (E. 5). Das gegenüber dem Anwalt verhängte Verbot, einen Klienten zu vertreten, berührt Letzteren nur mittelbar, womit ihm die Beschwerdeberechtigung im Sinne von Art. 89 Abs. 1 BGG fehlt. Der kantonale Entscheid, der ihm diese Berechtigung abspricht, verletzt Art. 111 BGG nicht (E. 6).

135 II 313 (2C_787/2008) from 25. Mai 2009
Regeste: Art. 7 BGBB; Art. 9 Abs. 1 LBV; Sömmerungsbetrieb. Anwendbares Recht (E. 2). Unterscheidung landwirtschaftliches Gewerbe (Art. 7 BGBB) - Sömmerungsbetrieb (Art. 9 Abs. 1 LBV; E. 4). Charakteristische Merkmale des landwirtschaftlichen Gewerbes. Der in Frage stehende Betrieb bildet nicht Existenzgrundlage des Bewirtschafters, weshalb er nicht als landwirtschaftliches Gewerbe gelten kann. Er unterliegt damit nicht dem Realteilungsverbot (E. 5). Charakteristische Merkmale des Sömmerungsbetriebes (E. 6).

135 II 338 (2C_62/2009) from 10. August 2009
Regeste: Art. 48 Abs. 1, Art. 106 Abs. 1 und Art. 191b Abs. 2 BV; Art. 89 Abs. 2 lit. a und Art. 111 BGG; Art. 1, 5, 10, 15 Abs. 2 und Art. 16 LG; Art. 1 Abs. 2 SBG; interkantonale Vereinbarung vom 7. Januar 2005 über die Aufsicht sowie die Bewilligung und Ertragsverwendung von interkantonal oder gesamtschweizerisch durchgeführten Lotterien und Wetten (IVLW); Bundesrechtsmässigkeit einer "Generellen Zulassungsbewilligung für die Lotterie-Produktefamilie der vorgezogenen physischen Lose". Das Bundesamt für Justiz ist im Glücksspielbereich befugt, im Namen des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements gegen Entscheide der Rekurskommission Interkantonale Vereinbarung Lotterien und Wetten mit öffentlich-rechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht zu gelangen (E. 1). Der beschwerdeberechtigten Bundesbehörde stehen im (inter-)kantonalen Verfahren sämtliche Verfahrensgarantien sowie alle anderen Rechte zu, welche die (inter-)kantonale Gesetzgebung den Parteien einräumt; sie hat insbesondere Anspruch auf rechtliches Gehör (E. 2). Übersicht über die bundes- und interkantonalrechtliche Gesetzgebung im Lotteriebereich (E. 3). Das Lotterierecht des Bundes schliesst ein interkantonales Verfahren nicht aus, das den Bewilligungsentscheid auf ein gemeinsames Organ überträgt und bei standardisierten Produkten einen generellen Zulassungsentscheid mit der Möglichkeit verbindet, für jedes einzelne Produkt eine anfechtbare Verfügung zu erwirken (E. 4-8.1).

135 II 384 (2C_422/2008) from 7. Oktober 2009
Regeste: Art. 20, 80 Abs. 2 lit. b, Art. 120 Abs. 2 BV; Art. 89 Abs. 1 und Abs. 2 lit. d, Art. 102 Abs. 1 BGG; Art. 13 Abs. 1 und 2, Art. 18 aTSchG; Art. 61 Abs. 3, Art. 62 Abs. 3 aTSchV; Tierversuch mit nicht-menschlichen Primaten. Stellung einer kantonalen Tierversuchskommission im bundesgerichtlichen Verfahren (E. 1). Einschränkung der Kognition bei der Auslegung offener Normierungen und beim "technischen Ermessen" (E. 2.2). Von der Beurteilung eines Gesuchs durch die kantonale Tierversuchskommission soll nur aus triftigen Gründen abgewichen werden (E. 3.4). Art. 61 Abs. 3 lit. d aTSchV verlangt immer eine konkrete Interessenabwägung zwischen dem mit dem Versuch angestrebten Erkenntnisgewinn und den damit verbundenen Schmerzen und Leiden (E. 3.1-3.3 und E. 4.3). Zur Bestimmung des Erkenntnisgewinns ist auf den konkret beantragten Einzelfall und nicht auf das Resultat einer Vielzahl von Versuchen abzustellen (E. 4.4). Bei der Interessenabwägung muss die besondere Nähe der nicht-menschlichen Primaten zum Menschen und die Würde der Kreatur berücksichtigt werden (E. 4.6).

135 III 127 (5A_20/2008) from 30. September 2008
Regeste: Kollokationsklage im Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung (Art. 321 Abs. 1 i.V.m. Art. 250 Abs. 1 SchKG); Sistierung. Zulässigkeit der Beschwerde in Zivilsachen und Beschwerdegründe (E. 1). Für die Kollokation ist einzig der Ausgang des Kollokationsprozesses und nicht derjenige eines in Belgien pendenten Prozesses massgebend. Die Sistierung des Kollokationsprozesses kommt daher nur in Betracht, wenn sie mit dem verfassungsmässigen Anspruch auf Beurteilung innert angemessener Frist vereinbar ist (E. 2-4).

135 III 220 (4A_497/2008) from 10. Februar 2009
Regeste: Formularpflicht bei Mietzinserhöhungen (Art. 269d Abs. 1 und 2 OR und Art. 19 VMWG). Unterscheidet sich das für die Mietzinserhöhung verwendete Formular von einem vom Kanton genehmigten einzig in der Firma und dem Kennzeichen des unterzeichnenden Unternehmens, ist dem Formerfordernis von Art. 269d OR Genüge getan (E. 1).

135 III 232 (5A_545/2007) from 9. Januar 2009
Regeste: Einsprache gegen den Arrestbefehl (Art. 278 Abs. 1 SchKG); Rechtsnatur des Entscheides über die Weiterziehung des Einspracheentscheides (Art. 278 Abs. 3 SchKG); Kognition des Bundesgerichts; Beginn der Einsprachefrist; Willkür in der Rechtsanwendung (Art. 9 BV). Der Entscheid über die Weiterziehung des Einspracheentscheides ist - wie der Arrestentscheid - eine vorsorgliche Massnahme im Sinn von Art. 98 BGG; die Kognition des Bundesgerichts ist auf die Verletzung verfassungsmässiger Rechte beschränkt; Anforderungen an die Begründung der Beschwerdeschrift (E. 1.2). Die kantonale Praxis, wonach die Frist für die Einsprache gegen den Arrestbefehl für den beim Arrestvollzug anwesenden oder vertretenen Schuldner mit dem Vollzug des Arrestes beginnt, ist willkürlich. Daran ändert nichts, dass dem anwesenden oder vertretenen Schuldner Einsicht in die Arrestakten, insbesondere in den Arrestbefehl, gewährt worden ist (E. 2).

135 III 276 (5A_469/2007) from 4. September 2008
Regeste: Art. 288 SchKG; Anfechtung von Rechnungsbegleichungen für gelieferte Waren. Voraussetzungen, unter welchen erfolgte Zahlungen zur Begleichung von Rechnungen für bereits geliefertes Kerosin angefochten werden können (E. 5-8).

135 III 397 (4A_14/2009) from 2. April 2009
Regeste: Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG; Art. 45 Abs. 1 OR; Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung; Bestattungskosten. Eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung liegt vor, wenn diese zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führt und daher dringend einer Klärung durch das Bundesgericht bedarf (E. 1). Wer den Tod einer Person zu verantworten und die Bestattungskosten zu ersetzen hat (Art. 45 Abs. 1 OR), kann nicht als Umstand, für den der Geschädigte einstehen muss (Art. 44 Abs. 1 OR), geltend machen, dass der Tod in nächster Zeit aus einem anderen Grund ohnehin eingetreten wäre, namentlich aufgrund des hohen Alters des Opfers (E. 2).

135 III 410 (4A_9/2009) from 7. April 2009
Regeste: Art. 33 VVG, Art. 18 OR; Berufshaftpflichtversicherungsvertrag (Anwalt); Vertragsauslegung; herkömmliche Tätigkeit des Anwalts. Die herkömmliche Tätigkeit des Anwalts ist durch juristische Beratung geprägt, durch die Verfassung von juristischen Urkunden wie auch durch Unterstützung oder Vertretung von Personen vor einer Verwaltungs- oder Gerichtsbehörde (E. 3.3). Wer als geschäftsführendes Organ von Offshore-Gesellschaften Bankkonten eröffnet und Formulare unterzeichnet, handelt als Verwalter, nicht als Anwalt (E. 3.4).

135 III 424 (5A_556/2008) from 29. Mai 2009
Regeste: Art. 265 Abs. 2 SchKG; neues Vermögen. Begriff des neuen Vermögens; Höhe des Zuschlags zum Grundbetrag des betreibungsrechtlichen Existenzminimums (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 2 und 3).

135 III 464 (5A_199/2009) from 6. Mai 2009
Regeste: Art. 235 SchKG; erste Gläubigerversammlung. Erfordernis und Prüfung der schriftlichen Vollmacht des Gläubigervertreters zur Teilnahme an der Gläubigerversammlung (E. 3).

135 III 513 (5A_34/2009, 5A_59/2009, 5A_60/2009) from 26. Mai 2009
Regeste: Art. 288-291 SchKG; Absichtsanfechtung; Genossenschaftsanteilscheine. Voraussetzungen der Absichtsanfechtung im Falle des Verkaufs von Genossenschaftsanteilscheinen verbunden mit der Mitgliedschaft in der Genossenschaft (E. 3-6). Klage gegen den Vertragspartner des Schuldners und gegen den bösgläubigen Dritterwerber (E. 7 und 8). Art und Umfang der Rückerstattung (E. 9).

135 III 551 (5A_197/2009) from 26. Juni 2009
Regeste: Art. 98 BGG und Art. 279 Abs. 4 SchKG; Arrestprosequierung. Zulässige Rügen (E. 1.2). Der Arrestgläubiger, welcher die Anerkennungsklage ohne vorgängige Betreibung eingeleitet hat, ist befugt, die Betreibung vor der Mitteilung des Urteils einzuleiten (E. 2).

135 III 608 (5A_261/2009) from 1. September 2009
Regeste: Art. 271 ff. SchKG; Arrestierung von Vermögenswerten, die einem ausländischen Staat oder einer ausländischen Zentralbank gehören. Unterscheidung zwischen dem "genügenden Bezug" als Bedingung der Arrestierung von Vermögenswerten eines Schuldners, der nicht im Sinne von Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG in der Schweiz wohnt, und der "genügenden Binnenbeziehung" als Bedingung der Arrestierung von Vermögenswerten, die einem ausländischen Staat oder einer ausländischen Zentralbank gehören (E. 4).

135 III 633 (5A_428/2009) from 23. November 2009
Regeste: Art. 928 ZGB; Besitzesstörung; Fliegen und Landen mit Hängegleitern. Voraussetzung der Ansprüche gemäss Art. 928 Abs. 2 ZGB ist die Störung des Besitzes durch verbotene Eigenmacht. Eine öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung in einem kommunalen Bau- und Zonenreglement, die ein hindernisfreies und sicheres Überfliegen und Landen mit Hängegleitern bezüglich der dafür vorgesehenen Grundstücke gewährleistet, kann verbotene Eigenmacht ausschliessen. Prüfung des Ausschlusses im konkreten Fall (E. 3-5).

135 III 666 (5A_134/2009) from 7. Juli 2009
Regeste: Konkurs nach Art. 166 ff. IPRG; Anfechtungsklage (Art. 171 IPRG, Art. 285 ff. SchKG). Voraussetzungen zur Erhebung der Anfechtungsklage durch die ausländische Konkursverwaltung (E. 3.2).

135 III 670 (5A_530/2008) from 22. Oktober 2009
Regeste: Vollstreckbarerklärung von ausländischen vorsorglichen Massnahmen gemäss LugÜ. Zulässigkeit der Beschwerde in Zivilsachen und Beschwerdegründe (E. 1). Der Sequestro conservativo nach italienischem Zivilprozessgesetz stellt als vorsorgliche Massnahme eine Entscheidung im Sinne von Art. 25 LugÜ dar, die in der Schweiz nach Art. 31 LugÜ vollstreckt werden kann. Der Gesuchsteller hat im Rahmen von Art. 29 Abs. 2 BV Anspruch darauf, dass sein Gutachten zur Vollstreckbarkeit im Ursprungsstaat vom schweizerischen Richter berücksichtigt wird (E. 2 und 3).

135 IV 1 (6B_2/2008) from 13. Oktober 2008
Regeste: Art. 23 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; Fassung gemäss Bundesgesetz vom 8. Oktober 1948, AS 1949 I 221, S. 227); Art. 31 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge. Wenn eine Person nach Ablauf eines ersten Asylgesuchs unrechtmässig im Land verbleibt und ihr in einem zweiten Asylverfahren die Flüchtlingseigenschaft aufgrund subjektiver Nachfluchtgründe zuerkannt wird, so ist ihr Aufenthalt ab dem Zeitpunkt gerechtfertigt, in dem die Flüchtlingseigenschaft entstanden ist, sofern sich die Person den Behörden während ihres illegalen Aufenthaltes stets zur Verfügung hielt (E. 4).

135 IV 43 (6B_434/2008) from 29. Oktober 2008
Regeste: Art. 78 ff., 82 ff. und 113 ff. BGG; Entschädigung des freigesprochenen Beschuldigten für die Kosten der Verteidigung und für den immateriellen Schaden. Der Entscheid des Strafrichters über die Höhe der Entschädigung für die private oder amtliche Verteidigung kann mit Beschwerde in Strafsachen angefochten werden (E. 1.1.1). Bei Forderungen auf dem Gebiet der Staatshaftung ist grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegeben (E. 1.1.2). Beträgt der Streitwert einer Forderung auf dem Gebiet der Staatshaftung weniger als 30'000 Franken, ist einzig die subsidiäre Verfassungsbeschwerde zulässig (E. 1.1.3), welche entsprechend den Anforderungen gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG zu begründen ist (E. 4).

135 IV 56 (6B_549/2008) from 3. Februar 2009
Regeste: Fahrlässige schwere Körperverletzung (Art. 125 Abs. 2 StGB). Fragen der Zurechnung des Erfolgs. Eine Person verletzte vorsätzlich einen Menschen durch Abgabe eines Schusses aus einer Pistole schwer. Die Pistole war ihr - nach vorgängiger Beschlagnahmung aufgrund eines früheren Vorfalls - von der zuständigen Polizeibehörde in Anwendung der Waffengesetzgebung zurückgegeben worden, nachdem der Beschuldigte nach einer Untersuchung bescheinigt hatte, dass die Person weder suizidgefährdet noch für Dritte gefährlich sei. Die Person führte im Zeitpunkt der Schussabgabe allerdings noch eine zweite schussbereite Pistole mit sich, welche sie unabhängig vom Verhalten des Beschuldigten ohnehin besass (E. 3-5). Alternative Kausalität, hypothetische Ersatzursachen; nicht vorsätzliche Beteiligung an einem vorsätzlichen Erfolgsdelikt (E. 3). Sorgfaltspflichtverletzungen bei der Untersuchung der von einer Person ausgehenden Gefahren aus Waffenbesitz (E. 4). Anforderungen an den Zusammenhang zwischen dem sorgfaltswidrigen Verhalten und dem eingetretenen Erfolg (E. 5).

135 V 2 (9C_27/2008) from 20. Oktober 2008
Regeste: Art. 89 Abs. 1 lit. b BGG; Art. 22 Abs. 2 lit. a ATSG; Art. 164 Abs. 1 OR; Art. 85bis IVV; Abtretung der Nachzahlung von Leistungen des Sozialversicherers an die bevorschussende Sozialhilfebehörde. Die Gemeinde ist durch die Verweigerung der von ihr verlangten Drittauszahlung direkt in ihren vermögensrechtlichen Interessen als Sozialhilfebehörde berührt und zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten berechtigt (E. 1.1). Der Begriff der Abtretung, wie er in Art. 22 ATSG verwendet wird, stimmt mit demjenigen der Zession nach Art. 164 ff. OR überein (E. 6.1). Die zivilrechtlichen Abtretungsregeln mit Bezug auf künftige Forderungen gelten auch im Anwendungsbereich von Art. 22 Abs. 2 ATSG. Deshalb ist die Abtretung künftiger Leistungen des Sozialversicherers im Rahmen einer Globalzession zulässig, wenn die Abtretungserklärung alle Elemente enthält, nach welchen sich die Nachzahlungsforderung bezüglich Inhalt, Schuldner und Rechtsgrund bestimmen lässt (E. 6.1.2). In casu rechtsgültige Zession einer künftigen IV-Rentennachzahlung (E. 7.2).

135 V 39 (9C_312/2008) from 24. November 2008
Regeste: Art. 61 KVG; Art. 89 ff. KVV; Beschwerdeverfahren bei Streitigkeit betreffend einen im Einzelfall in Anwendung eines Prämientarifs der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ergangenen Entscheid. Die Genehmigung der Prämientarife der obligatorischen Krankenpflegeversicherung durch das Bundesamt für Gesundheit begründet die Vermutung, dass die betreffenden Tarife angemessen sind. Der Versicherte kann diese Vermutung nur durch strikten Beweis des Gegenteils widerlegen (E. 6.2). Angesichts der gebotenen richterlichen Zurückhaltung bei der konkreten Überprüfung der Rechtmässigkeit einer Tarifklausel darf dieser die Gültigkeit im Einzelfall nur bei schwerer Regelwidrigkeit, welche eine erhebliche Korrektur der Prämienhöhe nach sich zieht, versagt werden (E. 4.4 und 6.3).

135 V 94 (8C_449/2008) from 16. Dezember 2008
Regeste: Art. 59 AsylG; Art. 24 Ziff. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge; Art. 1 Abs. 5 des bernischen Gesetzes vom 5. März 1961 über Kinderzulagen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer; kantonale Familienzulagen. Ein vorläufig aufgenommener Flüchtling hat gestützt auf Art. 59 AsylG i.V.m. Art. 24 Ziff. 1 der Flüchtlingskonvention mit der Anerkennung als Flüchtling Anspruch auf Familienzulagen wie eine Person mit Schweizer Bürgerrecht; massgebender Zeitpunkt ist dabei die Anerkennung als (vorläufig aufgenommener) Flüchtling durch die Behörden (E. 3 und 4).

135 V 153 (8C_769/2008) from 18. März 2009
Regeste: Art. 100 Abs. 5 BGG; Art. 58 ATSG; Art. 28 UVG; Gerichtsstand für Beschwerden der Hinterlassenen. Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wegen eines negativen Kompetenzkonflikts zweier kantonaler Versicherungsgerichte über die örtliche Zuständigkeit zur Beurteilung der Beschwerde der Hinterlassenen, welche Leistungen aus dem Unfallversicherungsgesetz geltend machen (E. 1-4).

135 V 215 (9C_1009/2008) from 1. Mai 2009
Regeste: Art. 7 Abs. 2 ATSG; Begriff der Erwerbsunfähigkeit. Bestätigung von BGE 135 V 201, wonach die Rechtsprechung gemäss BGE 130 V 352 keinen ausreichenden Grund darstellt, um - unter dem Titel der Anpassung an eine veränderte Rechtsgrundlage - auf laufende Invalidenrenten zurückzukommen (E. 6). Art. 7 Abs. 2 ATSG ändert den Begriff der Erwerbsunfähigkeit nicht und bildet ebenfalls keinen hinreichenden Rückkommenstitel (E. 7).

135 V 353 (8C_644/2008) from 19. August 2009
Regeste: Art. 112 Abs. 2 BGG; Art. 61 lit. h ATSG; a§ 8a des luzernischen Gesetzes vom 3. Juli 1972 über die Organisation des Verwaltungsgerichts (VGOG; SRL Nr. 41 [in der bis 31. Dezember 2008 in Kraft gestandenen Fassung]); Entscheidbegründungspflicht der kantonalen Sozialversicherungsgerichte. a§ 8a Abs. 1 VGOG, wonach das Gericht in klaren Fällen Urteile und Entscheide ohne Begründung zustellen kann, ist mit Blick auf Art. 112 Abs. 2 BGG bundesrechtskonform (E. 3-5).

135 V 443 (9C_725/2008) from 9. November 2009
Regeste: a Art. 89 Abs. 1 und Art. 44 Abs. 1 KVG; Zuständigkeit des Schiedsgerichts. Auch wenn eine Vergütungspflicht im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung ausser Betracht fällt, ist das Schiedsgericht in Krankenversicherungsstreitigkeiten nach Art. 89 KVG zuständig für die Beurteilung der Frage nach der Tragweite des Tarifschutzes von Art. 44 Abs. 1 KVG (E. 1.2).

136 I 49 (2C_274/2008) from 25. September 2009
Regeste: Art. 8 Abs. 1, Art. 127 Abs. 2 und Art. 190 BV, Art. 7 Abs. 1 StHG; Dividendenbesteuerung; abstrakte Normenkontrolle; verfassungsrechtliches Anwendungsgebot von Bundesgesetzen. Formelles (E. 1 und 2). Das Steuerharmonisierungsgesetz des Bundes erlaubt den Kantonen die Privilegierung qualifizierter Anteilseigner von Unternehmungen bei der Besteuerung von Dividenden im Rahmen der Einkommenssteuer. Das verfassungsrechtliche Anwendungsgebot von Bundesgesetzen schliesst die Überprüfung einer vom Bundesgesetz abgedeckten kantonalen Regelung im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle aus, auch wenn das Bundesgesetz erst ein Jahr später in Kraft getreten ist (E. 3 und 4). Die im kantonalen Recht vorgesehene Bevorzugung der Dividendeneinkünfte qualifizierter Anteilseigner von Unternehmungen mit Sitz in der Schweiz (gegenüber solchen mit Sitz im Ausland) sowie die Privilegierung von Beteiligungen, die sich nicht quotenmässig (prozentual), sondern betragsmässig (nach einer bestimmten Summe) berechnen, finden im Bundesgesetz keine Grundlage und sind rechtsungleich und damit verfassungswidrig (E. 5). Dasselbe gilt für die im kantonalen Recht vorgesehene Entlastung qualifizierter Beteiligungen an Unternehmungen bei der Vermögenssteuer (E. 6). Rechtsfolgen (E. 7.1).

136 I 65 (2C_49/2008) from 25. September 2009
Regeste: Art. 8 Abs. 1, Art. 127 Abs. 2 und Art. 190 BV, Art. 7 Abs. 1 StHG; Dividendenbesteuerung; konkrete Normenkontrolle; verfassungsrechtliches Anwendungsgebot von Bundesgesetzen. Formelles (E. 1 und 2). Tragweite des verfassungsrechtlichen Anwendungsgebotes von Bundesgesetzen im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle betreffend eine kantonale Regelung, die auf einer fünf Jahre später in Kraft getretenen harmonisierungsrechtlichen Gesetzesbestimmung des Bundes beruht. Auch wenn das Bundesgesetz das kantonale Recht inzwischen abdeckt, ist dessen Verfassungsmässigkeit rückblickend zu überprüfen (E. 3 und 4). Die selektive Bevorzugung der Dividendeneinkünfte qualifizierter Anteilseigner von Unternehmungen bei der Einkommenssteuer führt zu unhaltbaren Unterscheidungen bei der Besteuerung und ist verfassungswidrig. Eine Gleichstellung der benachteiligten Anteilseigner gestützt auf den Grundsatz der Gleichbehandlung im Unrecht ist aber ausgeschlossen, solange und soweit das nachmalige Bundesgesetz die kantonale Regelung nunmehr abdeckt, was die kantonalen Behörden künftig davor bewahrt, die verfassungswidrige Praxis anpassen zu müssen (E. 5). Rechtsfolgen (E. 6).

136 I 87 (1C_179/2008) from 30. September 2009
Regeste: Polizeigesetz des Kantons Zürich; Art. 5, 10, 13, 31 und 36 BV, Art. 2, 5 und 8 EMRK. Allgemeine Ausführungen zum Polizeirecht: Legalitätsprinzip (E. 3.1); Grundsatz der Verhältnismässigkeit (E. 3.2); Prüfung kantonaler Normen (E. 3.3); Polizeirecht und Strafprozessrecht (E. 3.4). Schusswaffengebrauch zur Verfolgung von fliehenden Personen, die durch ein schweres Vergehen oder Verbrechen eine besondere Gefährlichkeit oder Gewaltbereitschaft manifestiert haben (E. 4). Personenkontrolle, Identitätsfeststellung und erkennungsdienstliche Massnahmen (E. 5). Polizeilicher Gewahrsam: Dauer des Gewahrsams (E. 6.3). Gerichtlicher Rechtsschutz, Erfordernis eines unmittelbaren Zugangs zu einer richterlichen Behörde (E. 6.4 und 6.5). Polizeiliche Vorführung und Zuführung als besondere Form der Amts- und Vollzugshilfe (E. 7). Überwachung des öffentlichen Raums mit technischen Geräten. Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Überwachungsregelung (E. 8.3) und der Ordnung der Aufbewahrung von Aufzeichnungen (E. 8.4). Überwachung im Rahmen der Strafprozessordnung (E. 8.5).

136 I 178 (5A_798/2009) from 4. März 2010
Regeste: Art. 9, 8 und 13 Abs. 1 BV, Art. 8 EMRK, Art. 9 Abs. 1 KRK; Zuteilung der Obhut über ein Kind im Massnahmeverfahren zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft. Die Zuteilung der Obhut über ein Kind auf die Mutter, deren Erziehungsfähigkeit mehr oder weniger gleich wie diejenige des Vaters ist, verletzt im vorliegenden Fall keine Rechte der Verfassung oder diesen entsprechende Konventionsnormen, obwohl die Mutter wahrscheinlich die Kontakte mit dem Vater nicht begünstigt; sie verfügt jedenfalls über mehr Zeit, sich um das Kind zu kümmern, das überdies seit der Trennung der Parteien praktisch immer mit ihr zusammengelebt hat und dessen Verhaltensstörungen sich durch eine Änderung der Betreuungssituation verschlimmern könnten (E. 5).

136 I 229 (2D_76/2009) from 14. Mai 2010
Regeste: Art. 83 lit. t, Art. 113 und 115 lit. b BGG, Art. 9 und 29 Abs. 2 BV; Anfechtung eines Prüfungsergebnisses (hier: Masterabschluss im Studium der Rechtswissenschaften) beim Bundesgericht. Ein Prüfungsergebnis (bzw. eine Note) kann mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde angefochten werden, wenn das Nichtbestehen, eine andere Rechtsfolge (wie der Ausschluss von der Weiterbildung) oder ein Prädikat in Frage steht, für das die Prüfungsordnung vorgibt, wie es zu bestimmen ist, bzw. dessen Festlegung nicht im Ermessen der Prüfungsbehörde liegt (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 1-3). Verfahrensfragen, insbesondere rechtliches Gehör und Kognition der kantonalen richterlichen Behörde (E. 4 und 5). Überprüfung eines Examensentscheides durch das Bundesgericht (E. 6).

136 I 332 (8C_1065/2009) from 31. August 2010
Regeste: Art. 16 Abs. 2 BV; Art. 10 EMRK; Art. 19 UNO-Pakt II; Art. 116 BGG; § 49 des kantonalzürcherischen Gesetzes über das Arbeitsverhältnis des Staatspersonals; Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit eines öffentlich-rechtlichen Angestellten. Die gegenüber dem Dozenten einer staatlichen Hochschule wegen Verteilung eines Flugblattes an die Mitglieder des Kantonsrates verfügten Massnahmen - Verweis und Entzug einer Leitungsfunktion - stellen eine unzulässige Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit dar (E. 3).

136 II 23 (2C_909/2008) from 2. November 2009
Regeste: Art. 112 DBG; Art. 105bis Abs. 2 BStP; Art. 28 Abs. 1 lit. a SGG; Art. 31 ff. VGG; Rechtsmittel gegen einen Entscheid der Bundesanwaltschaft, welche über ein Amtshilfegesuch der Eidgenössischen Steuerverwaltung befunden hat. Der Entscheid der Bundesanwaltschaft über ein Gesuch um Einsicht in Akten eines Strafverfahrens, das die Eidgenössische Steuerverwaltung gestützt auf Art. 112 DBG eingereicht hat, kann nicht Gegenstand einer Beschwerde beim Bundesstrafgericht sein (E. 3). Der Entscheid kann hingegen mit Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden (E. 4).

136 II 101 (2C_911/2008) from 1. Oktober 2009
Regeste: Art. 12 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1986 über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel (JSG); Bewilligung zum Abschuss von Graureihern. Beschwerdelegitimation des SVS und der Pro Natura (E. 1). Beweismassnahmen vor dem Bundesgericht (E. 2). Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 3). Vorgesehene Massnahmen des Art. 12 JSG (Regulierungsmassnahmen, Selbsthilfemassnahmen, ausserordentliche Massnahmen) und deren Umsetzung durch die freiburgische Gesetzgebung (E. 5).

136 II 304 (2C_77/2009, 2C_78/2009) from 11. März 2010
Regeste: Art. 2 lit. a und Art. 20 BEHG (in den beiden Fassungen vom 24. März 1995 sowie vom 22. Juni 2007), Art. 9, 10, 12 und 13 BEHV-EBK, Art. 15 Abs. 1 lit. c BEHV-FINMA; Art. 89 Abs. 1 lit. c und Art. 95 BGG, Art. 1 und 18 VwVG; börsenrechtliche Meldepflicht. Formelles, insbesondere Streitgegenstand, Legitimation und Kognition (E. 1 und 2). Überprüfung der tatsächlichen Feststellungen (E. 3-5). Anwendbare Rechtsgrundsätze und zu gewährende Parteirechte im Rahmen der Vorabklärungen vor Eröffnung des ordentlichen Verwaltungsverfahrens über die Feststellung einer Verletzung der Meldepflicht (E. 6). Der die börsenrechtliche Meldepflicht auslösende indirekte Erwerb einer massgeblichen Beteiligung schliesst alles geschäftliche Handeln ein, das den Aufbau einer entsprechenden Beteiligung trotz Auseinanderfallens der wirtschaftlichen und formalen Berechtigung objektiv ermöglicht bzw. das im Ergebnis das Stimmrecht über die Beteiligungspapiere vermitteln kann, wenn aufgrund der Umstände darauf geschlossen werden muss, dass eine solche Beteiligung auch angestrebt wird. Beurteilung eines Geschäftsverhaltens, bei dem verschiedene miteinander verbundene Gesellschaften unter Verwendung eines für die Schweiz neuen Finanzinstruments (sog. "contract for difference", CFD) mit Blick auf die gleiche Zielgesellschaft koordiniert vorgingen (E. 7).

136 II 399 (1C_522/2009) from 19. Mai 2010
Regeste: Art. 6 und 8 Abs. 1 BGÖ, Art. 15 RVOG, Art. 5 RVOV; Einsichtsrecht in die zwischen der Eidgenossenschaft und dem Generalsekretär eines Departements bzw. seinem Stellvertreter abgeschlossenen Abgangsvereinbarungen. Als einfache Beilagen zum Antrag an den Bundesrat, welche vor Eröffnung des Mitberichtsverfahrens erstellt wurden, unterliegen die Abgangsvereinbarungen nicht der Geheimhaltung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 BGÖ (E. 2).

136 II 489 (2C_689/2009) from 26. August 2010
Regeste: Art. 72 ff., 82 ff. und 113 ff. BGG, Art. 16 und 50 TG; Rechtsmittelweg bei der Anfechtung eines Kontrollzuschlages für die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsbetriebes ohne gültigen Fahrschein. Der Zuschlag dient der Entgeltung des Kontrollaufwands auf Seiten der Transportunternehmung und ist zivilrechtlicher Natur. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht ist ausgeschlossen. Wegen Fehlens des erforderlichen Streitwerts bzw. des Nachweises der grundsätzlichen Bedeutung der zu beurteilenden Rechtsfrage ist auch die Beschwerde in Zivilsachen unzulässig. Hingegen steht die subsidiäre Verfassungsbeschwerde offen (E. 1 und 2). Zwar wurde im Kanton der falsche, nämlich der öffentlich-rechtliche Rechtsmittelweg durchlaufen; es handelt sich dabei hier aber nicht um einen besonders schweren und offensichtlichen Mangel, der zur Nichtigkeit des kantonal letztinstanzlichen Urteils führt, die von Amtes wegen zu berücksichtigen wäre (E. 3).

136 III 142 (4A_394/2009) from 4. Dezember 2009
Regeste: Vollstreckung eines wegen Formmangels nichtigen Schenkungsversprechens. Unterscheidung zwischen einem Schenkungsversprechen und einer Handschenkung (E. 3.3). Ein wegen Formmangels nichtiges Schenkungsversprechen, das durch eine Vermögensübertragung erfüllt wurde, ist gemäss Art. 243 Abs. 3 OR als gültige Schenkung von Hand zu Hand zu beurteilen (E. 3.3 und 3.4).

136 III 161 (5A_576/2009) from 25. November 2009
Regeste: Art. 30 Abs. 1 ZGB; Namensänderung eines Ehegatten. Ehegatten kann eine Namensänderung nach Art. 30 Abs. 1 ZGB bewilligt werden, sofern der oder die Namen den eherechtlichen Namensregeln (Art. 160 und Art. 30 Abs. 2 ZGB) entsprechen. Im konkreten Fall hat die kantonale Behörde ihr Ermessen nicht verletzt, wenn sie einer Ehefrau, die den Namen des Ehemannes führt, trotz des vorgelegten Arztzeugnisses die Bewilligung zum Doppelnamen verweigert hat (E. 3).

136 III 186 (4A_47/2010) from 6. April 2010
Regeste: Bestimmung des Gebrauchs, für den die Mietsache übergeben wurde (Art. 256 OR), und der Sorgfalt, mit welcher der Mieter die Sache zu gebrauchen hat (Art. 257f OR). Im Mietvertrag und den Anhängen können der vereinbarte Gebrauch der Mietsache und deren sorgfältige Benutzung durch den Mieter näher umschrieben werden. Der vereinbarte Gebrauch betrifft insbesondere den Gebrauchszweck und die Gebrauchsmodalitäten der Mieträumlichkeiten, indem beispielsweise der Kreis der Benutzer festgelegt wird. Vorbehältlich anderslautender Abreden ist der Mieter eines zu Wohnzwecken bestimmten Mietobjekts nicht gehalten, dieses selbst zu bewohnen (E. 3).

136 III 247 (5A_758/2008) from 24. Februar 2010
Regeste: Art. 288 SchKG; Anfechtbarkeit von Darlehenszinsen. Die Anfechtungsklage ist, ihrer Natur entsprechend, ein restriktiv zu handhabender Ausnahmetatbestand (E. 2). Bei gleichwertiger Gegenleistung liegt keine Gläubigerschädigung vor (E. 3). Darlehenszinsen sind die synallagmatische Gegenleistung für die Wertgebrauchsüberlassung der Valuta (E. 5). Periodische Zinsen werden mit Blick auf die Fortsetzung der Kreditierung geleistet, weshalb ihre vertragsgemässe Entrichtung in der Regel nicht anfechtbar ist (E. 6).

136 III 261 (5A_108/2010) from 6. April 2010
Regeste: Art. 647d Abs. 2 und Art. 647e Abs. 2 ZGB; bauliche Massnahmen beim Stockwerkeigentum; Vetorecht des nicht zustimmenden Stockwerkeigentümers. Die Vorschriften über bauliche Massnahmen gemäss Art. 647c ff. ZGB betreffen beim Stockwerkeigentum die gemeinschaftlichen Teile und berücksichtigen die unterschiedlichen Interessen der Stockwerkeigentümer mit verschieden hohen Zustimmungserfordernissen (E. 2). Das Vetorecht des nicht zustimmenden Stockwerkeigentümers gegen nützliche und luxuriöse bauliche Massnahmen setzt ein Nutzungs- und Gebrauchsrecht voraus, dessen Ausübung durch die rechtsgültig beschlossenen Änderungen oder Arbeiten im Gesetzessinne beeinträchtigt wird (E. 3). Ein ausschliessliches Nutzungs- und Gebrauchsrecht an gemeinschaftlichen Teilen bedarf der Grundlage im Reglement oder in einem Beschluss der Stockwerkeigentümergemeinschaft und kann nicht formlos begründet werden (E. 4).

136 III 379 (5A_360/2010) from 12. Juli 2010
Regeste: Arrestbewilligung und Arrestvollzug (Art. 271 ff. und 275 SchKG); Immunität der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (Abkommen vom 10. Februar 1987 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zur Regelung der rechtlichen Stellung der Bank in der Schweiz); Rechtsweggarantie (Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 29a BV). Überprüfbarkeit des Arrestbefehls im Arrestvollzug (E. 3). Der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich anvertraute Werte ebenso wie Ansprüche gegen die Bank können ohne deren ausdrückliche vorherige Zustimmung nicht mit Arrest belegt werden. Vereinbarkeit mit der Rechtsweggarantie (E. 4).

136 III 431 (4A_104/2010) from 8. Juni 2010
Regeste: Anfechtung einer Mietzinserhöhung; Eheleute, welche die Wohnung gemeinsam gemietet haben (Art. 270b OR; Art. 166 ZGB). Gemeinsame Mieter bilden eine notwendige materielle Streitgenossenschaft und müssen daher gemeinsam handeln, um eine Mietzinserhöhung anzufechten (E. 3). Vertretung der ehelichen Gemeinschaft und Verfahren vor der Schlichtungsbehörde in Mietsachen (E. 4).

136 III 513 (4A_408/2010) from 7. Oktober 2010
Regeste: Art. 336 OR; missbräuchliche Kündigung. Der Arbeitnehmer ist vor einer Rachekündigung nur geschützt (Art. 336 Abs. 1 lit. d OR), sofern er nach Treu und Glauben annehmen kann, dass die von ihm geltend gemachten Ansprüche berechtigt sind. Es ist nicht erforderlich, dass sie tatsächlich begründet sind. Die Kündigung ist jedoch nicht missbräuchlich, sofern der Arbeitnehmer Ansprüche geltend macht, die beim Entscheid zur Entlassung keine kausale Rolle gespielt haben (E. 2.4 und 2.6). Nicht missbräuchlich im Sinne von Art. 336 Abs. 1 lit. a OR ist eine Kündigung, die aufgrund von charakterlichen Unzulänglichkeiten des Arbeitnehmers ausgesprochen wird, die sich schädlich auf die gemeinsame Arbeit auswirken. Es braucht daher nicht geprüft zu werden, ob es sich dabei um eine Eigenschaft nach dieser Bestimmung handelt, die der anderen Partei "kraft ihrer Persönlichkeit zusteht" (E. 2.5 und 2.6).

136 IV 29 (6B_540/2009) from 22. Oktober 2009
Regeste: Art. 81 Abs. 1 BGG; Legitimation zur Beschwerde in Strafsachen. Der Geschädigte, der nicht Opfer im Sinne des OHG ist, ist zur Beschwerde in Strafsachen im strafrechtlichen Schuldpunkt nicht legitimiert (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 1.1-1.7). Er ist aber in gewissen anderen Bereichen zur Beschwerde berechtigt (E. 1.9).

136 IV 117 (6B_202/2010) from 31. Mai 2010
Regeste: Art. 144 Abs. 3, aArt. 70 und Art. 97 StGB; Begriff des grossen Schadens, Bestimmung der Verjährungsfrist beim grossen Schaden. Ein Schaden in der Höhe von mindestens Fr. 10'000.- gilt als gross im Sinne von Art. 144 Abs. 3 StGB (E. 4.3.1). Sieht der qualifizierte Tatbestand eine fakultative Strafschärfung vor, ist für die Bestimmung der Verjährungsfrist nicht auf den Grundtatbestand abzustellen. Verjährungsrechtlich relevant ist vielmehr die angedrohte Höchststrafe (E. 4.3.3).

136 IV 127 (6B_726/2009) from 28. Mai 2010
Regeste: Art. 305ter Abs. 1 StGB; mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften. Die Verpflichtung zur Dokumentation konkretisiert die Identifikationspflicht, und ihre Missachtung erfüllt den Tatbestand von Art. 305ter Abs. 1 StGB. Die Modalitäten der Dokumentation fallen hingegen in die Zuständigkeit der Bankinstitute und werden von der genannten Strafbestimmung nicht erfasst (E. 3).

136 V 24 (9C_1039/2008) from 10. Dezember 2009
Regeste: a Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Australien über Soziale Sicherheit; zeitlicher Geltungsbereich. Die am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Bestimmungen des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Australien über soziale Sicherheit sind nicht anwendbar auf einen vor diesem Datum gestellten Antrag auf Rückvergütung der von Ausländern an die Alters- und Hinterlassenenversicherung bezahlten Beiträge (E. 4).

136 V 131 (9C_848/2009) from 6. Januar 2010
Regeste: Art. 90 und 98 BGG; Art. 26 Abs. 4 BVG; Anfechtbarkeit eines Entscheides über die Vorleistungspflicht; Regressanspruch der vorleistungspflichtigen Vorsorgeeinrichtung. Der Entscheid über die Vorleistungspflicht einer Vorsorgeeinrichtung ist ein Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG. Er ist nicht ein Entscheid über eine vorsorgliche Massnahme im Sinne von Art. 98 BGG (E. 1.1 und 1.3.1). Die Vorsorgeeinrichtung, welche Vorleistungen erbracht hat, kann unmittelbar von Gesetzes wegen im Umfang der geleisteten Zahlungen einen Regressanspruch gegen die leistungspflichtige Vorsorgeeinrichtung geltend machen (E. 3.6).

136 V 268 (9C_142/2010) from 12. August 2010
Regeste: Art. 99 BGG; Art. 52 AHVG; Art. 568 Abs. 3, Art. 579 Abs. 1, Art. 591 und 592 OR; Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters für Beitragsschulden der (ehemaligen) Kollektivgesellschaft. Die (subsidiäre und persönliche) Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters für Schulden der (ehemaligen) Kollektivgesellschaft gemäss Art. 568 Abs. 3 OR bei Weiterführung des Unternehmens als Einzelfirma durch einen der bisherigen Gesellschafter nach Massgabe des Art. 579 Abs. 1 OR (vgl. dazu E. 2.3.1; zur Abgrenzung gegenüber der Übernahme nach Art. 181 OR: E. 2.3.2) umfasst auch AHV-Beitragsschulden. Änderung der Rechtsprechung gemäss BGE 119 V 389 E. 7 S. 400 f. (E. 4.1 und 4.2). Aus der gesetzlichen Regelung, welche den Schadenersatzanspruch nach Art. 52 AHVG als persönlichen öffentlichrechtlichen Anspruch gegen den Arbeitgeber konstituiert und von den Gesellschaftsschulden unterscheidet, ergibt sich, dass der ausgeschiedene Gesellschafter unter Umständen während eines bedeutend längeren Zeitraums als der Verjährungsfrist gemäss Art. 591 oder 592 OR zur Rechenschaft gezogen werden kann (E. 2.6). Eine Schadenersatzforderung nach Art. 52 AHVG kann - auch noch in oberer Instanz - in eine Beitragsforderung umgedeutet werden (E. 4.4 und 4.5).

136 V 362 (9C_55/2010) from 8. Oktober 2010
Regeste: Art. 99 Abs. 1 und 2 BGG; Art. 21 ATSG; Eintreten auf den vor Bundesgericht neu gestellten Antrag der Rentenkürzung. Der erstmals in der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gestellte Antrag der Durchführungsstelle auf Kürzung der Invalidenrente gestützt auf Art. 21 Abs. 1 ATSG (wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand) ist zulässig, auch wenn die Kürzung weder Gegenstand der Verwaltungsverfügung noch des vorinstanzlichen Entscheides war. Streitgegenstand ist die Rente, deren betragliche Kürzung ein Teilaspekt. Als solcher bildet die Kürzung ein neues rechtliches Argument im Rahmen des Streitgegenstandes (E. 3.4.4), welches jedenfalls dann zulässig ist, wenn sich der Antrag auf Rentenkürzung auf aktenkundige Tatsachen stützt (E. 4.1).

136 V 395 (9C_334/2010) from 23. November 2010
Regeste: Art. 32 und 52 Abs. 1 lit. b KVG; Art. 34 und 64 ff. KVV; Art. 9 Abs. 4 und Art. 14 Abs. 1 lit. f HMG; Orphan Drug (Myozyme bei Morbus Pompe); Kostenübernahme ausserhalb der Spezialitätenliste; Wirtschaftlichkeitsprüfung. Dass arzneimittelrechtlich die Orphan-Drug-Zulassung für ein Medikament (hier: Myozyme) erfolgt ist, bedeutet nicht automatisch, dass dessen Einsatz einen hohen therapeutischen Nutzen darstellt, weil die Zulassung nach Art. 14 Abs. 1 lit. f HMG einen solchen nicht voraussetzt (E. 5.3). Die Frage, ob ein hoher therapeutischer Nutzen - als Voraussetzung für die Kostenübernahme ausserhalb der Spezialitätenliste (E. 5.1 und 5.2) - vorliegt, ist sowohl in allgemeiner Weise als auch bezogen auf den konkreten Einzelfall zu beurteilen (E. 6.4 und 6.5); in casu mangels Nachweises mittels klinischer Studien und im konkreten Einzelfall verneint (E. 6.6-6.10). Selbst wenn ein hoher therapeutischer Nutzen erwiesen wäre, müsste eine Leistungspflicht aus Wirtschaftlichkeitsgründen, d.h. mangels eines angemessenen Kosten-/Nutzen-Verhältnisses verneint werden (E. 7). Für die Beurteilung dieses Verhältnisses anwendbare Kriterien (E. 7.6), Notwendigkeit der Verallgemeinerungsfähigkeit derselben (E. 7.7), Anwendbarkeit auch auf Orphan-Disease-Fälle (E. 7.8).

137 I 58 (8C_70/2010) from 20. Dezember 2010
Regeste: Art. 70 des Reglements vom 11. Oktober 1977 für das Personal der kommunalen Verwaltung der Stadt Lausanne. Befugnis des kantonalen Gerichts, die Verfügung eines öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers insofern abzuändern, als eine Kündigung mit sofortiger Wirkung in eine Kündigung aus wichtigen Gründen mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten umgewandelt wird (E. 4.3).

137 I 167 (2C_230/2010) from 12. April 2011
Regeste: Art. 8 Abs. 1 und 2, Art. 13 Abs. 1 und 2, Art. 27 und 49 Abs. 1 BV; Art. 8 EMRK; DSG; Gesetz des Kantons Genf vom 17. Dezember 2009 über die Prostitution; Rechtsgleichheit und Nichtdiskriminierung, Privatsphäre (Datenschutz) und Wohnsitz, Wirtschaftsfreiheit, Vorrang des Bundesrechts. Darstellung und Konkurrenz der angerufenen verfassungsmässigen Rechte (E. 3). Das gesetzliche Erfordernis, wonach der Betreiber eines Prostitutionsunternehmens oder einer Begleitagentur das vorgängige Einverständnis des Hauseigentümers erlangen muss, um dort seinen Betrieb führen zu können, verstösst gegen die Wirtschaftsfreiheit (E. 4). Verfassungskonforme Auslegung der dem Betreiber auferlegten Verpflichtung, jeglichen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung zu verhindern bzw. zu vermeiden (E. 6), der von den Behörden in den Betrieben durchgeführten Kontrollen (E. 7) und, unter dem Blickwinkel der gesetzlichen Grundlage sowie der Verhältnismässigkeit, des Umgangs mit den prostitutionsbezogenen Personendaten (E. 9). Verfassungsmässigkeit der dem Betreiber gemachten Verpflichtung, ein internes und laufend auf den neuesten Stand gebrachtes Verzeichnis der in seinem Unternehmen tätigen (männlichen oder weiblichen) Prostituierten und der anerbotenen Dienstleistungen zu führen (E. 5). Die der Prostitution eigenen Besonderheiten rechtfertigen Erfassungsmassnahmen und Meldepflichten, die nicht gegen die Verfassung verstossen (E. 8).

137 I 257 (2C_740/2009) from 4. Juli 2011
Regeste: Art. 49 BV; Art. 2, 30, 31b, 31c, 32 und 32a USG; Art. 3 TVA; Abfallreglement vom 2. April 2009 der Gemeinde Romanel-sur-Lausanne; Finanzierung der Entsorgung der Siedlungsabfälle; Verursacherprinzip, Kausalgebühr, Lenkungseffekt. Das Verursacherprinzip gemäss Art. 32a USG schliesst eine Finanzierung der Entsorgung der Siedlungsabfälle über Steuern aus und verlangt eine Finanzierung mittels Lenkungskausalabgaben. Die Körperschaften können von diesem Finanzierungsmodus abweichen, wenn sie konkret dartun, dass die strikte Anwendung des Kausalitätsprinzips eine Gefährdung der umweltverträglichen Entsorgung der Siedlungsabfälle zur Folge hätte (E. 4). Im vorliegenden Fall ist Art. 11 Abs. 6 des Reglements vom 2. April 2009 nicht notwendigerweise bundesrechtswidrig, da seine Gültigkeit vom Verhältnis der Kosten der Entsorgung der Siedlungsabfälle im Vergleich zu den übrigen in der Gemeinderechnung ausgewiesenen Kosten abhängt wie auch von der Umsetzung von allfälligen Ausnahmen gestützt auf Art. 32a Abs. 2 USG (E. 5). Hingegen ist Art. 12 des Reglements vom 2. April 2009 bundesrechtswidrig, weil er eine Pauschalgebühr unabhängig von der angefallenen Abfallmenge vorsieht (E. 6).

137 I 296 (2C_745/2010) from 31. Mai 2011
Regeste: Art. 89 Abs. 1 und Art. 111 Abs. 3 BGG; Art. 5 Ziff. 4 und 5, Art. 8 und 13 EMRK; Freilassung während des Rekursverfahrens vor der letzten kantonalen Instanz; aktuelles Rechtsschutzinteresse; Grundsätze der Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges und der Einheit des Verfahrens. Der Grundsatz der Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges (Art. 111 Abs. 3 BGG) gilt als eingehalten, wenn der Beschwerdeführer vor der letzten kantonalen Instanz sämtliche Rügen vorbringen konnte, die er in der Folge auch vor Bundesgericht erheben kann. Um festzustellen, ob die kantonale Behörde den vorliegenden Rekurs zu Recht nicht materiell behandelt hat, ist zu prüfen, wie das Bundesgericht in einer vergleichbaren Situation vorgegangen wäre. Bei Vorliegen besonderer Umstände nimmt das Bundesgericht eine materielle Prüfung vor, obwohl der Beschwerdeführer kein aktuelles Rechtsschutzinteresse mehr hat. Mit Hinblick auf den Grundsatz der Einheit des Verfahrens ist dies etwa dann der Fall, wenn der Beschwerdeführer hinreichend substantiiert und in vertretbarer Weise eine Verletzung der EMRK behauptet ("grief défendable"; vgl. Art. 13 EMRK i.V.m. Art. 5 Ziff. 4 EMRK) (E. 4 und 5). Entsteht bei materieller Prüfung der Eindruck, dass die ausgestandene Haft illegal war, so ist dies festzuhalten. Bezüglich eines allfälligen Entschädigungsbegehrens kann die mit dem Rekurs befasste kantonale Instanz entweder aus verfahrensökonomischen Gründen selbst einen Entscheid fällen oder die Angelegenheit an die für Staatshaftungsfragen zuständige Behörde überweisen (E. 6).

137 II 305 (2D_56/2010) from 26. Mai 2011
Regeste: Art. 83 lit. c Ziff. 2, 3 und 4 sowie Art. 113 ff. und 115 BGG; Art. 66 sowie 83 Abs. 1 und 6 AuG; zulässiges Rechtsmittel gegen einen kantonalen Entscheid über Vollzugshindernisse bei der Wegweisung. Gegen separate letztinstanzliche kantonale Entscheide über Vollzugshindernisse bei der Wegweisung steht ausschliesslich die subsidiäre Verfassungsbeschwerde offen. Da die weggewiesene Person keinen Rechtsanspruch darauf hat, dass der Kanton beim Vorliegen von Vollzugshindernissen dem hierfür ausschliesslich zuständigen Bundesamt Antrag auf vorläufige Aufnahme stellt, kann nur die Verletzung besonderer verfassungsmässiger Rechte (Schutz des Lebens, Schutz vor grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung usw.) geltend gemacht oder die Verletzung von Parteirechten gerügt werden, deren Missachtung einer formellen Rechtsverweigerung gleichkommt (sog. "Star"-Praxis; E. 1-3). Beurteilung des konkreten Falls (E. 4).

137 III 208 (4A_656/2010) from 14. Februar 2011
Regeste: a Art. 266n OR; Kündigung der Miete der Familienwohnung. Geschäftsräume, die auch der Unterkunft von Ehegatten dienen, von denen mindestens einer Mieter ist, geniessen den Schutz der Art. 266m bis 266n OR. Den Mieter eines Geschäftsraums, der während laufender Mietdauer mit seiner Familie in das Mietobjekt einzieht, trifft die Nebenpflicht, diese Situation dem Vermieter anzuzeigen (E. 2).

137 III 303 (4A_53/2011) from 28. April 2011
Regeste: Art. 337 Abs. 1 OR; gerechtfertigte fristlose Kündigung des Vertrags durch den Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer kann unter Umständen ein legitimes Interesse daran haben, die vertraglich vereinbarte Leistung tatsächlich zu erbringen. Ein solches Interesse an einer tatsächlichen Beschäftigung muss namentlich bei einem professionellen Sportler, im vorliegenden Fall bei einem Fussballspieler, anerkannt werden (E. 2.1). Ein Arbeitnehmer, dessen Persönlichkeit i.S. von Art. 328 Abs. 1 OR verletzt wurde, kann eine Genugtuung gemäss den Voraussetzungen des Art. 49 Abs. 1 OR verlangen (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2.2).

137 III 481 (4A_325/2011) from 11. Oktober 2011
Regeste: Schadenersatzklage aus einem durch ein Fahrzeug verursachten Unfall; längere strafrechtliche Verjährung (Art. 83 Abs. 1 SVG und Art. 60 Abs. 2 OR). Hat sich der Inhalt der strafrechtlichen Bestimmungen seit dem Unfall geändert, bestimmt sich nach den strafrechtlichen Regeln, auf welche Version abzustellen ist, um die Dauer der im Zivilrecht anwendbaren längeren strafrechtlichen Verjährung festzusetzen (E. 2).

137 III 517 (5A_293/2011) from 10. Oktober 2011
Regeste: Art. 166 Abs. 1 lit. c IPRG; Anerkennung eines ausländischen Konkursdekrets in der Schweiz, Gegenrecht. Auf dem Gebiet des internationalen Konkursrechts hält Finnland Gegenrecht (E. 3).

137 III 580 (4A_314/2011) from 3. November 2011
Regeste: Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG, Art. 269b und 270c OR; Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, Mietzinserhöhung, indexierte Mietzinse. Begriff der Streitigkeit, die eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (Zusammenfassung der Rechtsprechung; E. 1). Wenn ein Mietvertrag, der eine Indexklausel enthält, stillschweigend für eine Mindestdauer von fünf Jahren verlängert wird, ist die nächste Mietzinserhöhung ausgehend vom Stand des offiziellen schweizerischen Landesindexes der Konsumentenpreise im Zeitpunkt der letzten Mietzinsfestsetzung zu berechnen, ohne Rücksicht auf die seither erfolgte stillschweigende Verlängerung (E. 2).

137 IV 1 (6B_435/2010) from 16. Dezember 2010
Regeste: Art. 133 StGB; Raufhandel. Nach ständiger Rechtsprechung wird ein Streit zwischen zwei Personen zum Raufhandel, wenn ein Dritter tätlich eingreift. Gebietet es die unmittelbare Abfolge der Vorkommnisse, das Tatgeschehen als Einheit zu betrachten, ist auch der Auslöser eines Raufhandels Beteiligter im Sinne von Art. 133 Abs. 1 StGB. Unerheblich ist, dass dessen aktive Teilnahme vor der Beteiligung einer dritten Person an der tätlichen Auseinandersetzung erfolgte und er sich in der Folge nur noch passiv verhielt. Anders ist es, wenn sich das Tatgeschehen klar in mehrere Handlungseinheiten unterteilen lässt (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 4.3).

137 IV 59 (6B_1062/2009) from 3. November 2010
Regeste: Verwahrung; Art. 65 Abs. 2 StGB. Art. 65 Abs. 2 StGB sieht keine Frist für die Anordnung einer nachträglichen Verwahrung des Verurteilten während des Strafvollzugs vor. Frage offengelassen, ob ein solches Verfahren während des Strafvollzugs eingeleitet werden muss oder ob dies auch nach der Verbüssung der Strafe durch den Verurteilten geschehen kann (E. 3). Die Strafverfolgungsverjährung läuft während des Verfahrens im Hinblick auf die nachträgliche Verwahrung des Verurteilten im Strafvollzug nicht weiter (E. 4). Die Revision zum Nachteil des Verurteilten gemäss Art. 65 Abs. 2 StGB ist an vier Voraussetzungen geknüpft. Sie muss sich auf Tatsachen oder Beweismittel abstützen (1). Diese müssen neu - d.h. der Richter darf davon keine Kenntnis gehabt haben - (2) und erheblich (3) sein. Schliesslich (4) wird verlangt, dass die Gründe für die nachträgliche Verwahrung des Verurteilten im Strafvollzug bereits im Zeitpunkt der Verurteilung bestanden haben (E. 5). Ist das Strafurteil unter dem alten Recht ergangen, müssen für die Anordnung der nachträglichen Verwahrung nicht nur die Voraussetzungen von Art. 64 StGB im Zeitpunkt des Gesuchs erfüllt sein, sondern die Massnahme muss auch in Anwendung von aArt. 42 und 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB zulässig gewesen sein (E. 6).

137 IV 249 (6B_46/2011) from 27. September 2011
Regeste: a Widerruf der bedingten Strafe; Änderung der Vorstrafe zur Bildung einer Gesamtstrafe in Anwendung von Art. 49 StGB (Art. 46 Abs. 1 Satz 2 StGB). Es widerspricht der ratio legis der Bestimmung von Art. 46 Abs. 1 StGB, eine (rechtskräftige) Vorstrafe zulasten des Verurteilten zu ändern. Das Verfahren ist nicht anwendbar, um eine Vorstrafe in eine schwerere Sanktion umzuwandeln (E. 3.4.3).

137 IV 313 (6B_143/2011) from 16. September 2011
Regeste: Art. 173 StGB; Art. 16 Abs. 2 BV, Art. 10 EMRK; üble Nachrede; Zulassung zum Wahrheitsbeweis; Meinungsäusserungsfreiheit. Einer Person zu unterstellen, sie habe Sympathien für das Nazi-Regime, ist selbst für einen Politiker ehrverletzend. Voraussetzungen von Art. 173 Ziff. 3 StGB für die Zulassung zum Entlastungsbeweis im Sinne von Art. 173 Ziff. 2 StGB (E. 2). Grenzen der Meinungsäusserungsfreiheit in der politischen Diskussion (E. 2.1.4 und 3).

137 V 57 (9C_592/2010) from 23. März 2011
Regeste: Art. 69 Abs. 1bis IVG; Kostentragung bei vollständigem Obsiegen bei Rückweisung. Bei einer Rückweisung zu ergänzenden Abklärungen, die von Bundesrechts wegen als vollständiges Obsiegen gilt, bleibt auch unter der Geltung von Art. 69 Abs. 1bis IVG kein Raum für eine kantonale Regelung zur teilweisen Kostenauferlegung an die obsiegende Partei (E. 2.2).

137 V 143 (8C_930/2010) from 30. März 2011
Regeste: Art. 13, Art. 14 Abs. 1 und Art. 30 ZUG; Kostenersatzpflicht des Wohnkantons für vom Aufenthaltskanton im Rahmen der Unterstützung eines Bedürftigen im Notfall übernommenen Kosten eines Sanitätstransports. Eine kantonale Praxis, nach erfolglosem Versuch des Leistungserbringers, die Transportkosten bei der unterstützten Person auf betreibungsrechtlichem Weg einzufordern (Erhalt eines Verlustscheins), von der Bedürftigkeit der Person auszugehen, verletzt weder den bundesrechtlichen Begriff der Bedürftigkeit noch das Subsidiaritätsprinzip staatlicher Unterstützungsleistungen. Umfang der diesbezüglichen Abklärungspflicht des Aufenthaltskantons (E. 3 und 4).

137 V 351 (9C_286/2011) from 11. August 2011
Regeste: Beginn des Anspruchs auf Hilflosenentschädigung nach Inkrafttreten der 5. IV-Revision. Entgegen dem Verweis in Art. 42 Abs. 4 in fine IVG richtet sich der zeitliche Beginn des Anspruchs auf Hilflosenentschädigung nicht nach Art. 29 Abs. 1 IVG. Vielmehr gelangt weiterhin sinngemäss Art. 28 Abs. 1 IVG zu den Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente zur Anwendung (E. 4 und 5).

138 I 1 (4A_672/2011) from 31. Januar 2012
Regeste: a Art. 50 Abs. 2 und Art. 405 Abs. 1 ZPO; Übergangsrecht, Entscheid über ein Ablehnungsbegehren, kantonales Beschwerdeverfahren. Entscheid des erstinstanzlichen Gerichts über ein Ablehnungsbegehren gegen einen Richter, den Parteien nach dem 1. Januar 2011 eröffnet, bezüglich eines vor diesem Datum eingeleiteten Verfahrens; anwendbares Recht im kantonalen Beschwerdeverfahren (E. 2.1).

138 I 97 (6B_118/2009, 6B_12/2011) from 20. Dezember 2011
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 und 3 EMRK; Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK; Art. 5 Abs. 3 BV; Anspruch auf einen Verteidiger; Schweigerecht und Anspruch auf Belehrung über das Schweigerecht; Grundsatz von Treu und Glauben. Tragweite des durch Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK gewährleisteten Anspruchs auf einen Verteidiger, namentlich bei den ersten polizeilichen Einvernahmen; Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben gemäss Art. 5 Abs. 3 BV bei der Berufung auf diesen Anspruch; Fall, in dem eine Verletzung des Anspruchs auf einen Verteidiger zu einer Aufhebung der Verurteilung führen kann; Pflicht zur Begründung eines Antrags auf Aufhebung (E. 4.1); Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben bei der Berufung auf eine Verletzung des Schweigerechts; Fall, in dem eine solche Verletzung zur Aufhebung der Verurteilung führen kann (E. 4.2).

138 I 143 (2C_770/2011) from 25. Januar 2012
Regeste: Art. 50 Abs. 1 BV, Art. 83 lit. f, Art. 89 Abs. 1 und Art. 90 BGG, Art. 6 BöB und kantonalzürcherisches Vergaberecht, Art. 85 KV/ZH; Beschwerdebefugnis der Gemeinde, Gemeindeautonomie, Zulässigkeit des Kriteriums "Public Voting". Das Bundesgericht bejaht im konkreten Fall die Voraussetzungen, unter denen die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auf dem Gebiet der öffentlichen Beschaffungen zulässig ist (Schwellenwert, Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung), das Vorliegen eines Endentscheids trotz Rückweisung, und es erachtet die beschwerdeführende Gemeinde als hierzu legitimiert (E.1.1-1.3). Kognition des Bundesgerichts (E. 2.). Autonomie der zürcherischen Gemeinden im öffentlichen Beschaffungswesen (E. 3). Beim so genannten "Public Voting" wählen interessierte Bürgerinnen und Bürger unter öffentlich aufgelegten Projektstudien ihr bevorzugtes Projekt aus, hier für die Erstellung eines Gemeindehauses. Zwar kann dies nicht mit einer Volksabstimmung gleichgesetzt werden und wird dadurch nur eine grobe Einschätzung der Akzeptanz einer Projektstudie bei der Bevölkerung ermöglicht. Dennoch erscheint es zweckmässig, dass die Behörde den Willen der Bevölkerung bereits für die Ausarbeitung des Vorprojekts in angemessener Weise berücksichtigt. Es verletzt die Gemeindeautonomie, wenn die kantonale Rechtsmittelinstanz das Zuschlagskriterium "Public Voting" für grundsätzlich unzulässig erklärt (E. 4.1-4.4).

138 I 171 (1C_420/2011) from 25. April 2012
Regeste: Art. 29 Abs. 2 und Art. 34 Abs. 2 BV; Wiederholung einer Volksabstimmung wegen Unmöglichkeit der Nachzählung eines sehr knappen Ergebnisses. Eintretensfragen (E. 1). Verfahrensrechte beim Entscheid über die Anordnung einer Abstimmungswiederholung (E. 3). Der Regierungsrat des Kantons Bern ist aus eigener Kompetenz zuständig, die Wiederholung einer Volksabstimmung anzuordnen, auch wenn es das Verwaltungsgericht war, das in einem Beschwerdeverfahren die Nachzählung wegen des sehr knappen Ergebnisses angeordnet hatte (E. 4). Die Anordnung einer Nachzählung bei einem sehr knappen Resultat ist in der Möglichkeit der Fehlerhaftigkeit desselben und eines anderen Ergebnisses bei der Kontrolle der Auswertung begründet. Erweist sich die Nachzählung als ausgeschlossen, weil ein massgeblicher Anteil der Stimmzettel vernichtet wurde, ist die Abstimmung zwecks Ermittlung des wahren Volkswillens zu wiederholen, sofern nicht überwiegende Gründe dagegen sprechen (E. 5).

138 I 225 (9C_881/2011) from 27. Juni 2012
Regeste: Art. 14 ELG; § 8 Abs. 3 ELG/SZ; Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten im Rahmen von Ergänzungsleistungen. Die Limitierung der Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten in Verweisung auf Art. 14 ELG verletzt weder das Gleichbehandlungsgebot von Art. 8 Abs. 1 BV und Art. 14 EMRK noch das Recht auf Familienleben gemäss Art. 13 Abs. 1 BV und Art. 8 Ziff. 1 EMRK (E. 3.5-3.9).

138 I 232 (8C_200/2011) from 13. Januar 2012
Regeste: Art. 9 BV; Art. 85 Abs. 2 und Art. 113 ff. BGG; Art. 329d OR; Art. 160C KV/GE; Personalreglement der Öffentlichen Verkehrsbetriebe Genf (TPG) vom 1. Januar 1999; Vollzugsvorschrift zum Personalreglement der TPG vom 1. Januar 1999. Forderung eines Mitarbeiters der TPG auf Ausrichtung eines Ferienzuschlags auf den für Nacht-, Wochenend- sowie Feiertagsarbeit ausgerichteten Entschädigungen in Anwendung der gemäss BGE 132 III 172 betreffend Art. 329d OR entwickelten Grundsätze. Unzulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten: Der Streitwert erreicht den massgebenden Betrag nicht und es stellt sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da Art. 329d OR hier nur unter dem Titel ergänzenden kantonalen Rechts Anwendung findet (E. 2). Abweisung der subsidiären Verfassungsbeschwerde: Die vom kantonalen Gericht vorgenommene Auslegung der Vollzugsvorschrift zum Personalreglement der TPG, wonach diese die Frage der Ferienentschädigungen abschliessend regelt, ist nicht willkürlich (E. 6). Es ist auch nicht willkürlich zu erwägen, das kantonale öffentliche Personalrecht könne von den Minimalgarantien des OR auf dem Gebiet des Arbeitsvertrags abweichen (E. 7).

138 I 274 (2C_415/2011) from 3. Juli 2012
Regeste: Aushängen von Plakaten im Bahnhof: öffentlich-rechtliche Angelegenheit; Benützung öffentlicher Sachen; Meinungsfreiheit; Zensurverbot; Art. 16 Abs. 2 und Art. 35 Abs. 2 BV; Art. 82 lit. a BGG. Die Regelung der Zulässigkeit und des Umfangs einer ausserordentlichen Nutzung der öffentlichen Sachen i.e.S. ist öffentlich-rechtlicher Natur (Art. 82 lit. a BGG; E. 1.1-1.4). Aushängen von Plakaten zu aussenpolitischen Themen stellt eine Form der Meinungsäusserung dar, die in den Schutzbereich der Meinungsäusserungsfreiheit fällt; die SBB sind grundrechtsgebunden (E. 2.2). Die SBB sehen vor, dass die öffentliche Sache i.e.S. auch ausserordentlich für die Plakatierung genutzt werden kann; das Ausscheiden von Plakatanschlagstellen muss durch die SBB aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung (einschliesslich der zweckmässigen Nutzung der öffentlichen Anlage) erfolgen. Sind die Stellen für den Plakataushang bezeichnet, so ist das einzelne Plakat nur noch unter polizeilichen Gesichtspunkten zu prüfen (E. 2.3). Ein generelles Verbot von Plakaten mit aussenpolitischen Themen ist nicht zulässig (E. 3.4). Das konkrete Plakat ist nicht zu beanstanden (E. 3.5).

138 I 331 (8C_949/2011) from 4. September 2012
Regeste: Art. 12, Art. 13 Abs. 1 und 2 BV; Art. 8 EMRK; abstrakte Normenkontrolle; Sozialhilferecht. Die am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Änderungen des kantonalbernischen Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe (SHG) betreffend Entfallen des Sozialhilfegeheimnisses bei Ermächtigung der betroffenen Person oder der vorgesetzten Stelle zur Auskunftserteilung und bei Anzeige einer Straftat (Art. 8 Abs. 2 lit. a-c SHG), betreffend Einholen einer Vollmacht von den betroffenen Personen (Art. 8b Abs. 3 SHG) sowie betreffend Auskunftspflichten privater Dritter (Art. 8c Abs. 1 lit. c-e SHG) sind verfassungs- und konventionskonform (E. 5-8).

138 I 367 (2C_1022/2011) from 22. Juni 2012
Regeste: a Art. 11 Abs. 1 lit. e und Art. 19 IVöB; Art. 14a des Gesetzes des Kantons Waadt vom 24. Juni 1996 über das öffentliche Beschaffungswesen (LMP/VD), Art. 78 und 83 BGG; Rechtsnatur der vom kantonalen Recht vorgesehenen Sanktion bei einem Verstoss gegen die Regeln des öffentlichen Beschaffungswesens. Unter Berücksichtigung der anderen Sanktionen, welche vom kantonalen Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen vorgesehen werden, namentlich der Verwarnung oder des Widerrufs des Zuschlags, des Ausschlusses von sämtlichen künftigen Vergabeverfahren für eine Maximaldauer von fünf Jahren und der Streichung aus der ständigen Liste der qualifizierten Anbieter, erscheint die Busse, welche bei Verstössen gegen die Regeln des öffentlichen Beschaffungswesens zusätzlich oder anstelle der anderen Sanktionen ausgesprochen werden kann, als reine Verwaltungsmassnahme. Als Folge davon steht ausschliesslich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (E. 1).

138 II 191 (2C_727/2011) from 19. April 2012
Regeste: Art. 27 BV, Art. 25a Abs. 5 und Art. 39 KVG, Art. 58e KVV, Art. 10 Abs. 2 ELG, Art. 25a ELV; Gesetz des Kantons Neuenburg vom 28. September 2010 über die Finanzierung der Pflegeheime; kantonale Gesundheitsplanung; Ergänzungsleistungen für Aufenthalt im Pflegeheim; Subventionen. Kategorien von Pflegeheimen im Kanton Neuenburg (E. 4.1). Die Zulassung eines Pflegeheims, Leistungen zu Lasten der obligatorischen Krankenversicherung zu erbringen (Art. 39 KVG), verpflichtet den Kanton nicht, unter Vorbehalt der kantonalen Deckung der nach Art. 25a Abs. 5 KVG vorgesehenen Pflegeleistungen, es zu finanzieren (E. 4.2). Begriff des Leistungsauftrags (E. 4.3). Voraussetzungen für Subventionen an als gemeinnützig anerkannte Pflegeheime (E. 4.4). Deckung durch die Kantone des das soziale Existenzminimum nach ELG einer zu Hause lebenden Person übersteigenden Restbetrags der Kosten für einen Pflegeheimaufenthalt; Möglichkeit, die für den Aufenthalt anerkannten Ausgaben nach oben zu begrenzen (E. 5.3 und 5.4). Kantonaler Beurteilungsspielraum und einzuhaltende Bedingungen (E. 5.5). Unter der Voraussetzung, dass es flexibel angewandt wird und genügend Aufnahmekapazitäten vorgesehen werden, verstösst das kantonale System, das darin besteht, die Mehrheit der auf Ergänzungsleistungen angewiesenen Heimbewohner zu veranlassen, in ein gemeinnütziges, einer strikten staatlichen Kontrolle unterliegendes Pflegeheim zu ziehen, an sich nicht gegen Art. 10 Abs. 2 lit. a ELG (E. 5.6-5.10).

138 II 217 (1C_555/2011) from 18. Juni 2012
Regeste: Art. 8 Abs. 3 BV, Art. 58a BüG; Verwirklichung der Geschlechtergleichheit bei der Anwendung einer Übergangsbestimmung zur erleichterten Einbürgerung. Eintretensvoraussetzungen (E. 1). Prozessuale Behandlung eines verspätet nachgereichten Rechtsgutachtens (E. 2). Seit Einführung der Geschlechtergleichheit im Jahre 1981 bzw. deren daran anschliessenden Umsetzung im Bürgerrechtsgesetz wird das Bürgerrecht von beiden Geschlechtern gleichermassen weitergegeben. Auch bei der Anwendung der Übergangsregelung, die den früheren Verlust des Bürgerrechts auf Seiten der Frauen kompensiert, ist die Gleichbehandlung der Geschlechter zu verwirklichen. Dem 1982 geborenen Urenkel einer Schweizerin, die 1920 wegen Heirat das Schweizer Bürgerrecht verloren und dieses gleich wie in der Folge ihre Tochter und deren Sohn (Grossmutter und Vater des Gesuchstellers) Jahre später nach jeweils entsprechenden Gesetzesanpassungen wieder angenommen hatte, steht daher die erleichterte Einbürgerung offen (E. 3 und 4).

138 II 331 (1C_237/2011) from 6. Juni 2012
Regeste: Art. 11 und 25 USG, Art. 7 und Anhang 6 LSV; Berücksichtigung von nicht ständig auftretenden Lärmspitzen im Baubewilligungsverfahren. Eintretensvoraussetzungen (E. 1). Für die Zulässigkeit des von einer Anlage erzeugten Lärms ist anhand der Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob auf die effektive Betriebsdauer der Lärmquelle selbst oder des Gesamtbetriebes abgestellt wird. Eine auch als "Lärmverdünnung" bezeichnete Umrechnung des Lärms kommt namentlich bei Verkehrsanlagen in Frage. Damit sind maschinelle Lärmspitzen nicht vergleichbar. Wenn der während der effektiven Betriebszeit verursachte Lärm den zulässigen Planungswert und sogar den Immissionsgrenzwert übersteigt, steht dies der Erteilung einer Baubewilligung grundsätzlich entgegen (E. 2-4). Eine Ausnahme ist nur zulässig, wenn die Lärmspitzen von der Dauer und Häufigkeit her zeitlich beschränkt auftreten (E. 5).

138 III 67 (4A_489/2011, 4A_491/2011) from 10. Januar 2012
Regeste: a Art. 340 Abs. 2 OR; Gültigkeit eines Konkurrenzverbotes. Erbringt der Arbeitnehmer dem Kunden eine Leistung, die vorwiegend von seinen persönlichen Fähigkeiten geprägt ist, so dass der Kunde diesen Fähigkeiten eine grössere Wichtigkeit beimisst als der Identität des Arbeitgebers, ist ein Konkurrenzverbot gestützt auf den Einblick in den Kundenkreis ungültig (E. 2.2).

138 III 193 (5A_636/2011) from 10. Februar 2012
Regeste: Art. 212 ZGB; Bewertung eines landwirtschaftlichen Gewerbes im Eigengut eines Ehegatten; Ersatzforderungen der Errungenschaft auf Unternehmensertrag. Das behördliche Schätzungsgutachten über den Ertragswert und den Nutzwert ist für das Zivilgericht verbindlich (E. 3), während die Ermittlung des Verkehrswertes der freien gerichtlichen Beweiswürdigung unterliegt (E. 4). Aufwendungen zur Erhaltung und Erneuerung des Betriebsinventars vermindern den Unternehmensertrag und damit die Errungenschaft (E. 5). Beweisthema bei Investitionen ist der konkrete Zahlungsfluss (E. 6).

138 III 232 (5A_581/2011) from 5. März 2012
Regeste: Art. 278 SchKG, Arresteinsprache; Glaubhaftmachung der Arrestforderung. Grundsätze zur Arrestbewilligung und -einsprache sowie zur Anfechtung des Einspracheentscheides (E. 4.1). Prüfung, ob die Arrestforderung gegenüber der Republik Usbekistan oder einer staatlich gegründeten Einrichtung besteht (E. 4.2-4.5).

138 III 252 (4A_648/2011) from 4. April 2012
Regeste: a Art. 316 Abs. 2, Art. 250 lit. c Ziff. 8 und Art. 253 ZPO; zweiter Schriftenwechsel vor der Rechtsmittelinstanz. Die Berufungsinstanz verfügt über einen weiten Ermessensspielraum beim Entscheid darüber, ob sie einen zweiten Schriftenwechsel anordnen will; das Bundesgericht kann einen solchen kantonalen Entscheid nur mit Zurückhaltung überprüfen. Es rechtfertigt sich, einen zweiten Schriftenwechsel nur einschränkend zuzulassen, dies erst recht, wenn die Berufung im summarischen Verfahren ergriffen worden ist (E. 2.1).

138 III 337 (4A_741/2011) from 11. April 2012
Regeste: Art. 49 OR; Genugtuungsanspruch einer juristischen Person bei widerrechtlicher Verletzung ihrer Persönlichkeit. Eine juristische Person kann gestützt auf Art. 49 OR Genugtuung verlangen (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 6.1). Kriterien, die bei der gerichtlichen Festsetzung der einer juristischen Person zuzusprechenden Genugtuungssumme zu beachten sind (E. 6.3).

138 III 471 (4A_66/2012) from 29. Mai 2012
Regeste: a Handelsgericht, Ausnahme vom Grundsatz der "double instance cantonale" (Art. 75 Abs. 1 und 2 lit. b BGG; Art. 6 ZPO). Zulässigkeit der direkten Beschwerde gegen Entscheide eines Fachgerichts für handelsrechtliche Streitigkeiten (E. 1).

138 III 489 (5A_473/2011) from 29. Mai 2012
Regeste: Art. 19 und 95 IPRG; Erbvertragsstatut und ausländisches Erbvertragsverbot. Massgebend für den Erbvertrag ist das Recht am Wohnsitz des Erblassers bzw. der Verfügenden zur Zeit des Vertragsabschlusses und nicht im Zeitpunkt des Todes (E. 3). Im zu beurteilenden Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass das brasilianische Erbvertragsverbot zwingend anzuwenden ist und damit den nach schweizerischem Recht gültig abgeschlossenen Erbvertrag als nichtig erscheinen lässt (E. 4).

138 III 636 (5A_365/2012) from 17. August 2012
Regeste: Art. 278 SchKG, Art. 254 ZPO; Verfahren der Einsprache gegen den Arrestbefehl; Beweis. Zulässiges Beweismittel (E. 4).

138 IV 1 (6B_729/2010) from 8. Dezember 2011
Regeste: Art. 305bis StGB; Art. 260ter StGB; aArt. 59 Ziff. 3 StGB; Art. 72 StGB; Beweis der verbrecherischen Herkunft von Vermögenswerten einer kriminellen Organisation bei der Geldwäscherei. Bei der Geldwäscherei von Vermögenswerten einer kriminellen Organisation dürfen an den Nachweis der Vortat keine höheren Anforderungen gestellt werden als bei den anderen Fällen der Geldwäscherei. Der Beweis, dass ein Verbrechen vorausging, reicht aus. Exakte Kenntnis des Verbrechens und des Täters ist nicht erforderlich. Ebenso wenig wird verlangt, dass ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang zwischen den individualisierbaren, im Rahmen der kriminellen Organisation begangenen Verbrechen und den gewaschenen Vermögenswerten aufgezeigt wird. Der von der Rechtsprechung geforderte "absichtlich lockere" Zusammenhang (BGE 120 IV 323 E. 3d S. 328) ist ausreichend erstellt, wenn bewiesen ist, dass die Verbrechen im Rahmen der kriminellen Organisation verübt wurden und die Vermögenswerte von dieser herrühren. Zwischen den Verbrechen gesamthaft betrachtet und den Vermögenswerten muss ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang gegeben sein, selbst wenn die verbrecherische Herkunft nur eine indirekte ist (E. 4.2.3.2). Genügt die Vermutung von Art. 72 StGB, um die verbrecherische Herkunft von Geldern im Besitz eines Mitglieds der kriminellen Organisation für die Anwendung von Art. 305bis StGB zu erstellen? Die Frage wurde offengelassen (E. 4.2.3.2).

138 IV 13 (6B_345/2011) from 17. November 2011
Regeste: Grobe Verletzung von Sitte und Anstand in der Öffentlichkeit (Art. 19 des Strafrechts des Kantons Appenzell A.Rh.), "Nacktwandern"; Gesetzgebungskompetenz der Kantone auf dem Gebiet des Übertretungsstrafrechts (Art. 335 Abs. 1 StGB); Bestimmtheitsgebot (Art. 1 StGB); persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV); Verbotsirrtum (Art. 21 StGB); Strafbefreiung wegen fehlenden Strafbedürfnisses (Art. 52 StGB). Die Kantone sind gestützt auf Art. 335 Abs. 1 StGB befugt, das "Nacktwandern" im öffentlichen Raum unter Strafe zu stellen (E. 3). Eine Norm, welche demjenigen Strafe androht, der "öffentlich Sitte und Anstand grob verletzt", ist hinreichend bestimmt (E. 4). Das "Nacktwandern" kann willkürfrei als grobe Verletzung von Sitte und Anstand qualifiziert werden (E. 5). Der Tatbestand setzt nicht voraus, dass der "Nacktwanderer" auf einen Menschen trifft, der dadurch in seinem Anstandsgefühl verletzt wird (E. 6). Verletzung des Grundrechts der persönlichen Freiheit verneint (E. 7). Verbotsirrtum verneint (E. 8). Keine Strafbefreiung wegen fehlenden Strafbedürfnisses (E. 9).

138 IV 81 (1B_145/2012) from 19. April 2012
Regeste: Art. 3 Abs. 2 lit. c, Art. 226 Abs. 2 und Art. 232 StPO; Art. 29 Abs. 2 BV; Haftanordnung des Berufungsgerichts; Begründungsanforderungen. Obwohl nach Art. 232 StPO die Verfahrensleitung, d.h. der Präsident des Berufungsgerichts zur Anordnung der Sicherheitshaft zuständig ist, kann darüber auch das Berufungsgericht in corpore entscheiden (E. 2.1). Der Entscheid muss den Anforderungen des analog anwendbaren Art. 226 Abs. 2 StPO genügen. Für die Begründung sind die aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO abgeleiteten Regeln massgebend (E. 2.2). Mit diesen Anforderungen nicht vereinbar ist die Haftanordnung im Dispositiv eines Berufungsentscheids, dessen Begründung drei Wochen später zugestellt wird (E. 2.3). Folgen der Verletzung der Begründungspflicht (E. 2.4). Wird die Haft im Rahmen eines Berufungsentscheids angeordnet, der zunächst nur im Dispositiv eröffnet wird, so muss der Haftentscheid als separate schriftliche Verfügung mit zumindest kurzer Begründung ausgefertigt werden. Diese Verfügung ist innert kürzester Frist zu eröffnen (E. 2.5).

138 V 9 (9C_501/2011, 9C_508/2011) from 19. Dezember 2011
Regeste: Art. 11 Abs. 1 lit. b ELG; Art. 12 Abs. 1 ELV; Mietwert der selbstbewohnten Liegenschaft als anrechenbare Einnahme. EL-rechtlich als Einkommen anzurechnen ist nicht der gekürzte steuerliche Mietwert einer selbstbewohnten Liegenschaft, sondern der nach Massgabe des kantonalen Steuerrechts (subsidiär: nach DBG) ermittelte ungekürzte Mietwert (E. 2.2, 3 und 4). Der Verweis in Art. 12 Abs. 1 ELV umfasst nur die steuerrechtlichen Grundsätze, nicht aber die - teilweise erheblich differierenden - kantonalen Regelungen bezüglich der prozentualen Besteuerung (E. 4).

138 V 17 (9C_495/2011) from 23. Dezember 2011
Regeste: Art. 10 Abs. 3 lit. b ELG; Art. 12 ELV; Begrenzung des Abzugs von Gebäudeunterhaltskosten und Hypothekarzinsen. Die Schranke des Bruttoertrages der Liegenschaft gilt für die Gebäudeunterhaltskosten und die Hypothekarzinsen zusammen (E. 4.2.1). Bei Personen, die in ihrer eigenen Wohnung oder in ihrem Haus leben, entspricht der den Abzug von Gebäudeunterhaltskosten und Hypothekarzinsen begrenzende Bruttoertrag der Liegenschaft dem Mietwert der Liegenschaft vor einer allfälligen prozentualen Kürzung wegen Selbstnutzung nach der Gesetzgebung über die direkte kantonale Steuer im Wohnsitzkanton oder allenfalls nach derjenigen über die direkte Bundessteuer (E. 4.2.3).

138 V 67 (9C_365/2011) from 17. Januar 2012
Regeste: Art. 10 Abs. 2 lit. b ELG; Betrag für persönliche Auslagen. Art. 4 Abs. 2 der Verordnung zum Einführungsgesetz des Kantons Genf über die bundesrechtlichen Ergänzungsleistungen zur AHV/IV widerspricht Bundesrecht, soweit diese Bestimmung vorsieht, dass die Höhe des Pauschalbetrags für persönliche Auslagen der in Heimen oder Spitälern lebenden anspruchsberechtigten Personen von deren tatsächlichen Ausgaben abhängt (E. 4).

138 V 74 (9C_131/2011) from 19. Dezember 2011
Regeste: a Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK; Art. 25 Abs. 2 zweiter Satz ATSG; Unschuldsvermutung, "in dubio pro reo"; Rückerstattung unrechtmässig bezogener Sozialversicherungsleistungen, längere strafrechtliche Verjährungsfrist. Die verfassungsmässigen Anforderungen an die Beweiswürdigung im Strafprozess gelten auch im sozialversicherungsgerichtlichen Rückerstattungsverfahren, wenn es um die vorfrageweise vorzunehmende Prüfung geht, ob sich der Rückforderungsanspruch aus einer strafbaren Handlung herleite, für welche das Strafrecht eine längere Verjährungsfrist als diejenigen von Art. 25 Abs. 2 erster Satz ATSG vorsieht (E. 7).

139 I 72 (2C_484/2010) from 29. Juni 2012
Regeste: Art. 30, 32 und 96 BV, Art. 6 und 7 EMRK, Art. 15 UNO-Pakt II, Art. 2 Abs. 1bis, Art. 4 Abs. 2, Art. 7 Abs. 1 und 2 lit. b, Art. 26 ff. und 49a KG. Kartellrechtliche Sanktionen nach Art. 49a KG haben einen strafrechtlichen bzw. strafrechtsähnlichen Charakter. Die Garantien von Art. 6 und 7 EMRK sowie Art. 30 und 32 BV sind bei solchen Sanktionen anwendbar (E. 2). Anforderungen von Art. 6 EMRK können in einem Kartellsanktionsverfahren auch erst im Verwaltungsgerichtsverfahren erfüllt werden; Anforderungen an die Kognition des Verwaltungsgerichts (E. 4). Frage der genügenden Bestimmtheit von Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 lit. b KG für Sanktionen nach Art. 49a KG (E. 8). Relevanter Markt und marktbeherrschende Stellung (E. 9). Diskriminierung von Handelspartnern bei Preisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen als missbräuchliches Verhalten (Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 lit. b KG; E. 10).

139 I 229 (2C_806/2012, 2C_807/2012) from 12. Juli 2013
Regeste: Art. 4, 18 und 70 BV; Art. 3 KV/GR, Art. 2, 7 und 8 der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitssprachen: Der Beschluss der Bündner Regierung vom 5. Dezember 2011, wonach ein Wechsel der Schulsprache vom Rumantsch Grischun zum Idiom oder umgekehrt grundsätzlich nur auf den Beginn der 1. Primarschulklasse erfolgen kann, berührt den Schutzbereich der Sprachenfreiheit nicht und erweist sich auch nicht als konventionswidrig. Die individuelle Sprachenfreiheit garantiert das Recht, sowohl Rumantsch Grischun als auch ein romanisches Idiom zu sprechen (E. 5.4). Einschränkung der Sprachenfreiheit durch das Amtssprachen- und Territorialitätsprinzip (E. 5.5) sowie durch die staatliche Festlegung der Unterrichtssprache (E. 5.6). Der Verfassungsbegriff des "Rätoromanischen" lässt offen, ob damit "Rumantsch Grischun" oder die Idiome gemeint sind (E. 5.7). Daher ist der Schutzbereich der Sprachenfreiheit durch den angefochtenen Beschluss nicht berührt (E. 5.8 und 5.9). Der Charta der Regional- oder Minderheitssprachen ist hinreichend Rechnung getragen worden (E. 6).

139 II 404 (2C_269/2013) from 5. Juli 2013
Regeste: Art. 43, 84a, 89 Abs. 1 und Art. 103 BGG; Art. 6 EMRK; Art. 26 DBA-USA 96; internationale Amtshilfe in Steuerfragen mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Verfahrensgrundsätze: Anwendbares Recht und Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (E. 1). Beschwerdelegitimation des Kontoinhabers und des wirtschaftlich Berechtigten (E. 2). Keine aufschiebende Wirkung der Beschwerde von Gesetzes wegen (E. 4). Keine Möglichkeit der nachträglichen Ergänzung der Beschwerdeschrift (E. 5). Die strafprozessualen Garantien sind auf das Verfahren der internationalen Amtshilfe in Steuerfragen nicht anwendbar (E. 6). Ein gerichtliches Urteil über die Verweigerung der Amtshilfe entfaltet nur eine eingeschränkte materielle Rechtskraft und hindert den ersuchenden Staat nicht, ein neues, verbessertes Gesuch in der gleichen Sache zu stellen (E. 8). Auf Rechtsmittel, die stellvertretend für einen Dritten eingereicht werden, ist nicht einzutreten (E. 11). Verfahren betreffend die internationale Amtshilfe in Steuerfragen sind Streitigkeiten mit Vermögensinteresse (E. 12). Gruppenanfragen: Auf ein auf das DBA-USA 96 gestütztes Amtshilfegesuch, welches die Namen der betroffenen Steuerpflichtigen nicht erwähnt, ist grundsätzlich einzutreten, sofern die Darstellung des Sachverhalts genügend detailliert ist, um einen Verdacht auf Betrugsdelikte und dergleichen zu ergeben und die Identifikation der gesuchten Personen zu ermöglichen (E. 7.2). Der nicht namentlich genannte Informationsinhaber muss mit einem für den ersuchten Staat zumutbaren Aufwand identifiziert werden können (E. 7.3). Betrugsdelikte und dergleichen: Die von den Vereinigten Staaten von Amerika erhobene Quellensteuer auf Zinsen und Dividenden aus amerikanischen Wertschriften fällt in den Anwendungsbereich des DBA-USA 96 (E. 9.2). Begriff der Betrugsdelikte und dergleichen gemäss Art. 26 DBA-USA 96 (E. 9.3-9.5). Die vom IRS beschriebene Vorgehensweise der betroffenen Steuerpflichtigen erfüllt die Anforderungen des Abgabe- und des Steuerbetrugs; sie war nicht nur darauf ausgerichtet, die normale Einkommenssteuer der an der Gesellschaft wirtschaftlich berechtigten Personen zu hinterziehen, sondern auch den vom IRS zur Absicherung dieser Einkommenssteuerpflicht eingerichteten Kontrollmechanismus zu hintergehen (E. 9.7 und 9.8); das dazu benutzte Formular hat Urkundencharakter (E. 9.9).

139 II 499 (1C_175/2013) from 11. September 2013
Regeste: a Plangenehmigungsverfügung für eine 380/220/132/65 kV-Hochspannungsleitung zwischen Bitsch/Massaboden-Filet/Mörel-Ulrichen (Gommerleitung).

139 III 67 (4A_435/2012) from 4. Februar 2013
Regeste: a Streitwert. Kein Streitwerterfordernis für Beschwerden in Zivilsachen gegen Urteile kantonaler Handelsgerichte (Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG i.V.m. Art. 6 ZPO); Streitwert als Voraussetzung der sachlichen Zuständigkeit des Handelsgerichts gemäss Art. 6 Abs. 2 lit. b ZPO (E. 1.2).

139 III 182 (4A_607/2012) from 21. Februar 2013
Regeste: a Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG; Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Ob Art. 116 Abs. 1 ZPO dem kantonalen Recht erlaubt, das Zusprechen einer Parteientschädigung auszuschliessen, stellt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (E. 1.1-1.3).

139 III 252 (4A_655/2012) from 25. Februar 2013
Regeste: Art. 72 Abs. 2 lit. b und Art. 75 Abs. 2 BGG; Haftung des Staates für die Tätigkeit von Spitalärzten; Rechtsweg, Erfordernis des doppelten kantonalen Instanzenzugs. Die Beschwerde in Zivilsachen steht offen gegen in Anwendung von kantonalem öffentlichem Recht ergangene Entscheide über die Verantwortlichkeit für rechtswidrige Handlungen von in öffentlichen Spitälern angestellten Ärzten (E. 1.1-1.5; Bestätigung der Rechtsprechung). In diesen Fällen hat das kantonale Recht, wenn sie ab dem 1. Januar 2011 entschieden wurden, ein Rechtsmittel an ein oberes Gericht zuzulassen. Die Kantone bleiben jedoch frei in der Bestimmung der ersten Instanz (E. 1.6).

139 III 263 (4A_702/2012) from 18. März 2013
Regeste: Art. 46 Abs. 1 VVG; Art. 131 OR. Die aus einem Verdienstausfallversicherungsvertrag geschuldeten Renten verjähren je nach zwei Jahren, entsprechend der in Art. 46 Abs. 1 VVG vorgesehenen Frist. Diese Bestimmung regelt die besondere Frage des Erlöschens des Grundverhältnisses, das dem Rentenanspruch zugrunde liegt, nicht. Dafür ist einzig der Art. 131 OR einschlägig, wobei das Grundverhältnis der zehnjährigen Frist nach Art. 127 OR unterliegt (E. 1 und 2, insb. 2.5).

139 III 444 (5A_236/2013) from 12. August 2013
Regeste: Art. 80 ff. SchKG; Prüfungsbefugnis des Rechtsöffnungsrichters. Der mit einem Rechtsöffnungsgesuch befasste Richter ist nicht zur Prüfung zuständig, ob die strittige Betreibung unzulässig sei, weil der Betreibende bereits eine oder mehrere Betreibungen für die gleiche Forderung eingeleitet hat (E. 4).

139 III 471 (5A_345/2013) from 19. September 2013
Regeste: Art. 106 Abs. 1 und Art. 116 ZPO; Zusprechung einer Parteientschädigung im Falle der Gutheissung einer Rechtsverzögerungsbeschwerde. Wird eine Beschwerde wegen Rechtsverzögerung im Sinne von Art. 319 lit. c ZPO gutgeheissen, muss der Kanton in Anwendung von Art. 106 Abs. 1 ZPO eine Parteientschädigung zahlen, ausser gestützt auf Art. 116 ZPO erlassenes kantonales Recht befreie ihn davon (E. 3).

139 III 504 (5A_408/2013) from 8. November 2013
Regeste: a Art. 76 Abs. 1 BGG; Unterscheidung zwischen Beschwerderecht und Aktiv- oder Passivlegitimation. Das Beschwerderecht im Sinne von Art. 76 Abs. 1 BGG ist eine Prozessvoraussetzung, währenddem die Aktiv- oder Passivlegitimation eine Voraussetzung des materiellen Rechts ist (E. 1.2).

139 IV 98 (1B_481/2012) from 22. Januar 2013
Regeste: Art. 273 Abs. 3 StPO; Art. 14 Abs. 4 BÜPF; rückwirkende Internet-Teilnehmeridentifikation (IP-Adresse), Sechsmonats-Frist. Anwendungsbereich der Sechsmonats-Frist von Art. 273 Abs. 3 StPO. Bei Delikten, welche über das Internet begangen wurden, geht Art. 14 Abs. 4 BÜPF (als "lex specialis") dem Art. 273 Abs. 3 StPO vor (E. 4).

139 IV 265 (1B_49/2013, 1B_65/2013) from 10. Oktober 2013
Regeste: Art. 149 Abs. 1 und 2 lit. a sowie Art. 150 Abs. 1 StPO, Art. 98 BGG; Zusicherung der Anonymität im Strafverfahren. Frage offengelassen, ob die Zusicherung der Anonymität eine vorsorgliche Massnahme darstellt (E. 2.5). Die Zusicherung der Anonymität setzt ernsthafte Anzeichen einer konkreten Gefährdung des Betroffenen voraus. Solche hat die Vorinstanz im zu beurteilenden Fall ohne Bundesrechtsverletzung verneint (E. 4).

139 V 127 (9C_1036/2012) from 27. März 2013
Regeste: Art. 56a Abs. 1 BVG (in der bis Ende 2011 gültigen Fassung); Rechtsweg. Der Rückgriffsanspruch des Sicherheitsfonds BVG gegen die Eidgenossenschaft mit der Begründung, diese habe ihre direkte Aufsichtspflicht über eine Vorsorgeeinrichtung verletzt, ist auf dem Klageweg gemäss Art. 73 BVG und nicht im Rahmen der Staatshaftung durchzusetzen (E. 5).

139 V 176 (9C_400/2012) from 4. April 2013
Regeste: a Art. 85 Abs. 1 lit. a BGG; Art. 52 und 56a BVG; Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten in verantwortlichkeitsrechtlichen Streitigkeiten der beruflichen Vorsorge. Frage offengelassen, ob Rechtsstreitigkeiten gestützt auf die Verantwortlichkeitsbestimmungen von Art. 52 und 56a BVG Fälle einer Staatshaftung im Sinne von Art. 85 Abs. 1 lit. a BGG darstellen (E. 2.2).

139 V 331 (8C_17/2013) from 31. Mai 2013
Regeste: Art. 20 Abs. 2 und 3 UVG; Art. 32 Abs. 2 UVV; Komplementärrente. Keine analoge Anwendung von Art. 32 Abs. 2 UVV auf den Fall, in welchem der eine Invalidenrente begründende Unfall (wenn auch nur kurz) vor dem die Hinterlassenenrente der AHV auslösenden Ereignis stattgefunden hat (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 4).

140 I 90 (2C_169/2013) from 20. Januar 2014
Regeste: Art. 89 Abs. 1 BGG; Art. 115 lit. b BGG; Beschwerdelegitimation des Gemeinwesens gegen die Auferlegung einer finanziellen Verpflichtung durch ein übergeordnetes Gemeinwesen; qualifizierte Betroffenheit in hoheitlichen Befugnissen. Ein Gemeinwesen (welches die Voraussetzungen von Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG nicht erfüllt) ist gestützt auf Art. 89 Abs. 1 BGG legitimiert, die Auferlegung einer finanziellen Verpflichtung durch ein übergeordnetes Gemeinwesen anzufechten, wenn und soweit es darlegt, dass es in hoheitlichen Befugnissen berührt ist und zentrale öffentliche Interessen auf dem Spiel stehen (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 1). Strenge Voraussetzungen für die Legitimation des Gemeinwesens zur Erhebung der subsidiären Verfassungsbeschwerde (E. 2).

140 I 125 (1B_369/2013) from 26. Februar 2014
Regeste: Art. 7 und 10 Abs. 3 BV; Art. 3 EMRK; Art. 3 Abs. 1, Art. 235 Abs. 1 und 5 sowie Art. 381 Abs. 1 StPO; Haftbedingungen im Gefängnis Champ-Dollon; Beschwerdelegitimation der Staatsanwaltschaft. Legitimation der Staatsanwaltschaft zur Beschwerde gegen einen Entscheid, in dem die Rechtswidrigkeit der Haftbedingungen festgestellt wird; Bestimmung des Rechtsmittels, im konkreten Fall Beschwerde und nicht Berufung (E. 2). Anforderungen an die Haftbedingungen gemäss EMRK, BV sowie Bundes- und kantonalen Gesetzen (E. 3.1 und 3.2); Rechtsprechung des Bundesgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (E. 3.3 und 3.4); Lehre (E. 3.5). Beschreibung der Haftbedingungen im Gefängnis Champ-Dollon, wo seit mehreren Jahren eine anhaltend schwere Überbelegung herrscht (E. 3.6.1); die Belegung einer für drei Personen konzipierten Zelle mit einer Bruttofläche von 23 m2 durch sechs Insassen kann die Menschenwürde verletzen, wenn sie fast drei Monate andauert und mit anderen Mängeln einhergeht, wie der Einschliessung in die Zelle während 23 Stunden pro Tag; anders verhält es sich, wenn drei Insassen eine Zelle mit einer Bruttofläche von 12 m2 belegen; teilweise Gutheissung der Beschwerde und Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftbedingungen des Beschwerdeführers während 157 aufeinanderfolgenden Tagen (E. 3.6.3).

140 I 176 (2C_1076/2012, 2C_1088/2012) from 27. März 2014
Regeste: Art. 3 i.V.m. Art. 42 BV; Art. 26 Abs. 1 und 2 BV; Art. 36 BV; Art. 75b BV; Art. 127 Abs. 1 und 2 BV; Art. 134 BV; Art. 8a Abs. 2 und 3 RPG; rechtliche Qualifikation und Zulässigkeit einer Abgabe auf unbewirtschaftete Zweitwohnungen. Die im Streit liegende Abgabe ist eine Steuer und keine Kausalabgabe (E. 5). Die Zweitwohnungssteuer bezweckt insbesondere die bessere Auslastung der bereits bestehenden Zweitwohnungen auf dem Gemeindegebiet. Da ein Lenkungseffekt jedenfalls potentiell vorhanden ist, erscheint sie hierzu als grundsätzlich geeignet (E. 6). Die Gemeinde ist zur Einführung dieser Steuer kompetent: Die in der eidgenössischen Volksabstimmung vom 11. März 2012 angenommene Zweitwohnungsinitiative bzw. der damit neu geschaffene Art. 75b BV beinhalten keinen umfassenden und somit abschliessenden Lösungsansatz für die Problematik der sog. "kalten Betten" und stehen der hier streitigen kommunalen Zweitwohnungssteuer mithin nicht entgegen (E. 7.2). Auch bietet das kantonale Recht hinreichende Legiferierungsgrundlagen für die Gemeinde (E. 7.3 und 7.4). Eine Verletzung des Grundsatzes der Allgemeinheit der Besteuerung ist nicht zu erkennen (E. 7.5-7.10). Es ist nicht willkürlich, die Gleichartigkeit von Zweitwohnungssteuer und der ebenfalls erhobenen Liegenschaftensteuer zu verneinen (E. 8). Die Zweitwohnungssteuer bewirkt keine unzulässige Einschränkung der Eigentumsgarantie (E. 9).

140 I 240 (2C_89/2013, 2C_90/2013) from 13. Juni 2014
Regeste: Art. 30 Abs. 1 BV; Garantie des verfassungsmässigen Richters. Ein Richter bzw. eine Richterin kann nicht über Entscheide einer Behörde urteilen, die seine Ehefrau bzw. ihr Ehemann durch deren bzw. dessen Weisung als Chef oder Stellvertreter veranlasst hat (E. 2).

140 I 246 (6B_17/2014) from 1. Juli 2014
Regeste: Art. 3 EMRK; Art. 431 StPO; Verbot der Folter sowie von unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung; rechtswidrig angewandte Zwangsmassnahme, Wiedergutmachung. Die Festhaltung einer Person in einer fensterlosen und 24 Stunden auf 24 Stunden beleuchteten Zelle stellt, selbst für eine beschränkte Zeit von rund zehn Tagen, eine erniedrigende Behandlung in Verletzung von Art. 3 EMRK dar (E. 2.4.2). Die Feststellung einer solchen Verletzung genügt nicht als Wiedergutmachung (E. 2.5.2). Zusprechung einer Entschädigung (E. 2.6.1), wobei die Frage offengelassen wurde, ob in anderen Fällen eine andere Form der Wiedergutmachung denkbar ist (E. 2.6.2).

140 I 285 (2D_58/2013) from 24. September 2014
Regeste: Art. 9 und 50 Abs. 1 BV; Art. 83 lit. f und Art. 115 BGG; Art. 8 ZGB; Art. 21 BöB; IVöB; Reglement des Kantons Genf vom 17. Dezember 2007 über die Vergabe öffentlicher Aufträge; Beschwerdelegitimation einer Gemeinde; Gemeindeautonomie; Zulässigkeit eines Vergabekriteriums, welches die Lohnhöhe betrifft. Unzulässigkeit der Beschwerde im Rahmen von Art. 83 lit. f BGG (E. 1.1); Befugnis des Gemeinwesens, in seiner Eigenschaft als Vergabebehörde subsidiäre Verfassungsbeschwerde zu führen (E. 1.2). Standpunkt der Vorinstanz (E. 3). Autonomie der Gemeinde im betreffenden Bereich (E. 4). Es ist möglich, bei der Prüfung der Eignung des Angebots die gleichen Kriterien zu verwenden wie beim Zuschlag, wenn diese graduierbar sind (E. 5). Existenz einer allgemeinen Erfahrungsregel verneint, wonach ein direkter Bezug zwischen der Lohnhöhe und der Qualität der Leistungen bestünde (E. 6). Sozial oder ökologisch motivierte Vergabekriterien ohne direkten Zusammenhang mit den Leistungen des öffentlichen Auftrags dürfen herangezogen werden, wenn ein Gesetz dies vorsieht (E. 7).

140 I 320 (8C_340/2014) from 15. Oktober 2014
Regeste: Art. 9 BV; Art. 34 des Bildungsgesetzes des Kantons Obwalden vom 16. März 2006; Art. 2 der Verordnung des Kantons Obwalden vom 25. April 2008 über das Anstellungsverhältnis der Lehrpersonen (Lehrpersonenverordnung) in Verbindung mit Art. 42 der Personalverordnung des Kantons Obwalden vom 29. Januar 1998. Verweist eine kantonale Norm des öffentlichen Personalrechts auf eine Bestimmung des OR, so gilt Letztere als kantonale Norm (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3.3). Ein kantonaler öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber handelt nicht willkürlich, wenn er im Rahmen einer fristlosen Kündigung eine Sozialfrist gewährt (E. 7 und 8).

140 II 141 (2C_960/2012, 2C_961/2012) from 23. Januar 2014
Regeste: a Art. 30 Abs. 1 BV; Unregelmässigkeit in der Zusammensetzung einer letzten kantonalen Instanz. Das Bundesgericht prüft die Korrektheit der kantonalrechtlich geregelten Zusammensetzung der Vorinstanzen nur, wenn eine entsprechende Rüge erhoben worden ist; es unterlässt dies, wenn - wie hier - die Beschwerdeführer ausdrücklich darauf verzichtet haben (E. 1).

140 II 364 (2C_348/2013, 2C_349/2013) from 23. Juni 2014
Regeste: Art. 111 BV; Art. 25, 33 Abs. 1 lit. e DBG; Art. 1a, 6 AHVG; Art. 5 Abs. 1, Art. 82, 89a, 89b BVG; Art. 1j Abs. 1 lit. a BVV 2; Art. 1, 7 BVV 3; Art. 9 Abs. 2 lit. e StHG; Art. 2, 8, 16 Abs. 1 und 2 FZA, Art. 9 Abs. 1 und 2, Art. 24 Anh. I FZA; Anh. II FZA; Art. 18, 45 AEUV; Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971; Art. 7 Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft; Zulässigkeit steuerlicher Abzüge der jährlichen Beiträge der Säule 3a von in der Schweiz Wohnenden und im Ausland Arbeitenden. Den jährlichen Beitrag für die Säule 3a kann nach DBG nur steuerlich abziehen, wer der AHV-Pflicht unterstellt ist (E. 2); dasselbe gilt nach dem StHG (E. 3). Die Säule 3a unterliegt nicht dem System der sozialen Sicherheit nach Art. 8 und Anh. II FZA (E. 4). Das Diskriminierungsverbot von Art. 9 Anh. I FZA bezieht sich nur auf Arbeitnehmer und nicht auf solche Personen, die im Aufnahmestaat (d.h. in casu in der Schweiz) nur Wohnsitz nehmen (E. 5). Die Regelung, wonach der jährliche Beitrag für die Säule 3a nur für denjenigen steuerlich abziehbar ist, der der AHV-Pflicht unterstellt ist, stellt weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Diskriminierung i.S. von Art. 2 FZA dar (E. 6).

140 III 86 (5A_420/2013) from 23. Januar 2014
Regeste: Art. 42 Abs. 2 BGG, Art. 18 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 1 OR; Pflicht zur Begründung der Rechtsverletzungen; Willenserklärung durch einen Vertreter. Anforderungen an die Begründung, welche die Verfahrensparteien zu erfüllen haben (E. 2). Auslegung des Willens des Vertreters, der dem Vertretenen zugerechnet wird (E. 4).

140 III 115 (4A_408/2013) from 17. Januar 2014
Regeste: Art. 1 Abs. 2 IPRG und Art. 5 Nr. 1 Bst. b zweiter Spiegelstrich LugÜ. Internationale Zuständigkeit. Konventionsautonome Bestimmung des Gerichtsstands am Erfüllungsort der vertragscharakteristischen Leistung bei einem internationalen (Retro-) Rückversicherungsvertrag (E. 3-7).

140 III 264 (5A_909/2013) from 4. April 2014
Regeste: Art. 157, 160 und 164 ZPO; Art. 105 Abs. 1 und Art. 97 BGG. Beweiswürdigung bei unberechtigter Verweigerung der Mitwirkung einer Partei. Verbindlichkeit der vorinstanzlichen Beweiswürdigung für das Bundesgericht. Es bestehen keine Vorgaben (Art. 157 ZPO), welche Schlüsse der Sachrichter aus dem Umstand ziehen soll, dass eine Partei bei der Beweiserhebung unberechtigterweise nicht mitwirkt. Die vor Bundesgericht erhobene Rüge, Art. 157 oder 164 ZPO sei verletzt, ändert nichts daran, dass das Ergebnis der vorinstanzlichen Beweiswürdigung für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich ist (Art. 105 Abs. 1 BGG). Voraussetzungen der Anfechtung der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen (Art. 97 BGG) und Begriff der Willkür (Art. 9 BV) im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung (E. 2.3).

140 III 385 (5A_356/2014) from 14. August 2014
Regeste: Art. 450 ff. ZGB; Anspruch auf Parteientschädigung im Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz. Der Bundesgesetzgeber hat die Regelung der Parteientschädigung im Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz den Kantonen überlassen. Regelung im Kanton Zürich (E. 2-5).

140 III 501 (4A_374/2013) from 23. September 2014
Regeste: Art. 106 ZPO, Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG; Auferlegung der Parteientschädigung an den Kanton im Rechtsmittelverfahren um unentgeltliche Rechtspflege, Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Ob die ZPO in einem (Rechtsmittel-)Verfahren um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege eine Grundlage für die Auferlegung der (vollen) Parteikosten an den Kanton als unterliegende Partei bietet, stellt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (E. 1.3). Obsiegt die um unentgeltliche Rechtspflege nachsuchende Partei im Beschwerdeverfahren, ist ihr vom Kanton die volle Parteientschädigung auszurichten (E. 4).

140 III 512 (5A_723/2013) from 3. September 2014
Regeste: Art. 99 SchKG; Pfändung von Bankguthaben, die der Betriebene mit Wohnsitz im Ausland bei einer ausländischen Zweigniederlassung der schweizerischen Bank als Drittschuldnerin hält. Eine Forderung, welche auf Beziehungen des Schuldners mit einer ausländischen Niederlassung des in der Schweiz domizilierten Drittschuldners beruht, gilt als an dessen schweizerischem Wohnsitz belegen (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3 ).

140 III 555 (5A_289/2014) from 21. Oktober 2014
Regeste: Art. 68 Abs. 2 lit. a ZPO; Begriff der berufsmässigen Vertretung. Berufsmässig handelt ein Vertreter bereits dann, wenn er bereit ist, in einer unbestimmten Zahl von Fällen tätig zu werden. Es kommt nicht darauf an, ob er ein Entgelt bezieht oder zu Erwerbszwecken als Vertreter auftritt (E. 2).

140 III 644 (5A_385/2014) from 24. Oktober 2014
Regeste: Art. 14 Abs. 1 SchKG, Art. 76 Abs. 1 lit. b, Art. 89 Abs. 1 und 2 lit. c BGG; administrative Aufsicht über die Betreibungsämter. Beschwerde einer Gemeinde gegen die kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibung und Konkurssachen, welche die Einführung eines EDV-Programms für die Betreibungsämter im Kanton angeordnet hat (E. 2 und 3).

140 V 136 (8C_789/2013) from 10. März 2014
Regeste: a Art. 97 Abs. 1 und 2, Art. 105 Abs. 2 und 3 BGG; Kognition. Das Bundesgericht urteilt mit eingeschränkter Kognition, wenn lediglich die Auszahlungsmodalität einer unbestrittenen Geldleistung (Waisenrente) streitig ist (E. 1.2).

140 V 543 (9C_648/2013) from 17. Oktober 2014
Regeste: Art. 42sexies IVG; Art. 39e und 39f IVV; Assistenzbeitrag. Das standardisierte Abklärungsinstrument FAKT2 ist grundsätzlich geeignet, den gesamten Hilfebedarf einer versicherten Person zu ermitteln (E. 3.2.2). Die Höhe des Pauschalansatzes für den Assistenzbeitrag von Fr. 32.50 resp. 32.80 pro Stunde gemäss Art. 39f Abs. 1 IVV ist gesetzeskonform (E. 3.3). Im Verfahren betreffend den Assistenzbeitrag kann eine neue Abklärung von Aspekten der Hilflosigkeit namentlich dann angezeigt sein, wenn sie zwar nicht für den Schweregrad der Hilflosigkeit und den entsprechenden Entschädigungsanspruch, jedoch für den Anspruch auf Assistenzbeitrag bedeutsam sind (E. 3.4.4). Was unter einer Institution im Sinne von Art. 42sexies Abs. 2 IVG und Art. 39e Abs. 4 IVV zu verstehen ist, ergibt sich in erster Linie aus Art. 3 IFEG. Die in Art. 39e Abs. 4 IVV vorgesehene pauschale Kürzung des Höchstansatzes entsprechend dem regelmässigen Aufenthalt in einer solchen Institution ist gesetzmässig (E. 3.5). Die Höchstansätze von Art. 39e IVV beinhalten die durch die Hilflosenentschädigung und allfällige Beiträge für Dienstleistungen Dritter oder an Grundpflege nach Art. 25a KVG zu deckende Zeit (E. 3.6.3).

141 I 1 (8D_1/2014) from 4. Februar 2015
Regeste: Art. 8 Abs. 1 und 2, Art. 41 Abs. 1 lit. e und Abs. 4 BV; Art. 39A des Gesetzes des Kantons Genf vom 4. Dezember 1977 über das Wohnungswesen und den Mieterschutz; Aufhebung des Anspruches auf Mietbeihilfen für Bezüger von Ergänzungsleistungen zur AHV/IV. Das im genferischen Recht enthaltene Verbot der Kumulation von Mietbeihilfen und bundes- sowie kantonalrechtlichen Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung ist nicht bundesrechtswidrig (E. 5).

141 I 36 (2C_291/2014) from 15. Dezember 2014
Regeste: Art. 50 Abs. 1 BV; Art. 3, 65 und 89 KV/GR; Art. 82 lit. b, Art. 89 Abs. 1, Art. 95, 111 Abs. 1 BGG. Art. 32 des Gesetzes des Kantons Graubünden vom 21. März 2012 über die Volksschulen, wonach ein Wechsel der Schulsprache vom Rumantsch Grischun zum Idiom oder umgekehrt aufbauend von Schuljahr zu Schuljahr erfolgt, verletzt die Gemeindeautonomie nicht. Besteht eine kantonale Verfassungsgerichtsbarkeit, kann im bundesgerichtlichen Verfahren (Art. 82 lit. b BGG) nicht nur die Aufhebung des letztinstanzlichen kantonalen Entscheids, sondern auch des zu überprüfenden kantonalen Erlasses beantragt werden, und richtet sich die Beschwerdelegitimation nach den Grundsätzen des abstrakten Normenkontrollverfahrens (E. 1.2.2). Private können sich auf die Gemeindeautonomie berufen, soweit diese Garantie eine Auswirkung auf ihre rechtliche oder tatsächliche Stellung haben kann (E. 1.2.4). Eine kantonale Regelung, welche die Autonomiebeschwerde nur den Gemeinden zugesteht, ist bundesrechtswidrig (E. 5.1). Kognition des Bundesgerichts bei Beschwerden wegen Verletzung der Gemeindeautonomie (E. 5.3 und 5.4). Den Gemeinden des Kantons Graubünden kommt bei der Festlegung der Schulsprache eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit und damit Autonomie zu (E. 5.5). Der gesetzliche Ausschluss eines Sprachwechsels für bereits eingeschulte Kinder (E. 5.6.1) beruht auf der die Gemeindeautonomie relativierenden verfassungsrechtlichen Vorgabe von Art. 3 Abs. 3 KV/GR, wonach die Schulsprache in Zusammenwirken mit dem Kanton festzusetzen ist (E. 5.6.2 und 5.6.3), und auf der pädagogischen Überlegung, dass die Kinder im Verlaufe der Schulzeit nicht zu einem Wechsel der Schulsprache gezwungen werden sollen (E. 5.6.4-5.6.6). Die sachlich gerechtfertigte Regelung verletzt die Gemeindeautonomie nicht (E. 5.7).

141 I 78 (2C_1194/2013, 2C_645/2014) from 30. März 2015
Regeste: Art. 8 Abs. 1, Art. 127 Abs. 2 und Art. 129 Abs. 2 BV; Art. 53 Abs. 1, Art. 56 Abs. 1bis und Art. 57b Abs. 1 StHG; reduzierte Steuersätze bei strafloser Selbstanzeige gemäss Art. 309e und 314e des Steuergesetzes des Kantons Tessin vom 21. Juni 1994; "kantonale Steueramnestie". Legitimation zur Anfechtung eines kantonalen Erlasses, mit dem ein Steuertarif geändert wird; Bestätigung der Rechtsprechung, wonach die im betreffenden Kanton ansässigen Steuerpflichtigen zur Beschwerde befugt sind (E. 3.1 und 3.2). Ausstandsgründe, wenn ein ehemaliger nebenamtlicher Bundesrichter Beschwerde erhebt; Bestätigung der Rechtsprechung, wonach die blosse Kollegialität unter Gerichtsmitgliedern keine Ausstandspflicht begründet (E. 3.3). Die Einführung reduzierter Steuersätze bei strafloser Selbstanzeige verletzt die entsprechenden Bestimmungen des StHG, und die Anwendung dieser Steuersätze kann nicht durch Anrufung von Art. 129 Abs. 2 BV gerechtfertigt werden (E. 7). Verstoss der Einführung reduzierter Steuersätze bei strafloser Selbstanzeige gegen Art. 8 Abs. 1 und Art. 127 Abs. 2 BV und Unmöglichkeit, die Verletzung dieser Bestimmungen gestützt auf allgemeine finanzpolitische Ziele zu rechtfertigen; deren Verwirklichung hätte einschneidende Folgen für die Anwendung der gesamten Tarife und würde offensichtlich jene begünstigen, die Steuern hinterzogen haben (E. 9).

141 I 124 (6B_730/2014) from 2. März 2015
Regeste: Art. 27 und 29 Abs. 3 BV; Art. 132 und 135 Abs. 1 StPO; Wirtschaftsfreiheit, Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand, Entschädigung der amtlichen Verteidigung. Die amtliche Verteidigung erfüllt eine staatliche Aufgabe und fällt nicht in den Geltungsbereich von Art. 27 BV (E. 4.1). Sie wird nach dem Anwaltstarif des Bundes oder desjenigen Kantons entschädigt, in dem das Strafverfahren geführt wurde. Ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand besteht nur, soweit es zur Wahrung der Rechte notwendig ist (E. 3.1). Es ist in erster Linie Sache der kantonalen Behörden, die Angemessenheit anwaltlicher Bemühungen zu beurteilen. Ihnen steht bei der Festsetzung des Honorars ein weites Ermessen zu (E. 3.2). Die Festsetzung des Honorars im Rahmen einer Pauschale ist zulässig und verletzt als solche das Recht auf wirksame Verteidigung nicht (E. 4.2 und 4.3).

141 I 172 (2C_1006/2014) from 24. August 2015
Regeste: Art. 9, 29 Abs. 1 und Art. 29a BV; Art. 86 Abs. 3 BGG; Art. 110 DBG und Art. 39 Abs. 1 StHG; Art. 320 StGB. Oberaufsicht des Parlaments über die Verwaltung; Steuergeheimnis; Ausnahme von der Rechtsweggarantie; Willkürverbot und Verbot formeller Rechtsverweigerung. Überweisung von Steuerdossiers der beschwerdeführenden Steuerpflichtigen durch die kantonale Regierung an die parlamentarische Geschäftsprüfungskommission, die eine Untersuchung über angebliche Missstände in der Verwaltung führt. Der Ausschluss der Zuständigkeit der kantonalen Gerichtsbehörden für die Prüfung der Ausübung der parlamentarischen Oberaufsicht verletzt weder das Willkürverbot (E. 4.3) noch die Rechtsweggarantie; die Oberaufsicht trägt überwiegend politische Züge, was den Kantonen erlaubt, eine Ausnahme von der Rechtsweggarantie vorzusehen (E. 4.4 und 4.5). Da die Ausübung der Oberaufsicht die Beschwerdeführenden nicht direkt in ihren Rechten berührt und diese nicht glaubhaft machen konnten, dass eine für sie nachteilige atypische Verfahrensart vorliegt, konnten sie von der Regierung nicht zulässigerweise verlangen, es sei ihnen eine beschwerdefähige Verfügung über die Aufhebung des Steuer- und Amtsgeheimnisses der Verwaltung zuzustellen (E. 5).

141 II 307 (2C_919/2014, 2C_920/2014) from 21. August 2015
Regeste: Art. 89, 95 und 110 BGG, Art. 3, 5 und 9 Abs. 2bis BGBM. Öffentliches Beschaffungsrecht; Einladungsverfahren; Beschwerdebefugnis der Anbieterin, die an einem Einladungsverfahren teilgenommen hat; Rechtsanwendung von Amtes wegen. Zulässigkeit des Einladungsverfahrens (E. 5). Die Beschwerdelegitimation richtet sich auch für das kantonale Verfahren mindestens nach Art. 89 BGG. Das schutzwürdige Interesse, welches die Legitimation begründet, besteht dabei im praktischen Nutzen, der sich ergibt, wenn die Beschwerdeführerin mit ihren Anliegen obsiegt. Sind die Voraussetzungen von Art. 89 BGG erfüllt, ist die Beschwerdeführerin mit sämtlichen in Art. 95 BGG vorgesehenen Rügen zum Verfahren zugelassen. Diese allgemeinen Regeln gelten auch im Beschaffungsrecht (E. 6.1- 6.4). Muss das gesamte Verfahren wiederholt werden, könnte die im Einladungsverfahren unterlegene Anbieterin ein neues Angebot einreichen und ihre Chancen auf den Zuschlag erhöhen sich; es entsteht ihr ein praktischer Nutzen. Sie ist deshalb befugt, die Durchführung eines offenen Verfahrens zu beantragen. Tritt das kantonale Gericht auf die Beschwerde ein, hat es das Recht von Amtes wegen anzuwenden und muss offensichtliche rechtliche Mängel bei der Wahl des Vergabeverfahrens selbst ohne entsprechende Rüge der Beschwerdeführerin beseitigen (E. 6.5-6.8).

141 II 393 (1C_449/2014) from 7. Oktober 2015
Regeste: Art. 15 und 38a Abs. 2 RPG; Art. 52a Abs. 1 RPV; Änderungen des RPG (insbesondere die Übergangsbestimmungen), die am 1. Mai 2014 in Kraft getreten sind; Anwendung auf vor der letzten kantonalen Instanz hängige Verfahren. Prüfung von Art. 38a Abs. 2 RPG und Art. 52a Abs. 1 RPV (E. 2.1-2.3). Zusammenfassung der allgemeinen übergangsrechtlichen Grundsätze: Eine sofortige Anwendung des neuen Rechts im Beschwerdeverfahren drängt sich auf, wenn die neue Rechtsregel einem wichtigen öffentlichen Interesse entspricht, dessen Umsetzung unverzüglich zu erfolgen hat, und die Beschwerdeinstanz die Rechtmässigkeit mit voller Kognition überprüfen kann (E. 2.4). Art. 38a Abs. 2 RPG entspricht einem wichtigen öffentlichen Interesse: Es soll verhindert werden, dass Bauzonen vergrössert werden, solange eine mit dem neuen Recht übereinstimmende Richtplanung noch nicht erfolgt ist. Dies rechtfertigt die sofortige Anwendung dieser Bestimmung unter Einschluss der vor der letzten kantonalen Instanz hängigen Verfahren. Aufhebung des kantonalen Entscheids, der die Einzonung einer Parzelle von 14'292 m2 in die Bauzone bestätigt hatte (E. 3).

141 II 476 (1C_82/2015) from 18. November 2015
Regeste: Art. 11 Abs. 2 und Art. 25 Abs. 1 USG; Art. 7 Abs. 1 lit. a und b LSV; Abbruchbefehl für eine ohne Baubewilligung errichtete Wärmepumpe; kumulative Anwendung der Planungswerte und des Prinzips der vorsorglichen Emissionsbegrenzung im Bereich des Lärmschutzes. Der Schutz vor Lärmemissionen ist durch die kumulative Anwendung der Planungswerte (Art. 7 Abs. 1 lit. b LSV) und des Prinzips der vorsorglichen Emissionsbegrenzung (Art. 11 Abs. 2 USG und Art. 7 Abs. 1 lit. a LSV) gewährleistet (E. 3.2). Selbst wenn die Planungswerte eingehalten werden, verletzt eine nicht bewilligte, an einem bestimmten Ort errichtete Wärmepumpe das Prinzip der vorsorglichen Emissionsbegrenzung, wenn deren Installation an einem anderen, die Lärmbelastung reduzierenden Standort technisch möglich und wirtschaftlich tragbar ist (E. 3.4).

141 III 53 (5A_621/2013) from 20. November 2014
Regeste: Art. 206 Abs. 1 und 3 ZGB; Errungenschaftsbeteiligung; Teilung von Miteigentum an einem Grundstück im Scheidungsfall; Beteiligung desjenigen Ehegatten, der zum Erwerb des Grundstücks beigetragen hat, am konjunkturellen Mehrwert; Präzisierung der Rechtsprechung. Nach Art. 206 Abs. 1 ZGB hat der Ehegatte, der ohne entsprechende Gegenleistung zum Erwerb eines Vermögenswerts des andern beigetragen hat, über seine Rückerstattungsforderung hinaus Anspruch auf Beteiligung am Mehrwert, den der fragliche Vermögensgegenstand im Zeitpunkt der Auseinandersetzung aufweist. Wollen die Ehegatten die Anwendung dieser Regel ausschliessen, müssen sie hierzu gemäss Art. 206 Abs. 3 ZGB eine schriftliche Vereinbarung treffen (E. 5).

141 III 265 (4A_510/2014) from 23. Juni 2015
Regeste: Art. 128 und 206 ZPO; Ordnungsbusse im Schlichtungsverfahren. Darf die Schlichtungsbehörde eine Partei für ihr Nichterscheinen zur Schlichtungsverhandlung gestützt auf Art. 128 ZPO mit Ordnungsbusse bestrafen? Vorliegend ist die Verhängung von Ordnungsbussen jedenfalls mangels vorgängiger Androhung unzulässig (E. 3-5).

141 III 426 (4A_93/2015) from 22. September 2015
Regeste: Art. 107 f. ZPO; Kostenauflage an einen Dritten, der nicht Prozesspartei ist; unnötige Kosten. Einem Dritten können gestützt auf Art. 107 Abs. 1 ZPO keine Verfahrenskosten auferlegt werden (E. 2.3). Begriff der unnötigen Kosten im Sinne von Art. 108 ZPO. Frage offengelassen, ob die Auflage unnötiger Kosten zulasten eines Dritten ein vorwerfbares Verhalten voraussetzt (E. 2.4).

141 IV 249 (6B_1122/2014) from 29. Juni 2015
Regeste: Art. 11 und 117 StGB; fahrlässige Tötung; unechtes Unterlassungsdelikt; Garantenstellung aus Vertrag. Voraussetzungen einer Garantenpflicht im Allgemeinen. Unterscheidung zwischen Obhuts- und Überwachungspflichten (E. 1.1). Eine Garantenstellung aus Vertrag entsteht nicht schon durch die Vereinbarung als solche, sondern erst durch die faktische Übernahme der Stellung (E. 1.4.1).

141 IV 305 (6B_978/2014) from 23. Juni 2015
Regeste: Illegaler Abbruch eines schützenswerten Einfamilienhauses; Verjährung der Einziehung bei Übertretungen; Berechnung der Ersatzforderung; Art. 26 und 36 Abs. 3 BV; Art. 97 Abs. 3, Art. 70 f. und 109 StGB. Verjährung der Einziehung bei Übertretungen (E. 1). Anwendung des Brutto- oder Nettoprinzips bei der Festlegung einer Ersatzforderung (Zusammenfassung und Bestätigung der Rechtsprechung; E. 6.3.3). Kognition des Bundesgerichts bei Ersatzforderungen in Anwendung kantonalen Rechts (E. 6.4). Der Beschwerdeführer liess das Einfamilienhaus im Wissen um die verweigerte Entlassung des Objekts aus dem kommunalen Inventar der schützenswerten Kulturobjekte abreissen, um darauf eine gewinnbringende Überbauung vornehmen zu können. Nicht als willkürlich oder unverhältnismässig zu beanstanden ist unter diesen Umständen, wenn die Kosten des Abbruchs, d.h. der eigentlichen Straftat, und der Wert des abgebrochenen Gebäudes bei der Berechnung der Ersatzforderung nicht zum Abzug zugelassen werden. Unerheblich war, dass im Zeitpunkt des Einziehungsentscheids noch nicht mit letzter Sicherheit feststand, ob das Immobilienprojekt mit der höheren Ausnutzung überhaupt verwirklicht werden kann (E. 6.5). Ermittlung des Verkehrswerts des unüberbauten Grundstücks nach der Lageklassenmethode (E. 6.6).

141 IV 317 (6B_988/2014 und andere) from 23. Juni 2015
Regeste: Illegaler Abbruch eines schützenswerten Einfamilienhauses; Berechnung der Ersatzforderung gegenüber Drittbetroffenen; Art. 26 und 36 Abs. 3 BV; Art. 70 f. StGB. Illegaler Abbruch eines schützenswerten Einfamilienhauses durch einen Eigentümer und Vertreter des Baukonsortiums, wobei die weiteren Eigentümer (Drittbetroffene) das Haus bloss auf legale Weise zerstören wollten. Kognition des Bundesgerichts bei Ersatzforderungen in Anwendung kantonalen Rechts (E. 5.4). Anwendung des Brutto- oder Nettoprinzips bei der Festlegung einer Ersatzforderung (Zusammenfassung und Bestätigung der Rechtsprechung; E. 5.8.2). Das Nettoprinzip drängt sich vorliegend bei der Berechnung der Ersatzforderungen der Drittbetroffenen aus Gründen der Verhältnismässigkeit auf und ist auch mit dem Grundsatz "Verbrechen soll sich nicht lohnen" vereinbar. Es ist daher zumindest der von diesen bezahlte Kaufpreis für das Grundstück bzw. der Marktwert des Grundstücks vor Abbruch des Einfamilienhauses zum Abzug zuzulassen (E. 5.8.3-5.8.5).

141 IV 349 (6B_573/2015) from 17. Juli 2015
Regeste: Rechtswidrige Haftbedingungen; Wiedergutmachung nach Einritt der Rechtskraft des Strafurteils. Die Grundsätze zur Wiedergutmachung bei rechtswidrigen Bedingungen der Untersuchungshaft oder der geschlossenen stationären Behandlung sind mutatis mutandis auch auf den Strafvollzug anwendbar (E. 2.1). Nach Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils kann jedoch der vom Gefangenen aufgrund rechtswidriger Haftbedingungen während der Untersuchungshaft oder des Strafvollzugs erlittene Schaden grundsätzlich nicht mehr mit einer vorzeitigen Entlassung wiedergutgemacht werden. Vorbehalten bleiben ausserordentliche Umstände (E. 2.2). Sofern damit nicht in die Kompetenzen des Zwangsmassnahmengerichts gemäss Art. 18 Abs. 1 StPO eingegriffen wird, erscheint es nicht bundesrechtswidrig, die für den Straf- und Massnahmevollzug zuständige Behörde für die Beurteilung eines nach Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils gestellten Gesuchs um Feststellung der rechtswidrigen Bedingungen der Untersuchungshaft zuständig zu erklären (E. 3.1). Prüfung des Feststellungsinteresses des Gefangenen im Beschwerdeverfahren (E. 3.4). Ersucht ein Gefangener nach Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils um Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Haftbedingungen während der Untersuchungshaft sowie des Strafvollzugs, und hat die für den Straf- und Massnahmevollzug zuständige Behörde bereits über den ersten Zeitraum entschieden, ist es nicht überspitzt formalistisch, ihn für den zweiten Zeitraum an die nach kantonalem Recht zuständige Administrativbehörde zu verweisen (E. 4).

141 IV 369 (6B_462/2014) from 27. August 2015
Regeste: a Art. 9 BV; Stellenwert von Parteigutachten. Den Ergebnissen eines vom Beschuldigten in Auftrag gegebenen Parteigutachtens kommt lediglich die Bedeutung einer der freien Beweiswürdigung unterliegenden Parteibehauptung zu (E. 6).

141 V 186 (9C_617/2014) from 11. März 2015
Regeste: Art. 10 Abs. 1 AHVG; Art. 28 Abs. 1 und 2 AHVV; Rz. 2087 und 2088 der Wegleitung über die Beiträge der Selbstständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen (WSN) in der AHV, IV und EO; Begriff des "Renteneinkommens". Bestätigung der Rechtsprechung, wonach eine von der beruflichen Vorsorgeeinrichtung bis zum Erreichen des AHV-Rentenalters erbrachte Überbrückungsrente als Renteneinkommen im Sinne von Art. 28 AHVV zu qualifizieren ist (E. 3.1). Eine einmalige Leistung, vorliegend eine Barauszahlung freier Mittel aufgrund der Fusion zweier Einrichtungen der beruflichen Vorsorge, stellt kein Renteneinkommen dar (E. 3.2).

141 V 234 (9C_765/2014) from 23. März 2015
Regeste: Art. 9 Abs. 1 AHVG und Art. 20 Abs. 3 AHVV. Nachdem im Gesetzgebungsverfahren betreffend das Bundesgesetz über die kollektiven Kapitalanlagen (KAG) eine Anpassung des AHV-Beitragsrechts nicht thematisiert wurde, besteht (vorerst) kein Grund, von der ständigen Praxis abzuweichen, wonach für eine Beitragspflicht gestützt auf Art. 20 Abs. 3 AHVV der erwerbliche Charakter einer Personengemeinschaft entscheidend ist. Es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, die AHV-rechtliche Beitragspflicht weiter zu fassen als der Gesetz- und Verordnungsgeber (E. 5.4). Investitionen in kollektive Kapitalanlagen sind allerdings - analog der Rechtsprechung zu den Wertschriften- und Liegenschaftenhändlern - von erwerblichem Charakter und unterliegen somit der AHV-Beitragspflicht, wenn ein gewerbsmässiger Investor unter Einsatz erheblicher Mittel eine Vielzahl kollektiver Risikokapitalanlagen tätigt, die zumindest teilweise einen engen Bezug zur Arbeitgeberfirma aufweisen (E. 6.3.3).

141 V 396 (9C_635/2014) from 10. Juni 2015
Regeste: Art. 4 ELG; Art. 5 Bst. a und Art. 46 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 988/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009; Anspruch eines Bezügers einer rumänischen Invalidenrente auf schweizerische Ergänzungsleistungen. Das Prinzip der Gleichstellung von Leistungen gemäss Art. 5 Bst. a der Verordnung Nr. 883/2004 gelangt nicht zur Anwendung bei einer Person, die eine rumänische Invalidenrente bezieht und Anspruch auf schweizerische Ergänzungsleistungen erhebt. Die Schweiz und Rumänien haben die Übereinstimmung ihres jeweiligen Invalidenversicherungssystems nicht ausdrücklich durch eine Erklärung im Sinne von Art. 46 Abs. 3 der Verordnung Nr. 883/2004 in Anhang VII anerkannt. Der Bezug einer rumänischen Invalidenrente verleiht mithin keinen Anspruch auf schweizerische Ergänzungsleistungen (E. 7).

141 V 473 (8C_611/2014) from 6. Juli 2015
Regeste: Art. 25 Abs. 5 AHVG; Art. 49ter Abs. 3 lit. a und b AHVV; Art. 3 Abs. 1 lit. b FamZG; Art. 1 Abs. 1 FamZV; Ausbildungsunterbruch. Lit. a und b von Art. 49ter Abs. 3 AHVV sind nicht kumulativ anwendbar (E. 8).

141 V 605 (9C_182/2015) from 5. Oktober 2015
Regeste: Art. 73 BVG; Verfahren bei der Verteilung freier Mittel einer Vorsorgeeinrichtung. Bei der Verteilung von freien Mitteln ausserhalb einer (Teil-)Liquidation ist eine Zweiteilung im Sinne von Gestaltung und Umsetzung vorzunehmen, die als Abgrenzungskriterium für den Rechtsweg dient (E. 3.2). Geht es um die generelle Regelung, wie bestimmte freie Mittel aufzuteilen sind, so fällt dies nicht in die Beurteilungskompetenz des (kantonalen) Berufsvorsorgegerichts, sondern in jene der Aufsichtsbehörde (E. 3.4).

141 V 642 (9C_715/2014) from 23. Juni 2015
Regeste: Art. 42sexies Abs. 4 IVG; Art. 39g Abs. 2 lit. b Ziff. 2 IVV; Assistenzbeitrag pro Jahr. Für die Mithilfe von Angehörigen im Rahmen der Schadenminderungspflicht ist entscheidend, wie sich eine vernünftige Familiengemeinschaft einrichten würde, sofern keine Versicherungsleistungen zu erwarten wären (E. 4.3.2). Der standardisierte Einbezug der Schadenminderungspflicht gemäss Art. 39g Abs. 2 lit. b IVV lässt sich so weit und so lange nicht beanstanden, als eine schadenmindernde Mithilfe Angehöriger im Einzelfall objektiv tatsächlich möglich und zumutbar ist (E. 4.3.3).

141 V 657 (9C_229/2015) from 6. Oktober 2015
Regeste: Art. 73 BVG; Art. 2 Abs. 4 lit. a des Bundesratsbeschlusses über die Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeitsvertrages für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (GAV FAR); Klagelegitimation für Beitragsforderungen und Unterstellung. Die Stiftung FAR ist befugt, auch in Bezug auf Forderungen, die vor dem 1. September 2006 entstanden, in eigenem Namen Klage zu erheben (E. 3.5.3). Auslegung des Begriffs "Betriebsteil" (E. 4.5). Im konkreten Fall fällt das Unternehmen mit seinem Betriebsteil "Erdsondenbohrungen" in den betrieblichen Geltungsbereich von Art. 2 Abs. 4 lit. a AVE GAV FAR (E. 4.7).

142 I 26 (1C_118/2015) from 8. Dezember 2015
Regeste: Bestimmung des Kantons Tessin zum Standort von Mobilfunkantennen; Gewaltenteilungsprinzip und Gemeindeautonomie; Einschränkung der Informationsfreiheit und der Wirtschaftsfreiheit (Art. 16 Abs. 3, 27 und 36 BV). Die angefochtene, von der Kantonsregierung erlassene Bestimmung verlangt die Festlegung des Standorts von Mobilfunkantennen innert einer Übergangsfrist von zehn Jahren. Dies verletzt das Gewaltenteilungsprinzip und die Gemeindeautonomie im Bereich der Raumplanung (E. 3.3-3.7). Möglichkeiten für Gemeinden und Kanton, den Standort von Mobilfunkanlagen mittels raumplanerischer Massnahmen und Bauordnung festzulegen (E. 4.2). Die umstrittene Regelung sieht ein Kaskadenmodell vor, welches undifferenziert auf das gesamte Kantonsgebiet anwendbar sein soll. Sie garantiert keine ausreichende Mobilfunkversorgung und ist nicht verhältnismässig zum Schutz bestimmter Wohnzonen in den einzelnen Gemeinden (E. 4.3-4.5).

142 I 93 (4A_271/2015) from 29. September 2015
Regeste: Art. 30 Abs. 1 BV; Anspruch auf ein gesetzmässig besetztes Gericht; Wechsel im Spruchkörper. Bei Änderungen des einmal besetzten Spruchkörpers ist es Aufgabe des Gerichts, die Parteien auf die beabsichtigte Auswechslung von mitwirkenden Richtern und die Gründe dafür hinzuweisen (E. 8).

142 I 99 (2C_689/2015) from 31. März 2016
Regeste: Art. 27, 29 Abs. 1, Art. 76 Abs. 2 und 4, Art. 94 Abs. 4 BV; Art. 60 Abs. 3bis WRG; die revidierten Bestimmungen zur Sondernutzungskonzession nach dem Wassernutzungsrecht des Kantons Uri, insbesondere zur Konkurrenzsituation bei der Verleihung der Konzession, sind bundesrechtlich nicht zu beanstanden (abstrakte Normenkontrolle). Grundsatzkompetenz des Bundes zur Regelung der Wassernutzung bei gleichzeitiger Gewässerhoheit der Kantone. Diese sind daher befugt, die öffentlichen Gewässer entweder selber zu nutzen oder das Recht zur Nutzung konzessionsweise an Dritte zu verleihen. Keine bundesrechtliche Pflicht, vor der beabsichtigten Konzedierung des Nutzungsrechts eine öffentliche Ausschreibung durchzuführen (E. 2.2). Kein Rechtsanspruch der Interessenten auf Erteilung der Sondernutzungskonzession und daher keine Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1 EMRK auf das Verfahren der Konzessionserteilung (E. 2.3). Die Gewässerhoheit stellt ein kantonales Regal dar, weshalb die Verfügungsmacht über die öffentlichen Gewässer vom Anwendungsbereich der Wirtschaftsfreiheit ausgenommen ist. Die Konzedierung liegt im pflichtgemässen Ermessen der Konzessionsbehörde (E. 2.4). Die konkrete Ausgestaltung der Konzessionserteilung nach der revidierten Gewässernutzungsverordnung des Kantons Uri vom 19. November 2014 entspricht den bundesrechtlichen Vorgaben, namentlich was die Befristung von Konkurrenzofferten (E. 3), die Berücksichtigung des öffentlichen Wohls, insbesondere das Kriterium der Beteiligung der öffentlichen Hand (E. 4), das Verfahren und die Zuständigkeit betrifft (E. 5). Verhältnis von abstrakter und konkreter Normenkontrolle (E. 4.3.5).

142 I 135 (2C_207/2016) from 2. Mai 2016
Regeste: Art. 5 Ziff. 1 und Ziff. 4 EMRK, Art. 10 Abs. 2 und Art. 31 Abs. 4 BV, Art. 76a und Art. 80a AuG, Art. 83 lit. d Ziff. 1 BGG; Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts betreffend die Anordnung von Administrativhaft durch das SEM; Anspruch auf möglichst rasche richterliche Prüfung der Haft; Haftvoraussetzungen im Dublin-Verfahren. Gegen die Anordnung von Administrativhaft ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auch dann zulässig, wenn die Haft in funktionellem Zusammenhang mit einem Asylverfahren steht und die richterliche Haftprüfung nicht durch eine kantonale Vorinstanz, sondern durch das Bundesverwaltungsgericht erfolgte (E. 1). Verlangt der Betroffene erstmals die richterliche Prüfung der Haftanordnung, hat diese so rasch wie möglich zu erfolgen. Die 8-tägige Frist gemäss Art. 80a Abs. 4 AuG betrifft nicht die erstmalige richterliche Prüfung der Haft, sondern die Beurteilung eines späteren Haftentlassungsgesuchs (E. 3). Allein der Umstand, dass eine Person in einem anderen Dublin-Staat ein Asylgesuch gestellt hat, rechtfertigt eine Haft nicht. Für eine Haftanordnung gestützt auf Art. 76a AuG müssen konkrete Anzeichen einer erheblichen Gefahr des Untertauchens bestehen (E. 4).

142 I 155 (2C_655/2015) from 22. Juni 2016
Regeste: Art. 106 Abs. 1 BGG; Rechtsanwendung von Amtes wegen. Zulässigkeit von neuen rechtlichen Vorbringen vor Bundesgericht, insbesondere von Verfassungsrügen. Eingeschränkte Bedeutung des Grundsatzes, wonach der kantonale Instanzenzug für Rügen, die dem Bundesgericht vorgetragen werden, ausgeschöpft werden muss (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 4.4).

142 I 172 (2C_222/2016) from 29. September 2016
Regeste: Art. 29 Abs. 1 BV; Recht auf korrekte und unparteiische Zusammensetzung der zum Entscheid angerufenen zuständigen Verwaltungsbehörde. Anwendungsbereich der Art. 29 Abs. 1 BV und 30 Abs. 1 BV betreffend die Zusammensetzung der zum Entscheid angerufenen zuständigen Verwaltungsbehörde (E. 3.1). Voraussetzungen der Anwendbarkeit von Art. 29 Abs. 1 BV (E. 3.2). Darstellung (E. 3.3) und auf Willkür beschränkte Untersuchung (E. 3.4) der Bestimmungen des waadtländischen Notariatsgesetzes über die Zusammensetzung der Notariatskammer.

142 II 49 (8C_376/2015) from 24. März 2016
Regeste: Art. 8 Abs. 3 Satz 3 BV; Art. 3 Abs. 2, Art. 6 GlG; Lohngleichstellung von Mann und Frau im Einzelfall. Kognition des Bundesgerichts und der kantonalen Verwaltungsgerichte hinsichtlich der Überprüfung des Lohngleichheitsgebots im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisses (E. 4). Die gestützt auf Art. 8 Abs. 3 Satz 3 BV und Art. 3 Abs. 2 GlG geltend gemachten bundesrechtlichen Ansprüche dürfen nicht durch kantonalrechtliche Verwirkungs- und Verjährungsbestimmungen erschwert werden (E. 5.2). Glaubhaftmachung einer Lohndiskriminierung nach Art. 6 GlG im Vergleich mit dem Amtsvorgänger oder -nachfolger (E. 6.2). Berücksichtigung von Anfangs- und Schlusslöhnen im Rahmen der Glaubhaftmachung (E. 7.2).

142 II 206 (1C_159/2015) from 3. Mai 2016
Regeste: Art. 75b BV; Art. 6, 7 Abs. 1 und Art. 14 ZWG; Art. 3 Abs. 1 ZWV; Art. 2 ZGB; Rechtsmissbrauch im Bereich Zweitwohnungen. Es besteht die Gefahr des Rechtsmissbrauchs, wenn die Bauherrschaft vorgibt, eine Erstwohnung zu erstellen, in Wahrheit jedoch beabsichtigt, das in Art. 75b BV und Art. 6 ZWG enthaltene Verbot zu umgehen (E. 2). Zusammenfassung der Rechtsprechung (E. 3). Aufgrund der Anzahl geplanter Wohnungen und jener der ganzjährigen Bewohner besteht Anlass, die Nachfrage nach Erstwohnungen im betroffenen Gebiet zu prüfen (E. 4).

142 II 293 (2C_860/2014, 2C_861/2014) from 24. Mai 2016
Regeste: Art. 25, 26 Abs. 1 lit. c DBG; Abzug von persönlichen Wahlkampfkosten als Gewinnungskosten. Begriff der übrigen für die Ausübung des Berufes erforderlichen Kosten nach Art. 26 Abs. 1 lit. c DBG; es ist jeweils im Rahmen einer Gesamtbeurteilung der konkreten Umstände zu prüfen, ob zwischen den geltend gemachten Aufwendungen und der Einkommenserzielung ein genügend enger Zusammenhang besteht. Aufwendungen können nur insofern als Gewinnungskosten qualifiziert werden, als sie zeitgleich mit der Einkommenserzielung anfallen (E. 3). Die im Jahr 2011 getätigten persönlichen Wahlkampfkosten, die einem amtierenden Mitglied des Nationalrates für die Wahlen vom 23. Oktober 2011 angefallen sind, betreffen die Amtsperiode 2011 bis 2015; damit muss den geltend gemachten Kosten der notwendige, unmittelbare Zusammenhang mit der aktuellen Berufstätigkeit schon aufgrund der fehlenden zeitlichen Kongruenz abgesprochen werden (E. 4).

142 II 369 (2C_6/2016) from 18. Juli 2016
Regeste: Ist die Aargauische Pensionskasse bei der Vergabe von Unterhaltsarbeiten an Liegenschaften ihres Anlagevermögens dem kantonalen Vergaberecht unterstellt? Beurteilung der Frage nach Staatsvertrags-, Bundes-, und kantonalem Recht. Zulässigkeit der Beschwerde (E. 1.1-1.4). Beschwerdelegitimation der Aargauischen Pensionskasse im Sinne von Art. 89 Abs. 1 BGG bejaht (E. 1.5). Kognition und Rügen (E. 2). Eine Unterstellung unter das Vergaberecht ergibt sich nicht bereits aus dem Staatsvertragsrecht (E. 3). Das kantonale Recht kann den subjektiven Geltungsbereich des Vergaberechts weiter fassen als das Staatsvertrags-, Bundes- und interkantonale Recht. Es ist nicht willkürlich, die Pensionskasse als Anstalt des Kantons in Bezug auf die streitbetroffenen Aufträge dem kantonalen Vergaberecht zu unterstellen (E. 4). Die Unterstellung verstösst nicht gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechts (Art. 49 BV) bzw. nicht gegen Art. 111 und Art. 113 BV, ebenso wenig gegen das BVG (E. 5). Frage der Grundrechtsträgerschaft (Art. 27 BV) der Pensionskasse offengelassen, da die Aargauische Pensionskasse mehrheitlich nicht im Wettbewerb tätig ist (E. 6). Gerichtskosten: Submissionsrechtliche Angelegenheiten gelten als Fälle mit Vermögensinteresse (Art. 68 Abs. 1 und 4 BGG), auch wenn es bloss um die Frage geht, ob das Beschaffungsrecht anwendbar ist (E. 7).

142 II 433 (2C_436/2015) from 22. Juli 2016
Regeste: Art. 2 lit. b, Art. 5 Abs. 1 lit. b PublG; Art. 15 PublV; Art. 3 lit. e und Art. 12 VwVG; Art. 8 ZGB; Art. 34 und 116 ZG; Art. 1 ZTG; Einordnung der zollrechtlichen Berichtigung, Abgrenzung von den direktsteuerlichen Berichtigungstatbeständen und Verhältnis zur zollrechtlichen Beschwerde. Dem Generaltarif kommt Gesetzesrang zu. Die zollrechtliche Berichtigung hat die Richtigstellung einer unzutreffenden Veranlagungsverfügung zum Gegenstand; sie wirkt sich daher zwangsläufig auf das Dispositiv aus. Beweisführungs- und Beweislast im Berichtigungsverfahren (E. 3.2). Ob eine Falschanmeldung vorliegt, ist berichtigungsweise zu klären. Die Beschwerde ist erst im Anschluss an die Verfügung über die Berichtigung zulässig (E. 3.4). Der Beweis der Nämlichkeit ist im konkreten Fall nicht erbracht (E. 4). Die fehlende Veröffentlichung der Anhänge 1 und 2 zum ZTG, welche den Generaltarif enthalten, ändert nichts an dessen Gesetzesrang (E. 5).

142 III 56 (5A_331/2015) from 20. Januar 2016
Regeste: a Art. 64 und 85 Abs. 1 und 3 IPRG; Zuständigkeit für die Beurteilung einer Klage auf Abänderung eines Scheidungsurteils hinsichtlich der Zuteilung des Sorgerechts und der Obhut über die Kinder, wenn die Sache einen Bezug zu einem Staat aufweist, der weder das Übereinkommen vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Massnahmen zum Schutz von Kindern (Haager Kindesschutzübereinkommen, HKsÜ) noch das Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen ratifiziert hat. Aufgrund des Verweises in Art. 85 Abs. 1 IPRG, ist das HKsÜ in Angelegenheiten, die einen Bezug zu Nichtvertragsstaaten aufweisen, als nationales Recht anzuwenden (E. 2.1.1-2.1.3). Ist nach keiner Bestimmung dieses Übereinkommens ein Gerichtsstand in der Schweiz begründet, hat der Richter zu prüfen, ob er seine Zuständigkeit auf Art. 85 Abs. 3 IPRG stützen kann (E. 2.1.4).

142 III 364 (5A_866/2015) from 2. Mai 2016
Regeste: Art. 95 und 98 BGG; Art. 293a SchKG; Natur der Entscheidung, mit der die Nachlassstundung verweigert und der Konkurs eröffnet wird; Beschwerdegründe. Die Entscheidung, mit welcher der Richter die provisorische Stundung verweigert und den Konkurs eröffnet, ist keine vorsorgliche Massnahme. Gegen die besagte Entscheidung ist die Beschwerde in Zivilsachen wegen Rechtsverletzungen nach Massgabe von Art. 95 BGG zulässig (E. 2.1-2.4).

142 III 369 (4A_398/2015) from 19. Mai 2016
Regeste: Art. 270 Abs. 2 OR, Art. 1 Abs. 2 ZGB; Mietvertrag, Formular für die Mitteilung des Anfangsmietzinses, Beweis des Versandes. Ist das Formular in dem vom Vermieter an den Mieter gesendeten Mietvertrag als Beilage erwähnt, gilt nach der allgemeinen Lebenserfahrung die Vermutung, dass der Vermieter es tatsächlich zusammen mit dem Mietvertrag abgeschickt hat, sofern er eine Kopie des Formulars mit dem erforderlichen Inhalt vorzuweisen vermag. Zufolge einer Umkehr der Beweislast liegt es sodann am Mieter, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu beweisen, dass das Formular nicht im Umschlag enthalten war (E. 4).

142 III 462 (4A_456/2015) from 6. Juni 2016
Regeste: Art. 55 Abs. 1 und Art. 221 Abs. 1 lit. d ZPO; von den Parteien nicht behauptete Tatsachen. Tatsächliche Grundlage des Urteils im Rahmen der Verhandlungsmaxime (E. 4).

142 III 568 (4A_559/2015) from 22. August 2016
Regeste: a Begehren um Herabsetzung des Mietzinses während der Mietdauer (Art. 270a OR); absolute Berechnungsmethode (Art. 269 OR). Herabsetzungsbegehren im Fall, dass die staatliche (kantonale) Kontrolle über die Mietzinsen der Liegenschaft endet. Frage offengelassen, ob diese Umstellung es erlaubt, sich auf die absolute Berechnungsmethode zu berufen und eine Ertragsberechnung zu verlangen (E. 1).

142 III 705 (9C_300/2016) from 13. Oktober 2016
Regeste: Art. 306 Abs. 1 Ziff. 2 und Abs. 2, Art. 307 Abs. 1 und Art. 310 Abs. 1 SchKG; Nachlassvertrag, der bezüglich einer eingegebenen Forderung an einem auf das Verhalten der Sachwalterin zurückzuführenden Mangel leidet. Der bestätigte Nachlassvertrag, der unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist, kann privilegierten Forderungen, die eingegeben, vom Sachwalter aber eigenmächtig nicht im ganzen Betrag aufgenommen wurden, entgegengehalten werden (E. 4).

142 III 782 (4A_357/2016) from 8. November 2016
Regeste: Art. 135 Ziff. 2, 544 Abs. 1 OR, Art. 62, 64, 70 und 83 ZPO; einfache Gesellschaft, notwendige materielle Streitgenossenschaft, Mangel bei der Bezeichnung der Kläger. Begründung der Rechtshängigkeit und Unterbrechung der Verjährung (Klageanhebung) durch alle einfachen Gesellschafter handelnd als notwendige materielle Streitgenossenschaft. Fehlende Aktivlegitimation, wenn die Klage nicht durch alle einfachen Gesellschafter erhoben wird (E. 3.1), Abgrenzung zur ungenauen Parteibezeichnung und zum Parteiwechsel während des Prozesses (E. 3.2).

142 IV 89 (6B_129/2015) from 11. April 2016
Regeste: Art. 391 Abs. 2 StPO; Verbot der reformatio in peius. Verweigert die Rechtsmittelinstanz - im Gegensatz zur ersten Instanz - den bedingten Strafvollzug, ist das Verschlechterungsverbot verletzt, auch wenn die Dauer der Strafe gesamthaft kürzer ist (E. 2.1). Satz 2 von Art. 391 Abs. 2 StPO ermöglicht der Rechtsmittelinstanz Tatsachen, die der ersten Instanz noch nicht bekannt sein konnten, wie beispielsweise eine Verurteilung, bei der Prüfung der Legalprognose beim bedingten Strafvollzug zu berücksichtigen (E. 2.3).

142 IV 137 (6B_165/2015) from 1. Juni 2016
Regeste: Art. 90 Abs. 3 und 4 SVG; qualifiziert grobe Verkehrsregelverletzung; besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit; subjektive Voraussetzungen. Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung im Sinne von Art. 90 Abs. 4 lit. a-d SVG besteht gestützt auf die Auslegung von Art. 90 Abs. 3 und 4 SVG keine unwiderlegbare Gesetzesvermutung, dass die subjektiven Voraussetzungen von Art. 90 Abs. 3 SVG erfüllt sind (Änderung der Rechtsprechung; E. 11.1). Derjenige, der eine Geschwindigkeitsüberschreitung nach Art. 90 Abs. 4 SVG begeht, begeht objektiv eine qualifiziert grobe Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Abs. 3 SVG. Er erfüllt grundsätzlich die subjektiven Voraussetzungen des Straftatbestands. Dem Richter kommt ein wenn auch begrenzter Handlungsspielraum zu, um unter besonderen Umständen die Erfüllung der subjektiven Voraussetzungen zu verneinen (E. 11.2). Im vorliegenden Fall verstösst die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen qualifiziert grober Verkehrsregelverletzung nicht gegen Bundesrecht. Es liegen keine besonderen Umstände vor, welche die Erfüllung der subjektiven Voraussetzungen des Straftatbestands ausschliessen würden (E. 12).

142 V 2 (9C_381/2015) from 17. Dezember 2015
Regeste: a Art. 49 Abs. 2 ATSG; Feststellungsverfügung; Begriff des schützenswerten Interesses. Eine versicherte Person hat ein schützenswertes Interesse, durch die zuständige Ausgleichskasse klären zu lassen, ob die ihr derzeit gewährten Sozialversicherungsleistungen im Falle des Wegzugs ins Ausland weiterhin ausgerichtet werden (E. 1).

142 V 118 (9C_720/2015) from 26. Februar 2016
Regeste: Art. 41 Abs. 2 und Art. 66 Abs. 3 BVG; Nachforderung von Beiträgen, die nicht vom Lohn abgezogen worden sind, durch den Arbeitgeber; Verjährung. Die Nachforderung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer über Beiträge der beruflichen Vorsorge, die nicht vom Lohn abgezogen worden sind, beruht auf Art. 66 Abs. 3 BVG (E. 5). Sie untersteht der fünfjährigen Verjährungsfrist nach Art. 41 Abs. 2 BVG (E. 6).

142 V 169 (9C_515/2015) from 1. März 2016
Regeste: Art. 9 Abs. 2 lit. e AHVG; Abzug von Einlagen in die berufliche Vorsorge bei Selbständigerwerbenden. Der Abzug nach Art. 9 Abs. 2 lit. e AHVG kann maximal die Hälfte des (von der Steuerbehörde gemeldeten) Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit betragen (E. 4).

142 V 407 (9C_44/2016) from 7. Juli 2016
Regeste: Art. 10 Abs. 2 lit. a und b ELG; Art. 25a Abs. 1 ELV; Art. 3 Abs. 1, Art. 4 ff., 8, 12 und 13 PAVO; § 4 Abs. 3 des Gesetzes des Kantons Thurgau vom 25. April 2007 über Ergänzungsleistungen zur AHV/IV; § 5b Abs. 1 Ziff. 5 und § 6 Abs. 1 der Verordnung des Regierungsrates des Kantons Thurgau vom 11. Dezember 2007 zum Gesetz über Ergänzungsleistungen zur AHV/IV; § 6a, 6b Abs. 1 und § 6c Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Thurgau vom 29. März 1984 über die öffentliche Sozialhilfe; Definition des Heimes. Für die in Frage stehende Zeitspanne ist die Pflegefamilie, welche die minderjährige EL-Bezügerin betreut, nicht als Heim bzw. heimähnliche Institution im Sinne der bundes- und kantonalrechtlichen Regelungen zu qualifizieren. Es gelangt daher eine niedrigere Tagestaxe zur Anwendung (E. 3-5). Die Mehrkosten, die durch die fachliche Betreuung der Pflegeeltern durch die beauftragte Familienplatzierungsorganisation entstehen, stellen keine anerkannten Ausgaben in Form von persönlichen Auslagen des Pflegekindes dar (E. 6).

142 V 457 (9C_282/2016) from 12. September 2016
Regeste: Art. 14 Abs. 4, 5 und 6 ELG; Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten. Der bundesrechtliche Mindestansatz von Art. 14 Abs. 3 lit. a Ziff. 1 ELG wird nur erhöht für Personen, die Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der Invaliden- oder der Unfallversicherung haben resp. hatten, nicht aber für solche, denen eine Hilflosenentschädigung der AHV ausgerichtet wird (E. 3). Bei Versicherten mit einem Einnahmenüberschuss kann dieser an die anerkannten, d.h. an die auf einen allfälligen kantonalrechtlichen Höchstbetrag im Sinne von Art. 14 Abs. 3 bis 5 ELG reduzierten Krankheits- und Behinderungskosten angerechnet werden (E. 4).

142 V 466 (9C_330/2016) from 14. Oktober 2016
Regeste: Art. 26 Abs. 2 BVG und Art. 26 BVV 2; Aufschub der Zahlung von Invalidenrenten. Die auf Art. 26 Abs. 2 BVG und Art. 26 BVV 2 basierende reglementarische Rentenaufschubsmöglichkeit der Vorsorgeeinrichtung besteht auch dann, wenn der Taggeldversicherer, der Taggelder für Arbeitsunfähigkeit ausgerichtet hat, diese Leistungen im Umfang der nachträglich zugesprochenen Rente der Invalidenversicherung zurückfordert. Änderung der Rechtsprechung (E. 3.4).

142 V 551 (9C_160/2016) from 19. August 2016
Regeste: a Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 BV; Art. 92, 93 und 100 BGG; Vertrauensschutzprinzip im Falle geänderter Rechtsprechung zum Fristbeginn bei Anfechtung von Kostenregelungen in einem Rückweisungsentscheid. Die bisherige - mit BGE 142 II 363 (Urteil 2C_309/2015 vom 24. Mai 2016) geänderte - bundesgerichtliche Praxis, wonach bei Kostenregelungen in Rückweisungsentscheiden erst die Rechtskraft (und nicht bereits die Eröffnung) der neuen Verfügung fristauslösend wirkt, wurde hauptsächlich in Fällen auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts angewendet. Ein Nichteintreten auf die vor dem 24. Mai 2016 eingereichte Beschwerde der IV-Stelle infolge Fristversäumnisses verletzte trotz prinzipiell sofortiger Anwendbarkeit der bereinigten fristbestimmenden Leitlinien den Grundsatz des Vertrauensschutzes (E. 3 und 4).

142 V 577 (8C_438/2016) from 16. November 2016
Regeste: Art. 8 Abs. 1 BV; § 85ter Abs. 2 des Sozialgesetzes des Kantons Solothurn vom 31. Januar 2007; Familienergänzungsleistungen. § 85ter Abs. 2 des Sozialgesetzes des Kantons Solothurn, wonach auch bei Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen durch beide Elternteile nur einer Anspruch auf Familienergänzungsleistungen hat, verstösst nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot von Art. 8 Abs. 1 BV (E. 4 und 5).

143 I 1 (8C_182/2016) from 6. Dezember 2016
Regeste: a Art. 22, Art. 42 Abs. 2, Art. 87, Art. 95 lit. b und Art. 106 Abs. 2 BGG; Art. 34 BGerR; Beschwerde gegen Erlasse. Zuständigkeit der I. sozialrechtlichen Abteilung (E. 1.1). Mangels kantonalen Verfahrens zur abstrakten Normenkontrolle ist die Beschwerde direkt ans Bundesgericht zulässig (E. 1.2). Internationales Recht muss direkt anwendbar sein, damit es vor Bundesgericht angerufen werden kann (E. 1.3). Begründungserfordernisse (E. 1.4). Überprüfungsbefugnis des Verfassungsrichters im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle (E. 2.3).

143 I 37 (2C_647/2015) from 11. November 2016
Regeste: Art. 5 Abs. 2, 27 und 94 BV; Parkservice ("Valet-Parken") auf dem Internationalen Flughafen Genf; Verwaltungsvermögen; Wirtschaftsfreiheit; Verhältnismässigkeit; Gleichbehandlung direkter Konkurrenten. Die Parkplätze, die im Eigentum des Internationalen Flughafens Genf stehen, gehören zu dessen Verwaltungsvermögen; er kann deren Benutzung regulieren und einen nicht zweckkonformen Gebrauch wie das "Valet-Parken" beschränken (E. 6). Keine Berufung auf die Wirtschaftsfreiheit für die Ausübung dieser Tätigkeit; demgegenüber kann sie angerufen werden im Zusammenhang mit der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen; was die Erteilung der Konzession betrifft, ist sie nicht Verfahrensgegenstand (E. 7 und 8). Die Verhältnismässigkeit des Verbots richtet sich nach Art. 5 Abs. 2 BV (E. 7.5).

143 I 187 (8C_455/2016) from 10. Februar 2017
Regeste: Art. 9 und 29 Abs. 1 BV; elektronische Beschwerde. Eine elektronisch signierte Beschwerdeschrift kann beim kantonalen Gericht nur dann gültig eingereicht werden, wenn dafür eine spezifische gesetzliche Regelung besteht. Daran fehlt es im hier betroffenen Bereich der Sozialversicherungsgerichtsbarkeit im Kanton Wallis (E. 2 und 3).

143 I 321 (2C_892/2016) from 23. Juni 2017
Regeste: Art. 9 BV; Art. 40a Abs. 3 LCdir/NE; Art. 4 RELCdir/NE; anwendbarer Steuertarif auf geschiedene Ehepaare. Fall eines geschiedenen Ehepaars mit gemeinsamem elterlichen Sorgerecht und geteilter Obhut über zwei minderjährige Kinder, die zusammen abwechselnd beim Vater bzw. bei der Mutter wohnen, und von denen aber nur eines Unterhaltsbeiträge erhält. Die darin bestehende kantonale Lösung, den Verheiratetentarif auf denjenigen Elternteil anzuwenden, welcher den Unterhaltsbeitrag für eines der beiden Kinder erhält, obschon der Schuldner des Unterhaltsbeitrages den Unterhalt des anderen Kindes zur Hauptsache bestreitet, ist nicht willkürlich. Bestätigung der Rechtsprechung, welche die mehrfache Anwendung des Verheiratetentarifs auf getrennte oder geschiedene Steuerpflichtige ausschliesst (E. 6.4).

143 I 377 (9C_806/2016) from 14. Juli 2017
Regeste: Art. 59 Abs. 5 IVG; Art. 13 BV; Art. 8 EMRK; Zulässigkeit und Verwertbarkeit einer im Invalidenversicherungsverfahren angeordneten Observation. Eine von der IV-Stelle angeordnete Observation entbehrt einer genügenden gesetzlichen Grundlage und verletzt daher Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV (E. 4). Das Beweismaterial, das im Rahmen einer rechtswidrig angeordneten Observation im öffentlich frei einsehbaren Raum gewonnen wurde, ist im Invalidenversicherungsverfahren gestützt auf eine Interessenabwägung zwischen privaten und öffentlichen Interessen verwertbar. In casu überwiegt das erhebliche und gewichtige öffentliche Interesse an der Verhinderung des Versicherungsmissbrauchs den hier relativ bescheidenen Eingriff in die grundrechtliche Position der versicherten Person (E. 5).

143 II 120 (2C_880/2015, 2C_885/2015) from 6. März 2017
Regeste: Art. 2 Abs. 7 BGBM; Art. 83 lit. f BGG; Art. 50 BV; Verleihung des Rechts zur Ausübung eines Gemeindemonopols an ein Unternehmen privater Rechtsträgerschaft; Verhältnis zum öffentlichen Beschaffungsrecht; Gemeindeautonomie. Verfahren über die Verleihung eines Monopolrechts im Sinne von Art. 2 Abs. 7 BGBM fallen nicht in den Anwendungsbereich von Art. 83 lit. f BGG (E. 2.2). Tragweite von Art. 2 Abs. 7 BGBM hinsichtlich der Bestimmungen des öffentlichen Beschaffungswesens über die Übertragung einer Konzession (E. 4-6). Anwendung auf den konkreten Fall im Lichte der Gemeindeautonomie (E. 7).

143 II 283 (2C_1100/2016) from 17. März 2017
Regeste: Rechnung eines Netzbetreibers für Strombezug an einen grundversorgten Endverbraucher im Sinne von Art. 6 Abs. 1 StromVG: Überwälzung von Kostenanteilen, die nicht zu den bundesrechtlich geregelten, durch die ElCom regulierten Kostenkomponenten gehören. Legalitätsprinzip (Art. 127 Abs. 1 und 2 BV). Abgaben und Leistungen an Gemeinwesen, die auf die Endverbraucher überwälzt werden (Art. 6 Abs. 3 und Art. 14 Abs. 1 StromVG), gehören nicht zu den bundesrechtlich regulierten Kosten (E. 1.2.2-1.2.5). Die Überwälzung von Kostenanteilen für die öffentliche Beleuchtung und öffentliche Uhren auf die Strom-Endverbraucher ist als Kostenanlastungssteuer zulässig, weil damit nicht eine Sondergruppe belastet wird, sondern die Gesamtheit der Bevölkerung (E. 2.1-2.4). Hingegen verletzt die Überwälzung der Konzessionsgebühr für die Allmendbenützung das Legalitätsprinzip: Die Höhe der Abgabe (11 Mio. Fr.) wird einzig durch eine regierungsrätliche Verordnung bestimmt und das formelle Gesetz, auf welche diese sich stützt, enthält keine Kriterien für die Bemessung. Es ist auch kein Marktwert bestimmbar. Da die Höhe der Konzessionsabgabe nicht anhand verfassungsrechtlicher Prinzipien (Kostendeckungs-/ Äquivalenzprinzip) überprüft werden kann, können die Anforderungen an die gesetzliche Grundlage nicht gelockert werden (E. 3.1-3.8).

143 II 366 (8C_693/2016) from 4. Juli 2017
Regeste: Art. 8 Abs. 3 BV; Art. 3 GlG; (Lohn-)Gleichheit von Mann und Frau. Eine geschlechtsspezifische Diskriminierung der Lehrpersonen Primarstufe/ Einschulungsklasse durch das im Kanton Aargau geltende Lohnsystem für Lehrerinnen und Lehrer ist weder erstellt noch glaubhaft gemacht (E. 3).

143 II 459 (2D_7/2016) from 25. August 2017
Regeste: Art. 83 lit. m BGG; Art. 167 ff. DBG; Art. 231 des Gesetzes des Kantons Waadt vom 4. Juli 2000 über die direkten Steuern (LI/VD); besonders bedeutender Fall betreffend den Erlass der kantonalen und kommunalen Steuern; fehlende Harmonisierung in diesem Bereich. Begriff des besonders bedeutenden Falles im Zusammenhang mit Art. 83 lit. m BGG (E. 1.2). Die neue Regelung betreffend den Steuererlass in Art. 167 ff. DBG harmonisiert die Erlassvoraussetzungen bezüglich der kantonalen und kommunalen Steuern nicht; die Frage eines allfälligen Erlasses der kantonalen und kommunalen Steuern beantwortet sich somit nach den Bestimmungen des autonomen kantonalen Rechts (E. 2.1). Die vom Kantonsgericht vorgenommene Auslegung von Art. 231 LI/VD, wonach das kantonale Recht bloss eine Kann-Vorschrift enthält und demnach keinen Rechtsanspruch auf einen Erlass der kantonalen und kommunalen Steuern einräumt, ist nicht willkürlich (E. 4, 4.4 und 4.4.1).

143 II 598 (2C_380/2016) from 1. September 2017
Regeste: Art. 27 und 94 BV; 2 Abs. 7 BGBM; interkommunales System der Bewilligungszuteilung an Gesellschaften und Fahrer von Taxis auf Standplätzen ("A-Taxis") der Region Lausanne; Konzession für die ausschliessliche Nutzung des öffentlichen Grundes; Ausschreibungspflicht; Wirtschaftsfreiheit. Abstrakte Normenkontrolle des geänderten interkommunalen Reglements über die Taxidienste (RIT) und der Anwendungsvorschriften zum RIT (E. 3). Bedeutung von Art. 2 Abs. 7 BGBM in Bezug auf die Übertragung der Nutzung kantonaler und kommunaler Monopole auf Private (E. 4.1). Die Änderung des RIT schliesst, zumindest per Analogie, die Übertragung einer Monopolkonzession zu Gunsten der Betreiber von A-Taxis in der Region Lausanne mit ein (E. 4.2), was die interkommunalen Behörden verpflichtet, eine transparente und nicht diskriminierende Ausschreibung vorzusehen; Aufhebung der reglementarischen Bestimmungen, die gegen diese aus dem BGBM abgeleitete Pflicht verstossen (E. 4.3). Die reglementarische Verpflichtung, wonach die individuellen Betreiber von A-Taxis zwei Jahre Vollzeitarbeit (1'500 Stunden pro Jahr) vorweisen müssen, bevor sie eine A-Bewilligung beantragen können, verstösst weder gegen die Wirtschaftsfreiheit noch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen im Vergleich zu den A-Taxi-Gesellschaften, welche gewissen spezifischen Regelungen unterworfen sind (E. 5).

143 III 51 (5A_355/2016) from 21. November 2016
Regeste: Art. 27 Abs. 1, Art. 31 und 96 IPRG; Art. 98 BGG; Anerkennung einer erbrechtlichen Urkunde des Auslands, schweizerischer (materieller) Ordre public. Der Entscheid über die Anerkennung einer - vorliegend erbrechtlichen - Urkunde des Auslands ist keine vorsorgliche Massnahme im Sinne von Art. 98 BGG (E. 2.3). Die Ehefrau christlichen Glaubens von jeglicher Erbberechtigung am Nachlass ihres Ehemannes muslimischer Religionszugehörigkeit auszuschliessen, verstösst gegen den schweizerischen Ordre public (E. 3.3).

143 III 65 (5A_299/2016) from 17. Januar 2017
Regeste: Art. 300 Abs. 2 und Art. 422 f. ZGB; Anhörung der Pflegeeltern; Entlassung der Beiständin. Die Pflicht zur Anhörung der Pflegeeltern beschränkt sich von Gesetzes wegen auf die für das Pflegekind wichtigen Entscheidungen. Keine wichtige Entscheidung für das Pflegekind bedeutet in der Regel der Wechsel der Beistandsperson im Falle von Berufsbeistandschaft (E. 3 und 4). Die Entlassung einer Beistandsperson aus wichtigem Grund beruht auf Ermessen. Sie kann begründet sein, wenn die objektive Beurteilung der Frage, ob und wann ein Pflegekind zu seinen leiblichen Eltern zurückgeführt wird, nicht mehr gewährleistet ist (E. 5 und 6).

143 III 193 (5A_619/2016) from 23. März 2017
Regeste: Art. 5 Abs. 2 HKsÜ; Art. 314 Abs. 1 i.V.m. Art. 450c ZGB; Art. 30 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 440 ZGB; Art. 29a BV; Art. 13 i.V.m. Art. 8 EMRK und Art. 301a Abs. 2 ZGB; Erlaubnis der Auswanderung des Kindes; Entzug der aufschiebenden Wirkung; Unabhängigkeit der KESB; Rechtsweggarantie; wirksame Beschwerde. Mit der Begründung gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes in einem anderen HKsÜ-Staat fällt die schweizerische Entscheidzuständigkeit dahin (E. 2 und 3). Bei Dringlichkeit kann der Beschwerde gegen den die Aufenthaltsverlegung erlaubenden Entscheid die aufschiebende Wirkung entzogen werden (E. 4). Dies verstösst - unabhängig von der Ausgestaltung der KESB als unabhängiges Gericht oder als Verwaltungseinheit (E. 5.1-5.4) - weder gegen die Rechtsweggarantie (E. 5.4-6) noch gegen den Anspruch auf eine wirksame Beschwerde (E. 6). Materielle Beurteilung der Auswanderung (E. 7).

143 III 693 (5A_899/2016) from 27. November 2017
Regeste: Art. 47 Abs. 2 LugÜ, Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG; Sicherungsmassnahme nach Vollstreckbarerklärung einer in Griechenland erlassenen Beschlagnahme von Vermögenswerten. Die konservative Beschlagnahme nach griechischem Zivilprozessrecht gibt nach der Vollstreckbarerklärung die Befugnis, als Sicherungsmassnahme den Arrest gemäss Art. 271 ff. SchKG zu verlangen (E. 3).

143 IV 483 (6B_510/2016) from 13. Juli 2017
Regeste: Art. 405 und 406 StPO; Einverständnis der Parteien zum schriftlichen Berufungsverfahren; Form der Zustimmung; Präzisierung der Rechtsprechung. Art. 406 Abs. 2 StPO verlangt keine ausdrückliche Zustimmung der Parteien zum schriftlichen Verfahren. Das Einverständnis kann auch stillschweigend erfolgen. Lässt sich eine Partei im Nachgang zu einer Verfügung der Berufungsinstanz, wonach eine mündliche Verhandlung nur auf Wunsch der Parteien durchgeführt und das Ausbleiben einer Mitteilung als Zustimmung zum schriftlichen Verfahren interpretiert werde, vorbehaltlos auf das schriftliche Verfahren ein, so ist dies als Verzicht auf eine mündliche Verhandlung zu werten (E. 2).

143 IV 500 (6B_1300/2016) from 5. Dezember 2017
Regeste: a Art. 36 Abs. 2 und 27 Abs. 1 SVG, Art. 36 Abs. 2 SSV; Vortrittsrecht an einer mit dem Signal "kein Vortritt" versehenen Kreuzung; Verkehrsspiegel. Vortrittsrecht an Kreuzungen bei schlechter Sicht (E. 1.2.1 und 1.2.2). Eigenschaften eines Verkehrsspiegels (E. 1.2.3). Ist bei einer Kreuzung das Signal "kein Vortritt" angebracht und besteht keine direkte Sicht auf die Hauptstrasse, kann sich der Vortrittsbelastete nicht darauf berufen, dass die Situation klar sei, wenn in einem Verkehrsspiegel ein herankommendes Fahrzeug erkennbar ist. Um seinen Pflichten nachzukommen, muss der Vortrittsbelastete anhalten und dem Fahrzeug auf der Hauptstrasse den Vortritt gewähren. Er kann sich auch vorsichtig in die Hauptstrasse hineintasten, um sich somit eine bessere Sicht zu verschaffen, den Abstand und die Geschwindigkeit des vortrittsberechtigten Fahrzeugs einschätzen zu können und diesem zu ermöglichen, ihn zu erkennen (E. 1.3.1)

143 V 19 (9C_752/2015) from 28. Dezember 2016
Regeste: Art. 52 und 56a Abs. 1 BVG (jeweils in den bis Ende 2004 gültigen Fassungen); Art. 49a BVV 2 (in der bis Ende 2001 gültigen Fassung); Verantwortlichkeit des Stiftungsrats bei der Vermögensanlage. Anlagen im Rahmen der Grenzwerte der BVV 2 sind nicht per se zulässig, sondern nur insoweit, als sie den allgemeinen Sicherheitsanforderungen von Art. 71 BVG genügen. Die Risikofähigkeit einer Vorsorgeeinrichtung kann auch bei Einhaltung der gesetzlichen und reglementarischen Limiten überschritten werden (E. 6.1.6).

143 V 208 (9C_304/2016) from 23. Mai 2017
Regeste: Art. 53k BVG; Art. 32 ASV; Tochtergesellschaften im Anlagevermögen einer Anlagestiftung. Die Bestimmung von Art. 32 Abs. 1 ASV ist gesetzeskonform (E. 5.3). Sie tangiert auch nicht die Wirtschaftsfreiheit (E. 6.1.2) und die Eigentumsgarantie (E. 6.2.2). In concreto spricht kein verfassungsrechtlicher Aspekt gegen ihre Anwendung (E. 6.3-6.5).

144 I 11 (8C_502/2017) from 30. November 2017
Regeste: a Res iudicata oder materielle Rechtskraft einer Kündigung nach kantonalem Personalrecht; Anfechtungsgegenstand. Hebt die kantonale Personalrekurskommission die Verfügung eines öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers über eine fristlose Kündigung rechtskräftig auf, so steht dies einer nachträglichen ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses gestützt auf denselben Sachverhalt grundsätzlich nicht entgegen (E. 4).

144 I 28 (8C_429/2017) from 20. Dezember 2017
Regeste: Art. 14 in Verbindung mit Art. 8 EMRK; Art. 17 Abs. 1 ATSG; Art. 28a Abs. 2 IVG; Art. 27 IVV; spezifische Methode der Invaliditätsbemessung. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Di Trizio gegen die Schweiz vom 2. Februar 2016 (7186/09) und die im Anschluss dazu ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichts gelten ausschliesslich bei Anwendung der gemischten Methode der Invaliditätsbemessung und nicht analog auch bei der spezifischen Methode (Betätigungsvergleich). Der Verlust einer Invalidenrente zufolge familiär bedingten Statuswechsels hin zur Nichterwerbstätigkeit und daraus resultierender Anwendbarkeit der spezifischen Methode der Invaliditätsbemessung ist mit Art. 14 i.V.m. Art. 8 EMRK vereinbar (E. 4.5 und 4.6).

144 I 159 (5A_701/2017) from 14. Mai 2018
Regeste: Art. 30 BV und 6 Ziff. 1 EMRK; Ablehnung einer Kindesschutzbehörde; "Freundschaft" auf Facebook mit einer Prozesspartei. "Freundschaft" auf Facebook als Ablehnungsgrund (E. 4).

144 I 208 (2C_792/2017) from 6. Juni 2018
Regeste: Koordination des kantonalen Genfer Einspracheverfahrens betreffend die Verfahrenskosten, Gebühren und Entschädigungen (Art. 87 Abs. 4 LPA/GE) mit dem Bundesgerichtsgesetz. Beschwerde an das Bundesgericht gegen einen Entscheid des Obergerichts und parallel dazu Einsprache beim Obergericht gegen dessen Entscheid betreffend Auferlegung der Gerichtsgebühr. Materielle Abweisung der Beschwerde durch das Bundesgericht. Danach Einspracheentscheid des Obergerichts und Beschwerde an das Bundesgericht gegen den kantonalen Einspracheentscheid. Der Entscheid des Bundesgerichts hat den kantonalen Entscheid ersetzt, auch soweit dieser die Verfahrenskosten, Gebühren und Entschädigungen betraf, so dass die Vorinstanz den streitigen Einspracheentscheid nicht hätte erlassen dürfen (E. 3). Wollen die Parteien verhindern, dass das Bundesgericht einen Entscheid erlässt, bevor die Vorinstanz über die Einsprache befunden hat, müssen sie das Bundesgericht über die hängige Einsprache informieren und die Sistierung des bundesrechtlichen Verfahrens bis zum Erlass des Einspracheentscheids beantragen (E. 4). Diese Art der Koordination kommt zur Anwendung, sofern keine anderen Bestimmungen des Bundesrechts das kantonale Einspracheverfahren ausschliessen (E. 5).

144 I 242 (6B_252/2017) from 20. Juni 2018
Regeste: Art. 6 OBG i.V.m. Art. 32 Abs. 1 und 35 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 2 EMRK; Unschuldsvermutung, nemo tenetur; Art. 6 OBG i.V.m. Art. 1, 102, 105 und 333 StGB, Art. 6 und 7 EMRK; Haltereigenschaft und Halterhaftung juristischer Personen für Übertretungen des Strassenverkehrsrechts; Legalitätsprinzip. Die in Art. 6 OBG statuierte Pflicht des seine Täterschaft bestreitenden Fahrzeughalters, den tatsächlichen Fahrzeugführer zu nennen oder die Busse zu bezahlen, verletzt weder die Unschuldsvermutung noch das Recht, sich nicht selber zu belasten (E. 1). Fahrzeughalter im Sinne von Art. 6 OBG können auch juristische Personen sein (E. 2). Art. 6 OBG enthält keine den allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches vorgehende, ausdrückliche Rechtsgrundlage zur Ausdehnung der Strafbarkeit von Unternehmen auf Übertretungen im Bereich des Strassenverkehrsrechts (E. 3).

144 I 318 (2C_34/2017) from 24. August 2018
Regeste: Art. 4 LRECA/VD; Art. 35 Abs. 1 lit. b RPG; Art. 29 Abs. 1 BV; Begriff der Widerrechtlichkeit im Rahmen der Staatshaftung im Bereich der Raumplanung. Die Gemeinde, welche bei der Genehmigung eines Nutzungsplanes unzulässigerweise verspätet ist, handelt nicht widerrechtlich (Art. 4 LRECA/VD), ausser wenn sie durch ihre Passivität eine Schutznorm zugunsten des angeblich beeinträchtigten Grundeigentümers verletzt (E. 5). Art. 35 Abs. 1 lit. b RPG ist keine solche Norm (E. 6). Voraussetzungen, unter denen eine Verletzung von Art. 29 Abs. 1 BV (Rechtsverweigerung) angesichts der Besonderheiten des Planungsverfahrens einen widerrechtlichen Akt begründet, welcher geeignet ist, die Haftung der betroffenen Gemeinde auszulösen (E. 7).

144 I 340 (2C_287/2018) from 21. September 2018
Regeste: Art. 56 VwVG; Art. 98 BGG; Art. 86 Abs. 2-5 MWSTG; Art. 6 Ziff. 1, 8 Ziff. 1, 13 und 14 EMRK. Es ist mit der EMRK vereinbar, dass über den einspracheweise festgesetzten provisorisch geschuldeten Mehrwertsteuerbetrag keine verwaltungsunabhängige Instanz entscheiden kann. Unterscheidung zwischen definitiver Steuerforderung und bloss provisorisch geschuldetem Steuerbetrag. Dieser wird gemäss Art. 86 Abs. 2 MWSTG in einem präliminaren Verfahren sui generis erhoben und stellt eine vorsorgliche Massnahme dar. Der Einspracheentscheid der ESTV hierüber unterliegt grundsätzlich keinem Rechtsmittel (E. 2.2). Abgaberechtliche Verpflichtungen sind, vorbehältlich des Steuerstrafrechts, von Art. 6 EMRK ausgenommen. Folglich gilt auch deren Vollstreckung nicht als zivilrechtlicher Anspruch im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK, sodass kein konventionsrechtliches Recht auf Zugang zu einem Gericht besteht. Dies trifft auch auf Art. 86 Abs. 2 MWSTG zu, zumal es sich dabei um eine (die Hauptsache nicht präjudizierende) vorsorgliche Massnahme handelt (E. 3.3). Akzessorische Natur des Anspruchs auf wirksame Beschwerde (Art. 13 EMRK; E. 3.4) und des Diskriminierungsverbots (Art. 14 i.V.m. Art. 8 Ziff. 1 EMRK). Mangels hinreichender Rügen keine Prüfung von Art. 86 MWSTG unter diesen Gesichtspunkten (E. 3.5).

144 II 246 (2C_101/2016) from 18. Mai 2018
Regeste: Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, 2 und 4 sowie Art. 49a Abs. 1 KG; unzulässige vertikale Abrede über Preise; Widerlegung der Vermutung betreffend die Beseitigung des wirksamen Wettbewerbs; erhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs; Abwesenheit des Rechtfertigungsgrundes der wirtschaftlichen Effizienz. Begriff der Abrede gemäss Art. 4 Abs. 1 KG und Anwendung auf den Fall. Vorliegend besteht eine vertikale Abrede über den Mindestverkaufspreis in Form einer einseitig verpflichtenden Erklärung, die implizit durch die Gesamtheit der Verkäufer akzeptiert wurde (E. 6). Die Aufrechterhaltung eines markeninternen (intrabrand) Wettbewerbs kann die Vermutung betreffend die Beseitigung des wirksamen Wettbewerbs gemäss Art. 5 Abs. 4 KG widerlegen. Im vorliegenden Fall besteht weiterhin ein solcher Wettbewerb aufgrund der durch die Abrede vorgesehenen Preisbandbreite (E. 7). Unzulässige Wettbewerbsabrede gemäss Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 KG (E. 8-13). Qualitative Kriterien reichen für eine erhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs gemäss Art. 5 Abs. 1 KG aus (Bestätigung von BGE 143 II 297) (E. 9-11). Keine Rechtfertigung durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz (E. 12 und 13).

144 II 293 (2C_721/2016) from 3. August 2018
Regeste: Mehrwertsteuer auf der Einfuhr eines durch die Erben des Künstlers eingeführten Kunstwerkes; Art. 52, 53 Abs. 1 lit. c und d MWSTG; Vereinbarung vom 22. November 1950 über die Einfuhr von Gegenständen erzieherischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Charakters. Anwendbares Recht (E. 2). Auf dem Kunstwerk, einem Originalwerk der Bildhauerei, sind keine Zollabgaben geschuldet; grundsätzlich ist darauf jedoch die Einfuhrsteuer zu erheben. Die Liste der steuerbefreiten Einfuhren ist abschliessend (E. 3). Das strittige Kunstwerk wird nicht öffentlich ausgestellt und fällt somit nicht unter den auf Kunst- und Ausstellungsgegenstände anwendbaren mehrwertsteuerlichen Steuerbefreiungstatbestand (E. 4.1). Voraussetzungen für eine Befreiung von Erbschaftsgut von der Einfuhrsteuer. Das strittige Kunstwerk ist kein Gebrauchsgegenstand (gebrauchtes Erbschaftsgut) im Sinne der Bestimmungen des Zollrechts, auf welche das MWSTG verweist. Eine Voraussetzung für die Steuerbefreiung fehlt somit (E. 4.2). Die Beschwerdeführer können sich, angesichts ihrer Qualifikation als Erben, auch nicht auf die auf Künstlerinnen und Künstler anwendbare Steuerbefreiung berufen (E. 5). Die Erhebung der Einfuhrsteuer auf der Einfuhr des Kunstwerkes verletzt somit unter diesen Umständen die Vereinbarung vom 22. November 1950 über die Einfuhr von Gegenständen erzieherischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Charakters nicht (E. 6).

144 II 313 (2C_450/2017) from 26. Juni 2018
Regeste: Art. 127 Abs. 2 BV; Art. 86 und 91 DBG, Art. 33 Abs. 2 und 35 StHG; Art. 133 Abs. 2 und 138 ff. StG/VD; Art. 1 Abs. 1 QStV (in der seit dem 1. Januar 2014 wirksamen Fassung). Quellensteuer, Tarif C für Doppelverdiener-Ehegatten, theoretisches Einkommen des Ehegatten im Ausland; Tarif für unmündige Kinder unter dessen Obhut. Darstellung der Quellensteuer und des Tarifs für in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe lebende Ehegatten, die beide erwerbstätig sind (Tarif C "Doppelverdiener") und des Systems, das in schematischer Weise im Tarif C das Einkommen des im Ausland ansässigen Ehegatten einbezieht (E. 4). Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 5). Wenn der ausländische Ehegatte im Ausland aus seiner Erwerbstätigkeit ein geringfügiges Einkommen erzielt, führt die Struktur des Tarifs C zu einer Überbesteuerung der steuerpflichtigen Person, was im Widerspruch zur Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Art. 127 Abs. 2 BV steht, es sei denn, dies werde durch die nachträgliche Rektifikation bereinigt, die von der steuerpflichtigen Person in den Fristen gemäss Art. 137 Abs. 1 DBG und Art. 191 Abs. 1 StG/VD zu verlangen ist (E. 6 und 8). Den Tarif C3 auf die steuerpflichtige Person einzig deshalb nicht anzuwenden, weil sie keine vollständigen Kinderzulagen einer schweizerischen Kasse bezieht, findet weder im DBA CH-FR noch im DBG oder StHG eine Grundlage (E. 7 und 8).

144 III 120 (4A_260/2017) from 20. Februar 2018
Regeste: Internationale Schiedsgerichtsbarkeit; Unabhängigkeit des Schiedsgerichts für Sport (TAS) gegenüber der Fédération Internationale de Football Association (FIFA) (Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG); materieller Ordre public (Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG). Inwiefern ist eine Partei berechtigt, einen Entscheid beim Bundesgericht anzufechten, dem sie den Charakter eines Schiedsentscheids abspricht (E. 1.2)? Das TAS ist ausreichend unabhängig von der FIFA, damit Entscheide, die es diesen Verein betreffend fällt, als eigentliche, mit Urteilen staatlicher Gerichte vergleichbare Entscheide angesehen werden können (E. 3.4). Zusammenfassung des Begriffs des materiellen Ordre public im Sinne von Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG in allgemeiner Hinsicht (E. 5.1) und bezogen auf die Bestimmungen des Wettbewerbsrechts (E. 5.2); Anwendung dieses Begriffs auf eine Disziplinarmassnahme, die gegenüber einem Fussballclub ausgesprochen wurde, der gegen das Verbot der Abtretung der wirtschaftlichen Rechte an einem Spieler an einen dritten Kapitalgeber verstossen hat (E. 5.3-5.5).

144 III 145 (4A_197/2017) from 13. März 2018
Regeste: Art. 924 Abs. 1 und 927 ZGB; Klage aus Besitzesentziehung. Zwei Voraussetzungen der Klage aus Besitzesentziehung (Art. 927 Abs. 1 ZGB; E. 3.1 und 3.2). Für die erste Voraussetzung genügt der mittelbare Besitz: Übertragung des mittelbaren Besitzes an einem Grundstück vom Verkäufer an den Käufer durch Besitzanweisung (E. 3.2.1).

144 III 227 (4A_67/2017) from 15. März 2018
Regeste: Art. 32bbis Abs. 1 USG; Finanzierung der Entsorgung bei Aushubmaterial von belasteten Standorten, die nicht zwingend saniert werden müssen. Voraussetzungen der speziellen, privatrechtlichen Haftpflicht, die durch Art. 32bbis Abs. 1 USG eingeführt wurde (E. 3, 3.1 und 3.2). Der Begriff "Inhaber des Grundstücks" ist ein Begriff des Privatrechts, der den Inhaber eines persönlichen Rechts am Grundstück oder an den Abfällen ausschliesst (E. 3.3).

144 III 264 (5A_856/2016, 5A_865/2016) from 13. Juni 2018
Regeste: Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG; Art. 83 und Art. 84 ZGB; Art. 16 ZGB; Stiftungsaufsicht; Stifterrechte. Entscheide betreffend Stiftungsaufsicht sind vermögensrechtlicher Natur und unterliegen nur dann der Beschwerde in Zivilsachen, wenn der Streitwert mindestens Fr. 30'000.- beträgt (E. 1.3). Die Stiftungsurkunde kann vorsehen, dass der Stifter oder im Falle seiner Verhinderung seine Nachkommen die Mitglieder des Stiftungsrats ernennen (E. 2). Beweismass und Beweislast für die Feststellung einer Urteilsunfähigkeit, die den Stifter an der Ausübung seines Ernennungsrechts hindert (E. 5 und 6).

144 III 462 (4A_295/2017) from 25. April 2018
Regeste: Art. 55 Abs. 1, 150 Abs. 1 am Ende und 257 Abs. 1 lit. a ZPO, Art. 298 Abs. 2 OR; Kündigung des Pachtvertrages, fehlende Bestreitung, dass die Kündigung auf dem offiziellen Formular mitgeteilt wurde. Das Verfahren des Rechtsschutzes in klaren Fällen unterliegt der Verhandlungsmaxime. Bestreitet der Pächter die Kündigungsmitteilung auf dem offiziellen Formular nicht, stellt diese eine nicht bestrittene Tatsache dar, die unbestritten im Sinne von Art. 257 Abs. 1 lit. a ZPO ist (E. 3 und 4).

144 IV 198 (6B_712/2017) from 23. Mai 2018
Regeste: Art. 391 Abs. 2 StPO, Art. 34 Abs. 2 Satz 3 StGB; Verschlechterungsverbot und Höhe des Tagessatzes von Geldstrafen. Aufgrund von Tatsachen, die dem erstinstanzlichen Gericht nicht bekannt sein konnten, kann die Rechtsmittelinstanz eine strengere Bestrafung ausfällen, auch wenn das Rechtsmittel nur zu Gunsten der beschuldigten Person ergriffen worden ist. Ob solche Tatsachen vor oder nach dem erstinstanzlichen Urteil eingetreten sind, ist unerheblich (E. 5.3). Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur Bemessung der Höhe des Tagessatzes nach Art. 34 Abs. 2 Satz 3 StGB können solche Tatsachen sein. Das Berufungsgericht verletzt mit der Erhöhung des Tagessatzes angesichts der von ihm festgestellten und nach dem erstinstanzlichen Urteil verbesserten finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers das Verschlechterungsverbot nicht (E. 5.4).

144 V 50 (8C_409/2017) from 21. März 2018
Regeste: Lit. a Abs. 1 der Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 2011 des IVG (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket); Aufhebung einer Invalidenrente. Anwendungsbeispiel für die Indikatorenprüfung nach BGE 141 V 281 auf der Grundlage eines Gutachtens, das bereits nach den Vorgaben von BGE 141 V 281 erstellt wurde (E. 3-6).

144 V 97 (9C_827/2017) from 7. Mai 2018
Regeste: Art. 37 Abs. 4 und Art. 55 Abs. 1 ATSG; Art. 65 Abs. 4 VwVG; rückwirkender Entzug der unentgeltlichen Rechtsvertretung für das Verwaltungsverfahren. Kommt die früher bedürftige Partei später zu hinreichenden Mitteln, kann deswegen weder die Nachzahlung der Kosten der unentgeltlichen Rechtsvertretung für das Verwaltungsverfahren verlangt noch die unentgeltliche Rechtsvertretung rückwirkend entzogen werden. Dafür fehlt eine gesetzliche Grundlage (E. 3.5).

144 V 138 (9C_476/2017) from 29. März 2018
Regeste: Art. 43 Abs. 4 und 5bis KVG; Anpassung der Tarifstruktur TARMED durch den Bundesrat. Art. 43 Abs. 4 Satz 2 und Art. 43 Abs. 5bis KVG schliessen nicht aus, dass der Bundesrat bei einer Anpassung der Tarifstruktur die Taxpunkte bestimmter Positionen linear kürzt und dabei auch politischen Anliegen Rechnung trägt (E. 6.4 und 6.5).

144 V 173 (9C_649/2017, 9C_652/2017) from 21. Juni 2018
Regeste: Art. 65d BVG; Pflicht des Arbeitgebers zur Behebung der Unterdeckung. Ein Arbeitgeber kann sich den vertraglich eingegangenen (Sanierungs-)Verpflichtungen gegenüber einer Vorsorgeeinrichtung nicht entziehen, indem er zuvor die Ausschliesslichkeitsklausel des Anschlussvertrages verletzt und die Vorsorgeeinrichtung (resp. das betroffene Vorsorgewerk) dadurch zu einer reinen Rentnerkasse geworden ist (E. 3.3.5).

144 V 388 (9C_903/2017) from 21. November 2018
Regeste: aArt. 13 Abs. 2 lit. c und aArt. 60 KVG (beide Bestimmungen aufgehoben auf Ende Dezember 2015), aArt. 106-106c KVG (in Kraft gestanden vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2017); aArt. 78-78c KVV (aufgehoben auf Ende Dezember 2015); Art. 12 KVAG; Zulässigkeit von privatversicherungsrechtlichen Zuschüssen einer Muttergesellschaft (Holding) an ihre KVG-Tochtergesellschaften zur Bildung zusätzlicher Reserven im Bereich der sozialen Krankenversicherung. Die Krankenversicherer können nur in jenen Bereichen eigene Regeln aufstellen, in denen das KVG ihnen eine diesbezügliche Kompetenz ausdrücklich einräumt. Dies gilt auch hinsichtlich der Finanzierung der sozialen Krankenversicherung (E. 4). Der Gesetzgeber hat deren Quellen abschliessend geregelt (Prämien und Kostenbeteiligungen der versicherten Personen sowie Beiträge der öffentlichen Hand). Weder aus aArt. 60 KVG ("Finanzierungsverfahren und Rechnungslegung") noch aus aArt. 106a KVG ("Beiträge zur Prämienkorrektur durch die Versicherer und den Bund") oder aus dem auf 1. Januar 2016 in Kraft getretenen KVAG kann auf die Zulässigkeit weiterer Finanzierungsmöglichkeiten - beispielsweise in Form von Mittelzuflüssen aus dem VVG-Zusatzversicherungsbereich - geschlossen werden (E. 5-7). Daran vermögen allfällige gesellschafts- bzw. konzernrechtliche Vorschriften nichts zu ändern (E. 5.6).

145 I 26 (8C_228/2018) from 22. Januar 2019
Regeste: Art. 82 lit. b BGG; Art. 65 Abs. 1bis KVG; abstrakte Kontrolle von § 2a Abs. 1 und Abs. 2 der Prämienverbilligungsverordnung des Kantons Luzern in der für das Jahr 2017 gültig gewesenen Fassung; Einkommensgrenze für Prämienverbilligung. Die im Kanton Luzern für das Jahr 2017 auf Fr. 54'000.- festgesetzte Einkommensgrenze zur Verbilligung der Krankenkassenprämien von Kindern und jungen Erwachsenen in Ausbildung hält vor Bundesrecht nicht stand. Selbst unter Achtung der diesbezüglichen Autonomie der Kantone ist es mit Sinn und Geist von Art. 65 Abs. 1bis KVG, der für untere und mittlere Einkommen eine Prämienverbilligung für Kinder und junge Erwachsene in Ausbildung vorsieht, nicht vereinbar, wenn die kantonal festgesetzte Einkommensgrenze knapp über der Schwelle von den unteren zu den mittleren Einkommen liegt und somit nur ein verschwindend kleiner Teil der mittleren Einkommen in den Genuss einer Prämienverbilligung kommt. § 2a Abs. 1 und Abs. 2 der Prämienverbilligungsverordnung des Kantons Luzern entziehen sich einer mit Bundesrecht vereinbaren Auslegung und sind daher, zusammen mit Abs. 4 dieser Bestimmung, aufzuheben (E. 8.3).

145 I 73 (1C_188/2018) from 13. Februar 2019
Regeste: Art. 4 und 5 Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten, Art. 17 und 27 UNO-Pakt II, Art. 2 FZA, Art. 6 und 8 EMRK, Art. 8, 9, 13, 24, 26, 27, 29, 29a und 30 BV; abstrakte Kontrolle des Neuenburger Gesetzes über Lagerplätze fahrender Gemeinschaften (LSCN). Konventions- und verfassungsrechtlicher Rahmen zum Schutz fahrender Gemeinschaften (E. 4). Das LSCN begründet keine Ungleichbehandlung zwischen den fahrenden Gemeinschaften und der sesshaften Bevölkerung (E. 5.2); es verletzt das Diskriminierungsverbot nicht, indem es Plätze für den Aufenthalt und die Durchreise von "schweizerischen fahrenden Gemeinschaften" und Plätze für die Durchreise von "anderen fahrenden Gemeinschaften" vorsieht (E. 5.3). Das LSCN ist sowohl mit der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) als auch mit der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) vereinbar (E. 6). Die Räumung eines rechtswidrigen Lagers - vorgesehen in den Art. 24 bis 28 LSCN - verletzt weder den Schutz der Privatsphäre (Art. 13 BV) noch die Niederlassungsfreiheit (Art. 24 BV) noch die Allgemeinen Verfahrensgarantien (Art. 29 BV) noch die Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) noch die gerichtlichen Verfahrensgarantien (Art. 30 BV) (E. 7).

145 I 121 (2C_955/2016, 2C_190/2018) from 17. Dezember 2018
Regeste: Die Glaubensfreiheit der Römisch-katholischen Landeskirche oder das Landeskirchenrecht sind durch den an Bedingungen gebundenen Beitrag der Katholischen Landeskirche Graubünden in der Höhe von Fr. 15'000.- an eine Beratungsstelle für Familienplanung, Sexualität, Schwangerschaft und Partnerschaft nicht verletzt. Zur Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten bzw. der Verfassungsbeschwerde gegen einen Budgetentscheid des Parlaments einer Landeskirche, der zugleich eine Subvention zuspricht (E. 1.1 und 1.2). Erfordernis der Letztinstanzlichkeit (E. 1.3). Prüfung der Legitimation von Dritten, die sich gegen die Subvention wenden (E. 1.5). Die offizielle Lehre der römisch-katholischen Kirche lehnt die Abtreibung ab (E. 4). Offengelassen, ob die katholische Landeskirche nach kantonalem Recht verpflichtet ist, die Lehre der römisch-katholischen Kirche zu vertreten. Die Beitragsgewährung war nämlich an die Bedingung geknüpft, dass der Betrag namentlich nicht für die Beratung über Abtreibungsmethoden u.Ä. verwendet werden darf. Damit ist das Anliegen der Beschwerdeführerin erfüllt. Keine Verletzung ihrer Glaubensfreiheit (E. 5). Kosten (E. 6).

145 I 183 (5C_2/2017) from 11. März 2019
Regeste: Art. 27, 49 und 94 BV, Art. 404 ZGB; abstrakte Kontrolle der (neuen) Art. 31a bis 31d des Gesetzes des Kantons Neuenburg vom 27. Juni 2017 zur Änderung des Gesetzes über die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden; Entschädigung der unabhängigen Privatbeistände; Wahrung der Wirtschaftsfreiheit und des Grundsatzes des Vorrangs des Bundesrechts. Kategorien von Beiständen; Darstellung des Systems der Entschädigung der Beistände im Kanton Neuenburg unter Herrschaft des bisherigen und des neuen Rechts (E. 3). Keine Verletzung der Wirtschaftsfreiheit (E. 4). Grundsätze für die Entschädigung des Beistandes; zulässige kantonale Tarifmodelle; Vereinbarkeit des auf Pauschalen mit Mindest- und Höchstbeträgen beruhenden Tarifsystems des Kantons Neuenburg mit dem Bundesrecht (Art. 404 ZGB); Verletzung des Grundsatzes des Vorrangs des Bundesrechts, soweit der neue Tarif die Möglichkeit, die Grundentschädigung in Fällen zu erhöhen, in denen sie mit Blick auf den tatsächlichen Aufwand des Beistands als unangemessen erscheint, auf maximal 30 % begrenzt (E. 5).

145 II 32 (1C_46/2017) from 21. November 2018
Regeste: Art. 9, 26 und 30 BV; Art. 664 und 667 ZGB; Art. 2 Abs. 7 BGBM; Art. 10 Abs. 1 und 11 USG; Art. 30 Abs. 1bis RPV; kantonaler Sondernutzungsplan für ein Pilotprojekt im Bereich der Tiefengeothermie. Der Kanton ist zur Verfügung über den tiefen Untergrund befugt und kann dessen Nutzung regeln (E. 2). Selbst wenn eine Konzession angemessener erscheint, kann das kantonale Recht sich mit einem blossen Bewilligungsregime begnügen (E. 3). Eine Ausschreibung im Sinne von Art. 2 Abs. 7 BGBM ist nicht erforderlich (E. 4). Es ist nicht willkürlich und verletzt nicht die allgemeinen Verfahrensgarantien, den Inhalt der Baubewilligung (die zu Unrecht von der Kantonsregierung an Stelle der Gemeindebehörde erteilt worden war) in die Sondernutzungsplanung zu integrieren (E. 5). Die Frage der Wertminderung der Liegenschaften der Einsprecher ist nicht Gegenstand der Sondernutzungsplanung (E. 6). Die (teilweise kompensierte) Inanspruchnahme von Fruchtfolgeflächen ist vorliegend zulässig (E. 7).

145 II 105 (2C_409/2018) from 23. Januar 2019
Regeste: Art. 47 Abs. 1 und 3 lit. b AIG; Art. 51 AsylG; Art. 73 VZAE; Flüchtling mit Asyl; Familiennachzug; Auswirkungen eines Gesuchs um Familienasyl nach Art. 51 AsylG auf Art. 47 AIG. Die Fristen nach Art. 47 AIG sind eingehalten, wenn das erste erfolglose Gesuch gestützt auf Art. 51 AsylG innert dieser Fristen gestellt wurde und das zweite ebenfalls innerhalb dieser Fristen. Das für das zweite Gesuch massgebende Element, das die Fristen wieder aufleben lässt, ist das Inkrafttreten der abweisenden Entscheidung des Familienasyl nach dem AsylG (E. 3).

145 II 112 (2C_625/2018) from 1. Februar 2019
Regeste: Art. 4 Abs. 1 und Abs. 6 Bst. b und Art. 28 Abs. 1 DBA CH-FR; Begriff der voraussichtlichen Erheblichkeit der Information für die Besteuerungsart in der Schweiz der durch ein französisches Amtshilfegesuch betroffenen Person. Die Information über die Besteuerungsart einer natürlichen Person in der Schweiz ist als voraussichtlich erhebliche Information im Sinne von Art. 28 Abs. 1 DBA CH-FR einzustufen, falls das Gesuch auf die Feststellung des steuerrechtlichen Wohnsitzes der betroffenen Person gerichtet ist. Art. 4 Abs. 6 Bst. b DBA CH-FR schliesst die Qualifikation einer Person als in einem Vertragsstaat ansässig aus, wenn sie in der Schweiz pauschal besteuert wird (E. 2). Die Kriterien, welche der um Informationen nachsuchende Staat hinsichtlich eines wahrscheinlichen steuerrechtlichen Wohnsitzes der vom Gesuch betroffenen Person in Frankreich geltend macht, sind solche im Sinne von Art. 4 Abs. 1 DBA CH-FR, weshalb eine Besteuerung in Frankreich nicht in Widerspruch zu Art. 28 Abs. 1 in fine DBA CH-FR stehen würde (E. 3).

145 II 153 (8C_594/2018) from 5. April 2019
Regeste: Art. 8 Abs. 2 und Abs. 3 BV; Art. 3 Abs. 1 GlG; direkte Diskriminierung. Mangels Geschlechtsspezifität ist eine direkte Diskriminierung nach Art. 3 Abs. 1 GlG aufgrund der sexuellen Orientierung nicht möglich (E. 4).

145 II 206 (2C_851/2018) from 15. Februar 2019
Regeste: Art. 8 Abs. 1, 127 Abs. 2 und 3 BV; Art. 8 Abs. 1, 12 Abs. 1, 4 und 5 StHG; § 224a StG/ZH in der Fassung vom 23. Oktober 2017 zur Anrechnung von operativen Verlusten an Gewinne, die bei Veräusserung von Grundstücken des Geschäftsvermögens entstehen; abstrakte Normenkontrolle. Anders als die intertemporale Verlustverrechnung, die das StHG zwingend vorschreibt, ist es den Kantonen mit monistischem System überlassen, die steuerartübergreifende Verlustanrechnung von Betriebsverlusten an Gewinne aus der Veräusserung von Grundstücken des Geschäftsvermögens vorzusehen. Bis auf den Kanton Zürich ist dies überall geschehen (E. 2). Im interkantonalen Verhältnis ist die Verlustanrechnung durch Art. 127 Abs. 3 BV vorgeschrieben; sie entspricht auch im innerkantonalen Verhältnis der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und ist nicht verfassungswidrig (E. 3).

145 II 218 (1C_125/2018) from 8. Mai 2019
Regeste: Art. 18 EBG und Art. 11 Abs. 1 und 2 TrG; eidgenössisches Plangenehmigungsverfahren für Eisenbahn- und Trolleybusanlagen; Voraussetzungen, unter denen eine Teil eines umfangreichen Eisenbahnprojekts bildende Erschliessungsstrasse als Eisenbahnanlage (bzw. Trolleybusanlage) im Sinne des Bundesrechts zu qualifizieren ist. Fall eines grossen Eisenbahn- und Trolleybusprojekts im Stadtgebiet, dessen Betrieb die Schliessung bestehender Strassenachsen für den motorisierten Individualverkehr erfordert. Das eidgenössische Plangenehmigungsverfahren (Art. 18 ff. EBG und Art. 11 TrG) muss auch die Schaffung einer neuen Erschliessungsstrasse umfassen; diese ist als Eisenbahnanlage im Sinne von Art. 18 Abs. 1 EBG (bzw. als Trolleybusanlage im Sinne von Art. 11 Abs. 1 TrG) zu qualifizieren: sie steht in engem sachlichem Zusammenhang zum Bahnbetrieb, indem sie darauf abzielt, die mit der - notwendigen - Schliessung gewisser Strassenachsen einhergehenden Verkehrsbeeinträchtigungen zu reduzieren (E. 4.3.1); Bestehen eines räumlichen Zusammenhangs zwischen den projektierten Strecken des öffentlichen Verkehrs, der neuen Erschliessungsstrasse und den durch sie entlasteten Strassenkreuzungen, die alle zum eng gefassten Perimeter des Lausanner Stadtzentrums gehören (E. 4.3.2). Eine einheitliche eidgenössische Plangenehmigung drängt sich schliesslich auch aus Gründen der Koordination auf (E. 4.3.3).

145 II 229 (2C_1083/2017) from 4. Juni 2019
Regeste: Art. 27 BV; Art. 5 Abs. 2 lit. d, Art. 8 Abs. 1 lit. d und Art. 13 BGFA; Eintragung der Geschäftsadresse eines Anwalts bei einer Aktiengesellschaft, die als Plattform für Anwälte fungiert; strukturelle Unabhängigkeit; Risiko der Irreführung; Berufsgeheimnis; Begriff der Hilfsperson; Geschäftsadresse; neue Technologien. Eintragung der Geschäftsadresse eines Anwalts bei einer Aktiengesellschaft, deren Zweck darin besteht, als Plattform für unabhängige Anwälte zu fungieren und ihnen ein Geschäftsdomizil und/oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Benutzung der Räumlichkeiten anzubieten. Prüfung der Vereinbarkeit dieser Art der Ausübung des Anwaltsberufs mit dem Erfordernis der strukturellen Unabhängigkeit (E. 6) und der Wahrung des Berufsgeheimnisses (E. 7). Anforderungen an die Geschäftsadresse, namentlich mit Blick auf das Fehlen eines zugeteilten Büros in den Räumlichkeiten der Gesellschaft (E. 8). Verpflichtung, im konkreten Fall Anpassungen vorzunehmen, um an der gewünschten Geschäftsadresse praktizieren zu können. Diese Massnahmen stellen Einschränkungen der Wirtschaftsfreiheit dar, die die Voraussetzungen von Art. 36 BV erfüllen (E. 9).

145 II 252 (2C_254/2018) from 29. August 2019
Regeste: Zuteilung des Auftrags an eine Privatperson, ein Hotel und ein Restaurant zu betreiben, deren Eigentümerin die Stadt Genf ist; kantonales öffentliches Beschaffungsrecht; Gemeindemonopol im Sinne von Art. 2 Abs. 7 BGBM; Finanzvermögen; Anspruch auf einen Entscheid. Ein nicht berücksichtigter Kandidat macht geltend, aufgrund des öffentlichen Beschaffungsrechts und des Binnenmarktgesetzes Anspruch auf einen Entscheid zu haben im Zusammenhang mit der Zuteilung des Auftrags an eine Privatperson, ein Hotel und ein Restaurant zu betreiben, deren Eigentümerin die Stadt Genf ist. Die Stadt verneint einen solchen Anspruch, was die kantonale Rechtsmittelinstanz bestätigt, da das Hotel und das Restaurant zum Finanzvermögen der Stadt gehören (E. 3). Da die Stadt Genf sich hinsichtlich der Zuteilung des Auftrags, ein Hotel und ein Restaurant zu betreiben, auf der Angebotsseite befindet, stellt diese Zuteilung keine öffentliche Beschaffung dar (E. 4). Ein faktisches Monopol beruht auf der allgemeinen Herrschaftsbefugnis des Gemeinwesens hinsichtlich der öffentlichen Güter, d.h. des öffentlichen Grunds und (unter bestimmten Voraussetzungen) des Verwaltungsvermögens, davon ausgenommen allerdings das Finanzvermögen, so dass die Übertragung von sich darauf beziehenden Rechten seitens des Gemeinwesens an ein privates Unternehmen nicht Gegenstand einer Konzession im Sinne von Art. 2 Abs. 7 BGBM sein kann. Bestätigung der Zugehörigkeit des Hotels und des Restaurants zum Finanzvermögen der Stadt Genf (E. 5).

145 III 91 (4A_415/2018) from 7. Dezember 2018
Regeste: Art. 26, 47, 140f und 140k PatG; ergänzende Schutzzertifikate, Nichtigkeit. Die Aufzählungen der Nichtigkeitsgründe gemäss Art. 26 und 140k PatG sind abschliessend (E. 2.2). Die Nichteinhaltung der Antragsfrist gemäss Art. 140f PatG bzw. eine vom Institut für Geistiges Eigentum fehlerhaft angeordnete Wiedereinsetzung in den früheren Stand (Art. 47 PatG) kann nicht unter einen Nichtigkeitsgrund gemäss Art. 140k PatG subsumiert werden (E. 2.3).

145 IV 228 (1B_517/2018) from 4. März 2019
Regeste: Art. 92 BGG, Art. 3 Abs. 2 Satz 4 JStG, Art. 40 ff. StPO; Kompetenz zur Beurteilung von Zuständigkeitskonflikten zwischen der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Jugendstrafrechtspflege desselben Kantons. Die Weigerung der für das ordentliche Strafverfahren zuständigen Staatsanwaltschaft, eine Strafsache zugunsten einer Beurteilung durch die Organe der Jugendstrafrechtspflege abzutrennen, erschöpft sich in einer Weigerung der Staatsanwaltschaft, ihre Zuständigkeit zu verneinen. Da es sich um einen (selbständig eröffneten) Vor- bzw. Zwischenentscheid über die Zuständigkeit handelt, ist dagegen die Beschwerde in Strafsachen gestützt auf Art. 92 BGG zulässig (E. 1). Die Zuständigkeitsregeln und das Verfahren bei Gerichtsstandskonflikten zwischen Behörden desselben Kantons sind auch anwendbar bei Streitigkeiten über die materielle Zuständigkeit im selben Kanton. Falls der betroffene Kanton eine Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft vorgesehen hat (Art. 40 Abs. 1 StPO), so entscheidet diese den Zuständigkeitskonflikt; dies auch in Fällen, bei denen eine Partei ihn aufgeworfen hat (Art. 41 Abs. 1 StPO; E. 2).

145 IV 491 (6B_1326/2018) from 16. Oktober 2019
Regeste: Art. 86 Abs. 1 EBG; Art. 382 Abs. 1 i.V.m. Art. 115 Abs. 1 StPO; Betreten des Bahnbetriebsgebiets ohne Erlaubnis, Legitimation der SBB AG zur Berufung gegen ein freisprechendes Strafurteil. Werden durch Straftaten nur öffentliche Interessen verletzt und private Interessen bloss mittelbar beeinträchtigt, ist die mittelbar beeinträchtigte Person nicht Geschädigte im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO (E. 2.3.3). Die Rechtsmittelberechtigung im Sinne von Art. 382 Abs. 1 StPO entscheidet sich nach der Rechtsgutsqualifizierung (E. 2.4.1 und 2.4.2). Die SBB AG kann im Sinne von Art. 382 Abs. 1 StPO grundsätzlich durch ihre Bevollmächtigten ein Rechtsmittel ergreifen; die Berechtigung im Sinne der Sachurteilsvoraussetzung steht ihr aber einzig unter den Bedingungen von Art. 115 StPO zu (E. 2.4.7). Art. 86 Abs. 1 EBG dient der Sicherheit des Bahnbetriebs auf dem Bahnbetriebsgebiet und damit öffentlichen Interessen. Die SBB AG ist in casu nicht als Geschädigte im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO anzuerkennen (E. 2.4.13).

145 V 22 (9C_104/2018 und andere) from 13. Dezember 2018
Regeste: a Art. 53b Abs. 1 lit. c und Art. 53d Abs. 1 BVG; Teilliquidation einer Gemeinschaftseinrichtung; Gleichbehandlungsgebot. In die Teilliquidation einer Gemeinschaftsstiftung sind Kleinstanschlüsse einzubeziehen, wenn deren Anschlussverträge aufgrund des gleichen wirtschaftlichen Ereignisses, das zur Teilliquidation führte, gekündigt wurden. Dies gilt auch, wenn die Auflösung eines Kleinstanschlusses für sich allein keine Teilliquidation auszulösen vermöchte (E. 4).

145 V 57 (9C_343/2018) from 20. Februar 2019
Regeste: Art. 14 Abs. 1 und 2, Art. 14bis IVG; Art. 39 Abs. 1 lit. e KVG; Kostenvergütung für stationäre Behandlungen im Rahmen medizinischer Eingliederungsmassnahmen. Gemäss Art. 14bis Satz 1 IVG wird die Kostenvergütung für stationäre Behandlungen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 und 2 IVG, die in einem nach Art. 39 KVG zugelassenen Spital erbracht werden, zu 80 % durch die Invalidenversicherung und zu 20 % durch den Wohnkanton der versicherten Person geleistet. Zugelassen ist ein Spital namentlich, wenn es auf der nach Leistungsaufträgen in Kategorien gegliederten Spitalliste des Kantons aufgeführt ist (Art. 39 Abs. 1 lit. e KVG). Der Verweis in Art. 14bis IVG bezieht sich auch auf das in der KVG-Bestimmung enthaltene Erfordernis eines (Listen-)Spitals mit einem für die betreffende Behandlung vorhandenen Leistungsauftrag. Ob es sich dabei um ein Spital handeln muss, das sich auf der Liste irgendeines Kantons in der Schweiz oder aber auf derjenigen des fraglichen Kantons befindet, brauchte mangels Leistungsauftrags nicht abschliessend beurteilt zu werden (E. 9.2-9.6).

145 V 188 (8C_427/2018) from 30. April 2019
Regeste: Art. 8 Abs. 1 lit. b, Art. 11 Abs. 1 und Abs. 3, Art. 11a AVIG; Art. 10a, Art. 10h AVIV; freiwillige Leistung des Arbeitgebers bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses im gegenseitigen Einvernehmen. Die in der Abgangsentschädigung enthaltene Mitarbeiterbeteiligung in Form von "restricted stock units" (RSU) und "stock options" (SO) ist im vorliegenden Fall als freiwillige Leistung des Arbeitgebers im Sinn von Art. 11a AVIG zu qualifizieren (E. 5).

145 V 215 (9C_724/2018) from 11. Juli 2019
Regeste: Art. 4 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 6-8 ATSG; Art. 28 Abs. 1 IVG; invalidenversicherungsrechtliche Relevanz von Abhängigkeitssyndromen (psychische Störungen durch psychotrope Substanzen). Primäre Abhängigkeitssyndrome sind - wie sämtliche psychischen Erkrankungen - grundsätzlich einem strukturierten Beweisverfahren nach BGE 141 V 281 zu unterziehen (E. 5 und 6.2; Änderung der Rechtsprechung).

145 V 278 (8C_9/2019) from 22. August 2019
Regeste: Art. 42quater Abs. 3 IVG; Art. 39a lit. c IVV; Art. 42ter Abs. 3 IVG; Assistenzbeitrag für minderjährige versicherte Personen. Minderjährige versicherte Personen, denen ein Intensivpflegezuschlag nach Art. 42ter Abs. 3 IVG von mindestens 6 Stunden pro Tag ausgerichtet wird, haben Anspruch auf einen Assistenzbeitrag (E. 6).

145 V 304 (9C_540/2018) from 29. August 2019
Regeste: Art. 39 Abs. 1 lit. e, Art. 41 Abs. 1bis, Art. 49a Abs. 1 und 2 KVG; quantitative Beschränkung im Rahmen der Spitalplanung; anteilmässige Vergütung des Kantons bei ausserkantonaler Wahlbehandlung. Nach der Rechtsprechung (9C_151/2016; 9C_617/2017) kann eine im Leistungsauftrag festgehaltene Mengenbeschränkung, die sich nur auf die Einwohner des betreffenden Kantons bezieht, nicht von einem anderen Kanton angerufen werden, um die anteilmässige Vergütung der ausserkantonalen Wahlbehandlungen zu verweigern. Diese Rechtsprechung ist auch einschlägig, wenn die quantitative Beschränkung Kapazitäten (Pflegeplätze) im Psychiatriebereich betrifft und in der Spitalliste festgehalten wird (E. 4.3); sie wird bestätigt (E. 4.5 und 4.6).

145 V 326 (9C_329/2019) from 17. Oktober 2019
Regeste: Art. 9 Abs. 1 AHVG; Art. 5 VwVG; Art. 49 ATSG; Art. 9 BV; Nichtigkeit einer Verfügung über Beiträge aus selbständiger Erwerbstätigkeit. Die im Steuerrecht geltenden Grundsätze zur Nichtigkeit einer (rechtskräftigen) Ermessensveranlagung (vgl. Urteil 2C_679/2016 vom 11. Juli 2017) gelten sinngemäss auch bei Verfügungen über Beiträge aus selbständiger Erwerbstätigkeit, welche auf einer steuerrechtlichen Ermessensveranlagung beruhen, wenn die betreffende versicherte Person bestreitet, überhaupt selbständig erwerbstätig zu sein (E. 4).

146 I 11 (6B_908/2018) from 7. Oktober 2019
Regeste: Art. 13 Abs. 2, Art. 36 Abs. 1 BV; Art. 141 Abs. 2 StPO; Verwertbarkeit von polizeilichen Aufzeichnungen der automatischen Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung (AFV). Die Erhebung und die Aufbewahrung von Aufzeichnungen der AFV stellen einen Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen dar, insbesondere in das Recht auf Privatsphäre, das den Anspruch auf informationelle Selbstbestimmung miteinschliesst (E. 3.1). Für die AFV besteht im Kanton Thurgau keine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage. Der mit der Überwachung verbundene Eingriff in die Privatsphäre verstösst daher gegen Art. 13 Abs. 2 i.V.m. Art. 36 Abs. 1 BV (E. 3.2 und 3.3). Stellt die Polizei im Rahmen ihrer präventiven Kontrolltätigkeit strafbare Handlungen fest, ermittelt sie nach Art. 306 ff. StPO. Die Frage, ob die mangels gesetzlicher Grundlage rechtswidrig erhobenen Beweismittel im Strafprozess verwertbar sind, ist nach Art. 141 Abs. 2 StPO zu prüfen (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 4.1 und 4.2). Verwertbarkeit im vorliegenden Fall verneint (E. 4.3).

146 I 62 (8C_152/2019) from 14. Januar 2020
Regeste: § 21 Abs. 2 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Zürich vom 14. Juni 1981 (SHG/ZH); Art. 29a BV; Rechtsweggarantie. § 21 Abs. 2 SHG/ZH, wonach sozialhilferechtliche Auflagen und Weisungen nicht selbstständig anfechtbar sind, verletzt - vorbehältlich allfälliger besonders gelagerter Einzelfälle - kein Bundesrecht. Insbesondere verstösst diese Regelung nicht gegen die Rechtsweggarantie gemäss Art. 29a BV (E. 5).

146 II 49 (2C_468/2019) from 18. November 2019
Regeste: Art. 62 Abs. 2 AIG: Widerruf/Nichtverlängerung einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf ein Delikt, für das ein Strafgericht von einer Landesverweisung abgesehen hat. Art. 62 Abs. 2 AIG will verhindern, dass verschiedene Behörden (Strafgericht und Migrationsbehörden) den gleichen Sachverhalt unterschiedlich beurteilen. Hat das Strafgericht ein nach dem 1. Oktober 2016 begangenes Delikt beurteilt, für das eine nicht-obligatorische Landesverweisung grundsätzlich möglich gewesen wäre, aber sich weder im Dispositiv noch in den Erwägungen zu einer Landesverweisung geäussert, und stützen sich die Migrationsbehörden nur auf frühere, vor Inkrafttreten dieses Artikels begangene Delikte, so bleibt ein Widerruf bzw. eine Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung durch die Migrationsbehörden zulässig (E. 5).

146 III 73 (5A_130/2019) from 11. Dezember 2019
Regeste: Art. 122 f., 207 Abs. 1 und Art. 208 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB; Art. 331 Abs. 3 OR; Ehescheidung; Vorsorgeausgleich und güterrechtliche Auseinandersetzung (Errungenschaftsbeteiligung); Berücksichtigung von Arbeitgeberbeitragsreserven. Bei Einleitung des Scheidungsverfahrens bestehende Arbeitgeberbeitragsreserven betreffen künftige Beitragszahlungen der Arbeitgebergesellschaft und nicht vom Arbeitnehmer bereits erworbene Ansprüche aus beruflicher Vorsorge. Bei der Berechnung der zu teilenden Austrittsleistung bleiben sie grundsätzlich ausser Betracht. Eine Lücke in der Regelung zum Vorsorgeausgleich besteht nicht (E. 4.1). Es sind keine hypothetischen Austrittsleistungen anzurechnen (E. 4.2). In der Bildung von Beitragsreserven durch die Arbeitgebergesellschaft liegt grundsätzlich keine Vermögensentäusserung durch den Arbeitnehmer. Den Beitragsreserven ist bei der Bewertung der vom Arbeitnehmer gehaltenen Aktien der Arbeitgebergesellschaft im Rahmen der Berechnung der Errungenschaft Rechnung zu tragen (E. 5).

146 III 303 (5A_764/2019) from 10. März 2020
Regeste: Art. 95, 98 BGG; Art. 283 SchKG; Rechtsnatur der Aufnahme des Retentionsverzeichnisses; Folgen für die Beschwerde in Zivilsachen. Unterscheidung der Rechtsnatur der Aufnahme des Retentionsverzeichnisses danach, ob die materiellen Voraussetzungen oder der Vollzug dieser Massnahme streitig sind (E. 2).

146 IV 88 (6B_614/2019) from 3. Dezember 2019
Regeste: Art. 91a Abs. 1 i.V.m. Art. 55 Abs. 1 und 2 SVG und Art. 10 Abs. 2 SKV; Verweigerung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit; Betäubungsmittelvortests; hinreichende Verdachtsmomente zur Durchführung; Beweiswert. Für die Durchführung von Vortests nach Art. 10 Abs. 2 SKV genügen geringe Anzeichen einer durch Betäubungs- oder Arzneimittel beeinträchtigten Fahrfähigkeit; eines hinreichenden Tatverdachts, wie er zur Anordnung strafprozessualer Zwangsmassnahmen nach Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO erforderlich ist, bedarf es nicht (E. 1.4.2). Art. 91a SVG ist ein Erfolgsdelikt. Der Tatbestand ist erfüllt, wenn die zuverlässige Ermittlung der Fahrunfähigkeit mittels der im Gesetz vorgesehenen Untersuchungsmethoden durch aktiven oder passiven Widerstand verunmöglicht wird, d.h. definitiv nicht mehr möglich ist. Die Verweigerung von Betäubungsmittelvortests genügt hierzu nicht, da diesen lediglich eine Indikatorfunktion zukommt und sie nicht geeignet sind, den relevanten medizinischen Zustand der betroffenen Person zum Abnahme- bzw. Fahrzeitpunkt exakt festzustellen (E. 1.6.2 und 1.6.3).

146 IV 114 (6B_1311/2019) from 5. März 2020
Regeste: Art. 116 StGB; Kindstötung. Tötet eine Mutter ihr Kind nach der Geburt, setzt der privilegierende Tatbestand der Kindstötung voraus, dass sie unter dem Einfluss des Geburtsvorganges handelte, welcher bis zur Nachgeburt unwiderlegbar vermutet wird. Die Erwähnung im Gesetz dieser zwei Zeitabschnitte (Geburt und einige Zeit danach) bedeutet nicht, dass sich diese unterscheiden. Sie erfassen den gleichen Zustand. Es stellt sich daher die Frage, wann dieser Zustand endet. Ob der Einfluss des Geburtsvorganges im Tatzeitpunkt weiter bestand, ist eine Tatfrage, welche den Geltungsbereich des Gutachtens betrifft. Ist der Weiterbestand erstellt, wird der Einfluss von Gesetzes wegen vermutet. Diese Rechtsfrage entzieht sich einer Beweiswürdigung (E. 2).

146 IV 297 (6B_1162/2019) from 30. Juni 2020
Regeste: Art. 5 Abs. 3 BV; Art. 116 Abs. 1 lit. a i.V.m. Abs. 2 AIG; Art. 17 StGB; Förderung der rechtswidrigen Einreise; Notstandshilfe; Dublin-Verfahren. Die Beschwerde ist gegen Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts auf dem Gebiet des Asyls unzulässig. Das Bundesgericht tritt auf diesbezügliche Rügen nicht ein (E. 1.3). Der rechtfertigende wie der entschuldbare Notstand setzen voraus, dass die Gefahr nicht anders abwendbar war. Auch die Notstandshilfe steht deshalb unter der Voraussetzung der absoluten Subsidiarität. Entsprechendes gilt für den aussergesetzlichen Rechtfertigungsgrund der Wahrung berechtigter Interessen (E. 2.2.1). Der Asyl-Antragsteller befand sich im nach dem Dublin-Verfahren zuständigen Mitgliedstaat Italien (E. 1.3) in einer schwierigen, aber nicht ausweglosen und auch nicht in einer aussergewöhnlichen Situation im Sinne von Art. 3 EMRK (E. 2.2.3). Ein Notstand lässt sich nicht bejahen. Das tatbestandsmässige Handeln erweist sich als rechtswidrig (E. 2.2.9). Im Strafpunkt war keine doppelte Privilegierung (Art. 116 Abs. 2 AIG kumuliert mit Art. 52 StGB) vorzunehmen (E. 2.3).

146 IV 364 (6B_639/2020) from 15. September 2020
Regeste: Art. 40 Abs. 2 und 41 Abs. 1 BGG; notwendige Verteidigung, fehlende Vollmacht. Das BGG kennt das Institut der notwendigen Verteidigung im Sinne von Art. 130 f. StPO nicht. Ohne entsprechenden Auftrag kann ein Anwalt nicht geltend machen, er sei zur Vertretung eines Beschuldigten berechtigt, weil es sich bei der Strafsache im kantonalen Verfahren um einen Fall notwendiger Verteidigung gehandelt hat. Ein Anwalt, der nicht entsprechend beauftragt wurde, ist nicht zur Beschwerdeführung befugt, wenn er beim Betroffenen weder Instruktionen noch eine Vollmacht erhältlich machen konnte. Das BGG weist diesbezüglich keine Lücke auf. Art. 41 Abs. 1 BGG ermächtigt das Bundesgericht lediglich, eine Partei, die selbständig Beschwerde erhoben hat und offensichtlich nicht imstande ist, ihre Sache selber zu führen, zu verpflichten, einen Vertreter oder eine Vertreterin beizuziehen. Diese Bestimmung ist jedoch nicht anwendbar, wenn das Bundesgericht von einem Anwalt im Namen eines Betroffenen angerufen wird, von dem er keine Instruktionen erhältlich machen konnte (E. 1.1 und 1.2).

146 V 224 (9C_590/2019) from 15. Juni 2020
Regeste: Art. 4 Abs. 2 lit. a und Art. 10 Abs. 1 AHVG; Art. 6ter lit. a und Art. 28 Abs. 1 AHVV; Beitragsfestsetzung. Das Erwerbseinkommen, das Personen mit Wohnsitz in der Schweiz als Inhaber oder Teilhaber von Betrieben oder von Betriebsstätten in einem Nichtvertragsstaat zufliesst, stellt weder tatsächliches noch fiktives Renteneinkommen dar. Insoweit ist die Wegleitung des BSV über die Versicherungspflicht in der AHV/IV (WVP) in Rz. 1038.1 rechtswidrig (E. 4.6 und 4.7).

146 V 331 (9C_135/2020) from 30. September 2020
Regeste: Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG; Art. 16 Abs. 2 FZV; Zeitpunkt der Anrechnung von Guthaben eines Freizügigkeitskontos bei rückwirkender Ausrichtung von Ergänzungsleistungen zur Invalidenrente. Übersicht über die Rechtsprechung. Ein verzehrbarer Vermögenswert im Sinne von Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG liegt nicht erst mit dem tatsächlich erfolgten Bezug des Freizügigkeitsguthabens vor, sondern bereits dann, wenn dieser rechtlich zulässig ist (E. 3 und 4). Der in Art. 16 Abs. 2 FZV normierte Anspruch auf Auszahlung des Guthabens eines Freizügigkeitskontos entsteht mit Rechtskraft der Zusprache einer ganzen Rente der Invalidenversicherung (E. 5).

147 I 1 (1C_295/2019, 1C_357/2019) from 16. Juli 2020
Regeste: Art. 5 Abs. 1 sowie Art. 8 Abs. 1 und 2 BV; Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 2 und 3 sowie Art. 89 Abs. 1 BGG; Nichtwiederwahl eines Verwaltungsrichters aus Altersgründen; Anfechtbarkeit des Wahlakts des kantonalen Parlaments; Vereinbarkeit mit dem Legalitätsprinzip, dem Diskriminierungsverbot und dem allgemeinen Gleichheitssatz. Der Wahlakt ist ungeachtet seiner Rechtsnatur ein zulässiges Anfechtungsobjekt (E. 3.2). Er hat vorwiegend politischen Charakter im Sinne von Art. 86 Abs. 3 BGG und kann mangels Weiterzugsmöglichkeit im Kanton direkt beim Bundesgericht angefochten werden (E. 3.3). Der Beschwerdeführer ist durch den Wahlakt insofern besonders berührt, als er damit nicht wiedergewählt worden ist, und hat jedenfalls so weit ein Rechtsschutzinteresse, als er seine Wiederwahl für die laufende Amtsperiode durch den Kantonsrat verlangt (E. 3.4). Die Praxis des Kantonsrats, Richterinnen und Richter der obersten kantonalen Gerichte nicht wiederzuwählen, wenn sie zu Beginn der neuen Amtsperiode das 65. Altersjahr bereits vollendet haben, ist mit dem Legalitätsprinzip vereinbar, auch wenn das kantonale Recht keine altersbezogene Regelung kennt (E. 4.3). Die Praxis verstösst auch nicht gegen das Diskriminierungsverbot (E. 5.3). Sie ermöglicht jedoch eine gegen die Rechtsgleichheit verstossende Ungleichbehandlung von Amtsinhaberinnen und -inhabern, die kurz vor bzw. kurz nach Beginn der neuen Amtsperiode das 65. Altersjahr vollendet haben. Letztere können ihr Amt bis zu fast sechs Jahren länger ausüben. Im vorliegenden Fall führt die Wahlpraxis allerdings nicht zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers (E. 6.3).

147 I 47 (1C_367/2020) from 12. Januar 2021
Regeste: Art. 69 Abs. 2 der Interkantonalen Vereinbarung über den Datenschutz und das Öffentlichkeitsprinzip in den Kantonen Jura und Neuenburg (CPDT-JUNE), Art. 18 KV/NE; Zugang zu einem vom Staatsrat des Kantons Neuenburg in Auftrag gegebenen Untersuchungsbericht, der sich in den Akten von Zivil- und Strafverfahren befindet. Kognition des Bundesgerichts bei Verletzung des interkantonalen Rechts (E. 3.1). Konventions- und verfassungsrechtlicher Rahmen (E. 3.2). Dokumente, die ausserhalb eines Gerichtsverfahrens erstellt wurden (und sich in den Verfahrensakten im weiteren Sinn befinden), bleiben nach den Bestimmungen über das Öffentlichkeitsprinzip zugänglich. Auf Dokumente, deren Erstellung im Rahmen eines Gerichtsverfahrens ausdrücklich angeordnet wurde, kommen diese Bestimmungen hingegen nicht zur Anwendung (E. 3.4). Im vorliegenden Fall ist der Staatsrat Auftraggeber und Adressat des Untersuchungsberichts, um dessen Einsichtnahme die Beschwerdeführerin ersucht hat. Weder im laufenden Strafverfahren noch in den hängigen Zivilverfahren stellt der Untersuchungsbericht eine Verfahrenshandlung oder eine mit dem Verfahren verbundene Ermittlungshandlung dar; es handelt sich um ein Dokument, das ausserhalb eines Gerichtsverfahrens erstellt wurde und lediglich Eingang in die Zivil- und Strafakten gefunden hat. Der Bericht ist daher vom Anwendungsbereich der CPDT-JUNE nicht ausgeschlossen (E. 3.5).

147 I 73 (2C_769/2019) from 27. Juli 2020
Regeste: Art. 83 lit. t BGG; Art. 8 Abs. 1 und 2 BV; Unzulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide über das Ergebnis von Prüfungen und anderen Fähigkeitsbewertungen; Gleichheitssatz und Diskriminierungsverbot im Prüfungsrecht. Die Ausnahmebestimmung von Art. 83 lit. t BGG erfasst alle Entscheide, die auf einer Bewertung der intellektuellen oder physischen Fähigkeiten eines Kandidaten beruhen; gegen andere Entscheide, insbesondere solche organisatorischer oder verfahrensrechtlicher Natur, ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (E. 1.2). Aufgrund des Gleichheitssatzes sind die Hochschulen bei der Durchführung ihrer Examen grundsätzlich verpflichtet, für alle Kandidaten möglichst einheitliche Bedingungen herzustellen. Werden bestimmte Personen bzw. Personengruppen dadurch ungerechtfertigt benachteiligt, kann ausnahmsweise die Pflicht bestehen, Ausgleichsmassnahmen zu treffen. Solche Massnahmen dürfen jedoch nicht den Prüfungszweck vereiteln und auch keine Überkompensation zur Folge haben. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes bzw. des Diskriminierungsverbots liegt nur dann vor, wenn die Verweigerung einer Ausgleichsmassnahme das Prüfungsergebnis entscheidend beeinflussen konnte (E. 6).

147 I 173 (2C_455/2020) from 2. Dezember 2020
Regeste: Art. 30 Abs. 1 BV; Beurteilung eines nach Fällung des letztinstanzlichen kantonalen Urteils, aber vor Ablauf der Beschwerdefrist beim Bundesgericht entdeckten Ausstandsgrunds in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts. Wird ein Ausstandsgrund erst nach der Fällung des letztinstanzlichen kantonalen Urteils, aber vor Ablauf der Beschwerdefrist beim Bundesgericht entdeckt, kann dieser erstmals in der Beschwerde vor Bundesgericht geltend gemacht werden (BGE 139 III 466 E. 3.4). Das gilt auch im kantonalen öffentlichen Recht, falls eine Beurteilung unter dem Gesichtspunkt von Art. 30 Abs. 1 BV möglich ist (E. 3 und 4). Wirkt ein Richter, der zugleich als Exekutivmitglied einer Gemeinde amtiert, in einem Verfahren betreffend den interkommunalen Finanzausgleich mit, welches auf Gesuch einer anderen Gemeinde des gleichen Kantons veranlasst wurde, liegt eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV vor (E. 5).

147 I 194 (1C_713/2020, 1C_715/2020) from 23. März 2021
Regeste: Art. 34, 142 Abs. 2, Art. 189 Abs. 4 BV, Art. 77 BPR; Eidgenössische Volksabstimmung über die Konzernverantwortungsinitiative; die Kritik am Erfordernis des Ständemehrs ist sofort gegen die Abstimmungsanordnung zu erheben. Die allgemeine Informationslage kann nur beim nachträglichen Rechtsschutz beanstandet werden. Mängel bei der Vorbereitung von Wahlen und Abstimmungen sind sofort und vor der Durchführung des Urnenganges zu rügen. Soll das Erfordernis des Ständemehrs infrage gestellt werden, ist die Abstimmungsanordnung anzufechten. Die Einschränkung der Stimmkraftgleichheit ist verfassungsrechtlich gewollt und für das Bundesgericht verbindlich (E. 3.3). Im Ausnahmefall, dass ein nachträglicher, wiedererwägungsweiser Rechtsschutz zulässig ist, kann die Informationslage im Vorfeld einer Volksabstimmung in allgemeiner Weise zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden (E. 4.1.1). Übersicht über die Lehre und die bundesgerichtliche Rechtsprechung (E. 4.1.2 und 4.1.3). Solange eine Abstimmungsbeschwerde nach Art. 77 Abs. 1 lit. b BPR möglich ist, kann die allgemeine Informationslage nicht mit einer Beschwerde wegen Verletzung politischer Rechte beanstandet werden (E. 4.1.4).

147 I 259 (6B_124/2021) from 24. März 2021
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Art. 5 Ziff. 4 EMRK; Art. 64a i.V.m. Art. 64b StGB; verwaltungsgerichtliches Verfahren zur bedingten Entlassung aus der Verwahrung, Beschleunigungsgebot. Art. 6 Ziff. 1 EMRK gewährleistet zahlreiche Rechte. In der Beschwerde ist klarzustellen, welcher Teilgehalt und inwiefern dieser durch die angefochtene Entscheidung konkret verletzt wurde (E. 1.3.2). Geht ein Verwaltungsverfahren voraus, muss das Verwaltungsgericht als Gericht im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK amten und seine Kognition effektiv ausschöpfen. Hingegen besteht im Verfahren gemäss Art. 64a i.V.m. Art. 64b StGB weder ein zwingender Anspruch auf nochmalige, persönliche mündliche Anhörung noch auf eine öffentliche Verhandlung (E. 1.3.2). Das verwaltungsinterne Verfahren ist unabdingbar zur Erstellung der sachlichen Entscheidgrundlagen unter Einbezug und Anhörung des Insassen. Ein neunmonatiges verwaltungsgerichtliches Verfahren lässt sich mit der kurzen Frist von Art. 5 Ziff. 4 EMRK nicht vereinbaren (E. 1.3.3).

147 IV 73 (6B_572/2020) from 8. Januar 2021
Regeste: Art. 146 Abs. 1 StGB; Betrug; Entgelt für sexuelle Dienstleistungen; Täuschung über die Zahlungsbereitschaft; Arglist; Vermögensschaden. Die Vorspiegelung der Zahlungsbereitschaft ist als Täuschung über innere Tatsachen grundsätzlich arglistig. Dass das Täuschungsopfer im konkreten Fall die sexuellen Dienstleistungen erbracht hat, ohne auf Vorauszahlung des vereinbarten Entgelts zu bestehen, führt nicht zu seiner alleinigen, die Strafbarkeit des Täuschenden ausschliessenden Verantwortung für den erlittenen Schaden (E. 3.3 und 4.2). Dem Anspruch einer sich prostituierenden Person auf Entschädigung für die von ihr erbrachte sexuelle Dienstleistung kommt Vermögenswert zu (E. 7.2).

147 IV 145 (6B_601/2020) from 6. Januar 2021
Regeste: a Art. 292 StGB, Art. 70 Abs. 1 und Abs. 3, Art. 80 Abs. 3 StPO; formelle Gültigkeitsvoraussetzungen und Tragweite eines Beschlusses, welcher den Zugang von Gerichtsberichterstattern zu einer unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführten Verhandlung unter der Strafandrohung des Art. 292 StGB nur bedingt zulässt. Wird eine Gerichtsverhandlung gestützt auf Art. 70 Abs. 1 StPO unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt, kann der Zutritt der Gerichtsberichterstatter zu den Verhandlungen nach Art. 70 Abs. 3 StPO zwecks Wahrung berechtigter Interessen und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit mit bestimmten Auflagen verbunden werden, deren Nichteinhalten zum Ausschluss von der Verhandlung führen kann. Der Vorentscheid, welcher den Medienvertretern, die zu Verhandlungen unter teilweisem Ausschluss der Öffentlichkeit zugelassen sind, die Berichterstattung über bestimmte Informationen untersagt, ist ein verfahrensleitender Beschluss (Art. 80 Abs. 3 StPO), der weder gesondert ausgefertigt noch begründet werden muss, sondern im Protokoll vermerkt und den Parteien in geeigneter Weise, insbesondere auch mündlich, eröffnet werden kann. Diese Mitteilungsmodalitäten und die fehlende Rechtsmittelbelehrung vermögen die Gültigkeit des mit der Strafandrohung im Sinne von Art. 292 StGB versehenen Beschlusses, welcher einem superprovisorischen Entscheid ähnelt, nicht in Frage zu stellen (E. 1).

147 V 16 (8C_569/2019) from 28. August 2020
Regeste: a Art. 43 ATSG; Art. 18 Abs. 1 UVV in der bis am 31. Dezember 2016 gültig gewesenen Fassung; Abklärung des Anspruchs auf Hauspflegeleistungen. Art. 43 ATSG statuiert keine Rechtspflicht, eine bestimmte Methode, genau definierte Verfahren oder Standards für die Abklärung hinsichtlich des individuell-konkreten Pflegebedarfs zu verwenden. Dafür bedürfte es einer spezifischen normativen Vorgabe, die nicht auf dem Weg der Rechtsprechung, sondern durch den zuständigen Verordnungsgeber zu schaffen wäre (E. 7.4).

147 V 70 (9C_531/2020) from 17. Dezember 2020
Regeste: Art. 39 Abs. 3 AHVG; Art. 55quater Abs. 1 Satz 2 AHVV; Rentenaufschub. Die in Art. 55quater Abs. 1 Satz 2 AHVV statuierte Frist zur Erklärung des Rentenaufschubs ist gesetzes- und verfassungskonform (E. 3.2.3).

147 V 156 (9C_488/2020) from 17. Februar 2021
Regeste: Art. 25a Abs. 5 KVG; Restfinanzierung der Pflegekosten; Zuständigkeit. Bei im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Fassung von Art. 25a Abs. 5 KVG am 1. Januar 2019 bereits bestehendem Pflegeverhältnis mit Wohnsitzverlegung an den Standort des Pflegeheims bleibt der neue Wohnsitzkanton (Standortkanton) für die Restfinanzierung zuständig (E. 7).

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