Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und HandelssachenOriginaltext |
Art. 31
Die im Recht eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates vorgesehenen einstweiligen Massnahmen einschliesslich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind, können bei den Gerichten dieses Staates auch dann beantragt werden, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache das Gericht eines anderen durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates aufgrund dieses Übereinkommens zuständig ist. BGE
123 III 374 () from 12. Juni 1997
Regeste: Lugano-Übereinkommen (Lugü): Überprüfung der Zuständigkeit des urteilenden Gerichts durch das Gericht des Vollstreckungsstaats. Verfahrenseinleitendes Schriftstück im Sinne von Art. 27 Ziff. 2 LugÜ. Wird eine Klage vor Inkrafttreten des Lugano-Übereinkommens zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsstaat angehoben, ergeht der Entscheid aber erst nachher, so sind die Behörden des Vollstreckungsstaats abweichend vom Grundsatz von Art. 28 Abs. 4 LugÜ zu einer umfassenden Kontrolle der Zuständigkeit befugt (Art. 54 Abs. 2 LugÜ; E. 2). Einem Urteil, das weder Tatsachenfeststellungen noch eine Urteilsbegründung enthält, ist in einem solchen Fall die Vollstreckbarkeit zu versagen (E. 4). Der Mahnbescheid gemäss §§ 688 ff. der deutschen Zivilprozessordnung stellt, wenn der Antragsgegner dagegen Widerspruch erhoben hat, nicht das verfahrenseinleitende Schriftstück im Sinne von Art. 27 Ziff. 2 LugÜ für das nachfolgende streitige Verfahren dar (E. 3).
124 III 505 () from 18. November 1998
Regeste: Art. 46 ff. SchKG (Betreibungsort); Lugano-Übereinkommen; IPRG. Unter welchen Voraussetzungen in einem Vertragsstaat eine Zwangsvollstreckung durchgeführt werden kann, regelt das Lugano-Übereinkommen nicht; ebenso wenig wird diese Frage vom IPRG beantwortet. Allein das schweizerische Recht als lex fori bestimmt, ob ein Vermögensgegenstand in der Schweiz belegen ist und hier verwertet werden kann (E. 3a). Selbst wenn Grundstücke Bestandteil des gemeinschaftlichen Vermögens bilden, begründet die Belegenheit von Nachlassvermögen in der Schweiz keine Zuständigkeit der schweizerischen Vollstreckungsbehörden zur Verwertung des Liquidationsanspruchs der Erben, wenn der Schuldner und seine Miterben im Ausland wohnen und sich der letzte Wohnsitz des Erblassers im Ausland befand (E. 3b).
125 III 386 () from 31. August 1999
Regeste: Art. 81 Abs. 3 SchKG; Art. 36 des Lugano-Übereinkommens vom 16. September 1988 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen; Art. 472B des Zivilprozessgesetzes des Kantons Genf. Wird die Vollstreckbarkeitserklärung für ein ausländisches zu einer Geldleistung verpflichtendes Urteil im Rahmen des auf definitive Rechtsöffnung gerichteten Verfahrens verlangt, ist es nicht willkürlich, anzunehmen, dass die Frist für das Einlegen eines Rechtsmittels nicht durch Art. 36 LugÜ festgelegt wird, sondern durch das kantonale Prozessrecht; allerdings kann letzteres in diesem Punkt auf die Regelung im Konventionsrecht verweisen.
126 III 156 () from 8. Februar 2000
Regeste: Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG; Arrestierung von Vermögenswerten eines im Ausland wohnenden Schuldners. Begriff des "vollstreckbaren gerichtlichen Urteils".
129 III 626 () from 30. Juli 2003
Regeste: Vollstreckung einer ausländischen vorsorglichen Sicherungsmassnahme; Lugano-Übereinkommen (LugÜ). Begriff der englischen "Freezing (Mareva) Injunction" sowie der englischen "world-wide Mareva Injunction" (E. 1). Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts bei Beschwerden wegen Verletzung von Staatsverträgen mit dem Ausland (Art. 84 Abs. 1 lit. c OG; E. 2). Begründungspflicht des Beschwerdeführers (E. 4). Die englische "Freezing Injunction" ist ein Entscheid im Sinne von Art. 25 LugÜ und kann in der Schweiz vollstreckbar sein (Art. 31 Abs. 1 LugÜ; E. 5). Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) bei der Anwendung des LugÜ, insbesondere im Zusammenhang mit dem Gehörsanspruch des Schuldners (E. 5.2) und der Zuständigkeit zur Anordnung einstweiliger Massnahmen (Art. 24 LugÜ; E. 5.3).
135 III 670 (5A_530/2008) from 22. Oktober 2009
Regeste: Vollstreckbarerklärung von ausländischen vorsorglichen Massnahmen gemäss LugÜ. Zulässigkeit der Beschwerde in Zivilsachen und Beschwerdegründe (E. 1). Der Sequestro conservativo nach italienischem Zivilprozessgesetz stellt als vorsorgliche Massnahme eine Entscheidung im Sinne von Art. 25 LugÜ dar, die in der Schweiz nach Art. 31 LugÜ vollstreckt werden kann. Der Gesuchsteller hat im Rahmen von Art. 29 Abs. 2 BV Anspruch darauf, dass sein Gutachten zur Vollstreckbarkeit im Ursprungsstaat vom schweizerischen Richter berücksichtigt wird (E. 2 und 3).
138 III 304 (4A_589/2011) from 5. April 2012
Regeste: a Ist das auf einen Vertrag (Abgrenzungsvereinbarung) gestützte gerichtliche Verbot an eine Partei, gegen Eintragungsgesuche einer bestimmten Marke Widerspruch zu erheben, bzw. der Befehl, bereits erhobene Widersprüche zurückzuziehen, ein Prozessführungsverbot ("anti-suit injunction")? Begriff der "anti-suit injunction" und Anwendungsfälle. Zur Zulässigkeit des Erlasses von Prozessführungsverboten durch schweizerische Gerichte (E. 5.3.1). Die vorliegend ausgesprochenen Befehle und Verbote zielen auf die Durchsetzung von materiellrechtlichen Unterlassungspflichten ab; damit wurde keine anti-suit injunction erlassen (E. 5.3.2). Dem Gericht, das für den Entscheid über Ansprüche aus der Abgrenzungsvereinbarung zuständig ist, steht der Erlass solcher Anordnungen zu (E. 5.4).
146 III 157 (5A_311/2018, 5A_312/2018) from 7. Januar 2020
Regeste: Art. 80 f. und 279 SchKG; Art. 33, 38 und 47 LugÜ; Arrestprosequierung; definitive Rechtsöffnung. Solange der ausländische Entscheid in der Sache nicht zugestellt wird, muss der Gläubiger den Arrest in der Schweiz nicht prosequieren, welcher ihm in Vollstreckung einer einen italienischen Sequestro conservativo anordnenden Verfügung bewilligt wurde, die in der Schweiz anerkannt und gemäss LugÜ für vollstreckbar erklärt worden ist. Die den italienischen Sequestro conservativo anordnende Verfügung stellt keinen definitiven Rechtsöffnungstitel dar (E. 3, 6-10). |