Bundesgesetz
über die Mehrwertsteuer
(Mehrwertsteuergesetz, MWSTG)

vom 12. Juni 2009 (Stand am 1. Januar 2023)


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Art. 86 Entrichtung der Steuer

1 In­nert 60 Ta­gen nach Ab­lauf der Ab­rech­nungs­pe­ri­ode hat die steu­er­pflich­ti­ge Per­son die in die­sem Zeit­raum ent­stan­de­ne Steu­er­for­de­rung zu be­glei­chen.

2 Er­bringt die steu­er­pflich­ti­ge Per­son kei­ne oder ei­ne of­fen­sicht­lich un­ge­nü­gen­de Zah­lung, so setzt die ESTV den für die je­wei­li­ge Ab­rech­nungs­pe­ri­ode pro­vi­so­risch ge­schul­de­ten Steu­er­be­trag nach vor­gän­gi­ger Mah­nung in Be­trei­bung. Liegt kei­ne oder ei­ne of­fen­sicht­lich un­ge­nü­gen­de Ab­rech­nung der steu­er­pflich­ti­gen Per­son vor, so be­stimmt die ESTV den pro­vi­so­risch ge­schul­de­ten Steu­er­be­trag vor­gän­gig nach pflicht­ge­mäs­sem Er­mes­sen.

3 Durch Rechts­vor­schlag er­öff­net die steu­er­pflich­ti­ge Per­son das Ver­fah­ren um Rechts­öff­nung. Für die Be­sei­ti­gung des Rechts­vor­schla­ges ist die ESTV im Ver­fü­gungs- und Ein­spra­che­ver­fah­ren zu­stän­dig.

4 Die Ver­fü­gung be­tref­fend den Rechts­vor­schlag kann in­nert 10 Ta­gen nach der Er­öff­nung mit Ein­spra­che bei der ESTV an­ge­foch­ten wer­den. Der Ein­spra­cheent­scheid ist un­ter Vor­be­halt von Ab­satz 5 end­gül­tig.

5 Hat die ESTV den in Be­trei­bung ge­setz­ten pro­vi­so­risch ge­schul­de­ten Steu­er­be­trag nach pflicht­ge­mäs­sem Er­mes­sen be­stimmt, so kann ge­gen den Ein­spra­cheent­scheid beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Be­schwer­de ge­führt wer­den. Die Be­schwer­de hat kei­ne auf­schie­ben­de Wir­kung, es sei denn, das Ge­richt ord­ne die­se auf be­grün­de­tes Er­su­chen hin an. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt ent­schei­det end­gül­tig.

6 Ar­ti­kel 85a des Bun­des­ge­set­zes vom 11. April 1889137 über Schuld­be­trei­bung und Kon­kurs (SchKG) ist nicht an­wend­bar.

7 Der Ein­zug ei­nes Steu­er­be­trags nach Ab­satz 2 be­rührt die Fest­set­zung nach den Ar­ti­keln 72, 78 und 82 der end­gül­ti­gen Steu­er­for­de­rung nicht. Un­ter­bleibt die Fest­set­zung der Steu­er­for­de­rung we­gen Un­tä­tig­keit der steu­er­pflich­ti­gen Per­son, ins­be­son­de­re weil die­se we­der Män­gel nach Ar­ti­kel 72 kor­ri­giert noch ei­ne Ver­fü­gung nach Ar­ti­kel 82 ver­langt, so gel­ten mit Ein­tritt der Fest­set­zungs­ver­jäh­rung auch die von der ESTV nach Ab­satz 2 be­stimm­ten Steu­er­be­trä­ge als Steu­er­for­de­rung.138

8 An­stel­le ei­ner Zah­lung des Steu­er­be­trags kann die steu­er­pflich­ti­ge Per­son auch Si­cher­hei­ten ge­mä­ss Ar­ti­kel 93 Ab­satz 7 leis­ten.

9 Un­mit­tel­bar nach Ein­gang der Zah­lung oder der Si­cher­heits­leis­tung zieht die ESTV die Be­trei­bung zu­rück.

137 SR 281.1

138 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 30. Sept. 2016, in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2017 3575; BBl 2015 2615).

BGE

132 IV 40 () from 6. Dezember 2005
Regeste: Gefährdung der Schwerverkehrsabgabe (Art. 20 Abs. 1 SVAG); Deklaration des mitgeführten Anhängers am Erfassungsgerät (Art. 17 Abs. 1 SVAV). Der Fahrzeugführer, der es in Missachtung von Art. 17 Abs. 1 SVAV vorsätzlich oder fahrlässig unterlässt, den mitgeführten Anhänger am Erfassungsgerät zu deklarieren, erfüllt den Straftatbestand der Abgabegefährdung gemäss Art. 20 Abs. 1 SVAG (E. 2).

140 II 80 (2C_936/2013 und andere) from 31. Januar 2014
Regeste: Art. 1 Abs. 3 lit. c, Art. 6 und 81 Abs. 1 MWSTG; Rechtsweg bei Streitigkeiten über die Überwälzung der Mehrwertsteuer im privatrechtlichen und im öffentlich-rechtlichen Verhältnis (hier: Beleihung). Erfolgen die steuerbaren Leistungen auf Grundlage eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses, richtet sich die Überwälzung der Steuer nach den privatautonomen Vereinbarungen. Bei Streitigkeiten ist Zivilklage vor der Ziviljustiz zu erheben (E. 2.4). Beruhen die steuerbaren Leistungen auf öffentlichem Recht, richtet sich entgegen dem Wortlaut von Art. 6 MWSTG auch die Überwälzung nach dem öffentlichen Recht. Das Rechtsverhältnis zwischen der Billag AG und den Gebührenpflichtigen ist öffentlich-rechtlicher Natur. Streitigkeiten bei der Überwälzung der etwaigen Mehrwertsteuer auf der Empfangsgebühr sind verfügungsweise zu regeln (E. 2.5).

140 II 202 (2C_805/2013) from 21. März 2014
Regeste: Art. 43, 78, 79, 82, 83 und 85 MWSTG 2009; Einschätzungsmitteilung; Möglichkeit der Vornahme in der Form einer Verfügung; Selbstveranlagungsprinzip. Die Einschätzungsmitteilung, die entweder nach einer steueramtlichen Kontrolle oder einer Ermessenseinschätzung erfolgt, stellt als solche keine Verfügung dar, sondern geht grundsätzlich der Entscheidungsphase vor, um zwischen der steuerpflichtigen Person und der Steuerverwaltung - entsprechend dem Selbstveranlagungsprinzip - einen informellen Dialog zu erleichtern (E. 5). In casu sind die restriktiven Bedingungen, nach denen die Steuerbehörde die Einschätzungsmitteilung in Form einer Verwaltungsverfügung erlassen darf, nicht erfüllt (E. 6).

144 I 340 (2C_287/2018) from 21. September 2018
Regeste: Art. 56 VwVG; Art. 98 BGG; Art. 86 Abs. 2-5 MWSTG; Art. 6 Ziff. 1, 8 Ziff. 1, 13 und 14 EMRK. Es ist mit der EMRK vereinbar, dass über den einspracheweise festgesetzten provisorisch geschuldeten Mehrwertsteuerbetrag keine verwaltungsunabhängige Instanz entscheiden kann. Unterscheidung zwischen definitiver Steuerforderung und bloss provisorisch geschuldetem Steuerbetrag. Dieser wird gemäss Art. 86 Abs. 2 MWSTG in einem präliminaren Verfahren sui generis erhoben und stellt eine vorsorgliche Massnahme dar. Der Einspracheentscheid der ESTV hierüber unterliegt grundsätzlich keinem Rechtsmittel (E. 2.2). Abgaberechtliche Verpflichtungen sind, vorbehältlich des Steuerstrafrechts, von Art. 6 EMRK ausgenommen. Folglich gilt auch deren Vollstreckung nicht als zivilrechtlicher Anspruch im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK, sodass kein konventionsrechtliches Recht auf Zugang zu einem Gericht besteht. Dies trifft auch auf Art. 86 Abs. 2 MWSTG zu, zumal es sich dabei um eine (die Hauptsache nicht präjudizierende) vorsorgliche Massnahme handelt (E. 3.3). Akzessorische Natur des Anspruchs auf wirksame Beschwerde (Art. 13 EMRK; E. 3.4) und des Diskriminierungsverbots (Art. 14 i.V.m. Art. 8 Ziff. 1 EMRK). Mangels hinreichender Rügen keine Prüfung von Art. 86 MWSTG unter diesen Gesichtspunkten (E. 3.5).

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