Bundesgesetz
über den Nachrichtendienst
(Nachrichtendienstgesetz, NDG)

vom 25. September 2015 (Stand am 1. Juli 2021)


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Art. 38 Funkaufklärung

1 Der Bund kann einen Dienst für die Er­fas­sung elek­tro­ma­gne­ti­scher Aus­strah­lun­gen von Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­sys­te­men, die sich im Aus­land be­fin­den, be­trei­ben (Funkauf­klä­rung).

2 Die Funkauf­klä­rung dient:

a.
der Be­schaf­fung si­cher­heits­po­li­tisch be­deut­sa­mer In­for­ma­tio­nen über Vor­gän­ge im Aus­land, ins­be­son­de­re aus den Be­rei­chen Ter­ro­ris­mus, Wei­ter­ver­brei­tung von Mas­sen­ver­nich­tungs­waf­fen und aus­län­di­sche Kon­flik­te mit Aus­wir­kun­gen auf die Schweiz;
b.
der Wah­rung wei­te­rer wich­ti­ger Lan­des­in­ter­es­sen nach Ar­ti­kel 3.

3 Der Bun­des­rat re­gelt die Auf­klä­rungs­be­rei­che, die Or­ga­ni­sa­ti­on und das Ver­fah­ren der Funkauf­klä­rung. Er legt fest, für wie lan­ge die er­fass­ten Kom­mu­ni­ka­tio­nen und Ver­bin­dungs­da­ten beim durch­füh­ren­den Dienst ge­spei­chert blei­ben dür­fen.

4 Er stellt da­bei ins­be­son­de­re si­cher, dass der durch­füh­ren­de Dienst aus den er­fass­ten Kom­mu­ni­ka­tio­nen:

a.
nur In­for­ma­tio­nen über si­cher­heits­po­li­tisch be­deut­sa­me Vor­gän­ge im Aus­land wei­ter­lei­tet;
b.
In­for­ma­tio­nen über Per­so­nen im In­land nur wei­ter­lei­tet, wenn sie für das Ver­ständ­nis ei­nes Vor­gangs im Aus­land not­wen­dig sind und zu­vor an­ony­mi­siert wur­den.

5 Der durch­füh­ren­de Dienst lei­tet aus den er­fass­ten Kom­mu­ni­ka­tio­nen In­for­ma­tio­nen über Vor­gän­ge im In­land wei­ter, wenn sie auf ei­ne kon­kre­te Be­dro­hung der in­ne­ren Si­cher­heit nach Ar­ti­kel 6 Ab­satz 1 Buch­sta­be a hin­wei­sen.

6 Stösst er bei sei­ner Tä­tig­keit auf er­fass­te Kom­mu­ni­ka­tio­nen, die kei­ne In­for­ma­tio­nen über si­cher­heits­po­li­tisch be­deut­sa­me Vor­gän­ge im Aus­land und kei­ne Hin­wei­se auf ei­ne kon­kre­te Be­dro­hung der in­ne­ren Si­cher­heit ent­hal­ten, so ver­nich­tet er die­se so rasch wie mög­lich.

BGE

147 I 280 (1C_377/2019) from 1. Dezember 2020
Regeste: Unterlassungs- und Feststellungsgesuche betreffend Funk- und Kabelaufklärung (Art. 38 ff. NDG); Anspruch auf materielle Beurteilung der Gesuche (Art. 25 Abs. 1 DSG; Art. 13 EMRK). Bei der Funk- und Kabelaufklärung werden Personendaten bearbeitet, unabhängig davon, ob Informationen durch den NDB gespeichert werden (E. 6.1). Die Beschwerdeführenden sind potenziell in gleicher Weise von der Funk- und Kabelaufklärung betroffen wie alle Kommunikationsteilnehmer (E. 6.2.2). Speziell betroffen sind Medienschaffende sowie Anwälte und Anwältinnen (E. 6.2.3). Das Recht auf wirksame Beschwerde gemäss Art. 13 EMRK kann bei geheimen Überwachungsmassnahmen eingeschränkt oder aufgeschoben werden, wenn überwiegende Geheimhaltungsinteressen dies rechtfertigen und das System insgesamt mit Art. 8 EMRK vereinbar ist (E. 7.1). Dies muss von einer unabhängigen Instanz innerstaatlich überprüft werden können (E. 7.2). Für die "Opferstellung" i.S.v. Art. 34 EMRK genügt nach der EGMR-Rechtsprechung die hinreichende Wahrscheinlichkeit, einer geheimen Überwachung ausgesetzt zu sein, wenn es nicht möglich oder zumutbar ist, Beschwerde gegen konkrete Überwachungsmassnahmen zu ergreifen (E. 7.2.2). Die Beschwerdeführenden werden durch die Funk- und Kabelaufklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 8 EMRK und Art. 13 BV) tangiert (E. 8). Sie haben keine Möglichkeit, Kenntnis von sie betreffenden Massnahmen der Funk- und Kabelaufklärung zu erhalten (E. 9.2) und sind daher darauf angewiesen, das System der Funk- und Kabelaufklärung in der Schweiz auf seine Verfassungs- und EMRK-Konformität überprüfen zu lassen. Dies stellt keine abstrakte Normenkontrolle dar: Gegenstand der Prüfung ist nicht das Gesetz als solches, sondern die (vermutete) Erfassung von Daten der Beschwerdeführenden (E. 9.3). Auf die Gesuche ist daher grundsätzlich nach Art. 25 Abs. 1 DSG i.V.m. Art. 13 EMRK einzutreten (E. 9.4).

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