Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten

vom 23. März 2007 (Stand am 1. Januar 2019)


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Art. 3 Örtlicher Geltungsbereich

1Op­fer­hil­fe wird ge­währt, wenn die Straf­tat in der Schweiz be­gan­gen wor­den ist.

2Ist die Straf­tat im Aus­land be­gan­gen wor­den, so wer­den die Leis­tun­gen der Be­ra­tungs­stel­len un­ter den in die­sem Ge­setz ge­nann­ten be­son­de­ren Be­din­gun­gen ge­währt (Art. 17); Ent­schä­di­gun­gen und Ge­nug­tu­un­gen wer­den kei­ne ge­währt.

BGE

121 II 209 () from 17. Mai 1995
Regeste: Art. 4 BV; Art. 3 Abs. 4 OHG; unentgeltliche Rechtspflege im Strafverfahren. Die Hilfe an Opfer von Straftaten im Sinne des OHG gibt dem Opfer keinen unbedingten Anspruch auf Übernahme von Anwaltskosten; nach Art. 3 Abs. 4 OHG kann die Beratungsstelle die Übernahme solcher Kosten verweigern, wenn diese offensichtlich nutzlos aufgewendet erscheinen (E. 3).

122 II 211 () from 30. Mai 1996
Regeste: Genugtuung und Entschädigung. Art. 11 ff. OHG. Die Sistierung des Entschädigungs- und Genugtuungsverfahrens als anfechtbarer Zwischenentscheid (E. 1c). Zulässigkeit der Sistierung des Entschädigungs- und Genugtuungsverfahrens bis zum Vorliegen des rechtskräftigen Strafurteils (E. 2 und 3). Kostenlosigkeit des Verfahrens nach Art. 11 ff. OHG auch vor der kantonalen Beschwerdeinstanz (Art. 17 OHG) und vor Bundesgericht; vorbehalten bleibt eine Kostenauflage bei leichtsinniger oder mutwilliger Prozessführung (E. 4).

122 II 315 () from 15. März 1996
Regeste: Opferhilfegesetz (OHG), Beratung nach Art. 3 OHG. Die Verweigerung von Leistungen nach Art. 3 OHG unterliegt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 1). In örtlicher Hinsicht setzt die Anwendung von Art. 3 OHG grundsätzlich voraus, dass die Hilfe in der Schweiz benötigt wird; bejaht bei juristischer Hilfe an im Ausland wohnhafte Angehörige (Art. 2 Abs. 2 OHG) zur Durchsetzung von Ansprüchen gegen schweizerische Versicherungen des Opfers, das seinen Wohnsitz in der Schweiz hatte (E. 2a). Die Annahme der Opfereigenschaft als Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Beratung und Hilfen nach Art. 3 OHG erfordert nicht, dass die Tatbestandsmässigkeit und Rechtswidrigkeit einer Straftat bereits erstellt sind; es genügt, wenn dies in Frage kommt (E. 3d). Die Leistungen nach Art. 3 OHG können nicht wegen möglichen Selbstverschuldens des Opfers verweigert werden (E. 4b). Die Übernahme weiterer Kosten gemäss Art. 3 Abs. 4 Satz 2 OHG hängt davon ab, ob sie nach den persönlichen Verhältnissen des Opfers bzw. seiner Angehörigen "angezeigt" ist; daraus folgt eine über die reine Notwendigkeit hinausgehende, grosszügigere Betrachtungsweise (E. 4c).

123 II 241 () from 3. Juni 1997
Regeste: Art. 4 BV; Art. 11 ff. OHG und 16 Abs. 3 OHG; Verwirkung des Rechts auf Entschädigung. Angesichts der Bedeutung des Anspruchs des Opfers auf eine Entschädigung nach Art. 11 Abs. 1 OHG ergibt sich aus der Informationspflicht der Polizei- und Justizbehörden, dass das Opfer keine Nachteile aus einem Informationsmangel erleiden soll, welcher es ohne sein Verschulden daran gehindert hat, rechtzeitig zu handeln. Ausnahmefall, in dem die Billigkeit verbietet, dem Opfer die zweijährige Verwirkungsfrist gemäss Art. 16 Abs. 3 OHG entgegenzuhalten (E. 3).

123 II 425 () from 24. Juni 1997
Regeste: Hilfe an Opfer von Straftaten; Art. 103 OG. Zusammenfassung der Grundsätze über die Beschwerdeberechtigung von öffentlichrechtlichen Körperschaften (E. 2 und 3). Der Kanton ist nicht zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen kantonalen Entscheid legitimiert, der sich auf das OHG stützt und ihn zur Zahlung einer Entschädigung an das Opfer einer Straftat verpflichtet (E. 4).

123 II 548 () from 11. November 1997
Regeste: Art. 3 Abs. 4 OHG; Gewährung eines amtlichen Anwalts für das Opfer. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 1). Wenn die durch das kantonale Recht aufgestellten Bedingungen nicht erfüllt sind, muss noch abgeklärt werden, ob die unentgeltliche Rechtspflege dem Opfer aufgrund der in Art. 3 Abs. 4 OHG vorgesehenen Hilfe gewährt werden kann (E. 2a). Dies trifft hier zu: Der Fall weist gewisse Schwierigkeiten auf, und das Opfer, das in ein Krankenhaus eingewiesen wurde, kann seine Interessen nicht selber wahrnehmen (E. 2b).

125 II 230 () from 16. April 1999
Regeste: Art. 1, 3 und 12 OHG: Verhältnis familienrechtlicher Kindesschutzmassnahmen zur Opferhilfe. Ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheides ist trotz rein hypothetischer Pflicht zur Rückzahlung bezogener Entschädigungen gegeben (E. 1). Betreuungskosten können als Hilfeleistung unter Art. 3 OHG oder als Entschädigung unter Art. 12 OHG fallen (E. 2). Bewirken getroffene Massnahmen des familienrechtlichen Kindesschutzes einen hinreichenden Schutz im Sinn des OHG, besteht kein Anspruch mehr auf Leistungen durch die Opferhilfe (E. 3).

125 II 265 () from 17. Juni 1999
Regeste: Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (OHG): Opferstellung; Kosten des kantonalen Rechtsmittelverfahrens; Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege. 1. Opferstellung gemäss Art. 2 Abs. 1 OHG (E. 2): a) Die Beeinträchtigung der körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität muss von einem gewissen Gewicht sein. Die strafrechtliche Qualifikation einer Tat als einfache Körperverletzung oder als Tätlichkeit ist nicht ausschlaggebend, sondern lediglich ein Indiz für oder gegen die Opferstellung (E. 2a/aa und 2e/bb). b) Anforderungen an den Nachweis einer die Opferstellung begründenden Straftat: Für den Anspruch auf Übernahme der Kosten einer bereits geleisteten Beratungshilfe genügt es, wenn im Zeitpunkt der Inanspruchnahme dieser Hilfe vom Vorliegen einer Straftat auszugehen war (E. 2c/bb). 2. Weder Art. 3 Abs. 4 noch Art. 16 OHG gewähren dem Opfer einen Anspruch auf ein kostenloses kantonales Rechtsmittelverfahren im Bereich der Beratungshilfe (E. 3). 3. Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung im kantonalen Opferhilfeverfahren gemäss Art. 4 BV (E. 4) - im vorliegenden Fall wegen Aussichtslosigkeit des Begehrens zu verneinen (E. 4d).

126 II 97 () from 15. Februar 2000
Regeste: Art. 12 OHG; Pflicht zur Substanziierung und Bezifferung von Entschädigungs- und Genugtuungsansprüchen. Soweit der Schaden oder allfällige Leistungspflichten Dritter innert der zweijährigen Verwirkungsfrist gemäss Art. 16 Abs. 3 OHG nicht feststehen, sind unbezifferte Entschädigungs- und Genugtuungsbegehren zulässig (E. 2a-d). Hingegen muss das Opfer innert der Verwirkungsfrist den anspruchsbegründenden Sachverhalt mit hinreichender Bestimmtheit darlegen (E. 2e und f). Ungenügen des beurteilten Gesuchs mangels näherer Angaben zu Ort, Ursache und genauem Hergang des Unfalls, erlittenen Verletzungen, Schadenabwicklung und persönlichen Verhältnissen des Opfers (E. 3). Art. 4 aBV bzw. 5 Abs. 3 und 9 BV; Folgen einer unzutreffenden behördlichen Aufforderung zur Verbesserung einer Eingabe. Wenn eine Opferhilfestelle nach Einreichung eines Entschädigungs- und Genugtuungsbegehren (zu Unrecht) zur Substanziierung der Schadensposten auffordert, aber keine weiteren Angaben verlangt, so verstösst es gegen Treu und Glauben, das Gesuch hernach mangels solcher weiterer Angaben abzuweisen (E. 4 und 5).

126 II 228 () from 19. Mai 2000
Regeste: Art. 3 Abs. 4 OHG; Anspruch auf Übernahme weiterer Kosten der Opferhilfe. Das Opfer einer im Ausland erlittenen Straftat hat keinen Anspruch auf Übernahme weiterer Kosten gemäss Art. 3 Abs. 4 OHG, wenn es im Tatzeitpunkt keine Beziehung zur Schweiz hatte (E. 2 und 3).

126 II 348 () from 30. Juni 2000
Regeste: Art. 16 Abs. 3 OHG; Art. 5 Abs. 3 BV; Art. 124 BV. Beginn der Verwirkungsfrist bei Straftaten, deren Schadensfolgen für das Opfer erst einige Zeit nach dem tatbestandsmässigen Verhalten eintreten bzw. erkennbar werden (E. 2-5; Präzisierung der Rechtsprechung); bei Ansteckung des Opfers mit dem HI-Virus und späterem Ausbruch von AIDS (E. 6 u. 7).

128 II 107 () from 18. Januar 2002
Regeste: Art. 3 Abs. 3 und 4 OHG; Anspruch eines zum Tatzeitpunkt im Ausland wohnhaften Schweizer Opfers auf weitere Opferhilfe. Die schweizerische Staatsbürgerschaft des Opfers im Tatzeitpunkt genügt, um eine persönliche Beziehung zur Schweiz und damit die Anspruchsberechtigung gemäss Art. 3 OHG zu begründen. Voraussetzung für die Hilfeleistung ist ferner, dass die Hilfe in der Schweiz benötigt wird. Dies ist zu bejahen, wenn das Opfer zum Zeitpunkt, in dem es die Hilfe beansprucht, seinen Lebensmittelpunkt in der Schweiz hat (E. 3).

129 II 312 () from 23. April 2003
Regeste: Art. 13 OHG. Die OHG-Behörde ist nicht an die rechtlichen Erwägungen des Strafrichters zum Zivilanspruch gebunden (E. 2); sie kann insbesondere die Frage des adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen Straftat und erlittenem Schaden nochmals überprüfen (E. 3).

129 II 409 () from 19. August 2003
Regeste: Art. 16 Abs. 3 OHG. Hilfe an die Opfer von Straftaten; Verwirkung des Entschädigungsanspruches. Die Verwirkung kann dem Opfer nicht entgegengehalten werden, wenn es die gesetzlich vorgesehenen Informationen erst nach dem Ablauf der Verwirkungsfrist erhielt und es nachher ohne weitere Verzögerungen ein Gesuch um Entschädigung oder Genugtuung gestellt hat. Das Opfer hat keinen Anspruch darauf, dass ihm eine ab Kenntnisnahme dieser Informationen laufende Jahresfrist wiederhergestellt wird.

131 II 121 () from 13. Dezember 2004
Regeste: Hilfe an Opfer von Straftaten, Anwaltskosten; Art. 3 Abs. 4, Art. 11 ff. OHG. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde eines Departementes gegen einen kantonalen Entscheid (E. 1). Unterscheidung zwischen Entschädigungen im Sinne von Art. 11 ff. OHG und der Übernahme von Kosten durch die Beratungsstellen gemäss Art. 3 Abs. 4 OHG (E. 2.1-2.3). Die Kosten für einen Anwalt, der im Strafverfahren für das Opfer ohne Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege handelt, können gestützt auf Art. 3 Abs. 4 OHG übernommen werden; subsidiär können sie als Schadensposten im Rahmen von Art. 11 ff. OHG entschädigt werden (E. 2.4). In diesem Fall kann die Entschädigung auf den Betrag beschränkt werden, welcher in Anwendung des Tarifs für die unentgeltliche Rechtspflege zugesprochen worden wäre (E. 2.5).

131 II 656 () from 3. August 2005
Regeste: Art. 12 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 OHG, Art. 3c ELG, Art. 14a ELV; Zeitpunkt der Einkommensberechnung zur Bemessung der Opferhilfeentschädigung, Berücksichtigung der Restarbeitsfähigkeit bei der Einkommensberechnung, Entschädigungsanspruch für den Haushaltschaden. Massgeblich für die Einkommensberechnung ist in der Regel der Zeitpunkt der Festsetzung der Opferhilfeentschädigung und somit der Zeitpunkt der Verfügung über diese Entschädigung (E. 3). Die Restarbeitsfähigkeit ist bei der Einkommensberechnung zur Bemessung der Opferhilfeentschädigung zu berücksichtigen. Ermittlung des anrechenbaren Erwerbseinkommens bei Teilinvaliden, die von einer Verwertung der verbleibenden Erwerbsfähigkeit absehen (E. 5). Der normative Haushaltschaden fällt unter den Schadensbegriff des Opferhilferechts. Das Opfer hat einen opferhilferechtlichen Anspruch auf Ersatz des normativen Haushaltschadens (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 6).

133 II 361 (1C_10/2007) from 12. Juli 2007
Regeste: Art. 11 ff. OHG; Entschädigung des Opfers für Anwaltskosten, welche die vom Strafrichter zugesprochene Parteientschädigung übersteigen; Präzisierung der Rechtsprechung. Das Opfer, dem im Strafverfahren eine Parteientschädigung zugesprochen wird, hat nach Art. 11 ff. OHG nicht ohne weiteres Anspruch auf Entschädigung seiner Anwaltskosten, wie dies im Kanton Genf zutrifft. Die Genfer Praxis, wonach das Opfer für die Entschädigung der die zugesprochene Parteientschädigung übersteigenden Kosten an die OHG-Behörden verwiesen wird, steht mit den Grundsätzen des OHG und mit Art. 97 der Genfer Strafprozessordnung im Widerspruch (E. 3-5).

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