Bundesgesetz
betreffend die Ergänzung
des Schweizerischen Zivilgesetzbuches
(Fünfter Teil: Obligationenrecht)

vom 30. März 1911 (Stand am 1. Januar 2022)


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Art. 728

III. Or­dent­li­che Re­vi­si­on

1. Un­ab­hän­gig­keit der Re­vi­si­ons­stel­le

 

1 Die Re­vi­si­ons­stel­le muss un­ab­hän­gig sein und sich ihr Prü­fungs­ur­teil ob­jek­tiv bil­den. Die Un­ab­hän­gig­keit darf we­der tat­säch­lich noch dem An­schein nach be­ein­träch­tigt sein.

2 Mit der Un­ab­hän­gig­keit nicht ver­ein­bar ist ins­be­son­de­re:

1.
die Mit­glied­schaft im Ver­wal­tungs­rat, ei­ne an­de­re Ent­scheid­funk­ti­on in der Ge­sell­schaft oder ein ar­beits­recht­li­ches Ver­hält­nis zu ihr;
2.
ei­ne di­rek­te oder be­deu­ten­de in­di­rek­te Be­tei­li­gung am Ak­ti­en­ka­pi­tal oder ei­ne we­sent­li­che For­de­rung oder Schuld ge­gen­über der Ge­sell­schaft;
3.
ei­ne en­ge Be­zie­hung des lei­ten­den Prü­fers zu ei­nem Mit­glied des Ver­wal­tungs­rats, zu ei­ner an­de­ren Per­son mit Ent­scheid­funk­ti­on oder zu ei­nem be­deu­ten­den Ak­tio­när;
4.
das Mit­wir­ken bei der Buch­füh­rung so­wie das Er­brin­gen an­de­rer Dienst­leis­tun­gen, durch die das Ri­si­ko ent­steht, als Re­vi­si­ons­stel­le ei­ge­ne Ar­bei­ten über­prü­fen zu müs­sen;
5.
die Über­nah­me ei­nes Auf­trags, der zur wirt­schaft­li­chen Ab­hän­gig­keit führt;
6.
der Ab­schluss ei­nes Ver­trags zu nicht markt­kon­for­men Be­din­gun­gen oder ei­nes Ver­trags, der ein In­ter­es­se der Re­vi­si­ons­stel­le am Prü­f­er­geb­nis be­grün­det;
7.
die An­nah­me von wert­vol­len Ge­schen­ken oder von be­son­de­ren Vor­tei­len.

3 Die Be­stim­mun­gen über die Un­ab­hän­gig­keit gel­ten für al­le an der Re­vi­si­on be­tei­lig­ten Per­so­nen. Ist die Re­vi­si­ons­stel­le ei­ne Per­so­nen­ge­sell­schaft oder ei­ne ju­ris­ti­sche Per­son, so gel­ten die Be­stim­mun­gen über die Un­ab­hän­gig­keit auch für die Mit­glie­der des obers­ten Lei­tungs- oder Ver­wal­tungs­or­gans und für an­de­re Per­so­nen mit Ent­scheid­funk­ti­on.

4 Ar­beit­neh­mer der Re­vi­si­ons­stel­le, die nicht an der Re­vi­si­on be­tei­ligt sind, dür­fen in der zu prü­fen­den Ge­sell­schaft we­der Mit­glied des Ver­wal­tungs­ra­tes sein noch ei­ne an­de­re Ent­scheid­funk­ti­on aus­üben.

5 Die Un­ab­hän­gig­keit ist auch dann nicht ge­ge­ben, wenn Per­so­nen die Un­ab­hän­gig­keits­vor­aus­set­zun­gen nicht er­fül­len, die der Re­vi­si­ons­stel­le, den an der Re­vi­si­on be­tei­lig­ten Per­so­nen, den Mit­glie­dern des obers­ten Lei­tungs- oder Ver­wal­tungs­or­gans oder an­de­ren Per­so­nen mit Ent­scheid­funk­ti­on na­he ste­hen.

6 Die Be­stim­mun­gen über die Un­ab­hän­gig­keit er­fas­sen auch Ge­sell­schaf­ten, die mit der zu prü­fen­den Ge­sell­schaft oder der Re­vi­si­ons­stel­le un­ter ein­heit­li­cher Lei­tung ste­hen.

BGE

86 II 171 () from 31. Mai 1960
Regeste: Aktiengesellschaft, Haftung der Kontrollstelle. Berechnung der Amtsdauer der Kontrollstelle (Erw. 1c). Amtsdauer der auf ein Jahr gewählten Kontrollstelle, wenn während mehreren Jahren keine Generalversammlung mehr stattfindet. Art. 727 Abs. 4 OR (Erw. 1 d). Haftung der Kontrollstelle für mittelbaren Schaden der Gläubiger, Art. 754 Abs. 1 OR (Erw. 2). Pflichtverletzung der Kontrollstelle, die trotz Ueberschuldung der Gesellschaft die Verwaltung nicht zur Benachrichtigung der Generalversammlung und des Richters veranlasst und bei Untätigkeit der Verwaltung die Generalversammlung nicht selbst einberuft. Verhältnisse bei der Einmanngesellschaft (Erw. 2 b-d). Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung der Kontrollstelle und Schaden der Gesellschaft; Tat- und Rechtsfrage (Erw. 3).

92 I 393 () from 7. Oktober 1966
Regeste: Einforderung von Beweismitteln beim Pflichtigen (Art. 89 Abs. 2 WStB). 1. Weigerung einer Finanzgesellschaft, die dem Bankengesetz nicht unterstellt ist, schriftliche Unterlagen einzureichen (Erw. 1): a) Ein solches Institut kann sich nicht auf das Bankgeheimnis (Art. 47 BankG) berufen (Erw. 1 a). b) Weder die Einsicht in die Buchhaltung (Erw. 1 b) noch die Bestätigung der Kontrollstelle (Erw. 1c) ersetzt die Vorlage des Schuldenverzeichnisses mit Angabe der Gläubiger. 2. Folgen der Säumnis (Erw. 2): a) Verlust des Rechtes, den Abzug der Schulden und der Schuldzinsen zu verlangen (Erw. 2 a). b) Ermessenseinschätzung gemäss Art. 92 WStB? (Erw. 2 b). 3. Verhältnis zur Auskunftspflicht Dritter im Sinne von Art. 90 Abs. 6 WStB (Erw. 3).

93 II 22 () from 24. Januar 1967
Regeste: Aktiengesellschaft, Haftung der Kontrollstelle. Prüfungspflicht der Kontrollstelle (Erw. 3). Pflichtverletzung der Kontrollstelle: - weil sie trotz festgestellter oder vermuteter Bewertungsmängel in der Bilanz der Generalversammlung Antrag auf vorbehaltlose Genehmigung der Bilanz stellte (Erw. 4); - weil sie nach dem Tod des einzigen Verwaltungsrates nicht beförderlich durch Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung für die Wiederherstellung des gesetzlichen Zustandes in der Gesellschaft sorgte (Erw. 5). Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung der Kontrollstelle und Schaden der Gesellschaft; Tat- und Rechtsfrage; Schadenersatzbemessung (Erw. 6).

112 II 172 () from 8. April 1986
Regeste: Schädigung eines anlagefondsähnlichen Sondervermögens. 1. Art. 25 Abs. 2 AFG. Haftung wegen falscher Angaben in der Werbung: - Umstände, unter denen eine Werbung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 AFG als öffentlich anzusehen ist (E. I/1); - Anforderungen an Werbeangaben, insbesondere über die Rechtsnatur und die Zulässigkeit der geplanten Kapitalanlage, die Sicherheit, die voraussichtliche Rendite und vorgesehene Provisionen (E. I/2a); - Informationspflicht und Verschulden als Voraussetzungen der Haftung; Substantiierung und Beweis (E. I/2b und c); - Verjährung des Schadenersatzanspruches (E. I/2d). 2. Die in Art 14 Abs. 4 AFG erwähnten Personen unterstehen nicht der vertraglichen Haftung der Fondsleitung gemäss Art. 24 AFG; Verjährung (E. I/3). 3. Art. 24 und 25 Abs. 1 AFG. Haftung der Depotbank für widerrechtliche Zahlungen trotz Einwilligung der Anleger (E. I/4) und für die Folgen einer angeblich zu Unrecht übernommenen Revisionstätigkeit (E. I/5)? 4. Haftung wegen deliktischer Handlungen im Sinne von Art. 49 Ziff. 1 AFG; Verhältnis zur Haftung nach Art. 24 AFG (E. II/1). Substantiierung der Haftung (E. II/2a). Anwendung der strafrechtlichen Verjährungsfrist gemäss Art. 60 Abs. 2 OR (E. II/2b), auch auf den Anspruch gegen eine juristische Person (E. II/2c). Ermittlung des Schadens (E. II/2d).

112 II 258 () from 22. April 1986
Regeste: Art. 752 OR; Prospekthaftung. Art. 752 OR kommt auch bei einer Kapitalerhöhung zur Anwendung, setzt aber die Verbreitung von Mitteilungen im Zusammenhang mit einer Aktienemission voraus (E. 3). Art. 754 OR; Haftung der Kontrollstelle. Für Sonderaufträge, welche der Kontrollstelle ausserhalb ihrer gesetzlichen oder statutarischen Aufgabe erteilt werden, haftet die Kontrollstelle nicht aus Art. 754 OR (E. 4).

112 II 461 () from 18. November 1986
Regeste: Pflichten der Revisoren der Aktiengesellschaft, Art. 728-729 OR. Gemäss Art. 728 Abs. 1 OR müssen sich die Revisoren vergewissern, dass die in der Bilanz aufgeführten Aktiven wirklich vorhanden sind und dass sämtliche Passiven der Gesellschaft verbucht worden sind. Auf Grund von Art. 729 Abs. 3 OR sind sie bei Überschuldung der Gesellschaft gehalten, in ihrem Bericht auf die Pflicht, den Richter gemäss Art. 725 Abs. 3 OR zu benachrichtigen, hinzuweisen. Zudem müssen sie auf den Umstand, dass die Hälfte des Grundkapitals nicht mehr gedeckt ist, und die sich für die Verwaltung nach Art. 725 Abs. 1 OR daraus ergebenden Pflichten aufmerksam machen.

116 II 533 () from 2. Oktober 1990
Regeste: Aktienrechtliche Verantwortlichkeit des Verwaltungsrates und der Kontrollstelle; Feststellung der Überschuldung (Art. 754, Art. 725 OR). 1. Begriff der ausweispflichtigen Eventualverpflichtungen gemäss Art. 670 OR. Wann sind dafür Rückstellungen zu bilden? (E. 2a/aa). 2. Wertberichtigungen bei gefährdeten Debitoren (E. 2a/bb). 3. Begriff des Imparitätsprinzips (E. 2a/dd). 4. Benachrichtigung des Richters bei Überschuldung. Auslegung von Art. 725 Abs. 3 OR (E. 5a). 5. Umfang der materiellen Bilanzprüfungspflicht der Kontrollstelle (Art. 728 Abs. 1 OR; E. 5b).

116 IV 26 () from 27. April 1990
Regeste: 1. Art. 165 Ziff. 1 und Art. 172 Abs. 1 StGB; Leichtsinniger Konkurs und Vermögensverfall, Anwendung auf juristische Personen. Art. 172 überträgt die täterschaftliche Qualifikation von der juristischen Person auf ihre Organe bzw. deren Mitglieder; dasselbe gilt, wenn das Organ seinerseits eine juristische Person ist (E. 4b). Bei der Anwendung von Art. 165 Ziff. 1 StGB dürfen an die Pflichten einer Kontrollstelle nicht höhere als die im OR umschriebenen Anforderungen gestellt werden. Insbesondere ist die Kontrollstelle nicht verpflichtet, während des Geschäftsjahres Kontrollen vorzunehmen (E. 4b). 2. Art. 166 StGB; Unterlassen der Buchführung. Eine Kontrollstelle bzw. ihre Organe oder deren Mitglieder (Art. 172 StGB) können sich der Unterlassung der Buchführung nicht schuldig machen (E. 4c).

123 V 161 () from 30. September 1997
Regeste: Art. 7 lit. h AHVV: Beitragsrechtliche Qualifikation des Entgelts eines nebenberuflichen Revisors einer AG. - Aktienrechtlicher Grundsatz der Unabhängigkeit der Kontroll- bzw. nunmehr Revisionsstelle nach früherem und neuem Obligationenrecht. - Diesem Grundsatz kommt für die AHV-rechtliche Qualifikation der Entschädigung massgebende Bedeutung zu. - Die Regelung des Art. 7 lit. h AHVV, wonach Entschädigungen an den nebenberuflichen Revisor einer Aktiengesellschaft massgebenden Lohn darstellen, ist gesetzwidrig.

132 IV 12 () from 30. November 2005
Regeste: Art. 251 Ziff. 1 StGB; Falschbeurkundung, kaufmännische Buchführung. Eventualverpflichtungen sind in der Jahresrechnung auszuweisen. Die Unterlassung der Buchung erfüllt, soweit die Jahresrechnung ein besseres Bild als in Wirklichkeit zeigt, den Tatbestand der Falschbeurkundung (E. 8). Der vom Verwaltungsrat zuhanden der Revisionsstelle abgegebenen Vollständigkeitserklärung kommt keine erhöhte Glaubwürdigkeit zu (Änderung der Rechtsprechung; E. 9).

133 III 453 () from 26. April 2007
Regeste: Anfechtung der Wahl der Revisionsstelle (Art. 706 OR); Rechtsschutzinteresse. Rechtsschutzinteresse an der Beurteilung einer Anfechtungsklage gegen Generalversammlungsbeschlüsse über die Wahl der Revisionsstelle bzw. der Konzernprüferin für vergangene Geschäftsjahre, nachdem sich die - behauptetermassen - nicht unabhängige Revisionsstelle während des Prozesses nicht mehr zur Wiederwahl stellte und die von ihr geprüften früheren Jahresrechnungen unangefochten genehmigt wurden (E. 7). Bedeutung der Informationsrechte der Aktionäre und Informationskonzept des Aktienrechts (E. 7.2). Aufgaben der Revisionsstelle und Bedeutung des von einer unabhängigen Revisionsstelle erstellten Revisionsberichts (E. 7.3). Ausschluss einer Verantwortlichkeitsklage (E. 7.4). Subsidiarität der Sonderprüfung (E. 7.5).

134 III 615 (5A_559/2007) from 16. April 2008
Regeste: Art. 288 SchKG; Anfechtung von ausgeführten Leistungen, die auf einem Dienstleistungsvertrag beruhen. Voraussetzungen, unter welchen die Honorarzahlung an das Revisionsorgan für seine Tätigkeit als Revisionsstelle (Art. 728a ff. OR) und als Berater anfechtbar ist (im konkreten Fall Ausarbeitung eines Businessplanes und des voraussichtlichen Rechnungsabschlusses; E. 3-5).

137 III 503 (4A_350/2011) from 13. Oktober 2011
Regeste: Übertragung der Geschäftsführung durch den Verwaltungsrat; Kompetenz der Generalversammlung betreffend Übertragung der Geschäftsführung (Art. 627 Ziff. 12, Art. 716 Abs. 2 und Art. 716b Abs. 1 und 2 OR). Der Begriff der Geschäftsführung im Sinne von Art. 716 Abs. 2 OR betrifft das interne Verhältnis des Geschäftsführers zur Gesellschaft (E. 3.1). Übertragung der Geschäftsführung durch einen Managementvertrag (E. 3.2 und 3.3). Die Delegation der Geschäftsführung setzt ausser einer Grundlage in den Statuten einen Beschluss des Verwaltungsrats in Form des Erlasses eines Organisationsreglements voraus, wobei die Urkunde darüber nicht notwendigerweise förmlich als solches bezeichnet werden muss (E. 3.4). Der Verwaltungsrat kann die Aufnahme eines Geschäfts in die Traktandenliste der Generalversammlung verweigern, das von seinem Inhalt her zweifellos nicht in die Kompetenz der Generalversammlung fällt. Sobald allerdings darüber irgendwelche Zweifel bestehen, hat er das Geschäft zu traktandieren (E. 4.1). Die dem Verwaltungsrat gewährte Befugnis zur Übertragung der Geschäftsführung kann Einschränkungen unterworfen werden, um insbesondere die Minderheitsaktionäre zu schützen (E. 4.2). Der Verwaltungsrat kann darauf verzichten, die Geschäftsführung zu übertragen, wenn er der Meinung ist, die dafür von der Generalversammlung auferlegten Bedingungen seien nicht akzeptabel (E. 4.3).

 

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