Bundesgesetz
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Art. 32
G. Stellvertretung I. Mit Ermächtigung 1. Im Allgemeinen a. Wirkung der Vertretung 1 Wenn jemand, der zur Vertretung eines andern ermächtigt ist, in dessen Namen einen Vertrag abschliesst, so wird der Vertretene und nicht der Vertreter berechtigt und verpflichtet. 2 Hat der Vertreter bei dem Vertragsabschlusse sich nicht als solcher zu erkennen gegeben, so wird der Vertretene nur dann unmittelbar berechtigt oder verpflichtet, wenn der andere aus den Umständen auf das Vertretungsverhältnis schliessen musste, oder wenn es ihm gleichgültig war, mit wem er den Vertrag schliesse. 3 Ist dies nicht der Fall, so bedarf es einer Abtretung der Forderung oder einer Schuldübernahme nach den hierfür geltenden Grundsätzen. BGE
84 II 253 () from 9. Mai 1958
Regeste: Schadenersatzpflicht des bösgläubigen Besitzers (Art. 940 ZGB). Klage gegen denjenigen, der Inhaberpapiere in bösem Glauben von einem Nichtberechtigten erworben und an gutgläubige Dritte weiterveräussert hat, auf Ersatz des Wertes dieser Titel. Aktivlegitimation. Die Vermutung des Eigentums (Art. 930 ZGB) entfällt bei zweideutigem Besitz. Eigentum eines Börsenagenten an von ihm gekauften Wertpapieren?
86 III 106 () from 16. Mai 1960
Regeste: Ansübung eines im Grundbuch vorgemerkten Rückkaufsrechts im Konkurs des Käufers. Bewilligung der Rückübertragung durch die Konkursverwaltung. Eine solche von der Konkursverwaltung an Stelle des Schuldners vorgenommene rechtsgeschäftliche Handlung unterliegt nicht der Beschwerde nach Art. 17 ff. SchKG. Vorbehalten bleibt gerichtliche Anfechtung der Rückübertragung durch die Konkursmasse gemäss Art. 975 ZGB. Auf Begehren eines Konkursgläubigers ist darüber ein Gläubigerbeschluss herbeizuführen, und beim Verzicht der Masse ist Art. 260 SchKG anzuwenden. Art. 17, 21, 253, 260 SchKG.
87 I 479 () from 7. Dezember 1961
Regeste: 1. Anmeldung eines Kaufvertrages zur Eintragung in das Grundbuch (Art. 963 ZGB). Wegen der Abweisung der Anmeldung kann nur der Anmeldende Beschwerde führen (Art. 103 Abs. 1 GBV), dem es im übrigen anheim steht, die Anmeldung zurückzuziehen, solange die Hauptbucheintragung nicht vollzogen ist. Bestätigung der Rechtsprechung (Erw. 1). 2. Wirkungen einer gerichtlich angeordneten Verfügungsbeschränkung nach Art. 960 ZGB (Erw. 2). 3. Ob ein Kaufvertrag noch zu Recht bestehe und der sich daraus für den Käufer ergebende Anspruch auf Eigentumsübertragung dem Anspruch eines spätern Käufers desselben Grundstückes vorgehe, ist eine Frage des materiellen Rechtes. Eine für die Dauer des vom ersten Käufer angehobenen Rechtsstreites auf Grund des kantonalen Prozessrechtes getroffene richterliche Anordnung, wonach der zweite Kaufvertrag während der Prozessdauer nicht angemeldet werden dürfe oder eine schon erfolgte Anmeldung zurückgezogen werden solle oder wenigstens vorderhand unter Vorbehalt des Prozessausganges nicht durch Eintragung in das Hauptbuch vollziehbar sei, ist für das Grundbuchamt verbindlich. (Erw. 3.)
88 II 350 () from 31. Oktober 1962
Regeste: Art. 32OR. Voraussetzungen der Stellvertretung, besonders der verdeckten (Erw. 1). Art. 112OR. Stehen die Forderungen gegen den Milchkäufer aus einem zwischen ihm und einer Genossenschaft als Verkäuferin bestehenden Vertrag den Milchproduzenten als begünstigten Dritten zu? (Erw. 2). Art. 175 f.OR. Hat der Milchkäufer die Schulden der Genossenschaft gegenüber den Milchproduzenten übernommen? (Erw. 3).
89 II 321 () from 30. September 1963
Regeste: Kontrahieren des Stellvertreters mit sich selbst. - Anwendung der einschlägigen Grundsätze auf den Fall, dass der Direktor einer Aktiengesellschaft einen ihm unterstellten Prokuristen anweist, Forderungen der Gesellschaft zahlungs- oder sicherungshalber an ihn abzutreten (Erw. 4). - Das Kontrahieren mit sich selbst ist grundsätzlich verboten, aber ausnahmsweise zulässig, wenn der Vertreter dazu besonders ermächtigt wurde oder wenn die Natur des Geschäfts die Gefahr einer Benachteiligung des Vertretenen ausschliesst. Ist es bei reinen Erfüllungsgeschäften allgemein zulässig? (Frage offen gelassen, da kein solches Geschäft vorliegt.) Unzulässiges Selbstkontrahieren macht das betreffende Geschäft ungültig, sofern dieses nicht nachträglich vom Vertretenen genehmigt wird (Erw. 5). - Ermächtigung zum Kontrahieren mit sich selbst? Nachträgliche Genehmigung des Geschäfts? (Erw. 6). - Gefahr der Benachteiligung des Vertretenen wegen Interessenkollision (Erw. 7).
90 II 285 () from 22. September 1964
Regeste: Kaufvertrag. Stellvertretung. Stellvertretung, Art. 32 OR. Erfordernis der Ermächtigung (Erw. 1a). Erkennbarkeit des Vertretungsverhältnisses (Erw. 1b). Rücktritt vom Kaufvertrag, Art. 214 Abs. 3, 107 ff. OR. Vorbehalt des Rücktrittsrechtes (Erw. 2 a). Erfordernis sofortiger Rücktrittserklärung. Ablehnung des Einwands der Verspätung wegen Rechtsmissbrauchs (Erw. 2 b). Auseinandersetzung nach dem Rücktritt, Art. 109 OR (Erw. 3).
97 IV 46 () from 6. April 1971
Regeste: Art. 1 Abs. 1 Bundesgesetz über die Handelsreisenden. Zum Begriff des Handelsreisenden. Änderung der Rechtsprechung. Handelsreisender und als solcher dem HRG unterstellt ist, wer eine auf Bestellungsaufsuche gerichtete Reisetätigkeit von einiger Dauer ausübt, unbekümmert darum, ob dieser Reisetätigkeit ein zwischen dem Vertreter und dem Vertretenen abgeschlossenes Vertragsverhältnis zu Grunde liege, oder ob sie bloss im Rahmen einer direkten Stellvertretung gemäss Art. 32 OR ausgeübt werde.
99 II 39 () from 15. Mai 1973
Regeste: Art. 32 ff. OR; Stellvertretung. 1. Umfang der Ermächtigung im Aussenverhältnis, wenn der Dritte sich mit der Behauptung des Vertreters, er sei Generalbevollmächtigter eines andern, zufriedengibt (Erw. 1). 2. Auslegung einer Generalvollmacht, die der Vertreter zur Aufnahme eines Darlehens verwendet (Erw. 2). 3. Weisungen über den Gebrauch der Vollmacht oder sachliche Beschränkung der Ermächtigung (Erw. 3)?
99 II 159 () from 29. Mai 1973
Regeste: Öffentliche Beurkundung, Stellvertretung. 1. Art. 68 Abs. 1 lit. a OG. Zulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde (Erw. 1). 2. Art. 32 ff. und 216 Abs. 2 OR. Das kantonale Recht darf die Gültigkeit eines formbedürftigen Vertrages nicht von der Beurkundung einer Tatsache abhängig machen, die von Bundesrechts wegen keiner besonderen Form bedarf (Erw. 2 und 3).
101 IA 39 () from 24. Februar 1975
Regeste: Art. 59 BV; Prorogation bei Zweigniederlassung; Grundsatz von Treu und Glauben. 1. Voraussetzungen, unter denen sich eine Firma am Orte ihres Zweigbetriebes belangen lassen muss (E. 1). 2. Der Grundsatz von Treu und Glauben gilt auch im Zivilprozessrecht, insbesondere muss sich ein Vertragspartner, aus dessen Erklärungen die Gegenpartei nach Treu und Glauben den Schluss auf eine "Domizilnahme" ziehen durfte und musste, bei seinen so verstandenen Äusserungen ohne Rücksicht auf einen abweichenden inneren Willen behaften lassen (E. 3 und 4).
101 II 117 () from 7. April 1975
Regeste: Stellvertretung. Art. 36 Abs. 1 OR. Der Vertreter hat nach Untergang der Vollmacht gegenüber dem Vertragspartner des Vertretenen keinen Anspruch auf Auskunft aus dem Vertretungsverhältnis (Erw. 4). Gemeinschaftsdepot. Grundsätzliche Anwendung der Bestimmungen über den Auftrag. Solidarische Berechtigung der gemeinsamen Auftraggeber (Art. 150 OR). Bei Bankgeschäften erlischt der Auftrag durch den Tod eines Auftraggebers grundsätzlich nicht (Art. 405 Abs. 1 OR). Die Bank ist dem überlebenden Vertragspartner nach Art. 400 Abs. 1 OR für die ganze Dauer des Auftragsverhältnisses zur Rechenschaft verpflichtet (Erw. 5).
102 II 197 () from 13. Mai 1976
Regeste: Erbteilung (Art. 634 ZGB). 1. Der Willensvollstrecker ist allein kraft seines Amtes nicht ermächtigt, den Teilungsvertrag im Namen einzelner Erben zu unterzeichnen. Ohne Zustimmung sämtlicher Erben kann er die Teilung nicht selbst verbindlich zum Abschluss bringen (Erw. 2). 2. Befinden sich Grundstücke im Nachlass, so wird die Realteilung durch entsprechende Änderung des Grundbucheintrags vollzogen. Die blosse Besitzübertragung an einen Erben genügt nicht (Erw. 3).
102 III 94 () from 2. März 1976
Regeste: Arrestierung des Anspruchs gegen eine inländische Bank auf Herausgabe von im Ausland verwahrten Wertpapieren. 1. Ansprüche auf Übertragung des Eigentums können beim Drittschuldner arrestiert werden, sofern ihr Inhaber im Ausland wohnt (Erw. 2). 2. Frage des Eigentums an den im Ausland verwahrten Papieren (Erw. 3). 3. Der Anspruch des Bankkunden gegen die inländische Depotbank auf Herausgabe von Wertpapieren, die in deren Namen bei ausländischen Korrespondenzbanken hinterlegt sind, ist bei der Depotbank arrestierbar, sofern der Kunde im Ausland wohnt (Erw. 4 und 5).
111 II 284 () from 17. September 1985
Regeste: Art. 718 Abs. 1 OR. 1. Der klare Wortlaut einer solidarischen Verbindlichkeit schliesst jede Auslegung im Sinne einer Bürgschaft aus (E. 2). 2. Aufgabe der Rechtsprechung zu Art. 718 Abs. 1 OR, die verlangte, dass die Handlung des Organs tatsächlich dem Gesellschaftszweck diene, und den guten Glauben des Vertragspartners unberücksichtigt liess (E. 3).
112 II 41 () from 4. Februar 1986
Regeste: Ungerechtfertigte Auflösung eines "gestuften Arbeitsverhältnisses", das die Anstellung eines Dancing-Orchesters zum Gegenstand hat (Art. 337c Abs. 1 OR). 1. Rechtsnatur eines Vertrags betr. die Anstellung eines Künstlers oder Orchesters (E. 1a). 2. Verpflichtet sich jemand, nicht nur seine eigene künstlerische Leistung, sondern auch diejenige anderer Künstler darzubieten, wobei er als deren Chef Inhalt und Rollenverteilung bestimmt, so kann je nach den Umständen ein sogenanntes "gestuftes Arbeitsverhältnis" vorliegen (E. 1b; Präzisierung der Rechtsprechung). 3. Unterscheidung zwischen ungerechtfertigter Entlassung (Art. 337c OR) und ungerechtfertigtem Verlassen der Arbeitsstelle (Art. 337d OR) (E. 2). 4. Wichtige Gründe i.S. von Art. 337 Abs. 1 OR (E. 3).
112 II 337 () from 4. November 1986
Regeste: Auktion von Kunstgegenständen, Scheingebote des Einlieferers. 1. Art. 57 Abs. 5 OG. Abweichung von der Regel, dass die staatsrechtliche Beschwerde vor der Berufung zu beurteilen ist (E. 1). 2. Auktionsvertrag mit internationalem Schuldverhältnis, anwendbares Recht (E. 2). 3. Rechte und Pflichten der Beteiligten nach den Vereinbarungen des Versteigerers mit dem Einlieferer einerseits und mit den Bietern andererseits (E. 3). 4. Zuschlag an den Einlieferer: Berufung auf Simulationsabrede; Beweislast und Anforderungen an den Beweis (E. 4a und b). Rechtsfolgen eines allfälligen Zuschlags unter der vereinbarten Limite (E. 4c). 5. Umstände, unter denen ein Scheinangebot des Einlieferers weder als Willensmangel noch als Widerruf des Auftrages betrachtet werden kann, sondern es sich rechtfertigt, ihn das Risiko eines solchen Angebotes selber tragen zu lassen (E. 4d).
112 III 88 () from 17. September 1986
Regeste: Art. 82 Abs. 1 SchKG; Schuldanerkennung, die von einem Vertreter des Betriebenen unterzeichnet ist. Es verstösst auch dann nicht gegen Art. 4 BV, gestützt auf die von einem Vertreter unterzeichnete Schuldanerkennung provisorische Rechtsöffnung zu erteilen, wenn keine schriftliche Vollmacht des Betriebenen vorliegt.
114 V 213 () from 24. Oktober 1988
Regeste: Art. 52 AHVG: Arbeitgeberhaftung. Wer als Organ einer juristischen Person belangt werden kann, beurteilt sich nicht allein nach formellen Kriterien, sondern danach, ob die betreffende Person Organen vorbehaltene Entscheide getroffen oder die eigentliche Geschäftsführung besorgt und so die Willensbildung der Gesellschaft massgebend beeinflusst hat. Überblick über Lehre und Rechtsprechung zum Organbegriff im Zusammenhang mit der Unterstellung unter die aktienrechtliche Verantwortlichkeit.
115 II 93 () from 15. März 1989
Regeste: Eintragung im Handelsregister, Haftung für Gebühren. Nach Art. 21 Abs. 1 GebT haften auch Notare für die Gebühren und Auslagen des Handelsregisteramtes, wenn sie von ihm eine Handlung verlangen. Ob sie sich im Auftrag Dritter oder von sich aus an das Amt wenden, ist gleichgültig.
115 V 244 () from 17. August 1989
Regeste: Art. 73 BVG: Rechtspflege. Zuständigkeit der in dieser Vorschrift bezeichneten Behörden zur Beurteilung einer Streitigkeit, welche den vorobligatorischen Vorsorgebereich betrifft und die Nachzahlung von teilweise nach dem 1. Januar 1985 fällig gewordenen Renten zum Gegenstand hat (Erw. 1). Art. 392 Ziff. 1 und 418 ZGB: Vertretungsbeistandschaft. Umfang der Befugnisse eines Beistandes, der im Namen des Vertretenen zu wählen hat, ob die Vorsorgeeinrichtung ihre Leistung in Rentenform oder als Kapitalabfindung zu erbringen hat (Erw. 3). Art. 6 § 1 EMRK: Anforderung an ein faires Verfahren sowie Öffentlichkeit der Verhandlung. - Die Verletzung der EMRK kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde gerügt werden (Erw. 4b). - Das Neuenburger Verwaltungsgericht ist keine "Verwaltungsbehörde" im Sinne des schweizerischen Vorbehalts zu Art. 6 § 1 EMRK (Erw. 4b). - Betrifft die Streitigkeit zwischen einer Vorsorgeeinrichtung und ihrem Mitglied zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen im Sinne von Art. 6 § 1 EMRK? Frage offengelassen (Erw. 4c). - Begriff der öffentlichen Verhandlung (Erw. 4d/aa).
117 II 387 () from 25. Oktober 1991
Regeste: Art. 32 Abs. 2 OR. Gleichgültigkeit des Dritten bei der Stellvertretung. 1. Die Folgen der Stellvertretung bei Gleichgültigkeit des Dritten kommen auch dann zum Tragen, wenn dieser nicht erkennen konnte, dass sein Verhandlungspartner den Vertrag im Namen eines andern abschliessen wollte (E. 2a). 2. Beweislast (E. 2e) und Unterscheidung zwischen Rechts- und Tatfrage (E. 2b) bezüglich der Gleichgültigkeit des Dritten. 3. Die Vertretungswirkung tritt dann ein, wenn es dem Dritten gleichgültig war, ob er den Vertrag mit dem Vertreter oder dem Vertretenen abschliesse (E. 2c). 4. Weder das Vorliegen eines Auftrages noch der Umstand, dass die gegenseitigen Verpflichtungen nicht sofort erfüllt werden müssen, stehen der Anwendung von Art. 32 Abs. 2 OR entgegen (E. 2d).
118 III 10 () from 28. Oktober 1992
Regeste: Zustellung von Betreibungsurkunden (Art. 65 SchKG). Entsprechend der Vorschrift von Art. 65 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG sind an eine Aktiengesellschaft gerichtete Betreibungsurkunden - insbesondere der Zahlungsbefehl - einem Mitglied der Verwaltung oder einem Prokuristen zuzustellen. Eine Ersatzzustellung gemäss Art. 65 Abs. 2 SchKG ist nur zulässig, wenn die Zustellung an einen Vertreter im Sinne der zuerst erwähnten Bestimmung erfolglos versucht worden ist. Das Recht der Stellvertretung im Sinne der Art. 32 ff. OR (im vorliegenden Fall die Anscheins- oder Duldungsvollmacht) hat neben der präzisen Anweisung des Art. 65 SchKG keinen Platz.
120 II 20 () from 7. März 1994
Regeste: Negative Feststellungsklage des Betreibungsschuldners. Zulässiger Gegenstand einer Feststellungsklage (E. 2). Voraussetzungen, unter welchen eine Klage des Betreibungsschuldners auf Feststellung des Nichtbestehens der Schuld zulässig ist (E. 3; Präzisierung der Rechtsprechung).
120 II 197 () from 21. Juni 1994
Regeste: Stellvertretung; Vertrauenshaftung (Art. 33 Abs. 3 OR). Kriterien der normativ zurechenbaren, auf Rechtsschein beruhenden Vollmacht (E. 2a). - Voraussetzungen der Vertrauenshaftung nach Art. 33 Abs. 3 OR (E. 2b). - Tatsächlicher oder objektiver Vertretungswille des Vertreters (E. 2b/aa; Präzisierung der Rechtsprechung). Verneinung einer kaufmännischen Rechtsscheinvollmacht im vorliegenden Fall (E. 3).
121 III 310 () from 27. Juni 1995
Regeste: Geldüberweisung mit Hilfe des Bankenclearingsystems; vertraglicher Direktanspruch des Überweisenden gegen die sich weisungswidrig verhaltende Empfängerbank (Art. 32, 112, 127, 398 Abs. 3 OR). Im mehrgliedrigen Überweisungsverkehr ist die Erstbank indirekte Stellvertreterin des Überweisenden. Zwischen diesem und der Empfängerbank bestehen deshalb keine unmittelbaren Vertragsbeziehungen (E. 3). Gegen die im vorliegenden Fall als auftragsrechtliche Substitutin der Erstbank handelnde Empfängerbank kann der Überweisende einen direkten Schadenersatzanspruch geltend machen (E. 4), auf welchen die zehnjährige Verjährungsfrist von Art. 127 OR anwendbar ist (E. 5a). Begriff des Sperrkontos (E. 5b).
123 III 24 () from 2. Oktober 1996
Regeste: Art. 645 OR; Haftung für vor der Eintragung der Aktiengesellschaft in deren Namen eingegangene Verpflichtungen bei formbedürftigen Verträgen. Aus einem für die zukünftige Gesellschaft abgeschlossenen Bürgschaftsvertrag haften die für sie Handelnden nur, wenn die für sie persönlich vorgeschriebene Vertragsform erfüllt ist.
124 III 355 () from 21. August 1998
Regeste: Art. 38 Abs. 1 OR und Art. 543 Abs. 2 und 3 OR. Einfache Gesellschaft; Vertretung durch einen geschäftsführenden Gesellschafter. Tragweite der gesetzlichen Vermutung der Vertretungsmacht eines Gesellschafters, dem die Geschäftsführung überlassen ist (E. 4). Voraussetzungen, unter denen Stillschweigen der Mitgesellschafter Genehmigung der Handlungen des geschäftsführenden Gesellschafters bedeutet (E. 5).
124 III 418 () from 20. Oktober 1998
Regeste: Art. 55 ZGB, Art. 59 Abs. 1 ZGB, Art. 33 Abs. 1 und 3 OR. Privatrechtliches Handeln und Stellvertretung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts. Im privatrechtlichen Rechtsverkehr wird eine juristische Person des öffentlichen Rechts durch die Rechtshandlungen ihrer öffentlichrechtlich bestimmten Organe sowie durch das Verhalten von Personen verpflichtet, denen gemäss Art. 55 ZGB Organeigenschaft zukommt (E. 1a-b). Eine juristische Person des öffentlichen Rechts kann auch durch eine auf Rechtsschein beruhende Vollmacht im Sinne von Art. 33 Abs. 3 OR verpflichtet werden, selbst wenn der Vertreter ihr gegenüber in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis steht (E. 1c).
126 III 59 () from 7. Dezember 1999
Regeste: Kaufvertrag; Beschränkung der Sachgewährleistung des Verkäufers (Art. 197 und 199 OR). Unterscheidung zwischen direkter und indirekter Stellvertretung (E. 1). Die Wegbedingung der Gewährleistung verbietet es dem Käufer, als notwendige Grundlage des Vertrages das Vorhandensein von Sacheigenschaften anzusehen, für die keine Haftung übernommen wurde (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2 und 3). Gültigkeit einer Freizeichnungsklausel unter dem Gesichtspunkt von Art. 199 OR (E. 4). Auslegung einer die Gewährleistung des Verkäufers einschränkenden Klausel nach dem Vertrauensprinzip (E. 5).
126 III 375 () from 7. August 2000
Regeste: Übernahme der Aktiven und Passiven einer Kommanditgesellschaft, die sich gegenüber einer Bank verbürgt hat, durch eine Aktiengesellschaft. Befreiung der Kommanditgesellschaft, die Solidarbürgin der Bank geblieben ist, durch die Novationswirkung der Schuld, welche die Aktiengesellschaft wegen der Übernahme der Aktiven und Passiven gegenüber der Bank eingegangen ist (Art. 181 OR, Art. 116 OR, Art. 147 Abs. 2 OR). Die Übernahme der Aktiven und Passiven einer Kommanditgesellschaft, die sich gegenüber einer Bank verbürgt hat, durch eine Aktiengesellschaft hat zur Folge, dass die Kommanditgesellschaft während der zweijährigen Frist von Art. 181 Abs. 2 OR Bürgin bleibt, es sei denn, sie werde durch die Bank von der Haftung befreit. Durch Auslegung der Willenserklärungen der Vertragsparteien ist zu ermitteln, ob die Novation der von der Aktiengesellschaft als Übernehmerin gegenüber der Bank eingegangenen Schuld die Kommanditgesellschaft von der solidarischen Haftung befreit, die sie gemäss Art. 181 Abs. 2 OR zusammen mit der Aktiengesellschaft trifft (E. 2).
130 III 87 () from 25. November 2003
Regeste: Art. 82 Abs. 1 SchKG, Art. 32 Abs. 1 OR; durch einen Bevollmächtigten der betriebenen Aktiengesellschaft unterzeichnete Schuldanerkennung. Es ist willkürlich, die provisorische Rechtsöffnung auf Grund eines Wechsels zu erteilen, der von einem Bevollmächtigten unterzeichnet ist, dessen Befugnisse, wären sie auch durch konkludentes Verhalten der schuldnerischen Aktiengesellschaft erteilt, sich nicht klar aus den Akten ergeben (E. 3).
130 III 380 () from 5. Februar 2004
Regeste: a Kollokationsklage und einseitige Abänderung des Kollokationsplanes (Art. 65 KOV). Das Anheben einer Kollokationsklage ist nicht treuwidrig, wenn der Konkursbeamte die Abänderung des Kollokationsplanes zwar zugesichert hat, aber der Kläger unmittelbar vor Ablauf der Klagefrist von den anwesenden Mitarbeitern des Konkursamtes die Auskunft erhält, diese sei nicht erfolgt. Aufgrund der Kollokationsklage darf der Konkursbeamte die zugesicherte Abänderung nicht mehr selbst vornehmen (E. 2).
131 III 511 () from 31. Mai 2005
Regeste: a Art. 116, 126 und 196 IPRG; anwendbares Recht. Bestimmung des anwendbaren Rechts im Fall, dass Garantien von einem Vertreter abgegeben werden, dessen Vertretungsbefugnis vom Vertretenen bestritten wird (E. 2).
132 III 140 () from 7. Oktober 2005
Regeste: Art. 82 SchKG; provisorische Rechtsöffnung in einer Betreibung, die sich auf eine Vertragsübernahme mit umstrittener Echtheit der Unterschriften stützt. Natur des Rechtsöffnungsverfahrens. Urkundenbeweis der Eigenschaft als Zessionar oder Übernehmer des Vertrages (E. 4.1.1). Einrede des Schuldners, die Unterschriften seien gefälscht; Glaubhaftmachung (E. 4.1.2).
132 V 166 () from 9. Januar 2006
Regeste: a Art. 5 Abs. 1 lit. b und Art. 25 VwVG; Art. 87 KVG: Feststellungsklage. Die Klage des bisherigen Krankenversicherers auf Feststellung, dass rund 29'000 Versicherte, in deren Namen der Verein Pro Life die obligatorischen Krankenversicherungsverhältnisse gekündigt hat, weiterhin bei ihm versichert seien, ist zulässig. (Erw. 4 und 7)
133 V 408 () from 9. Juli 2007
Regeste: Art. 89bis Abs. 6 ZGB; Art. 33 Abs. 3 OR; Art. 34 Abs. 1 VVG; Art. 73 Abs. 1 BVG. Zur Unterscheidung zwischen Abschluss- und Vermittlungsagent (E. 5.3.4). Die Vorsorgeeinrichtung hat sich das Wissen des Vermittlungsagenten beim Abschluss eines Vorsorgevertrages ausnahmsweise als ihr eigenes anrechnen zu lassen (E. 5).
135 III 171 (5A_131/2008) from 23. Oktober 2008
Regeste: Art. 219 Abs. 4 Erste Klasse lit. b SchKG; Konkursprivileg für die Forderungen von Personalvorsorgeeinrichtungen gegenüber den angeschlossenen Arbeitgebern. Das Konkursprivileg umfasst auch Forderungen einer Personalvorsorgeeinrichtung gegenüber einem angeschlossenen Arbeitgeber aus Anleihensobligationen (E. 4.3). Unerheblich ist dabei, ob die Titel im Rahmen einer Selbst- oder einer Fremdemission ausgegeben worden sind (E. 5).
136 III 23 (4A_106/2009) from 1. Oktober 2009
Regeste: a Art. 10 Abs. 2 lit. c und Art. 9 Abs. 1 und 2 UWG; Art. 18 und 136 IPRG; Klagerecht des Bundes zum Schutz des guten Rufs der Schweiz im Ausland; Anwendbarkeit von schweizerischem Recht. Das Klagerecht des Bundes nach Art. 10 Abs. 2 lit. c UWG und die Spezialbestimmungen des UWG, auf die Art. 9 UWG verweist, stellen bei Erhebung einer Klage durch den Bund eine "loi d'application immédiate" im Sinn von Art. 18 IPRG dar, die im öffentlichen Interesse eine unbedingte Anwendung verlangt, unabhängig von anderslautenden Verweisen in den Spezialnormen des IPRG (E. 5 und 6).
140 III 86 (5A_420/2013) from 23. Januar 2014
Regeste: Art. 42 Abs. 2 BGG, Art. 18 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 1 OR; Pflicht zur Begründung der Rechtsverletzungen; Willenserklärung durch einen Vertreter. Anforderungen an die Begründung, welche die Verfahrensparteien zu erfüllen haben (E. 2). Auslegung des Willens des Vertreters, der dem Vertretenen zugerechnet wird (E. 4).
141 III 159 (4A_530/2014) from 17. April 2015
Regeste: Art. 204 Abs. 1 ZPO, Art. 32 und 462 OR; persönliches Erscheinen zur Schlichtungsverhandlung; faktisches Organ; Vollmacht. Eine juristische Person kann sich im Schlichtungsverfahren nicht von faktischen Organen vertreten lassen (E. 2). Eine bloss bürgerliche Bevollmächtigung (Art. 32 ff. OR) reicht für das persönliche Erscheinen einer juristischen Person an der Schlichtungsverhandlung nicht aus. Abgrenzung zur kaufmännischen Handlungsvollmacht nach Art. 462 OR (E. 3).
141 III 289 (4A_710/2014) from 3. Juli 2015
Regeste: Art. 32 Abs. 1 OR; Anscheinsbevollmächtigung. Voraussetzungen einer stillschweigenden (internen) Anscheinsbevollmächtigung (E. 4).
143 III 157 (4A_475/2016) from 28. März 2017
Regeste: Art. 389 ff. ZPO; interne Schiedsgerichtsbarkeit; Rechtsmittelverzicht. Zulässigkeit des Verzichts auf die Beschwerde nach Erlass des internen Schiedsentscheids (E. 1.2).
145 II 270 (2C_943/2017) from 17. Juli 2019
Regeste: Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. a-e MWSTG; Steuerausnahme für die "Vermittlung" im Finanzbereich; Bestätigung der Praxisänderung der Eidgenössischen Steuerverwaltung. Die Praxis zum Begriff der "Vermittlung" in Art. 18 Ziff. 19 MWSTG 1999 bzw. Art. 14 Ziff. 15 MWSTV 1994 verlangte abweichend vom alltäglichen Sprachgebrauch und der zivilrechtlichen Betrachtungsweise ein Handeln in direkter Stellvertretung (E. 4.2 und 4.3). Auslegung des Begriffs der "Vermittlung" im neuen Recht (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 MWSTG). Nach gesetzessystematischer und historischer Auslegung ist die steuerausgenommene "Vermittlung" im Finanzbereich nicht vom Vorliegen einer mehrwertsteuerlichen direkten Stellvertretung abhängig; "Vermittlung" im Sinne von Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit. a-e MWSTG liegt vielmehr schon dann vor, wenn eine Person kausal auf den Abschluss eines Vertrages im Bereich des Geld- und Kapitalverkehrs zwischen zwei Parteien hinwirkt, ohne selber Partei des vermittelten Vertrages zu sein und ohne ein Eigeninteresse am Inhalt des Vertrages zu haben. Abgrenzung der so verstandenen "Vermittlung" vom blossen Zuführen von Kunden (E. 4.5.2-4.5.4). Zulässigkeit der Praxisänderung (E. 4.5.5).
146 III 37 (4A_455/2018) from 9. Oktober 2019
Regeste: Art. 32 ff., 718 und 721 OR; Vertretung der Aktiengesellschaft, faktisches Organ. Vertretung der AG durch ihre Organe (E. 5.1), Prokuristen und andere Handlungsbevollmächtigte (E. 5.2) sowie durch ihre rechtsgeschäftlichen Stellvertreter (E. 5.3 und 7). Keine Vertretung der AG durch ein faktisches Organ (E. 6).
146 III 121 (4A_504/2018) from 10. Dezember 2019
Regeste: Art. 32, 33, 38, 97 Abs. 1, 107 Abs. 1, 402 OR, Art. 3 ZGB; Banküberweisungen; allgemeine und unlimitierte Bankvollmacht des Vertreters; Selbstkontrahieren; fehlende Legitimation des Vertreters; Schaden. Ermittlung in drei Schritten wer, die Bank oder der Kunde, im gesetzlichen System den Schaden tragen muss (E. 2). Kein Auftrag des Kunden (erster Schritt): Unterscheidung zwischen der Vollmachtsüberschreitung und dem Vollmachtsmissbrauch des Vertreters (E. 3). Frage der Nichtigkeit der allgemeinen und unlimitierten Vollmacht (Selbstkontrahieren) offengelassen (E. 3.3). Gesetzliches System im Falle fehlender Legitimation des Vertreters (von der Bank zu tragender Schaden) oder vertragliche Abweichung durch Risikotransferklausel (vom Kunden zu tragender Schaden) (zweiter Schritt) (E. 4). Im gesetzlichen System besteht ein Anspruch der Bank auf Schadenersatz gegen ihren Kunden, der verschuldet dazu beigetragen hat, den Schaden, den sie erleidet, zu verursachen oder zu verschlimmern (dritter Schritt) (E. 5).
146 III 387 (4A_178/2019, 4A_192/2019) from 6. August 2020
Regeste: Art. 32 Abs. 1, 44 Abs. 1, 97 Abs. 1, 99 Abs. 3, 101, 107 Abs. 1 OR; Banküberweisungen im Namen einer AG; Vollmacht mit Kollektivunterschrift zu zweien oder Zahlungsaufträge per e-banking, welche zu zweien zu visieren sind; Zahlungsmodalität per E-Mail vertraglich nicht vorgesehen; gefälschte Zahlungsaufträge per E-Mail; Klage auf Rückgabe durch die Kundin und zur Verrechnung gebrachter Anspruch auf Schadenersatz der Bank. Ermittlung in drei Schritten wer, die Bank oder die Kundin, im gesetzlichen System den Schaden tragen muss (E. 3). Wegen Verletzung der vereinbarten Zahlungsmodalität und Nichteinhaltung der Kollektivzeichnungsberechtigung zu zweien kein Auftrag der AG. Zahlungsauftrag einer kollektiv zu zweien zeichnungsberechtigten Angestellten der AG, die Opfer eines "Präsidentenbetrugs (CEO-Fraud)" wurde (erster Schritt; E. 4). Risikotransferklausel (zweiter Schritt): keine entsprechende Klausel im konkreten Fall (E. 5). Durch die Bank zur Verrechnung gebrachter Anspruch auf Schadenersatz gegen die Kundin (dritter Schritt): Unterbrechung des Kausalzusammenhangs wegen des schweren Verschuldens der Bank und ihrer Hilfspersonen (E. 6). |