Schweizerisches Strafgesetzbuch

vom 21. Dezember 1937 (Stand am 1. Januar 2022)


Open article in different language:  FR  |  IT  |  EN
Art. 64a

Auf­he­bung und Ent­las­sung

 

1 Der Tä­ter wird aus der Ver­wah­rung nach Ar­ti­kel 64 Ab­satz 1 be­dingt ent­las­sen, so­bald zu er­war­ten ist, dass er sich in der Frei­heit be­währt.60 Die Pro­be­zeit be­trägt zwei bis fünf Jah­re. Für die Dau­er der Pro­be­zeit kann Be­wäh­rungs­hil­fe an­ge­ord­net und kön­nen Wei­sun­gen er­teilt wer­den.

2 Er­scheint bei Ab­lauf der Pro­be­zeit ei­ne Fort­füh­rung der Be­wäh­rungs­hil­fe oder der Wei­sun­gen als not­wen­dig, um der Ge­fahr wei­te­rer Straf­ta­ten im Sin­ne von Ar­ti­kel 64 Ab­satz 1 zu be­geg­nen, so kann das Ge­richt auf An­trag der Voll­zugs­be­hör­de die Pro­be­zeit je­weils um wei­te­re zwei bis fünf Jah­re ver­län­gern.

3 Ist auf Grund des Ver­hal­tens des be­dingt Ent­las­se­nen wäh­rend der Pro­be­zeit ernst­haft zu er­war­ten, dass er wei­te­re Straf­ta­ten im Sin­ne von Ar­ti­kel 64 Ab­satz 1 be­ge­hen könn­te, so ord­net das Ge­richt auf An­trag der Voll­zugs­be­hör­de die Rück­ver­set­zung an.

4 Ent­zieht sich der be­dingt Ent­las­se­ne der Be­wäh­rungs­hil­fe oder miss­ach­tet er die Wei­sun­gen, so ist Ar­ti­kel 95 Ab­sät­ze 3–5 an­wend­bar.

5 Hat sich der be­dingt Ent­las­se­ne bis zum Ab­lauf der Pro­be­zeit be­währt, so ist er end­gül­tig ent­las­sen.

60 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 21. Dez. 2007 (Le­bens­läng­li­che Ver­wah­rung ex­trem ge­fähr­li­cher Straf­tä­ter), in Kraft seit 1. Aug. 2008 (AS 2008 2961; BBl 2006 889).

BGE

134 IV 121 (6B_347/2007) from 29. November 2007
Regeste: Art. 2 und 64 StGB, Ziff. 2 Abs. 1 der Schlussbestimmungen der Änderung vom 13. Dezember 2002; Art. 7 Ziff. 1 EMRK; Art. 15 Abs. 1 UNO-Pakt II; Geltung des Rückwirkungsverbots für die Verwahrung. Das Rückwirkungsverbot gilt auch für die Verwahrung (E. 3.3.3). Das neue Recht ist hinsichtlich der Anordnung der Verwahrung und der Entlassung aus dieser Massnahme nicht strenger als das alte Recht. Die Schlussbestimmung der Änderung vom 13. Dezember 2002, welche die rückwirkende Anwendung des neuen Rechts auf noch nicht beurteilte Straftäter vorsieht, verstösst daher nicht gegen das Rückwirkungsverbot (E. 3.4).

136 IV 165 (6B_332/2010) from 30. August 2010
Regeste: Art. 64 Abs. 3 und Art. 64b Abs. 2 StGB; bedingte Entlassung aus dem Vollzug der einer Verwahrung vorausgehenden Freiheitsstrafe. Die Behörde, die über die bedingte Entlassung aus dem Vollzug der einer Verwahrung vorausgehenden Freiheitsstrafe im Sinne von Art. 64 Abs. 3 StGB entscheidet, muss sich auf die in Art. 64b Abs. 2 StGB genannten Entscheidungsgrundlagen stützen, d.h. einen Bericht der Anstaltsleitung, eine unabhängige sachverständige Begutachtung im Sinne von Art. 56 Abs. 4 StGB, die Anhörung einer Kommission nach Art. 62d Abs. 2 StGB und die Anhörung des Täters (E. 2).

137 IV 201 (6B_854/2010) from 5. Mai 2011
Regeste: Art. 56 Abs. 2 und 6, Art. 59 Abs. 1, Art. 62 Abs. 1, Art. 62c Abs. 1 und 3-6, Art. 62d Abs. 1 StGB; Verweigerung der bedingten Entlassung aus einer stationären Massnahme. Zusammenfassung der Grundsätze (E. 1). Voraussetzungen der Gefährlichkeit und der Wiederholungsgefahr erfüllt bei einer schweren geistigen Erkrankung (paranoide Schizophrenie) einhergehend mit einer beträchtlichen psychischen Instabilität und einer Zwangsstörung (Abhängigkeit von verschiedenen psychoaktiven Substanzen), die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit mit sich bringt - bestätigt durch zahlreiche Aggressionen gegenüber Aufsichtspersonen und das zweimalige Inbrandsetzen des eigenen Bettes -, welche die Schwere der begangenen Straftaten übersteigt (E. 2). In Anbetracht der Gefährlichkeit für Dritte erscheint die Fortsetzung der bald acht Jahre andauernden, nicht aussichtslosen stationären Massnahme gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung künftiger Straftaten nicht unverhältnismässig (E. 3).

142 IV 56 (6B_513/2015) from 4. Februar 2016
Regeste: Lebenslängliche Freiheitsstrafe, Verwahrung (Art. 64 Abs. 1 StGB); Verhältnis. Die Verwahrung im Sinne von Art. 64 Abs. 1 StGB ist auch bei Ausfällung einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe anzuordnen, wenn die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt sind (E. 2).

147 I 259 (6B_124/2021) from 24. März 2021
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Art. 5 Ziff. 4 EMRK; Art. 64a i.V.m. Art. 64b StGB; verwaltungsgerichtliches Verfahren zur bedingten Entlassung aus der Verwahrung, Beschleunigungsgebot. Art. 6 Ziff. 1 EMRK gewährleistet zahlreiche Rechte. In der Beschwerde ist klarzustellen, welcher Teilgehalt und inwiefern dieser durch die angefochtene Entscheidung konkret verletzt wurde (E. 1.3.2). Geht ein Verwaltungsverfahren voraus, muss das Verwaltungsgericht als Gericht im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK amten und seine Kognition effektiv ausschöpfen. Hingegen besteht im Verfahren gemäss Art. 64a i.V.m. Art. 64b StGB weder ein zwingender Anspruch auf nochmalige, persönliche mündliche Anhörung noch auf eine öffentliche Verhandlung (E. 1.3.2). Das verwaltungsinterne Verfahren ist unabdingbar zur Erstellung der sachlichen Entscheidgrundlagen unter Einbezug und Anhörung des Insassen. Ein neunmonatiges verwaltungsgerichtliches Verfahren lässt sich mit der kurzen Frist von Art. 5 Ziff. 4 EMRK nicht vereinbaren (E. 1.3.3).

 

Diese Seite ist durch reCAPTCHA geschützt und die Google Datenschutzrichtlinie und Nutzungsbedingungen gelten.

Feedback
Laden