Schweizerisches Strafgesetzbuch

vom 21. Dezember 1937 (Stand am 1. Juni 2022)


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Art. 195238

3. Aus­nüt­zung se­xu­el­ler Hand­lun­gen.

För­de­rung der Pro­sti­tu­ti­on

 

Mit Frei­heits­s­tra­fe bis zu zehn Jah­ren oder Geld­stra­fe wird be­straft, wer:

a.
ei­ne min­der­jäh­ri­ge Per­son der Pro­sti­tu­ti­on zu­führt oder in der Ab­sicht, dar­aus Ver­mö­gens­vor­tei­le zu er­lan­gen, ih­re Pro­sti­tu­ti­on för­dert;
b.
ei­ne Per­son un­ter Aus­nüt­zung ih­rer Ab­hän­gig­keit oder we­gen ei­nes Ver­mö­gens­vor­teils der Pro­sti­tu­ti­on zu­führt;
c.
die Hand­lungs­frei­heit ei­ner Per­son, die Pro­sti­tu­ti­on be­treibt, da­durch be­ein­träch­tigt, dass er sie bei die­ser Tä­tig­keit über­wacht oder Ort, Zeit, Aus­mass oder an­de­re Um­stän­de der Pro­sti­tu­ti­on be­stimmt;
d.
ei­ne Per­son in der Pro­sti­tu­ti­on fest­hält.

238 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 1 des BB vom 27. Sept. 2013 (Lanz­aro­te-Kon­ven­ti­on), in Kraft seit 1. Ju­li 2014 (AS 2014 1159; BBl 2012 7571).

BGE

102 IV 94 () from 11. Juni 1976
Regeste: Art. 195 Abs. 2 StGB. 1. Zur Tat gehören auch die Begleitumstände der unzüchtigen Handlung (Erw. 4a). 2. Die Bestimmung setzt voraus, dass für den Täter eine besondere, erhebliche und naheliegende Gefahr für das Leben des Opfers erkennbar war (Erw. 4b). 3. Objektive und subjektive Voraussehbarkeit der Todesfolge (Erw. 5).

121 IV 86 () from 23. März 1995
Regeste: Art. 195 StGB; Förderung der Prostitution. Feinmassage, die durch Masseusen an Kunden ausgeführt wird, fällt unter den Begriff der Prostitution im Sinne des neuen Art. 195 StGB (E. 2a).

125 II 518 () from 17. August 1999
Regeste: Art. 159 Abs. 1 und 2 OG. Anspruch der nicht anwaltlich vertretenen Partei auf eine Parteientschädigung. Die besonderen Voraussetzungen, unter denen der nicht anwaltlich vertretenen Partei nach Art. 159 Abs. 1 und 2 OG eine Parteientschädigung zusteht (BGE 110 V 72), müssen beim um sein Honorar streitenden amtlichen Verteidiger nicht erfüllt sein (E. 5b).

126 IV 76 () from 24. Januar 2000
Regeste: Art. 195 Abs. 3 StGB; Förderung der Prostitution. Die Tatbestandsalternative des Überwachens setzt voraus, dass auf die sich prostituierende Person ein gewisser Druck ausgeübt wird, dem sie sich nicht ohne weiteres entziehen kann. Die blosse Möglichkeit, den Umfang der gegen Entgelt erbrachten sexuellen Leistungen aufgrund des abzuliefernden Erlöses festzustellen, erfüllt den Tatbestand nicht.

128 IV 170 () from 5. Juni 2002
Regeste: Beschäftigung von Ausländerinnen, die nicht berechtigt sind, in der Schweiz zu arbeiten (Art. 23 Abs. 4 und Art. 3 Abs. 3 ANAG). Den Tatbestand erfüllt der Geschäftsführer eines Massagesalons bzw. eines Bordells, der unter anderem für dessen Infrastruktur zuständig ist und entscheidet, welche Ausländerinnen im Etablissement als Prostituierte arbeiten können. Unerheblich ist, dass er den Prostituierten keinerlei Weisungen betreffend die Arbeitszeit, die Anzahl der zu bedienenden Freier und die Art der Dienstleistungen etc. erteilt (E. 4).

129 IV 71 () from 26. November 2002
Regeste: Art. 195 Abs. 1 und 2 StGB; Förderung der Prostitution. Prostitution besteht im gelegentlichen oder gewerbsmässigen Anbieten und Preisgeben des eigenen Körpers an beliebige Personen zu deren sexueller Befriedigung gegen Geld oder geldwerte Leistungen. Sie braucht weder regelmässig ausgeübt zu werden noch muss sie zur eigentlichen Lebensform geworden sein (E. 1.4). Wer die Handlungsfreiheit einer mündigen Person gezielt schwächt und ihre Abhängigkeit ausnützt, sodass sie sich mehrmals Dritten gegen Geld sexuell hingibt, führt sie in die Prostitution im Sinne von Art. 195 Abs. 2 StGB ein. Gleich verhält es sich, wenn der Täter das Opfer im Hinblick auf geldwerte Vorteile unter Druck setzt oder dessen besondere Unterlegenheit ausnützt (E. 1.4). Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen zu den Tatbestandselementen im konkreten Fall (E. 1.5). Bei unmündigen Personen bedeutet "Zuführen" im Sinne von Art. 195 Abs. 1 StGB, sie zu veranlassen, sich mehr als ein Mal gegen Geld anderen Personen sexuell hinzugeben. Im Unterschied zu Absatz 2 der Norm genügt es hier, wenn ein altersmässig oder sonst wie überlegener Täter die Jugendlichkeit des Opfers ausnützt und es zur Prostitution drängt oder überredet. Das Ausnützen einer Abhängigkeit oder das Handeln eines Vermögensvorteils wegen ist nicht erforderlich (E. 2.3).

129 IV 81 () from 26. November 2002
Regeste: Art. 195 Abs. 3 und 4, Art. 196 und Art. 58 Abs. 1 StGB; Förderung der Prostitution, Menschenhandel, Sicherungseinziehung. Wer Prostituierte überwacht und ihre Tätigkeit umfassend bestimmt, ist nach Art. 195 Abs. 3 StGB strafbar (E. 1). Das formale Einverständnis der Betroffenen ist unwirksam, wenn ihre Entscheidungsfreiheit durch wirtschaftliche Not wesentlich eingeschränkt war (E. 1.4). Für die Tatbestandsvariante des Festhaltens in der Prostitution muss der Täter Druck auf eine ausstiegswillige oder -bereite Person ausüben, um sie daran zu hindern, sich von der Prostitution abzuwenden. Wer auf Prostituierte einwirkt, damit sie den Ausstieg aus der Prostitution gar nicht erst erwägen, erfüllt die Strafnorm nicht (E. 2.3). Menschenhandel begeht, wer wirtschaftlich schlecht gestellte junge Frauen im Ausland anwirbt und für seine Bordelle in der Schweiz verpflichtet sowie teilweise weitervermittelt. Die bloss formale "Einwilligung" der Betroffenen in die Tätigkeit und deren Umstände ist unbeachtlich, wenn sie auf die schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im Herkunftsland zurückzuführen ist (E. 3). Die Sicherungseinziehung einer Schusswaffe durch den Strafrichter verletzt Bundesrecht, wenn die Waffe keinen Bezug zu einer Straftat hat (E. 4.1 und 4.2). Vorbehalten bleiben die Bestimmungen des Waffenrechts (E. 4.2).

137 I 167 (2C_230/2010) from 12. April 2011
Regeste: Art. 8 Abs. 1 und 2, Art. 13 Abs. 1 und 2, Art. 27 und 49 Abs. 1 BV; Art. 8 EMRK; DSG; Gesetz des Kantons Genf vom 17. Dezember 2009 über die Prostitution; Rechtsgleichheit und Nichtdiskriminierung, Privatsphäre (Datenschutz) und Wohnsitz, Wirtschaftsfreiheit, Vorrang des Bundesrechts. Darstellung und Konkurrenz der angerufenen verfassungsmässigen Rechte (E. 3). Das gesetzliche Erfordernis, wonach der Betreiber eines Prostitutionsunternehmens oder einer Begleitagentur das vorgängige Einverständnis des Hauseigentümers erlangen muss, um dort seinen Betrieb führen zu können, verstösst gegen die Wirtschaftsfreiheit (E. 4). Verfassungskonforme Auslegung der dem Betreiber auferlegten Verpflichtung, jeglichen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung zu verhindern bzw. zu vermeiden (E. 6), der von den Behörden in den Betrieben durchgeführten Kontrollen (E. 7) und, unter dem Blickwinkel der gesetzlichen Grundlage sowie der Verhältnismässigkeit, des Umgangs mit den prostitutionsbezogenen Personendaten (E. 9). Verfassungsmässigkeit der dem Betreiber gemachten Verpflichtung, ein internes und laufend auf den neuesten Stand gebrachtes Verzeichnis der in seinem Unternehmen tätigen (männlichen oder weiblichen) Prostituierten und der anerbotenen Dienstleistungen zu führen (E. 5). Die der Prostitution eigenen Besonderheiten rechtfertigen Erfassungsmassnahmen und Meldepflichten, die nicht gegen die Verfassung verstossen (E. 8).

137 IV 159 (6B_39/2011) from 10. Juni 2011
Regeste: Beschäftigung von Ausländerinnen, die nicht berechtigt sind, in der Schweiz zu arbeiten (Art. 117 Abs. 1 AuG); Verschaffen einer illegalen Erwerbstätigkeit (Art. 116 Abs. 1 lit. b AuG). Der Geschäftsführer eines Etablissements, der für dessen Infrastruktur zuständig ist und entscheidet, welche Ausländerinnen im Etablissement als Prostituierte arbeiten können, ist auch unter dem Geltungsbereich des neuen Ausländergesetzes ein Arbeitgeber und kann daher den Tatbestand der Beschäftigung von Ausländerinnen ohne Bewilligung erfüllen (E. 1.4). Abgrenzung zum Tatbestand des Verschaffens einer Erwerbstätigkeit ohne die dazu erforderliche Bewilligung (E. 1.5).

140 II 460 (2C_772/2013) from 4. September 2014
Regeste: Art. 4 FZA in Verbindung mit Art. 6 und 12 Abs. 1 Anhang I FZA; Art. 10 Abs. 4c in Verbindung mit Abs. 1b Unterabs. 2 sowie Abs. 2b Unterabs. 2 FZA; Art. 16 Abs. 2 FZA; Prostitution; Zulassung zum Arbeitsmarkt; selbstständige und unselbstständige Erwerbstätigkeit im Anwendungsbereich der Übergangsbestimmungen des FZA. Übergangsrechtliche Höchstzahlen und Vorzugsregelungen für inländische Arbeitnehmer gegenüber unselbstständig Erwerbstätigen aus Bulgarien und Rumänien (E. 3). Hat die Erwerbstätigkeit einer Prostituierten in einem sog. Club als selbstständige oder unselbstständige Erwerbstätigkeit im Sinne des FZA zu gelten (E. 4)? Kriterien zur Bestimmung der Art der Tätigkeit nach der Rechtsprechung des EuGH und nach dem nationalen Recht (E. 4.1 und 4.2). Prüfung der Kriterien anhand der konkreten Ausgestaltung der Tätigkeit im Club (E. 4.3).

143 IV 49 (6B_646/2016) from 3. Januar 2017
Regeste: Art. 97 Abs. 3 StGB, Art. 1 Abs. 2 lit. j und Art. 36 JStG; Jugendstrafverfahren, Ende der Verfolgungsverjährung. Art. 97 Abs. 3 StGB hat entgegen dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 2 lit. j JStG auch im Jugendstrafrecht Gültigkeit. Auch in einem Jugendstrafverfahren tritt die Verjährung nicht mehr ein, wenn vor Ablauf der Verjährungsfrist nach Art. 36 JStG ein erstinstanzliches Urteil ergangen ist (E. 1).

147 IV 73 (6B_572/2020) from 8. Januar 2021
Regeste: Art. 146 Abs. 1 StGB; Betrug; Entgelt für sexuelle Dienstleistungen; Täuschung über die Zahlungsbereitschaft; Arglist; Vermögensschaden. Die Vorspiegelung der Zahlungsbereitschaft ist als Täuschung über innere Tatsachen grundsätzlich arglistig. Dass das Täuschungsopfer im konkreten Fall die sexuellen Dienstleistungen erbracht hat, ohne auf Vorauszahlung des vereinbarten Entgelts zu bestehen, führt nicht zu seiner alleinigen, die Strafbarkeit des Täuschenden ausschliessenden Verantwortung für den erlittenen Schaden (E. 3.3 und 4.2). Dem Anspruch einer sich prostituierenden Person auf Entschädigung für die von ihr erbrachte sexuelle Dienstleistung kommt Vermögenswert zu (E. 7.2).

 

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