|
Art. 55a42
3. Sistierung und Einstellung des Verfahrens. Ehegatte, eingetragene Partnerin, eingetragener Partner oder Lebenspartner als Opfer 1Bei einfacher Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 2 Abs. 3–5), wiederholten Tätlichkeiten (Art. 126 Abs. 2 Bst. b, bbis und c), Drohung (Art. 180 Abs. 2) und Nötigung (Art. 181) kann die Staatsanwaltschaft oder das Gericht das Verfahren sistieren, wenn:43
2 Die Staatsanwaltschaft oder das Gericht kann für die Zeit der Sistierung die beschuldigte Person dazu verpflichten, ein Lernprogramm gegen Gewalt zu besuchen. Die Staatsanwaltschaft oder das Gericht informiert die nach kantonalem Recht für Fälle häuslicher Gewalt zuständige Stelle über die getroffenen Massnahmen.47 3 Die Sistierung ist nicht zulässig, wenn:
4 Die Sistierung ist auf sechs Monate befristet. Die Staatsanwaltschaft oder das Gericht nimmt das Verfahren wieder an die Hand, wenn das Opfer oder, falls dieses nicht handlungsfähig ist, sein gesetzlicher Vertreter dies verlangt oder sich herausstellt, dass die Sistierung die Situation des Opfers weder stabilisiert noch verbessert.49 5 Vor Ende der Sistierung nimmt die Staatsanwaltschaft oder das Gericht eine Beurteilung vor. Hat sich die Situation des Opfers stabilisiert oder verbessert, so wird die Einstellung des Verfahrens verfügt.50 42 Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 3. Okt. 2003 (Strafverfolgung in der Ehe und in der Partnerschaft), in Kraft seit 1. April 2004 (AS 2004 1403; BBl 2003 19091937). 43 Fassung gemäss Ziff. I 3 des BG vom 14. Dez. 2018 über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen, in Kraft seit 1. Juli 2020 (AS 2019 2273; BBl 2017 7307). 44 Fassung gemäss Art. 37 Ziff. 1 des Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2005 5685; BBl 2003 1288). 45 Fassung gemäss Ziff. I 3 des BG vom 14. Dez. 2018 über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen, in Kraft seit 1. Juli 2020 (AS 2019 2273; BBl 2017 7307). 46 Eingefügt durch Ziff. I 3 des BG vom 14. Dez. 2018 über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen, in Kraft seit 1. Juli 2020 (AS 2019 2273; BBl 2017 7307). 47 Fassung gemäss Ziff. I 3 des BG vom 14. Dez. 2018 über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen, in Kraft seit 1. Juli 2020 (AS 2019 2273; BBl 2017 7307). 48 Fassung gemäss Ziff. I 3 des BG vom 14. Dez. 2018 über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen, in Kraft seit 1. Juli 2020 (AS 2019 2273; BBl 2017 7307). 49 Fassung gemäss Ziff. I 3 des BG vom 14. Dez. 2018 über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen, in Kraft seit 1. Juli 2020 (AS 2019 2273; BBl 2017 7307). 50 Eingefügt durch Ziff. I 3 des BG vom 14. Dez. 2018 über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen, in Kraft seit 1. Juli 2020 (AS 2019 2273; BBl 2017 7307). BGE
135 IV 12 (6B_346/2008) from 27. November 2008
Regeste: a Subjektive Tatbestandsvoraussetzungen der Falschbeurkundung (Art. 251 StGB). Wer bewusst ungelesene Urkunden unterzeichnet, kann sich nicht darauf berufen, ihren wahren Inhalt nicht gekannt zu haben. Wer weiss, dass er nichts weiss, irrt nicht (E. 2.3.1). Es darf jedoch nicht unbesehen von diesem Wissen auf die Inkaufnahme einer Falschbeurkundung geschlossen werden (E. 2.3.2). Als Indizien für die Inkaufnahme können das Ausmass der Gefährdung fremder Interessen, das situative Risiko der Erfolgsverwirklichung sowie die Motive des Täters herangezogen werden (E. 2.3.3).
135 IV 27 (6B_522/2008, 6B_523/2008) from 27. November 2008
Regeste: Verfahrensrechtliche Umsetzung der Wiedergutmachung (Art. 53 StGB). Wird das bewirkte Unrecht umgehend ausgeglichen, kann die Untersuchungsbehörde von einer Strafverfolgung absehen. Ist die Strafverfolgung bereits im Gang, kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen oder von einer Überweisung an das Gericht absehen. Sind die Wiedergutmachungsvoraussetzungen erst im Gerichtsverfahren gegeben, ist ein Schuldspruch bei gleichzeitigem Strafverzicht auszufällen (E. 2).
139 IV 220 (6B_708/2012) from 8. Juli 2013
Regeste: Art. 8 StPO (Verzicht auf Strafverfolgung); Art. 52-54 StGB (Strafbefreiung). Art. 8 StPO bildet keine Grundlage für die Einstellung des Verfahrens durch das Gericht nach der Anklageerhebung in den Anwendungsfällen von Art. 52-54 StGB. Das Gericht hat über die Anklage zu entscheiden und im Falle eines Schuldspruchs von einer Bestrafung abzusehen (Bestätigung der unter dem früheren Prozessrecht begründeten Rechtsprechung). Unter den Gerichten im Sinne von Art. 8 StPO sind die Gerichte zu verstehen, die über Beschwerden gegen Nichtanhandnahme- und Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft entscheiden (E. 3.4).
143 IV 104 (6B_527/2016, 6B_535/2016) from 23. Dezember 2016
Regeste: Art. 32, 33 Abs. 3 und Art. 55a StGB, Art. 11 Abs. 1 und Art. 320 Abs. 4 StPO; Verfahrenseinstellung gestützt auf Art. 55a StGB; Grundsatz "ne bis in idem"; Unteilbarkeit des Strafantrags und des Rückzugs desselben. Die Verurteilung eines Ehegatten wegen Tätlichkeiten zum Nachteil seiner Ehegattin in einem abgetrennten Verfahren wegen Raubes verstösst gegen Art. 55a StGB und den Grundsatz "ne bis in idem", wenn die Strafverfahren gegen die Ehegatten wegen gegenseitiger Tätlichkeiten betreffend den fraglichen Tatzeitraum zuvor in Anwendung von Art. 55a StGB rechtskräftig eingestellt wurden (E. 4). Das Ersuchen um Verfahrenssistierung bzw. die Zustimmung zum Antrag der zuständigen Behörde auf Verfahrenssistierung (Art. 55a Abs. 1 lit. b StGB) und das unbenutzte Verstreichenlassen der Frist für den Widerruf der Zustimmung zur Verfahrenssistierung (Art. 55a Abs. 2 StGB) kommen dem Rückzug eines Strafantrags gleich. Sind Tätlichkeiten des Ehegatten zu beurteilen, an welchen sich Dritte beteiligt haben sollen, ist angesichts des Grundsatzes der Unteilbarkeit der Strafverfolgung bei Antragsdelikten auch das Strafverfahren gegen die Beteiligten einzustellen (E. 5.1-5.3). Aufklärungspflicht der Behörden über die Unteilbarkeit der Strafverfolgung verneint (E. 5.4). |