Schweizerisches Strafgesetzbuch

vom 21. Dezember 1937 (Stand am 1. Juni 2022)


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Art. 6

Ge­mä­ss staats­ver­trag­li­cher Ver­pflich­tung ver­folg­te Aus­land­ta­ten

 

1 Wer im Aus­land ein Ver­bre­chen oder Ver­ge­hen be­geht, zu des­sen Ver­fol­gung sich die Schweiz durch ein in­ter­na­tio­na­les Über­ein­kom­men ver­pflich­tet hat, ist die­sem Ge­setz un­ter­wor­fen, wenn:

a.
die Tat auch am Be­ge­hungs­ort straf­bar ist oder der Be­ge­hungs­ort kei­ner Straf­ge­walt un­ter­liegt; und
b.
der Tä­ter sich in der Schweiz be­fin­det und nicht an das Aus­land aus­ge­lie­fert wird.

2 Das Ge­richt be­stimmt die Sank­tio­nen so, dass sie ins­ge­samt für den Tä­ter nicht schwe­rer wie­gen als die­je­ni­gen nach dem Recht des Be­ge­hungs­or­tes.

3 Der Tä­ter wird, un­ter Vor­be­halt ei­nes kras­sen Ver­stos­ses ge­gen die Grund­sät­ze der Bun­des­ver­fas­sung und der EMRK11, in der Schweiz we­gen der Tat nicht mehr ver­folgt, wenn:

a.
ein aus­län­di­sches Ge­richt ihn end­gül­tig frei­ge­spro­chen hat;
b.
die Sank­ti­on, zu der er im Aus­land ver­ur­teilt wur­de, voll­zo­gen, er­las­sen oder ver­jährt ist.

4 Ist der Tä­ter we­gen der Tat im Aus­land ver­ur­teilt wor­den und wur­de die Stra­fe im Aus­land nur teil­wei­se voll­zo­gen, so rech­net ihm das Ge­richt den voll­zo­ge­nen Teil auf die aus­zu­spre­chen­de Stra­fe an. Das Ge­richt ent­schei­det, ob ei­ne im Aus­land an­ge­ord­ne­te, dort aber nur teil­wei­se voll­zo­ge­ne Mass­nah­me fort­zu­set­zen oder auf die in der Schweiz aus­ge­spro­che­ne Stra­fe an­zu­rech­nen ist.

BGE

83 IV 111 () from 5. April 1957
Regeste: Art. 268 Abs.2 BStP. Wird ein in der Schweiz zu einer Gesamtstrafe Verurteilter vom Ausland nur unter Vorbehalt bestimmter Delikte zum Strafvollzug ausgeliefert und deshalb die auf die Auslieferungsdelikte entfallende Quote der Gesamtstrafe nachträglich ausgeschieden, so kann die Frage, ob eine solche Aufteilung der Gesamtstrafe Bundesrecht verletze, zum Gegenstand einer Nichtigkeitsbeschwerde gemacht werden. Das gilt gleicherweise für Entscheide über die Anrechnung bzw. Nichtanrechnung erstandener Untersuchungshaft.

92 IV 156 () from 29. August 1966
Regeste: 1. Art. 351 StGB, Art. 264 BStP. Ist die Tat nur auf Antrag strafbar, so kann der Antragsteller die Anklagekammer auch anrufen, wenn kein Gerichtsstandskonflikt vorliegt (Erw. 1). 2. Art. 348 Abs. 1 geht den Bestimmungen des Art. 346 Abs. 1 StGB nach; er gilt nur, wenn kein Erfolgsort in der Schweiz liegt, der Täter aber dennoch dem schweizerischen Gesetz unterworfen ist (Erw. 2). 3. Art. 220 StGB. Gerichtsstand bei Vorenthalten von Unmündigen (Erw. 3).

94 IV 102 () from 22. November 1968
Regeste: Art. 55 StGB, Landesverweisung. 1. Rückfall: Der Begriff ist der gleiche wie in Art. 67 StGB (Erw.1). 2. Die Landesverweisung verfolgt sowohl einen Strafzweck (daraus Anwendung von Art. 63 StGB) wie einen Sicherungszweck (Erw.2). 3. Bedeutung der persönlichen Verhältnisse (Erw.3).

95 IV 125 () from 20. November 1969
Regeste: Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB. Widerruf des bedingten Strafvollzuges. 1. Ein ausländisches Kontumazurteil, das weder rechtskräftig noch vollstreckbar ist, genügt nicht, eine in der Schweiz ausgefällte Strafe vollziehen zu lassen (Erw. 1). 2. Der Richter, der über den Vollzug einer bedingt aufgeschobenen Strafe zu entscheiden hat, kann das während der Probezeit im Ausland begangene Verbrechen oder Vergehen gegebenenfalls selber feststellen (Erw. 2).

96 IV 155 () from 27. November 1970
Regeste: Art. 63, 68 Ziff. 1, 251 Ziff. 1 und 3, 254 Abs. 1, 340 Ziff. 1 Abs. 4 und 5 StGB; Art. 18 Abs. 1 lit. b und c, 19 Abs. 2 BRB vom 28. März 1949 über das Kriegsmaterial. 1. Zuständigkeit des Bundesstrafgerichts. Zusammentreffen von Strafbestimmungen. Falschbeurkundung. Besonders leichter Fall von Urkundenfälschung? Unterdrückung von Urkunden zwecks Selbstbegünstigung. Mittäterschaft (Erw. I). 2. Verbotene Ausfuhr von Kriegsmaterial durch ein Rüstungsunternehmen: Strafrechtliche Verantwortung - des Leiters der Waffen-Verkaufsabteilung (Erw. II/1), - von Mitarbeitern, welche bei der Vorbereitung oder Durchführung der Lieferungen entscheidend mitwirkten (Erw. II/2 und 3), - des Firmeninhabers, der Lieferungen bewusst duldete (Erw. II/4). 3. Allgemeine und besondere Strafzumessungsgründe (Erw. III).

97 IV 146 () from 24. Juni 1971
Regeste: Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Bestimmung des Gerichtsstandes. 1. Der Gerichtsstand richtet sich nach den strafbaren Handlungen, die Gegenstand der Untersuchung bilden und nicht auf einer offensichtlich haltlosen Beschuldigung beruhen (Erw. 1). 2. Voraussetzungen für die nachträgliche Änderung eines von der Anklagekammer festgesetzten oder von den beteiligten Kantonen vereinbarten Gerichtsstandes (Erw. 2 und 3).

104 IV 77 () from 14. April 1978
Regeste: Art. 3, 6, 152, 167 StGB; Auslieferungsrecht. 1. Die Verletzung des Grundsatzes der Spezialität ist mit Nichtigkeitsbeschwerde geltend zu machen. Der Beschuldigte, der mit seiner Zustimmung vom Ausland bedingungslos an die Schweiz ausgeliefert wurde, kann seine Verurteilung in der Schweiz nicht wegen Verletzung des Grundsatzes der Spezialität anfechten (E. 2). 2. Zahlungsunfähig im Sinne des Art. 167 StGB ist eine Aktiengesellschaft, wenn ihre Aktiven die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger nicht mehr decken. Die Deckung muss auch Forderungen erfassen, die noch nicht fällig sind, aber mit grosser Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft fällig werden (E. 3). 3. Wer fortgesetzt Briefpapier mit unwahrem Briefkopf für Äusserungen unterschiedlichen Inhalts verwendet, macht keine öffentliche Mitteilung gemäss Art. 152 StGB (E. 5). 4. Die in der Schweiz begangene Teilnahme (Anstiftung) an einer im Ausland ausgeführten Haupttat (Fälschung von Ausweisen) gilt als im Ausland verübt. Der Teilnehmer ist in der Schweiz nur unter der Voraussetzung zu verfolgen, dass er nach schweizerischem Recht für Auslandstaten (hier nach Art. 6 Ziff. 1 StGB) strafbar ist (E. 7).

105 IV 326 () from 2. November 1979
Regeste: Art. 215 CP. Die Bigamie ist ein Zustandsdelikt, nicht ein Dauerdelikt (Erw. 3b). Art. 7 Abs. 1 StGB. "Erfolg" im Sinne dieser Bestimmung ist der als Tatbestandselement umschriebene Aussenerfolg eines sogenannten Erfolgsdeliktes (Praxisänderung) (Erw. 3 c-g).

108 IV 81 () from 28. Juni 1982
Regeste: 1. Art. 5 und 6 StGB; Auslandstat eines Schweizers gegen einen Schweizer. Begeht ein Schweizer im Ausland ein Delikt gegen einen andern Schweizer, so kommen sowohl Art. 5 als auch Art. 6 StGB sinngemäss zur Anwendung. Wurde die im Ausland ausgefällte Strafe dort nur teilweise vollzogen, so ist die Straftat in der Schweiz neu zu beurteilen (E. 1). 2. Art. 43 StGB; Begriff der Heil- oder Pflegeanstalt. Eine Heilanstalt i.S. des Gesetzes liegt vor, wenn sie von einem Arzt geleitet wird oder ihr zumindest ein Arzt zur Verfügung steht, der regelmässig die Anstalt besucht, wobei zudem die notwendigen speziellen Einrichtungen sowie entsprechend ausgebildetes und ärztlich überwachtes Personal vorhanden sein müssen (E. 3c).

108 IV 145 () from 23. Dezember 1982
Regeste: Art. 5 und 6 StGB. Unzulässigkeit von Kontumazialurteilen, wenn der Täter vor Eröffnung des gerichtlichen Verfahrens die Schweiz verlassen hat.

109 IV 90 () from 19. Dezember 1983
Regeste: Art. 68 Ziff. 2 StGB; Zusatzstrafe zu ausländischer Grundstrafe. 1. Art. 68 Ziff. 2 StGB gilt auch im Falle einer im Ausland ergangenen Grundstrafe (E. 2b). 2. Die Zusatzstrafe zu einer ausländischen Grundstrafe ist in Anwendung der Strafzumessungsregeln des schweizerischen Rechts zu bestimmen (E. 2c und d).

115 IB 517 () from 2. November 1989
Regeste: Internationale Rechtshilfe in Strafsachen; Art. 63 und 74 IRSG, Herausgabe von Vermögenswerten. Bei der Auslegung der Bestimmungen über die Herausgabe von Gegenständen im Rahmen der "anderen Rechtshilfe" sind mitzuberücksichtigen: - die übrigen Vorschriften des IRSG und die internationalen Rechtshilfe-Übereinkommen (E. 3); - Sinn und Zweck des IRSG (E. 4); - die Regelung über die Herausgabe von Objekten im Auslieferungsverfahren (E. 5). Art. 63 IRSG (E. 6). Art. 63 IRSG umfasst auch Vorkehren, die es dem ersuchenden Staat ermöglichen, Verfügungsgewalt über Deliktsgut zu erlangen, d.h. die Sicherungsbeschlagnahme und die Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände (E. 6a, b), ohne Beschränkung auf bestimmte Herausgabezwecke (E. 6c). Art. 74 IRSG (E. 7). Wortlaut, Materialien (E. 7a). Art. 74 Abs. 1 bezieht sich auf Gegenstände, die als Beweismittel dienen können (E. 7b). Art. 74 Abs. 2 IRSG betrifft Deliktsgut und nennt den Sonderfall, dass im ersuchenden Staat kein Strafverfahren läuft, gilt aber a fortiori, wenn ein solches eröffnet worden ist; in diesem Fall ist der Herausgabezweck nicht beschränkt (E. 7c). Als Beweismittel beanspruchte Objekte müssen eine Beziehung zum Strafverfahren im ersuchenden Staat aufweisen; Voraussetzung für die Herausgabe von Deliktsgut ist, dass die fraglichen Gegenstände in Beziehung zur Tat stehen, d.h. dass ihre deliktische Herkunft höchst wahrscheinlich sein muss (E. 7d). Herauszugeben ist nur Deliktsgut, über das der Verfolgte rechtlich oder tatsächlich verfügt (E. 7e). Der Begriff der Beute umfasst auch das Entgelt (E. 7f). Rechte von Behörden und Dritten: Unterliegt das Deliktsgut in der Schweiz als ersuchtem Staat der Einziehung, geht diese der Herausgabe vor (E. 7g aa). Bestehen Rechte Dritter an herausverlangten Beweismitteln, müssen diese herausgegeben, vom ersuchenden Staat aber wieder zurückgegeben werden; Rechte Dritter am Deliktsgut gehen der Herausgabe grundsätzlich vor (E. 7g bb). Art. 74 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 63 Abs. 1 IRSG ist eine Kann-Vorschrift (E. 7h). Vollstreckung ausländischer Einziehungsentscheide (E. 8). Lehre und Rechtsprechung (E. 8a). Die Möglichkeit der Vollstreckung ausländischer Einziehungsentscheide steht mit dem Zweck des IRSG in Einklang (E. 8b). Der in Art. 94 Abs. 2 IRSG verwendete Begriff der "Sanktionen" umfasst auch die Einziehung (E. 8b aa-dd). Die Voraussetzung von Art. 94 lit. a IRSG gilt im Falle der Vollstreckung ausländischer Einziehungsentscheide nicht (E. 8c). Die Vollstreckung ausländischer Einziehungsentscheide besteht in der Aushändigung der fraglichen Gegenstände oder Vermögenswerte an den ersuchenden Staat (E. 8d). Aufschub der Herausgabe; Art. 95 und Art. 110 Abs. 2 IRSG, verjährungs- und übergangsrechtliche Fragen (E. 9). Ein Aufschub der Herausgabe darf nicht dazu führen, dass die Rechtshilfe infolge der inzwischen eingetretenen Verfolgungsverjährung nicht mehr geleistet werden kann (E. 9a). Ist die Herausgabe des Deliktsgutes vor Ausfällung des ausländischen Sachurteils zulässig, darf sie im Exequaturverfahren nicht mit Hinweis auf Art. 110 Abs. 2 IRSG verweigert werden (E. 9b). Zusammenfassung der allgemeinen Erwägungen (E. 10). Kompetenz zur Anordnung der Herausgabe (E. 11). Der Herausgabeentscheid kann auch von einer Verwaltungsbehörde ausgehen (E. 11a). Kantonale Zuständigkeitsordnung, Notwendigkeit richterlicher Überprüfung (E. 11b, c). Anwendung auf den vorliegenden Fall (E. 12-14). Doppelte Strafbarkeit (E. 12). Die beschlagnahmten Vermögenswerte rühren höchstwahrscheinlich aus der Gegenstand des mexikanischen Strafverfahrens bildenden Straftat her (E. 13a, b). Die Vermögenswerte können in der Schweiz nicht eingezogen werden (E. 13c). Drittpersonen, die von den Verfolgten eingeschaltet worden sind, um die wahren Verfügungsverhältnisse zu verschleiern, können sich nicht auf Art. 34 Abs. 3 und 4 IRSG berufen (E. 13d). Sofortige Herausgabe oder Aufschub? Abwägung der auf dem Spiele stehenden Interessen (E. 14).

115 IV 17 () from 2. Februar 1989
Regeste: 1. Art. 122 Ziff. 1 Abs. 2 StGB; schwere Körperverletzung. Eine erhebliche, aber nur vorübergehende Entstellung des Gesichtes stellt noch keine schwere Körperverletzung i.S. von Art. 122 Ziff. 1 Abs. 2 StGB dar. Demgegenüber kann eine Schnittwunde vom Mundwinkel bis zum Ohransatz, die gut verheilt, aber weiterhin deutlich sichtbar ist und die den Geschädigten mimisch bleibend beeinträchtigt, als schwere Körperverletzung betrachtet werden. Das subjektive Empfinden des Geschädigten ist nicht entscheidend (E. I). 2. Art. 68 Ziff. 2 StGB; retrospektive Realkonkurrenz. a) Art. 68 Ziff. 2 StGB gilt auch im Fall einer im Ausland ausgesprochenen Grundstrafe, wenn sie Taten betrifft, die nicht in den räumlichen Geltungsbereich des StGB fallen (E. II/5a). b) Grundsätze für die Bemessung einer Gesamtstrafe, die auszusprechen ist, wenn die zu beurteilenden Taten teils vor und teils nach einer früheren Verurteilung begangen worden sind (E. II/5b; Bestätigung von BGE 69 IV 59 E. 4).

115 IV 97 () from 16. Januar 1989
Regeste: Art. 72 Ziff. 2 Abs. 1 StGB. Unterbrechung der Verfolgungsverjährung. Die Eröffnung des Strafverfahrens gegen eine bestimmte Person in der Schweiz durch Übernahme des gegen sie im Ausland durchgeführten Verfahrens unterbricht die Verjährung. Entgegen dem Wortlaut von Art. 72 Ziff. 2 Abs. 1 StGB können nicht nur Verfügungen des Gerichts, sondern auch Verfügungen der Strafverfolgungsbehörde die Verjährung unterbrechen. Es ist nicht erforderlich, dass die Verfügung dem Beschuldigten eröffnet wurde; es genügt, dass sie nach aussen in Erscheinung trat. Offengelassen, ob Untersuchungshandlungen und Verfügungen einer ausländischen Behörde im Rahmen eines ausländischen Strafverfahrens, das in der Folge von der Schweiz übernommen wird, die Verjährung gemäss Art. 72 Ziff. 2 Abs. 1 StGB unterbrechen können (E. 2b).

117 IV 369 () from 9. April 1991
Regeste: 1. Art. 6 StGB. Verbrechen oder Vergehen von Schweizern im Ausland. Diese Bestimmung ist auch gegenüber einem Täter anwendbar, der das Schweizer Bürgerrecht nach der Verübung von Verbrechen oder Vergehen im Ausland erworben hat und wegen seines Schweizer Bürgerrechts nicht ausgeliefert werden kann (E. 3-7). 2. Art. 21 StGB. Versuchte Tat. Bestimmung des entscheidenden Schritts, von dem es in der Regel kein Zurück mehr gibt. Fall, in dem der entscheidende Schritt zur Verübung eines Mordes verneint wird (E. 8-10); Fall, in dem der entscheidende Schritt zur Verübung eines Raubes bejaht wird, obschon die Tat erst am folgenden Tag ausgeführt werden sollte (E. 11-12). 3. Art. 2 Abs. 2 StGB. Anwendung des milderen Rechts durch die letzte kantonale Instanz. Die "lex mitior" muss von einer kantonalen Kassationsinstanz (hier: des Kantons Tessin) angewendet werden, wenn diese nach ihrer Zuständigkeit - die ihr gestattet, aufgrund der tatsächlichen Feststellungen der ersten Instanz, ohne Rückweisung an diese, in der Sache selber zu urteilen, den angefochtenen Entscheid zu ändern und das Gesetz anzuwenden (Art. 237 StPO/TI) - in diesem Sinne einem Sachrichter gleichgestellt ist. Dazu genügt, dass sie zur Überprüfung von Bundesrecht befugt ist (E. 13-15a); es ist unerheblich, ob sie die diesbezüglichen Rügen gutheisst oder abweist (E. 15b-c). Fall betreffend die Änderung von Art. 112 StGB zwischen dem Urteil der ersten und dem Entscheid der zweiten Instanz. 4. Art. 112 StGB. Mord. Ob eine Tötung als Mord im Sinne des neuen Art. 112 StGB zu qualifizieren sei, kann nur aufgrund der direkt mit der Tat zusammenhängenden Umstände entschieden werden; Prüfung der Umstände des konkreten Falles (E. 18-19). Die "besondere Skrupellosigkeit" gemäss dem Wortlaut des neuen Art. 112 StGB kann auch dann eine Verurteilung wegen Mordes rechtfertigen, wenn sie nicht durch "eine besondere Verwerflichkeit des Beweggrundes, des Zwecks der Tat oder der Art der Ausführung" manifestiert wird. Die Aufzählung in Art. 112 StGB nennt nur Beispiele. Fall, in dem ein Richter getötet wird, einzig um durch diese Tat zur Destabilisierung des Staates beizutragen (E. 17-19).

118 IV 305 () from 27. Oktober 1992
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 StGB; Umwandlung einer nach ausländischem Recht auszusprechenden Sanktion in eine solche des schweizerischen Rechts. Der schweizerische Richter, der ausländisches Strafrecht anzuwenden hat, muss die Sanktion, die nach ausländischem Recht auszusprechen wäre, in eine gleichartige und gleichwertige Sanktion des schweizerischen Rechts umwandeln (E. 3a). Die gleichzeitige Anwendung von in- und ausländischen Strafrechtsregeln ist ausgeschlossen (E. 2b). Umwandlung einer Freiheitsstrafe von 1 Monat (gemäss § 38 dStGB) mit bedingtem Strafvollzug und einer Weisung (§§ 56, 56a und 56c dStGB) in eine Gefängnisstrafe gemäss Art. 36 i.V.m. Art. 41 Ziff. 1 und 2 StGB (E. 3b).

119 IV 113 () from 17. August 1993
Regeste: Art. 5, 6, 348 StGB. Verbrechen und Vergehen von Schweizern gegen Schweizer im Ausland; Bestimmung des Gerichtsstandes. 1. Ist aufgrund von Art. 5 und 6 StGB materiell schweizerisches Strafrecht anwendbar, so gelten die Bestimmungen des IRSG über die stellvertretende Strafverfolgung nicht; ein förmliches Übernahmebegehren des ausländischen Tatortstaates bildet in diesem Fall nicht Voraussetzung der schweizerischen Gerichtsbarkeit (E. 1). 2. Sind sowohl die Voraussetzungen von Art. 5 als auch jene von Art. 6 StGB erfüllt, so ergibt sich die schweizerische Gerichtsbarkeit gestützt auf Art. 6 in Verbindung mit Art. 5 StGB (E. 2). 3. Massgebend für die Bestimmung des Wohnortes im Sinne von Art. 348 StGB ist grundsätzlich jener im Zeitpunkt der Übermittlung des ausländischen Übernahmeersuchens durch das Bundesamt für Polizeiwesen an eine kantonale Behörde (E. 3a). Dieser Grundsatz gilt nicht, wenn der Ehemann der Beschuldigten ohne deren Mitwirkung nach Anhebung der ausländischen Strafverfolgung den bisherigen Familien-Wohnort verlegt hat und nach den Umständen nicht zu erwarten ist, dass auch die Beschuldigte allenfalls wieder an diesem Ort mit ihrer Familie zusammen wohnen wird (E. 3d).

119 IV 339 () from 3. September 1993
Regeste: Art. 270 Abs. 1 BStP; Legitimation des Geschädigten zur Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt. Prüfung der drei Voraussetzungen, unter denen nach dem neuen Art. 270 Abs. 1 BStP der Geschädigte zur Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert ist.

120 IB 167 () from 7. Juni 1994
Regeste: Internationale Rechtshilfe in Strafsachen; Art. 94 ff. und Art. 107 Abs. 3 IRSG. Vollstreckung eines ausländischen Gerichtsentscheides, den vom Verurteilten erzielten Ertrag aus Widerhandlungen gegen die Betäubungsmittelgesetzgebung einzuziehen. Bei nicht mehr greifbarem Deliktserlös ist auch die Einziehung einer diesbezüglichen Ersatzforderung des ersuchenden Staates als rechtshilfefähige Sanktion im Sinne von Art. 94 IRSG zu erachten (E. 3). In einem solchen Fall ist die für die Vollstreckung ausländischer Kostenentscheide gemäss Art. 107 Abs. 3 IRSG vorgesehene Lösung sinngemäss anzuwenden, so dass das Rechtshilfeverfahren nicht unentgeltlich zu führen ist, sondern die entstandenen Prozesskosten dem rechtshilfeweise herauszugebenden Betrag vorweg zu belasten sind (E. 4).

120 IV 172 () from 3. August 1994
Regeste: Art. 41 StGB, Art. 272 Abs. 7 BStP; erneute Gewährung des bedingten Strafvollzugs nach Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerde; Anrechnung der bereits ausgestandenen Probezeit. Verurteilt die kantonale Behörde den Betroffenen zu einer bedingten Freiheitsstrafe und heisst das Bundesgericht eine gegen ihren Entscheid erhobene Nichtigkeitsbeschwerde gut, hat sie bei der Neubeurteilung zu berücksichtigen, dass der Betroffene zwischen der Eröffnung ihres aufgehobenen Urteils und der Mitteilung des Bundesgerichtsentscheids bereits unter Probe gestanden ist. Spricht sie erneut eine bedingte Strafe aus, hat sie die bereits ausgestandene auf die neue Probezeit anzurechnen.

121 IV 145 () from 8. Juni 1995
Regeste: Art. 5 Abs. 1 StGB; Verbrechen oder Vergehen im Ausland gegen einen Schweizer; schweizerische Gerichtsbarkeit, Begriff des "Schweizers", Nicht-Auslieferung an das Ausland. Der schweizerische Autovermieter ist auch dann als "Schweizer" zu betrachten und untersteht damit dem Schutz des passiven Personalitätsprinzips, wenn es sich bei ihm um eine juristische Person handelt (E. 2a). Die schweizerische Gerichtsbarkeit aufgrund des passiven Personalitätsprinzips ist grundsätzlich erst dann zu bejahen, wenn bei einer möglichen Auslieferung des sich in der Schweiz befindenden Täters der ausländische Tatortstaat auf Anfrage hin auf eine Strafverfolgung ausdrücklich oder konkludent verzichtet hat (E. 2b/bb). Ausnahmen (E. 2b/cc).

122 IV 162 () from 2. April 1996
Regeste: Art. 3, 6, 346, 348 StGB. Schweizerische Gerichtsbarkeit; Bestimmung des Gerichtsstandes für Auslandstat. Legitimation des Anzeigers/Geschädigten; Kognition der Anklagekammer (E. 1). Die Bestimmung des Gerichtsstandes gemäss Art. 346 ff. StGB setzt voraus, dass die schweizerische Strafgerichtsbarkeit nach den Art. 3 bis 7 StGB jedenfalls nicht offensichtlich auszuschliessen ist. Der endgültige Entscheid über die Frage der schweizerischen Strafgerichtsbarkeit bleibt vorbehalten und unterliegt nach Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges der Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts (E. 2). Erachtet sich ein Kanton als nicht zuständig, so hat er mit dem als zuständig in Betracht fallenden Kanton einen Meinungsaustausch durchzuführen (E. 3). Kommt bei einer in Frage stehenden Mitwirkung Mittäterschaft zumindest in Frage, so ist für die Bestimmung des Gerichtsstandes von dieser schwereren Teilnahmeform auszugehen (E. 4b). Die schweizerische Gerichtsbarkeit für einen Schweizer, der an einem im Ausland verübten Betrug mitgewirkt hat und sich in der Schweiz aufhält, bestimmt sich nach Art. 6 StGB (E. 4c); der Gerichtsstand ergibt sich in diesem Fall aus Art. 348 StGB (E. 4d). Gerichtsstand bei Urkundenfälschung (E. 5). Kostenfolgen für die kantonale Behörde (E. 8b).

122 IV 179 () from 5. Juni 1996
Regeste: Art. 137 Ziff. 1 aStGB, Art. 19 f. BetmG; Wegnahme von Betäubungsmitteln, Diebstahl. Wer jemandem aus verbotenem Besitz Betäubungsmittel wegnimmt, ist nicht wegen Diebstahls strafbar. Er ist, sofern er die Drogen nach der Wegnahme nicht unverzüglich der Polizei übergibt oder vernichtet, in Anwendung der Strafbestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes zu verurteilen (E. 3c-e).

128 IV 225 () from 25. Juni 2002
Regeste: Art. 340bis StGB und Art. 260 BStP; neue Zuständigkeiten des Bundes gemäss der "Effizienzvorlage"; Gesuch des Beschuldigten. Übergangsrecht. Die Anklagekammer entscheidet Konflikte über die Frage, ob die Bundes- oder die kantonalen Strafverfolgungsbehörden zuständig sind, in Anwendung von Art. 260 BStP; die Art. 18bis Abs. 3 und 105bis BStP sind nicht anwendbar. Die Gesuche auf diesem Gebiet werden behandelt wie ein interkantonal streitiger Gerichtsstand (Art. 351 StGB und 264 BStP; E. 2.1-2.3). Da besondere Übergangsbestimmungen fehlen, gilt die allgemeine Regel von Art. 171 Abs. 1 OG (E. 3.2). Eine neue Anzeige muss mit einem früheren Verfahren, mit dem sie in tatsächlicher Hinsicht zusammenhängt, vereinigt werden, ohne dass dies zu einer Änderung der Zuständigkeit führen würde (E. 3.3). Ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand gemäss der Rechtsprechung zu den Art. 351 StGB und 264 BStP bleibt vorbehalten (E. 3.4).

 

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