Schweizerisches Strafgesetzbuch

vom 21. Dezember 1937 (Stand am 1. Juni 2022)


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Art. 66

1. Frie­dens­bürg­schaft

 

1 Be­steht die Ge­fahr, dass je­mand ein Ver­bre­chen oder Ver­ge­hen aus­füh­ren wird, mit dem er ge­droht hat, oder legt je­mand, der we­gen ei­nes Ver­bre­chens oder ei­nes Ver­ge­hens ver­ur­teilt wird, die be­stimm­te Ab­sicht an den Tag, die Tat zu wie­der­ho­len, so kann ihm das Ge­richt auf An­trag des Be­droh­ten das Ver­spre­chen ab­neh­men, die Tat nicht aus­zu­füh­ren, und ihn an­hal­ten, an­ge­mes­se­ne Si­cher­heit da­für zu leis­ten.

2 Ver­wei­gert er das Ver­spre­chen oder leis­tet er bös­wil­lig die Si­cher­heit nicht in­ner­halb der be­stimm­ten Frist, so kann ihn das Ge­richt durch Si­cher­heits­haft zum Ver­spre­chen oder zur Leis­tung von Si­cher­heit an­hal­ten. Die Si­cher­heits­haft darf nicht län­ger als zwei Mo­na­te dau­ern. Sie wird wie ei­ne kur­ze Frei­heits­s­tra­fe voll­zo­gen (Art. 7965).

3 Be­geht er das Ver­bre­chen oder das Ver­ge­hen in­ner­halb von zwei Jah­ren, nach­dem er die Si­cher­heit ge­leis­tet hat, so ver­fällt die Si­cher­heit dem Staa­te. An­dern­falls wird sie zu­rück­ge­ge­ben.

65 Die­ser Art. ist auf­ge­ho­ben (AS 2016 1249; BBl 20124721).

BGE

98 IV 143 () from 9. Juni 1972
Regeste: Art. 137 Ziff. 2 Abs. 4, 350 Ziff. 1 Abs. 1 StGB. 1. Die Anklagekammer darf bei der Bestimmung des Gerichtsstandes nur dann vom erhöhten Strafrahmen des Art. 137 Ziff. 2 ausgehen, wenn der Diebstahl die besondere Gefährlichkeit des Täters offenbart (Erw. 1). 2. Liegt ein Strafantrag vor, so sind Diebstähle zum Nachteil von Angehörigen bei der Bestimmung des Gerichtsstandes in gleicher Weise zu berücksichtigen wie von Amtes wegen zu verfolgende (Erw. 2).

102 IV 225 () from 17. Dezember 1976
Regeste: 1. Art. 139 Ziff. 2 Abs. 5 StGB. Verhältnis von Abs. 5 (voraussehbare Todesfolge) zu den Qualifikationsmerkmalen der Abs. 2-4 (E. 2). 2. Art. 11 StGB. Nicht jede neurotische Fehlentwicklung (Verunsicherung, starke Minderwertigkeitsgefühle, Entschlussunfähigkeit) genügt, um die Zurechnungsfähigkeit herabzusetzen. Ermessen des Richters (E. 7).

104 IV 53 () from 24. Mai 1978
Regeste: Art. 33, 133 StGB; Raufhandel, Notwehr. In Notwehrlage befindet sich: - wer, zwar angetrunken und sich ungebührlich benehmend, gegen ein unberechtigtes gewaltsames Abführen sich tätlich wehrt (Erw. 2a); - nicht, wer den abziehenden Angreifern Kies nachwirft und von diesen erneut geschlagen wird (Erw. 2b).

104 IV 150 () from 23. Juni 1978
Regeste: 1. Art. 112 StGB. Mord. Begriff (Erw. 1); Verneinung im konkreten Fall (Erw. 2, 3). 2. Art. 66 StGB, Strafmilderung. Gemäss dieser Bestimmung darf der Richter, der in Anwendung des ordentlichen Strafrahmens auf Zuchthaus erkennen müsste, eine bis zu fünf Jahren reichende Gefängnisstrafe aussprechen (Erw. 4).

107 IV 3 () from 20. Januar 1981
Regeste: Art. 10 f. StGB. Nicht jede durch den Konsum von Alkohol oder andern bewusstseins- und willensbeeinflussenden Drogen bewirkte kurzfristige Enthemmung oder Verdummung genügt, um die Zurechnungsfähigkeit herabzusetzen. Berücksichtigung des Verhaltens des Täters vor, während und nach seiner Tat.

115 IV 180 () from 9. Oktober 1989
Regeste: Art. 64 letzter Absatz StGB; Strafmilderung. Art. 64 letzter Absatz StGB setzt kumulativ voraus, dass der Täter 18 bis 20 Jahre alt ist und dass er nicht die volle Einsicht in das Unrecht der Tat besass (E. 2). Ob der Jugendliche allein wegen seines Alters nicht die volle Einsicht in das Unrecht seiner Tat besass, stellt eine Tatfrage dar, die der Richter nach pflichtgemässem Ermessen zu beantworten hat; dabei soll er die Annahme mangelnder Einsicht nicht leichthin verneinen (E. 3).

116 IV 300 () from 22. November 1990
Regeste: Art. 11, Art. 63 ff., Art. 68 Ziff. 1 Abs. 1 StGB; Strafzumessung bei verminderter Zurechnungsfähigkeit und Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, darunter Mord. 1. Strafschärfungs- und Strafmilderungsgründe erweitern den ordentlichen Strafrahmen und bilden zugleich Straferhöhungs- und -minderungsgründe (E. 2a). 2. Der Richter muss Strafschärfungs- und -milderungsgründe mindestens straferhöhend bzw. -mindernd berücksichtigen, wobei sich diese in ihrer zweiten Bedeutung kompensieren können (E. 2a). Vorgehen bei der Bemessung der Strafe nach Art. 68 Ziff. 1 StGB (E. 2b, 2c/aa und dd). 3. Das Höchstmass der Strafe und der Strafart gemäss Art. 68 Ziff. 1 StGB richtet sich nach der abstrakt angedrohten Strafe (E. 2c/bb und cc). 4. Bei Konkurrenz eines in verminderter Zurechnungsfähigkeit begangenen Mordes mit einer weiteren Straftat kann aus diesen Gründen auf lebenslängliches Zuchthaus erkannt werden.

117 IV 401 () from 20. Dezember 1991
Regeste: Art. 269, 275 Abs. 5 und 277ter BStP; Konnexität der staatsrechtlichen Beschwerde mit der Nichtigkeitsbeschwerde, kassatorische Natur. Die Aufhebung des angefochtenen Entscheids im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde führt nicht notwendig zur Gegenstandslosigkeit der parallel dazu eingereichten Nichtigkeitsbeschwerde (E. 2). Art. 63 StGB. Strafzumessung; einheitliche Anwendung des Bundesrechts. Sehr harte, im Hinblick auf den äusserst weiten gesetzlichen Strafrahmen ungenügend begründete Strafe (E. 4).

118 IV 1 () from 10. März 1992
Regeste: Art. 11 StGB. Verminderung der Zurechnungsfähigkeit, Strafmilderung. Bei verminderter Zurechnungsfähigkeit ist die Strafe, die bei voller Zurechnungsfähigkeit ausgefällt worden wäre, auch dann entsprechend dem Grad der Verminderung zu reduzieren, wenn die Tat objektiv schwer wiegt. Dies gilt auch für eine alkoholbedingte Verminderung der Zurechnungsfähigkeit beim Tatbestand des Fahrens in angetrunkenem Zustand, wenn keine "actio libera in causa" vorliegt.

124 IV 97 () from 3. April 1998
Regeste: Art. 139 Ziff. 1bis aStGB und Art. 140 Ziff. 2 nStGB; Art. 23 Abs. 1 StGB; qualifizierter Raub (Mitführen einer Schusswaffe), untauglicher Versuch. Schützt der qualifizierte Tatbestand gegenüber dem Grundtatbestand ein weiteres Rechtsgut, so kommt der Versuch der qualifizierten Tatbegehung in Betracht. Untauglicher Versuch des qualifizierten Raubes bejaht bei einem Räuber, der irrtümlich annahm, die Schusswaffe des Mittäters sei geladen (E. 2c).

126 IV 53 () from 20. Januar 2000
Regeste: Art. 51 Abs. 3 und Art. 91 Abs. 3 SVG, Art. 23 Abs. 1 StGB; Unterlassung der Meldung eines Unfalls an die Polizei, Vereitelung einer Blutprobe, untauglicher Versuch. Fall eines Lenkers, der bei einem Selbstunfall keinen Drittschaden verursacht hat und somit zur Meldung nicht verpflichtet war, die Verursachung eines Drittschadens aber als möglich angesehen und in Kauf genommen hat. Bestätigung des Schuldspruchs wegen untauglichen Versuchs der Vereitelung einer Blutprobe (E. 2).

129 IV 329 () from 22. Oktober 2003
Regeste: Art. 305ter Abs. 1 StGB; Identifikation des wirtschaftlich Berechtigten. Der Finanzintermediär, der zwar ungenügende Abklärungen trifft, aber die Identität des wirtschaftlich Berechtigten gleichwohl richtig feststellt, erfüllt den Tatbestand von Art. 305ter StGB nicht (E. 2.5).

134 IV 82 (6B_109/2007) from 17. März 2008
Regeste: Art. 2 und Art. 42 Abs. 4 StGB; Anwendung des milderen Rechts im neuen Sanktionensystem; Sanktionierung im Rahmen der sogenannten Schnittstellenproblematik. Darstellung der Grundzüge des neuen Sanktionensystems (E. 3-5). Bei der Wahl der Sanktionsart für Strafen zwischen sechs Monaten und einem Jahr bildet die Zweckmässigkeit ein wichtiges Kriterium (E. 4.1). Systematische Darstellung des intertemporalen Kollisionsrechts (E. 6 und 7). Anwendung von Art. 42 Abs. 4 StGB im Sanktionsbereich der sogenannten Schnittstellenproblematik im Strassenverkehrsstrafrecht (E. 8). Bei unechter Gesetzeskonkurrenz sind konsumierte Übertretungen mit einer zusätzlichen Busse zu bestrafen (E. 8.3).

146 IV 145 (1B_103/2019) from 10. Januar 2020
Regeste: Art. 352 StPO, Art. 42 Abs. 4 StGB; Strafbefehlskompetenz der Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft darf mit Strafbefehl zusätzlich zu einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen eine Verbindungsbusse aussprechen (E. 2).

147 IV 127 (6B_973/2019) from 28. Oktober 2020
Regeste: Art. 406 StPO; Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Voraussetzungen für die Durchführung eines schriftlichen Berufungsverfahrens. Das Berufungsverfahren ist grundsätzlich mündlich. Es kann nur ausnahmsweise unter den engen Voraussetzungen von Art. 406 StPO schriftlich durchgeführt werden, deren Vorliegen von der Berufungsinstanz von Amtes wegen zu prüfen ist. Liegt ein Einverständnis der Parteien mit dem schriftlichen Verfahren vor, kann dieses die gesetzlichen Voraussetzungen von Art. 406 Abs. 2 StPO nicht ersetzen, sondern tritt zu diesen hinzu (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2.1 und 2.2). Die Voraussetzungen von Art. 406 Abs. 2 lit. a und b StPO müssen dabei kumulativ vorliegen (E. 2.2.2). Art. 406 StPO entbindet das Berufungsgericht nicht davon, im Einzelfall zu prüfen, ob der Verzicht auf die öffentliche Verhandlung mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar ist. Nach der Rechtsprechung des EGMR soll die angeklagte Person grundsätzlich erneut angehört werden, wenn in der Berufungsinstanz das erstinstanzliche Urteil aufgehoben wird und der Aufhebung eine andere Würdigung des Sachverhalts zugrunde liegt (E. 2.3). Vorliegend waren die Voraussetzungen für die Durchführung des schriftlichen Verfahrens nicht erfüllt. Da das Berufungsgericht die erstinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen verwerfen und die beschuldigte Person in Abänderung des angefochtenen Urteils schuldig sprechen wollte, konnte es den Sachverhalt nicht lediglich auf Grundlage der Akten feststellen. Es hätte die Beschuldigte zu einer mündlichen Berufungsverhandlung vorladen und ihr damit die Möglichkeit einräumen müssen, sich zu den Vorwürfen persönlich zu äussern und diejenigen Umstände vorzubringen, die der Klärung des Sachverhalts und ihrer Verteidigung dienen können. Die Anwesenheit der Beschuldigten erwies sich im Berufungsverfahren als erforderlich, so dass die Vorinstanz nicht auf ein mündliches Verfahren verzichten konnte (E. 3).

 

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