Schweizerisches Strafgesetzbuch

vom 21. Dezember 1937 (Stand am 22. November 2022)


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Art. 119150

Straflo­ser Schwan­ger­schafts­ab­bruch

 

1 Der Ab­bruch ei­ner Schwan­ger­schaft ist straf­los, wenn er nach ärzt­li­chem Ur­teil not­wen­dig ist, da­mit von der schwan­ge­ren Frau die Ge­fahr ei­ner schwer­wie­gen­den kör­per­li­chen Schä­di­gung oder ei­ner schwe­ren see­li­schen Not­la­ge ab­ge­wen­det wer­den kann. Die Ge­fahr muss um­so grös­ser sein, je fort­ge­schrit­te­ner die Schwan­ger­schaft ist.

2 Der Ab­bruch ei­ner Schwan­ger­schaft ist eben­falls straf­los, wenn er in­ner­halb von zwölf Wo­chen seit Be­ginn der letz­ten Pe­ri­ode auf schrift­li­ches Ver­lan­gen der schwan­ge­ren Frau, die gel­tend macht, sie be­fin­de sich in ei­ner Not­la­ge, durch ei­ne zur Be­rufs­aus­übung zu­ge­las­se­ne Ärz­tin oder einen zur Be­rufs­aus­übung zu­ge­las­se­nen Arzt vor­ge­nom­men wird. Die Ärz­tin oder der Arzt hat per­sön­lich mit der Frau vor­her ein ein­ge­hen­des Ge­spräch zu füh­ren und sie zu be­ra­ten.

3 Ist die Frau nicht ur­teils­fä­hig, so ist die Zu­stim­mung ih­rer ge­setz­li­chen Ver­tre­te­rin oder ih­res ge­setz­li­chen Ver­tre­ters er­for­der­lich.

4 Die Kan­to­ne be­zeich­nen die Pra­xen und Spi­tä­ler, wel­che die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne fach­ge­rech­te Durch­füh­rung von Schwan­ger­schafts­ab­brü­chen und für ei­ne ein­ge­hen­de Be­ra­tung er­fül­len.

5 Ein Schwan­ger­schafts­ab­bruch wird zu sta­tis­ti­schen Zwe­cken der zu­stän­di­gen Ge­sund­heits­be­hör­de ge­mel­det, wo­bei die An­ony­mi­tät der be­trof­fe­nen Frau ge­währ­leis­tet wird und das Arzt­ge­heim­nis zu wah­ren ist.

150 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 23. März 2001 (Schwan­ger­schafts­ab­bruch), in Kraft seit 1. Okt. 2002 (AS 2002 2989; BBl 1998 30055376).

BGE

88 I 93 () from 4. Juli 1962
Regeste: Auslieferung. Ist vorfrageweise eidgenössisches Strafrecht anzuwenden, so weicht der Staatsgerichtshof in der Regel nicht von der Rechtsprechung des Kassationshofs des Bundesgerichts ab. Begriff der gewerbsmässigen Abtreibung (Art. 119 Ziff. 3 StGB).

88 IV 56 () from 5. Juni 1962
Regeste: Art. 42 Ziff. 1 StGB. Bei der zahlenmässigen Feststellung der verbüssten Vorstrafen sind Zusatzstrafen den Grundstrafen zuzurechnen und fallen daher nicht selbständig in Betracht. Drei verbüsste Freiheitsstrafen sind nicht zahlreiche im Sinne des Gesetzes.

92 IV 201 () from 16. Dezember 1966
Regeste: 1. 1. Art. 64 letzter Abs. StGB. Strafmilderung wegen Ablaufs verhältnismässig langer Zeit. a) Diese Bestimmung ist grundsätzlich nur anwendbar bei Tatbeständen, die den allgemeinen Verjährungsfristen, nicht den in der Regel bloss zweijährigen besonderen Fristen unterliegen (Erw. 1 b). b) Als Verfolgungsverjährung, die Masstab für den Ablauf verhältnismässig langer Zeit ist, gilt die ordentliche nach Art. 70, nicht die absolute nach Art. 72 StGB (Erw. I c). c) Dem einzelnen Angeklagten kann nur sein eigenes Verhalten (z.B. Uneinsichtigkeit) zur Last gelegt werden, nicht auch dasjenige der Mitangeklagten (Erw. I d). 2. Art. 307 StGB. Falsches Zeugnis. a) Die Zeugnisfähigkeit Tatverdächtiger wird durch die kantonale Prozessgesetzgebung geordnet (Erw. III 2 a). b) Vom Bundesrecht aus steht nichts entgegen, dass der Privatstrafkläger als Zeuge abgehört werde, selbst wenn er adhäsionsweise Zivilansprüche einklagt (Erw. III 2 b).

116 IV 319 () from 14. September 1990
Regeste: Art. 148 Abs. 2 Gewerbsmässiger Betrug. Begriff der Gewerbsmässigkeit (Änderung der Rechtsprechung). Gewerbsmässigkeit ist bei berufsmässigem Handeln gegeben. Der Täter handelt berufsmässig, wenn sich aus der Zeit und den Mitteln, die er für die deliktische Tätigkeit aufwendet, aus der Häufigkeit der Einzelakte innerhalb eines bestimmten Zeitraums sowie aus den angestrebten und erzielten Einkünften ergibt, dass er die deliktische Tätigkeit nach der Art eines Berufes ausübt. Diese abstrakte Umschreibung, die für alle Straftaten gegen das Vermögen gilt, hat nur Richtlinienfunktion. Eine Konkretisierung der Umschreibung ist angesichts der unterschiedlichen Phänomene und der unterschiedlich hohen Mindeststrafen bei den verschiedenen Delikten nur für die einzelnen Tatbestände oder für einzelne Gruppen gleichartiger Tatbestände möglich. Eine quasi nebenberufliche deliktische Tätigkeit kann als Voraussetzung für Gewerbsmässigkeit genügen. Auch in diesem Fall kann die erforderliche soziale Gefährlichkeit gegeben sein. Wesentlich ist, dass der Täter sich darauf eingerichtet hat, durch deliktische Handlungen relativ regelmässige Einnahmen zu erzielen, die einen namhaften Beitrag an die Kosten zur Finanzierung seiner Lebensgestaltung darstellen. Ob dies der Fall sei, ist aufgrund der gesamten Umstände zu entscheiden. Dazu gehören die Anzahl bzw. die Häufigkeit der während eines bestimmten Zeitraums bereits verübten Taten, die Entwicklung eines bestimmten Systems bzw. einer bestimmten Methode, der Aufbau einer Organisation, die Vornahme von Investitionen usw. Der Richter hat bei der Entscheidung der Frage, ob in einem konkreten Fall Gewerbsmässigkeit gegeben sei, auch die Höhe der angedrohten Mindeststrafe mitzuberücksichtigen.

129 I 402 () from 14. Oktober 2003
Regeste: Zürcher Richtlinien für den straflosen Schwangerschaftsabbruch; Art. 49 Abs. 1 BV, Art. 119 StGB. Vorrang des Bundesrechts (E. 2). Es ist mit der Bestimmung von Art. 119 Abs. 1 StGB nicht vereinbar, für einen Schwangerschaftsabbruch nach der 12. Woche über die ärztliche Begutachtung durch den behandelnden Arzt hinaus mittels kantonaler Richtlinien eine Zweitbeurteilung durch einen Facharzt zu verlangen, welcher eine schwerwiegende körperliche Schädigung oder eine schwere seelische Notlage der betroffenen Frau bestätigt (E. 3).

147 IV 27 (1B_545/2019) from 14. Oktober 2020
Regeste: Art. 13, Art. 49 Abs. 1 und Art. 123 Abs. 1 BV; Art. 171 Abs. 1 und 2 lit. a und b, Art. 248 Abs. 1 und Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO; Art. 321 Ziff. 2 und 3 StGB; Arztgeheimnis als Entsiegelungs- und Durchsuchungshindernis; Entbindung vom Berufsgeheimnis; Verhältnis des Bundesrechts zu kantonalen gesundheitsrechtlichen Verwaltungsvorschriften. Kantonale Verwaltungsnormen (wie etwa das schaffhausische Gesundheitsgesetz) dürfen die bundesgesetzlichen Vorschriften über den Schutz der Berufsgeheimnisse und über die strafprozessualen Editions- und Zeugnispflichten nicht unterlaufen. Dies gilt namentlich für die in Art. 171 Abs. 2 lit. b StPO i.V.m. Art. 321 Ziff. 2 StGB abschliessend geregelten Modalitäten einer Entbindung vom Berufsgeheimnis. Mangels einer gesetzeskonformen Entbindung vom Arztgeheimnis verletzte der hier angefochtene Entsiegelungsentscheid das Bundesrecht (Bestätigung und Präzisierung der Rechtsprechung; E. 3 und 4).

 

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