Schweizerisches Strafgesetzbuch

vom 21. Dezember 1937 (Stand am 22. November 2022)


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Art. 129168

Ge­fähr­dung des Le­bens

 

Wer einen Men­schen in skru­pel­lo­ser Wei­se in un­mit­tel­ba­re Le­bens­ge­fahr bringt, wird mit Frei­heits­s­tra­fe bis zu fünf Jah­ren oder Geld­stra­fe be­straft.

168Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 23. Ju­ni 1989, in Kraft seit 1. Jan. 1990 (AS 1989 2449; BBl 1985 II 1009).

BGE

87 IV 49 () from 7. Juli 1961
Regeste: Art. 26, Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB. 1. Begriff der besonderen persönlichen Verhältnisse. Frage, ob Tatbestandsmerkmale davon auszunehmen und der Vorschrift des Art. 26 lediglich persönliche Umstände zu unterstellen seien, die jenseits der besonderen gesetzlichen Tatbestandes liegen, offen gelassen (Erw. 2). 2. Die Mutter, welche zu Unzucht mit ihrem Kinde Hilfe leistet, ist, wenn der Täter zum Opfer in keinem Vertrauens-, Autoritäts- oder Abhängigkeitsverhältnis im Sinne des Art. 191 Ziff. 1 Abs. 2 StGB steht, ihrerseits nicht nach dieser Bestimmung, sondern nach Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 25 StGB zu bestrafen (Erw. 3).

94 IV 60 () from 8. März 1968
Regeste: Art. 129 Abs. 1 StGB, Gefährdung des Lebens. 1. Unmittelbare Lebensgefahr (Erw. 2). 2. Wissentlichkeit (Erw. 3) a) Wille ebenfalls erforderlich, b) Eventualvorsatz genügt nicht. 3. Gewissenlosigkeit (Erw. 4).

101 IV 154 () from 11. August 1975
Regeste: 1. Art. 139 StGB. Der Tatbestand des Raubes ist objektiv dann nicht gegeben, wenn die Widerstandsunfähigkeit des Angegriffenen durch diesen selbst und nicht durch den Täter herbeigeführt worden ist (Erw. 1). 2. Art. 129 StGB. Wer einen völlig Betrunkenen in einer regnerischen, aber nicht besonders kalten Novembernacht mit Hut und Mantel bekleidet unter dem Vordach einer Baracke zurücklässt, bringt diesen in der Regel nicht in eine unmittelbare Lebensgefahr (Erw. 2). 3. Art. 182 StGB. Wer einen völlig Betrunkenen gegen dessen vermutlichen Willen an einen andern Aufenthaltsort verbringt, macht sich der Freiheitsberaubung nicht schuldig (Erw. 3).

101 IV 173 () from 20. Juni 1975
Regeste: Art. 237 Ziff. 1 Abs. 1 StGB. Nicht zur öffentlichen Verkehrsfläche wird ein privater Vorplatz, wenn er unbefugterweise und entgegen einem signalisierten Betretungs- und Fahrverbot auch von andern Personen als dem Berechtigten benutzt wird.

103 IV 65 () from 20. April 1977
Regeste: 1. Art. 18 Abs. 2 StGB. Eventualvorsatz ist auch dann gegeben, wenn dem Täter der als möglich vorausgesehene Erfolg an sich unerwünscht ist, er aber des primär erstrebten Erfolges wegen dennoch handelt (Erw. I 2). 2. Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1, Art. 126 StGB. Abgrenzung der einfachen Körperverletzung von der Tätlichkeit (Erw. II 2c).

107 IV 119 () from 6. März 1981
Regeste: Art. 198 und 199 StGB; Gewinnsucht. Die Begriffe "Gewinnsucht", "gewinnsüchtige Absicht" ("dessein de lucre"), die im besonderen Teil des Strafgesetzbuches verwendet werden, bedeuten nicht das gleiche wie der im allgemeinen Teil (Art. 48 Ziff. 1 Abs. 2, 50 Abs. 1 und 106 Abs. 2 StGB) verwendete Begriff der "Gewinnsucht" ("cupidité"), obschon die Terminologie im deutschen und im italienischen ("fine di lucro") Gesetzestext dieselbe ist. "Gewinnsüchtig" ("cupide") im Sinne des allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches ist derjenige Täter, welcher aussergewöhnlich begierig auf finanzielle Vorteile ist. "Gewinnsüchtig", "mit gewinnsüchtiger Absicht" ("avec un dessein de lucre") handelt, wer eine in moralischer Hinsicht verwerfliche Bereicherung anstrebt, indem er die Menschenwürde betreffende Werte in Frage stellt, die nicht in Geld messbar sind oder deren Umsetzung in Geld eine Verunglimpfung darstellt. Mit andern Worten: das Kriterium bei der "Gewinnsucht" ("cupidité") im Sinne des allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches ist quantitativer Natur, dasjenige bei der "Gewinnsucht" ("dessein de lucre") im Sinne des besonderen Teils des Strafgesetzbuches qualitativer Art.

107 IV 163 () from 2. Dezember 1981
Regeste: Art. 129 StGB. Lebensgefährdung. 1. Die Erfüllung dieses Tatbestandes setzt nicht voraus, dass der Täter die Verwirklichung der Gefahr, sei es auch nur eventuell, gewollt hat, denn sonst wäre er wegen vorsätzlicher Begehung des entsprechenden Verletzungsdeliktes strafbar. 2. Wer im Verlaufe eines Handgemenges eine geladene und entsicherte Schusswaffe zieht, weiss, dass sich unerwartet ein Schuss lösen und einen Beteiligten verwunden oder töten kann.

111 IV 51 () from 17. April 1985
Regeste: 1. Art. 144, 25 StGB; Hehlerei und Gehilfenschaft zur Vortat. Zwischen Gehilfenschaft zu Vermögensdelikten und Hehlerei am Beutegut besteht Realkonkurrenz (E. 1). 2. Art. 129 StGB; Gefährdung des Lebens. Wer in einem Handgemenge (allenfalls behindert durch Tränengas) versucht, eine Waffe durch Ladebewegung schiessfertig zu machen, schafft eine nahe Todesgefahr für in unmittelbarer Nähe weilende Menschen; ein Gelingen der Ladebewegung bzw. der Schussabgabe ist nicht notwendig (E. 2).

114 IV 103 () from 14. Dezember 1988
Regeste: Art. 129 StGB. Gefährdung des Lebens mit Todesfolge. Gewissenlosigkeit. Eine Handlung ist dann im Sinne von Art. 129 StGB gewissenlos, wenn sie angesichts des Tatmittels und des Tatmotivs unter Berücksichtigung der Tatsituation, zu der auch der Zustand des Täters gehört, den allgemein anerkannten Grundsätzen von Sitte und Moral zuwiderläuft. Es ist unerheblich, ob der Täter die ethische Verwerflichkeit seines Verhaltens erkennen bzw. einer solchen Erkenntnis gemäss handeln konnte; es genügt, dass er die Umstände kannte, derentwegen sein Verhalten gemessen an den allgemeinen Grundsätzen von Sitte und Moral als gewissenlos erscheint.

116 IV 117 () from 14. Mai 1990
Regeste: Art. 58 Abs. 1 lit. b StGB. Einziehung. Die Einziehung eines Tatwerkzeuges ist dann anzuordnen, wenn es hinreichend wahrscheinlich ist, dass ohne diese Massnahme die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährdet wäre (Bestätigung von BGE 81 IV 217).

117 IV 87 () from 8. Mai 1991
Regeste: Art. 350 Ziff. 1 StGB; Art. 264 BStP; Gerichtsstand. 1. Vom gesetzlichen Gerichtsstand kann ausnahmsweise abgewichen werden, wenn in einem Kanton ein offensichtliches Schwergewicht der deliktischen Tätigkeit liegt. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn auf einen Kanton lediglich einige Delikte mehr entfallen. 2. Für die Anwendung von Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ist in erster Linie auf die objektive Strafdrohung abzustellen, nicht auf das Verschulden.

117 IV 419 () from 24. Oktober 1991
Regeste: Art. 139 Ziff. 3 StGB; In-Lebensgefahr-Bringen des Opfers (Änderung der Rechtsprechung). 1. Bei der Auslegung dieser Qualifikation ist den im Gesetz unterschiedenen vier Gefährlichkeitsstufen des Raubes und der Mindeststrafe von fünf Jahren Zuchthaus, die derjenigen für vorsätzliche Tötung entspricht, Rechnung zu tragen. Entscheidend ist, ob aufgrund der Tatumstände und des tatsächlichen Verhaltens des Täters die konkrete Gefahr einer tödlichen Verletzung des Opfers sehr nahe liegt. Dies trifft zu, wenn eine aus kurzer Distanz auf das Opfer gerichtete Schusswaffe geladen, entsichert und durchgeladen oder gespannt ist, so dass ein Schuss jederzeit ausgelöst werden oder sich ungewollt lösen kann; ebenso, wenn bei einer geladenen und gesicherten oder nicht durchgeladenen oder ungespannten Waffe weitere besondere Umstände (z.B. Handgemenge) hinzukommen. Der Vorsatz muss sich auf die Verwirklichung der sehr naheliegenden Lebensgefahr richten (E. 4). 2. Konkrete, sehr naheliegende Lebensgefahr für das Opfer verneint, aber die besondere Gefährlichkeit des Täters nach Art. 139 Ziff. 2 StGB bejaht, wenn bei einem Trommelrevolver zur Schussabgabe noch der Hahn gespannt oder ein erhebliches Abzugsgewicht überwunden werden muss (E. 5).

119 IV 180 () from 3. September 1993
Regeste: Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG; 12-Gramm-Grenze bei Heroin; Berücksichtigung des Reinheitsgrades. Bei einem Heroingemisch ist ein schwerer Fall unter dem Gesichtspunkt der Menge erst dann anzunehmen, wenn der im Gemisch enthaltene reine Drogenwirkstoff mindestens 12 Gramm beträgt (E. 2d; Änderung der Rechtsprechung).

121 IV 18 () from 31. Januar 1995
Regeste: Art. 128 Abs. 1 StGB; Unterlassung der Nothilfe. Voraussetzungen der Strafbarkeit, allgemein. Unmittelbare Lebensgefahr ist gegeben, wenn jemand nach dem Konsum einer Überdosis Heroin Gefahr läuft, in einigen Stunden zu sterben (E. 2b/aa). Die Hilfeleistungspflicht besteht für jeden, der sich in der Wohnung der gefährdeten Person befindet; aufgrund der Umstände genügte es, telefonisch medizinische Hilfe zu holen (E. 2b/aa). Vorsatz (E. 2b/bb).

121 IV 49 () from 20. März 1995
Regeste: 1. Vollendeter Versuch; Strafmilderung (Art. 22, 63, 65 StGB). Tritt der tatbestandsmässige Erfolg nicht ein, so ist die Strafe jedenfalls zu mindern. Das Mass der zulässigen Reduktion hängt beim vollendeten Versuch unter anderem von der Nähe des tatbestandsmässigen Erfolges und von den tatsächlichen Folgen der Tat ab (E. 1). 2. Begründung des Strafmasses. Auffallende Diskrepanz zwischen der Strafe für eine versuchte vorsätzliche Tötung und ihrer Begründung (Art. 63 ff. und 111 StGB, Art. 277 und 277ter BStP). Die ausgefällte Strafe muss aufgrund der Urteilsbegründung plausibel erscheinen. Dies ist unter anderem dann nicht der Fall, wenn die Strafe angesichts der im Urteil festgestellten Tatsachen und der diese bewertenden Erwägungen auffallend hoch oder milde ist. Ob im Falle einer solchen Diskrepanz die Strafe im Ergebnis unvertretbar oder ihre Begründung mangelhaft sei, ist oft nicht zweifelsfrei erkennbar. Daher weist der Kassationshof die Sache in der Regel lediglich zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück, ohne diese ausdrücklich anzuweisen, dass sie eine bestimmte andere Strafe ausspreche (E. 2a). Auffallende Diskrepanz zwischen dem Strafmass und der Begründung im konkreten Fall unter anderem einer versuchten vorsätzlichen Tötung angesichts der relevanten Gesichtspunkte bejaht (E. 2b-h).

122 IV 250 () from 10. Juli 1996
Regeste: Art. 350 Ziff. 1 StGB; Art. 263 BStP. Gerichtsstand bei Antragsdelikten, Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen und Privatstrafklageverfahren. Entscheidungsbefugnis der Anklagekammer bei Gesuch des Beschuldigten (E. 1 und 3g). Die bundesrechtlichen Gerichtsstandsbestimmungen gelten ausnahmslos auch für die nur auf Antrag strafbaren und in einem Privatstrafklageverfahren zu verfolgenden (Ehrverletzungs-)Delikte (E. 3b). Wird der Gerichtsstand von dem für die Verfolgung und Beurteilung des Antragsdeliktes an sich zuständigen Kanton zufolge Zusammentreffens mehrerer Handlungen bzw. Prävention oder eines Entscheides der Anklagekammer in einen anderen Kanton verschoben, hat dieser Kanton den an sich am richtigen Ort form- und fristgerecht eingereichten Strafantrag grundsätzlich anzuerkennen und den Fall im aktuellen Stadium zu übernehmen (Änderung der Rechtsprechung; E. 3e).

123 IV 128 () from 2. Juli 1997
Regeste: Art. 221 Abs. 2 StGB, 21 ff. StGB; qualifizierte Brandstiftung, Versuch. Der qualifizierte Tatbestand setzt voraus, dass durch die Feuersbrunst, so wie sie sich ereignet hat, Leib und Leben von Menschen tatsächlich konkret gefährdet worden sind und dass der Täter im Sinne des direkten Vorsatzes um diese konkrete Gefährdung gewusst und sie gewollt hat. Angesichts der hohen Strafandrohung ist eine grosse Wahrscheinlichkeit der Verletzung von Leib und Leben und damit eine nahe Gefahr erforderlich (E. 2a). Der Täter ist wegen versuchter qualifizierter Brandstiftung schuldig zu sprechen, wenn z.B. dank rascher Hilfeleistung niemand konkret gefährdet wurde und bloss die subjektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt sind (E. 2b).

124 IV 145 () from 11. Mai 1998
Regeste: Art. 269 BStP und Art. 277ter BStP; Anklageprinzip, Tragweite des Rückweisungsentscheids. Ob ein bestimmter Sachverhalt (hier: die Gefährdung des Lebens von zwei Personen) von der Anklage erfasst ist, ist keine Frage des Bundesrechts. Deshalb hat im Falle der Gutheissung einer Nichtigkeitsbeschwerde die Vorinstanz über diese Frage zu befinden und gegebenenfalls, soweit es das kantonale Recht zulässt, eine Ergänzung der Anklage anzuordnen (E. 1). Art. 68 Ziff. 1 StGB und Art. 129 StGB; Gefährdung des Lebens; gleichartige Idealkonkurrenz. Wer durch eine Handlung das Leben von zwei Personen gefährdet, verletzt zwei selbständige Rechtsgüter (gleichartige Idealkonkurrenz) (E. 2).

133 IV 1 () from 28. Dezember 2006
Regeste: Versuchte Tötung (Art. 111 i.V.m. Art. 22 StGB); Gefährdung des Lebens (Art. 129 StGB). Versuchte Tötung mangels Eventualvorsatzes verneint im Fall der von einem Fahrzeuglenker auf der Autobahn absichtlich herbeigeführten seitlichen Kollision mit einem andern Fahrzeuglenker. Der Beschuldigte durfte im konkreten Fall darauf vertrauen, dass der Betroffene - wie es auch geschah - den infolge der Kollision leicht ins Schleudern geratenen Personenwagen rasch wieder stabilisieren könne, so dass die seitliche Kollision, von einem geringfügigen Sachschaden abgesehen, folgenlos blieb (E. 4). Gefährdung des Lebens hingegen bejaht (E. 5).

136 IV 76 (6B_1038/2009) from 27. April 2010
Regeste: Fahrlässige Tötung und Gefährdung des Lebens, Konkurrenz; Art. 117, 129 und 49 Abs. 1 StGB. Wer skrupellos das Leben einer Person direktvorsätzlich gefährdet, welche in der Folge stirbt, ist sowohl wegen Gefährdung des Lebens als auch wegen fahrlässiger Tötung zu bestrafen, wenn er voraussieht, dass das Opfer sterben kann und er aus pflichtwidriger Unvorsicht auf den Nichteintritt des Todes vertraut. Die fahrlässige Tötung gilt das Unrecht der Gefährdung des Lebens nicht ab (E. 2.7).

137 I 209 (1B_134/2011) from 14. Juli 2011
Regeste: Art. 17 und 36 BV, Art. 6 Ziff. 1 und Art. 10 EMRK, § 135 GVG/ZH, Art. 70 StPO; Medienfreiheit, Gerichtsberichterstattung über eine nicht öffentliche strafgerichtliche Hauptverhandlung. Der Berichterstatter, der sich der gerichtlichen Auflage für den Zugang zur Hauptverhandlung (hier: die Wahrung der Anonymität der Verfahrensbeteiligten) nicht unterzieht, darf davon ausgeschlossen werden (E. 4 und 5).

137 IV 326 (6B_385/2011) from 23. September 2011
Regeste: Art. 37 Abs. 1 SVG, Art. 12 Abs. 2 VRV, Art. 181 StGB; Nötigung durch andere Beschränkung der Handlungsfreiheit, Konkurrenz zu SVG-Delikten. Begriff des Schikanestopps (E. 3.3.3). Ein Schikanestopp bis zum Stillstand überschreitet das üblicherweise geduldete Mass unabhängig vom zeitlichen Aspekt ebenso eindeutig, wie es bei der Ausübung von Gewalt oder dem Androhen ernstlicher Nachteile der Fall ist. Die durch die schikanöse Vollbremsung geschaffene Zwangssituation ist für den nachfolgenden Verkehrsteilnehmer von einer solchen Intensität, dass sie dessen Handlungsfreiheit einschränkt (E. 3.4). Zwischen Art. 90 SVG und Art. 181 StGB besteht echte Konkurrenz (E. 3.5 und 3.6).

138 IV 86 (1B_687/2011, 1B_689/2011) from 27. März 2012
Regeste: Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 5 BGG; Berechtigung zur Beschwerde gegen die Einstellung eines Strafverfahrens; Art. 319 StPO; Grundsatz "in dubio pro duriore". Beschwerdebefugnis, wenn im Verlauf eines polizeilichen Einsatzes ein Todesfall eintritt (E. 3). Tragweite des Grundsatzes "in dubio pro duriore" (E. 4.1 und 4.2). Insbesondere aufgrund der zahlreichen verbleibenden Tat- und Rechtsfragen durfte das Strafverfahren nicht eingestellt werden (E. 4.3).

142 IV 245 (6B_876/2015) from 2. Mai 2016
Regeste: Art. 431 Abs. 1 StPO; rechtswidrige Haftbedingungen; Wahl der Art der Wiedergutmachung. Für die Art und den Umfang der Wiedergutmachung nach Art. 429 ff. StPO dürfen die allgemeinen Bestimmungen der Art. 41 ff. OR herangezogen werden (E. 4.1). Die Wahl der Art der Wiedergutmachung obliegt nicht dem Beschuldigten, sondern steht im Ermessen des Richters. Vorliegend haben die kantonalen Richter der rechtswidrigen Haft mit einer Reduktion des Strafmasses Rechnung getragen, obschon der Beschuldigte eine finanzielle Entschädigung beantragte. Diese Art der Wiedergutmachung, welche sich an der in Art. 431 Abs. 2 StPO vorgesehenen Lösung orientiert, ist nicht zu beanstanden (E. 4.3).

143 IV 168 (1B_61/2017) from 29. März 2017
Regeste: Art. 5 Ziff. 1 lit. f und Ziff. 3 EMRK; Art. 31 Abs. 3 BV; Art. 212 Abs. 3, 220 Abs. 2 und 231 Abs. 1 lit. a StPO; Art. 66a Abs. 1 lit. b StGB; Art. 76 Abs. 1 AuG; Sicherheitshaft zur Gewährleistung einer Landesverweisung; rechtliche Grundlage und Verhältnismässigkeitsprinzip. Da es sich bei der Landesverweisung um eine strafrechtliche Massnahme handelt (Art. 66a Abs. 1 lit. b StGB), stellen Art. 220 Abs. 2 und Art. 231 Abs. 1 lit. a StPO eine hinreichende gesetzliche Grundlage dar, um eine Person zur Sicherstellung des Vollzugs einer erstinstanzlich ausgesprochenen Landesverweisung in Sicherheitshaft zu versetzen (E. 3.2). Die Zuständigkeit der Strafbehörden, welche bis zum Ende des Strafverfahrens besteht, hindert die Verwaltungsbehörden nicht daran, bereits vor diesem Zeitpunkt einzugreifen: Gemäss Art. 76 Abs. 1 AuG kann die Verwaltungsbehörde die betroffene Person ab der Eröffnung einer erstinstanzlichen Landesverweisung nach Art. 66a oder 66abis StGB und mithin noch vor der Rechtskraft des Strafurteils in Administrativhaft nehmen oder belassen (E. 3.3). Eine derartige Haft muss das Verhältnismässigkeitsprinzip respektieren (Art. 5 Ziff. 3 EMRK, Art. 31 Abs. 3 BV und Art. 212 Abs. 3 StPO). Eine Person, die zu einer Landesverweisung und einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, kann in Sicherheitshaft belassen werden, falls die Frage des bedingten Vollzugs ungewiss ist, die erstandene Haft nicht die Dauer des erstinstanzlich ausgesprochenen Freiheitsentzugs übersteigt und das Beschleunigungsgebot (Art. 5 Abs. 1 StPO) gewahrt ist (E. 5).

143 IV 316 (1B_271/2017) from 16. August 2017
Regeste: Art. 10 und 31 BV; Art. 5 EMRK; Art. 221 StPO; Art. 264a Abs. 1 lit. f StGB; Art. 264k StGB; Verlängerung der Untersuchungshaft wegen dringendem Tatverdacht auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Folter). Dringender Tatverdacht im Haftprüfungsverfahren, namentlich zu Beginn der Strafuntersuchung (E. 2 und 3). Der Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Allgemeinen (E. 4.1-4.5) sowie in Bezug auf Folter (E. 4.6). Strafbarkeit des Vorgesetzten (E. 4.7). Vorliegend bestehen hinreichende und konkrete Anhaltspunkte für den Verdacht, dass während der Zeit, in der der Beschwerdeführer Innenminister der Republik Gambia gewesen war, Folter planmässig als Mittel eingesetzt wurde, um die Bevölkerung einzuschüchtern und die Opposition zu unterdrücken (E. 5 und 6).

143 IV 457 (6B_129/2017) from 16. November 2017
Regeste: Recht auf Teilnahme des Beschuldigten an Einvernahmen von Mitbeschuldigten (Art. 147 Abs. 1 StPO); Verwertungsverbot (Art. 147 Abs. 4 StPO). Der Beschuldigte hat grundsätzlich das Recht, an Einvernahmen von Mitbeschuldigten im gleichen Verfahren teilzunehmen. Bei Verletzung des Teilnahmerechts sind belastende Aussagen von Mitbeschuldigten nicht verwertbar (Bestätigung der Rechtsprechung [BGE 141 IV 220 E. 4 f.]). Die aus unverwertbaren Einvernahmen erlangten Erkenntnisse dürfen weder für die Vorbereitung noch für die Durchführung erneuter Beweiserhebungen verwendet werden (E. 1.6).

 

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