Schweizerisches Strafgesetzbuch

vom 21. Dezember 1937 (Stand am 22. November 2022)


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Art. 13

Sach­ver­halts­irr­tum

 

1 Han­delt der Tä­ter in ei­ner ir­ri­gen Vor­stel­lung über den Sach­ver­halt, so be­ur­teilt das Ge­richt die Tat zu Guns­ten des Tä­ters nach dem Sach­ver­halt, den sich der Tä­ter vor­ge­stellt hat.

2 Hät­te der Tä­ter den Irr­tum bei pflicht­ge­mäs­ser Vor­sicht ver­mei­den kön­nen, so ist er we­gen Fahr­läs­sig­keit straf­bar, wenn die fahr­läs­si­ge Be­ge­hung der Tat mit Stra­fe be­droht ist.

BGE

86 IV 201 () from 23. Dezember 1960
Regeste: Art. 15, 42 und 44 StGB. Welche Massnahme ist gegen einen vermindert zurechnungsfähigen oder unzurechnungsfähigen Gewohnheitstrinker anzuordnen, auf den die Voraussetzungen des Art. 42 StGB zutreffen? Wann ist er nach dieser Bestim mung zu verwahren, wann nach Art. 15 StGB zu versorgen oder nach Art. 44 StGB in eine Trinkerheilanstalt einzuweisen?

88 IV 10 () from 8. Februar 1962
Regeste: Art. 10 und 42 StGB. Völlige Unzurechnungsfähigkeit des Täters schliesst dessen Verwahrung nach Art. 42 StGB aus.

91 IV 64 () from 9. August 1965
Regeste: 1. Der Begriff des fortgesetzten Delikts setzt nicht voraus, dass alle Einzelhandlungen, die auf denselben Willensentschluss zurückgehen, unter die gleiche Strafbestimmung fallen; es genügt, dass sie den gleichen gesetzlichen Tatbestand erfüllen oder Begehungsformen desselben Verbrechens oder Vergehens darstellen (Erw. 1a). 2. Art. 191 Ziff. 1 und 2 StGB. Zwischen Unzuchtshandlungen im Sinne dieser Bestimmungen kann Fortsetzungszusammenhang bestehen (Erw. 1 b und c). 3. Art. 13 Abs. 1 StGB. Der Umstand, dass der Beschuldigte die Tat in angetrunkenem Zustand begangen hat, ist noch kein Grund, ihn psychiatrisch begutachten zu lassen (Erw. 2).

98 IV 156 () from 23. Juni 1972
Regeste: Art. 13 StGB. Für die Anordnung einer psychiatrischen Untersuchung genügt es, dass ernsthafter Anlass zu Zweifeln an der Zurechnungsfähigkeit des Angeschuldigten besteht (Praxisänderung).

101 IV 247 () from 4. Juli 1975
Regeste: 1. Art. 269 BStP. Die Vereinigung von Nichtigkeitsbeschwerde und staatsrechtlicher Beschwerde in einer gemeinsamen Eingabe ist nur zulässig, wenn die beiden Rechtsmittel auseinandergehalten und getrennt behandelt werden (Erw. 1). 2. Art. 397 StGB. Die Wiederaufnahme kann auf ein neues Gutachten gestützt werden, wenn es geeignet ist, eine neue Tatsache zu beweisen (Erw. 2). 3. Art. 13 StGB. Von einer weitern psychiatrischen Begutachtung darf abgesehen werden, wenn voraussichtlich keine wesentlich neuen Tatsachen mehr festgestellt werden können (Erw. 2).

102 IA 299 () from 15. Juni 1976
Regeste: Persönliche Freiheit; Untersuchungshaft, Besuchsrecht. Handhabung der Vorschriften über das Besuchsrecht in der Untersuchungshaft; Besuche einer anstaltsfremden Psychologin.

102 IV 74 () from 14. Mai 1976
Regeste: 1. Art. 13 Abs. 1 und 44 StGB und 277 BStP. Begeht ein Drogensüchtiger Straftaten, so muss sich der kantonale Richter ausdrücklich dazu äussern, ob eine Untersuchung des Täters hinsichtlich seiner Zurechnungsfähigkeit und der Massnahmebedürftigkeit erforderlich ist (Erw. 1). 2. Begriff des fortgesetzten Deliktes. Das fortgesetzte Delikt setzt Gleichartigkeit der einzelnen Delikte voraus; dazu gehört auch, dass es nach Ort und Zeit eine gewisse Einheit bildet (Erw. 2).

103 IA 55 () from 22. März 1977
Regeste: Art. 84 OG; Rechtsmittel bei Begutachtung in Strafsachen. 1. Unterlässt oder verweigert der Richter die Anordnung einer vom Bundesstrafrecht vorgeschriebenen Begutachtung des Angeklagten, so steht diesem die Nichtigkeitsbeschwerde offen, was die staatsrechtliche Beschwerde ausschliesst (Bestätigung der Rechtsprechung, Erw. 1a). 2. Wird das Gutachten selbst oder werden die von der kantonalen Behörde daraus gezogenen Schlüsse angefochten, so steht deren Beweiswürdigung in Frage. Dagegen ist nicht Nichtigkeits-, sondern staatsrechtliche Beschwerde zu führen (Praxisänderung, Erw. 1b).

105 IV 161 () from 1. Juni 1979
Regeste: Art. 13 StGB. Rechtsmittel gegen die Ablehnung einer Begutachtung. Ob die Begutachtung eines Angeklagten in Verkennung der in Art. 13 StGB genannten Voraussetzungen abgelehnt wurde, ist eine Frage des Bundesrechts, die mit Nichtigkeitsbeschwerde dem Bundesgericht unterbreitet werden kann. Wird dagegen zur Begründung eines Begehrens um ergänzende neue Begutachtung die Beweiskraft oder Schlüssigkeit eines vorhandenen älteren Gutachtens oder dessen richterliche Würdigung angefochten, so geht es um Fragen der Beweiswürdigung, die allenfalls mit kantonaler Kassationsbeschwerde oder mit staatsrechtlicher Beschwerde zur Entscheidung zu stellen sind.

107 IV 3 () from 20. Januar 1981
Regeste: Art. 10 f. StGB. Nicht jede durch den Konsum von Alkohol oder andern bewusstseins- und willensbeeinflussenden Drogen bewirkte kurzfristige Enthemmung oder Verdummung genügt, um die Zurechnungsfähigkeit herabzusetzen. Berücksichtigung des Verhaltens des Täters vor, während und nach seiner Tat.

115 IV 90 () from 23. Juni 1989
Regeste: Art. 13 Abs. 1, 44 Ziff. 1 und 6, 43 Ziff. 2 Abs. 2 StGB. Bei anerkanntem Zusammenhang zwischen den Straftaten und der Drogensucht darf der Richter ohne Beizug eines Gutachtens nicht schon aufgrund fehlender körperlicher Abhängigkeitssymptome die Notwendigkeit einer ambulanten Massnahme und eines damit verbundenen Aufschubs des Strafvollzuges verneinen (E. 3 und 4).

116 IV 101 () from 20. Juni 1990
Regeste: Art. 13 Abs. 2, 43 Ziff. 1 Abs. 3 und Ziff. 2 Abs. 2 StGB (ambulante Behandlung). - Der Richter muss auch hinsichtlich der Frage, ob im Hinblick auf eine ambulante Behandlung der Vollzug der Strafe aufzuschieben sei oder nicht, ein Gutachten einholen. - Gelangt der Richter aufgrund der Expertise zum Schluss, dass die Erfolgsaussichten der ambulanten Behandlung durch den sofortigen Strafvollzug ernstlich beeinträchtigt würden, entscheidet er in Würdigung der gesamten Umstände, ob der Vollzug der Strafe aufzuschieben sei (Art. 43 Ziff. 2 Abs. 2 StGB).

116 IV 273 () from 6. November 1990
Regeste: Art. 13 Abs. 1 StGB; Psychiatrisches Gutachten. Voraussetzungen für die Bejahung eines ernsthaften Anlasses zu Zweifeln an der Zurechnungsfähigkeit des Täters, insbesondere aufgrund eines früheren Gutachtens.

117 IV 292 () from 22. August 1991
Regeste: Fahren in angetrunkenem Zustand (Art. 91 Abs. 1 SVG); Zurechnungsfähigkeit, "actio libera in causa" (Art. 10 ff. StGB). Eine alkoholbedingte Verminderung der Zurechnungsfähigkeit ist auch beim Tatbestand des Fahrens in angetrunkenem Zustand beachtlich, wenn keine (eventual)vorsätzliche "actio libera in causa" vorliegt. Darstellung der für den unzurechnungsfähigen und für den vermindert zurechnungsfähigen Fahrzeuglenker bei (eventual)vorsätzlicher respektive fahrlässiger "actio libera in causa" im einzelnen in Betracht fallenden Rechtsfolgen.

118 IV 1 () from 10. März 1992
Regeste: Art. 11 StGB. Verminderung der Zurechnungsfähigkeit, Strafmilderung. Bei verminderter Zurechnungsfähigkeit ist die Strafe, die bei voller Zurechnungsfähigkeit ausgefällt worden wäre, auch dann entsprechend dem Grad der Verminderung zu reduzieren, wenn die Tat objektiv schwer wiegt. Dies gilt auch für eine alkoholbedingte Verminderung der Zurechnungsfähigkeit beim Tatbestand des Fahrens in angetrunkenem Zustand, wenn keine "actio libera in causa" vorliegt.

118 IV 6 () from 10. Februar 1992
Regeste: Art. 13 Abs. 1 StGB. Psychiatrisches Gutachten. Ernsthafter Anlass zu Zweifeln an der Zurechnungsfähigkeit eines Ersttäters ist gegeben, wenn der Beginn der Straffälligkeit mit dem Ausbruch einer schweren allergischen oder psychosomatischen Hautkrankheit zusammenfällt.

118 IV 105 () from 20. Mai 1992
Regeste: Art. 42 Ziff. 1 Abs. 2 StGB; Verwahrung; Begutachtung des Täters. Vor der Verwahrung nach Art. 42 StGB ist in der Regel ein Gutachten über den Täter einzuholen (E. 1e).

119 IV 120 () from 19. August 1993
Regeste: Art. 13 StGB; psychiatrische Begutachtung eines angetrunkenen Fahrzeuglenkers; Ausnahmen. Bestehen ernsthafte Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit eines angetrunkenen Fahrzeuglenkers, so hat der Richter grundsätzlich eine psychiatrische Begutachtung anzuordnen (E. 2a; Bestätigung der Rechtsprechung). Eine solche kann jedoch unterbleiben, wenn nebst der Blutalkoholkonzentration keine weiteren Indizien für die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit vorhanden sind (E. 2b und c).

127 I 54 () from 28. November 2000
Regeste: Art. 9 und Art. 29 Abs. 2 BV; Willkür, rechtliches Gehör, Berücksichtigung eines psychiatrischen Aktengutachtens im Strafverfahren. Ein psychiatrisches Gutachten ohne persönliche Untersuchung des Betroffenen ist nur ausnahmsweise zulässig. Gründe für Ausnahmen (E. 2e-g).

129 V 354 () from 25. Juni 2003
Regeste: Art. 7 Abs. 1 IVG: Kürzung der Leistungen. Die Leistungen werden gekürzt, wenn die versicherte Person die Invalidität durch einen Unfall wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand selbst herbeigeführt hat. Dies gilt selbst dann, wenn der Strafrichter zufolge schwerer Betroffenheit gemäss Art. 66bis StGB von der Strafverfolgung abgesehen hat. In analoger Anwendung der Praxis der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt ist der Umfang der Kürzung auch im Bereich der Invalidenversicherung von der Blutalkoholkonzentration abhängig.

132 IV 29 () from 8. Dezember 2005
Regeste: Art. 23 Abs. 1 al. 4 ANAG, Art. 34 Ziff. 1 Abs. 1 und Art. 333 Abs. 1 StGB, Art. 13 Abs. 1 StGB; Straftatbestand der rechtswidrigen Einreise, Anwendbarkeit des Notstandes, psychiatrische Begutachtung. Tatbestand der rechtswidrigen Einreise; Begriff (E. 2). Ob die Einreise gerechtfertigt ist und der Flüchtling straflos bleibt, beurteilt sich nach dem Ausländerstrafrecht. Für Notstand bleibt kein Raum, wenn zur Rechtfertigung der illegalen Einreise einzig Art und Schwere der Verfolgung vorgebracht werden (E. 3). Der Umstand allein, dass jemand wegen einer angeblichen posttraumatischen Belastungsstörung ärztlich behandelt wird, vermag keine ernsthaften Zweifel an der strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit zu erwecken (E. 5.3).

134 II 33 (1C_45/2007) from 30. November 2007
Regeste: Art. 2 Abs. 1 OHG; opferhilferechtlicher Begriff der Straftat. Der Begriff der Straftat im Sinn von Art. 2 Abs. 1 OHG setzt nicht nur die Verwirklichung eines objektiven Straftatbestandes, sondern auch vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln voraus (Bestätigung der Rechtsprechung). Der Anwendungsfall betrifft einen Sachverhaltsirrtum (E. 5).

135 IV 12 (6B_346/2008) from 27. November 2008
Regeste: a Subjektive Tatbestandsvoraussetzungen der Falschbeurkundung (Art. 251 StGB). Wer bewusst ungelesene Urkunden unterzeichnet, kann sich nicht darauf berufen, ihren wahren Inhalt nicht gekannt zu haben. Wer weiss, dass er nichts weiss, irrt nicht (E. 2.3.1). Es darf jedoch nicht unbesehen von diesem Wissen auf die Inkaufnahme einer Falschbeurkundung geschlossen werden (E. 2.3.2). Als Indizien für die Inkaufnahme können das Ausmass der Gefährdung fremder Interessen, das situative Risiko der Erfolgsverwirklichung sowie die Motive des Täters herangezogen werden (E. 2.3.3).

136 I 87 (1C_179/2008) from 30. September 2009
Regeste: Polizeigesetz des Kantons Zürich; Art. 5, 10, 13, 31 und 36 BV, Art. 2, 5 und 8 EMRK. Allgemeine Ausführungen zum Polizeirecht: Legalitätsprinzip (E. 3.1); Grundsatz der Verhältnismässigkeit (E. 3.2); Prüfung kantonaler Normen (E. 3.3); Polizeirecht und Strafprozessrecht (E. 3.4). Schusswaffengebrauch zur Verfolgung von fliehenden Personen, die durch ein schweres Vergehen oder Verbrechen eine besondere Gefährlichkeit oder Gewaltbereitschaft manifestiert haben (E. 4). Personenkontrolle, Identitätsfeststellung und erkennungsdienstliche Massnahmen (E. 5). Polizeilicher Gewahrsam: Dauer des Gewahrsams (E. 6.3). Gerichtlicher Rechtsschutz, Erfordernis eines unmittelbaren Zugangs zu einer richterlichen Behörde (E. 6.4 und 6.5). Polizeiliche Vorführung und Zuführung als besondere Form der Amts- und Vollzugshilfe (E. 7). Überwachung des öffentlichen Raums mit technischen Geräten. Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Überwachungsregelung (E. 8.3) und der Ordnung der Aufbewahrung von Aufzeichnungen (E. 8.4). Überwachung im Rahmen der Strafprozessordnung (E. 8.5).

140 IV 49 (6B_459/2013) from 13. Februar 2014
Regeste: Art. 20 und 56 Abs. 3 StGB; sachverständige Person. Die sachverständige Person, die gestützt auf Art. 20 und 56 Abs. 3 StGB Gutachten erstellt, muss in aller Regel Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sein (E. 2). Das kantonale Recht kann weitergehende Bestimmungen vorsehen (z.B. forensische Weiterbildung) (E. 2.8).

147 IV 193 (6B_1073/2020) from 13. April 2021
Regeste: Art. 13 StGB; Krankheitsbedingter Irrtum. Ein schuldunfähiger Beschuldigter kann sich nicht auf einen Sachverhaltsirrtum nach Art. 13 StGB berufen, wenn seine irrige Vorstellung über die tatsächlichen Verhältnisse auf seine zur Schuldunfähigkeit führende psychische Erkrankung zurückgeht (E. 1.4).

 

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