Schweizerisches Strafgesetzbuch

vom 21. Dezember 1937 (Stand am 22. November 2022)


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Art. 158

Un­ge­treue Ge­schäfts­be­sor­gung

 

1. Wer auf­grund des Ge­set­zes, ei­nes be­hörd­li­chen Auf­tra­ges oder ei­nes Rechts­ge­schäfts da­mit be­traut ist, Ver­mö­gen ei­nes an­dern zu ver­wal­ten oder ei­ne sol­che Ver­mö­gens­ver­wal­tung zu be­auf­sich­ti­gen, und da­bei un­ter Ver­let­zung sei­ner Pflich­ten be­wirkt oder zu­lässt, dass der an­de­re am Ver­mö­gen ge­schä­digt wird, wird mit Frei­heits­s­tra­fe bis zu drei Jah­ren oder Geld­stra­fe be­straft.

Wer als Ge­schäfts­füh­rer oh­ne Auf­trag gleich han­delt, wird mit der glei­chen Stra­fe be­legt.

Han­delt der Tä­ter in der Ab­sicht, sich oder einen an­dern un­recht­mä­s­sig zu be­rei­chern, so kann auf Frei­heits­s­tra­fe von ei­nem Jahr bis zu fünf Jah­ren er­kannt wer­den.

2. Wer in der Ab­sicht, sich oder einen an­dern un­recht­mäs­sig zu be­rei­chern, die ihm durch das Ge­setz, einen be­hörd­li­chen Auf­trag oder ein Rechts­ge­schäft ein­ge­räum­te Er­mäch­ti­gung, je­man­den zu ver­tre­ten, miss­braucht und da­durch den Ver­tre­te­nen am Ver­mö­gen schä­digt, wird mit Frei­heits­s­tra­fe bis zu fünf Jah­ren oder Geld­stra­fe be­straft.

3. Die un­ge­treue Ge­schäfts­be­sor­gung zum Nach­teil ei­nes An­ge­hö­ri­gen oder Fa­mi­li­en­ge­nos­sen wird nur auf An­trag ver­folgt.

BGE

121 IV 104 () from 3. Februar 1995
Regeste: Art. 277bis Abs. 1 BStP. Begriff des offensichtlichen Versehens (E. 2b). Art. 159 aStGB; ungetreue Geschäftsführung; Schädigung am Vermögen. Zum Tatbestand der ungetreuen Geschäftsführung gehört ein Vermögensschaden. Dieser ist gegeben bei tatsächlicher Schädigung durch Verminderung der Aktiven, Vermehrung der Passiven, Nicht-Verminderung der Passiven oder Nicht-Vermehrung der Aktiven sowie dann, wenn das Vermögen in einem Masse gefährdet wird, dass es in seinem wirtschaftlichen Wert vermindert ist (E. 2c).

122 IV 279 () from 26. September 1996
Regeste: Art. 159 Abs. 1 aStGB; Art. 71 Abs. 1 BVG; Art. 50, Art. 57 Abs. 2 und 4, Art. 59 Abs. 1 und 3 BVV 2; ungetreue Geschäftsführung zum Nachteil einer Personalvorsorgestiftung, Gewährung erheblich gefährdeter Darlehen an den Arbeitgeber; Vermögensschaden, Vorsatz. Eine Vermögensgefährdung stellt einen Vermögensschaden dar, wenn der Gefährdung im Rahmen einer sorgfältigen Bilanzierung durch Wertberichtigung oder Rückstellung Rechnung getragen werden muss (E. 2a). Wer als Vorsitzender einer Personalvorsorgestiftung Arbeitgeberfirmen erheblich gefährdete Darlehen gewährt, schädigt damit die Stiftung am Vermögen (E. 2c). Weiss er um diese Gefährdung oder nimmt er sie zumindest in Kauf, ist er wegen ungetreuer Geschäftsführung strafbar (E. 2d). Ansprüche der Vorsorgeeinrichtung gegenüber dem Arbeitgeber sind zu marktüblichen Ansätzen zu verzinsen (E. 2e).

123 IV 17 () from 20. Dezember 1996
Regeste: Art. 251 Ziff. 1 aStGB; Herstellen unechter Urkunden. Ein nicht zeichnungsberechtigter Angestellter einer juristischen Person, der im Namen der Gesellschaft und auf Briefpapier mit dem Briefkopf der Gesellschaft Garantieerklärungen errichtet und unterschreibt, stellt unechte Urkunden her (E. 2). Art. 159 aStGB; ungetreue Geschäftsführung; Schädigung fremder Vermögensinteressen. Der Geschäftsstellenleiter einer Gesellschaft, der in deren Namen und aus Geldgier unwiderrufliche, abstrakte Garantieerklärungen unterschreibt, die nicht bestehen, begeht qualifizierte ungetreue Geschäftsführung (E. 3; Bestätigung der Rechtsprechung).

129 III 320 () from 21. Februar 2003
Regeste: Vertragsrechtliche Auswirkungen einer Beamtenbestechung. Verträge, die durch Schmiergelder bewirkt werden, haben nicht ohne weiteres einen rechts- oder sittenwidrigen Inhalt (Bestätigung der Rechtsprechung). Der durch Bestechung eines Beamten bewirkte Vertrag fällt nur dann unter die Verbotsnormen von Art. 19 und 20 OR, wenn das strafbare Verhalten sich auf den Vertragsinhalt erstreckt (E. 5.2). Zustandekommen des Vertrages trotz Korruption (E. 6.2)? Unverbindlichkeit des Vertrages wegen absichtlicher Täuschung (E. 6.3)? Folgen der Vertragsanfechtung wegen eines Willensmangels. Grundsatz: Dahinfallen des Vertrages ex tunc (E. 7.1.1). Bei ganz oder teilweise abgewickelten Dauerschuldverhältnissen: Kündigung ex nunc (E. 7.1.2); Vorbehalt (E. 7.1.4). Unterschied zum faktischen Vertragsverhältnis (E. 7.1.3). Vergütung der erbrachten Leistungen (E. 7.2) und Schadenersatz (E. 7.3).

129 IV 124 () from 8. Januar 2003
Regeste: Art. 159 Abs. 1 aStGB; ungetreue Geschäftsführung. Die Entgegennahme von Schmiergeldern erfüllt den Tatbestand der ungetreuen Geschäftsführung nur, wenn der Geschäftsführer durch die Zuwendung zu einem Verhalten verleitet wird, das sich gegen die Vermögensinteressen des Geschäftsherrn richtet und sich schädigend auswirkt. Die blosse Verletzung der arbeitsvertraglichen Herausgabepflicht bleibt straflos (E. 4.1).

135 IV 76 (6B_466/2008) from 15. Dezember 2008
Regeste: Art. 146 Abs. 1 StGB; Anlagebetrug. Die aggressive mündliche Vermittlung von Aktienoptionen unter Verschleierung der von den Kunden tatsächlich erhobenen Kommissionen durch Telefonverkäufer, welche von den vermittelten Geschäften weitgehend nichts verstanden und über die Kommissionsstruktur selber im Irrtum waren, erfüllt den Tatbestand des Betruges. Dass die Opfer nachträglich aufgrund korrekt erstellter Abrechnungen die Höhe der Kommissionen hätten erkennen können, schliesst Arglist nicht aus (E. 5.3).

138 III 755 (4A_127/2012, 4A_141/2012) from 30. Oktober 2012
Regeste: Art. 400 Abs. 1 OR; Vermögensverwaltung durch eine Bank; Herausgabe von Vertriebsentschädigungen für Anlageprodukte. Herausgabepflicht für Bestandespflegekommissionen, die der vermögensverwaltenden Bank von konzernfremden Produktanbietern entrichtet werden (E. 4 und 5). Verzicht des Kunden auf Ablieferung der Vertriebsentschädigung (E. 6). Herausgabepflicht für Bestandespflegekommissionen, die der Bank für Produkte von Konzerngesellschaften zufliessen (E. 8).

138 V 235 (9C_560/2011) from 30. Mai 2012
Regeste: a Art. 52 und Art. 71 Abs. 1 BVG; Art. 50 Abs. 1 und 2 BVV 2; Verantwortlichkeit des Geschäftsführers einer Vorsorgeeinrichtung. Voraussetzungen einer Verantwortlichkeit des Organs einer Vorsorgeeinrichtung für die Anlage und Bewirtschaftung des Vorsorgevermögens (E. 4). Beurteilung im konkreten Fall (E. 5 und 6).

138 V 502 (9C_902/2011) from 26. November 2012
Regeste: Art. 331 OR; Art. 89bis Abs. 6 Ziff. 18 ZGB; Art. 71 BVG; Art. 57 BVV 2; patronaler Wohlfahrtsfonds; Finanzierung von Arbeitgeberbeiträgen aus freien Stiftungsmitteln; Anlagebeschränkungen. Das Heranziehen von freien Stiftungsmitteln, um Arbeitgeberbeiträge zu finanzieren, ist unzulässig, nachdem weder eine sog. Finanzierungsstiftung gegeben ist noch - bilanzmässig - eine Arbeitgeberbeitragsreserve ausgeschieden worden ist (E. 5). Die Anlagebeschränkungen von Art. 57 BVV 2 sind auch auf patronale Wohlfahrtsfonds anwendbar (E. 6.2). Für eine large(re) Handhabung bleibt höchstens Spielraum, wenn die Zahlungsfähigkeit des Schuldners längerfristig stabil erscheint (E. 6.3).

139 IV 209 (6B_491/2012) from 18. April 2013
Regeste: Einziehung (Art. 70 Abs. 1 StGB) und staatliche Ersatzforderung (Art. 71 Abs. 1 StGB) im Falle eines Vergleichs. Ein Vergleich steht der Einziehung nicht entgegen. Einzuziehen ist der durch die strafbare Handlung erlangte Vermögenswert unter Abzug der geleisteten Rückzahlung. Ist der Vermögenswert nicht mehr vorhanden, muss auf eine staatliche Ersatzforderung erkannt werden (E. 5).

141 IV 104 (6B_20/2015) from 16. März 2015
Regeste: Ungetreue Geschäftsbesorgung (Art. 158 StGB) zum Nachteil einer Einpersonen-AG. Die Aktiengesellschaft ist auch in der Form der Einpersonen-AG selbständige Vermögensträgerin, und ihr Vermögen ist nicht nur nach aussen, sondern auch im Verhältnis zu den einzelnen Gesellschaftsorganen ein fremdes. Die Einpersonen-AG ist auch für den Alleinaktionär jemand anderer. Handlungen des Verwaltungsrats zum Nachteil der Einpersonen-AG können den Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung erfüllen, auch wenn der Alleinaktionär darin einwilligt (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3).

142 IV 346 (6B_1203/2015, 6B_1210/2015) from 21. September 2016
Regeste: Art. 158 Ziff. 1 StGB; ungetreue Geschäftsbesorgung, Churning. Eine Vermögensverwaltung, mit welcher in einem Handelszeitraum von weniger als drei Monaten das vom Geschäftsherrn angelegte durchschnittliche Nettovermögen über 54 Mal umgesetzt wird und bei welcher die angefallenen Transaktionskosten rund 73 % des aus der Handelstätigkeit resultierenden Totalverlusts ausmachen, erfüllt als Kommissionsschinderei (Churning) den Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung (E. 3 und 4).

143 IV 179 (6B_1128/2016) from 15. Februar 2017
Regeste: Art. 391 Abs. 2 StPO; Verbot der reformatio in peius; Gehilfenschaft und Täterschaft. Das Verschlechterungsverbot ist nicht verletzt, wenn ein Verhalten statt als Gehilfenschaft zu einem Verbrechen als Vergehen in Haupttäterschaft qualifiziert wird. Eine Verurteilung als (Mit-)Täter wiegt gegenüber einer Verurteilung als Gehilfe nur schwerer, soweit die Verurteilungen denselben Straftatbestand beziehungsweise dieselbe Deliktskategorie betreffen. Die Gehilfenschaft zu einem Verbrechen bleibt trotz Strafmilderung ein Verbrechen und wiegt daher schwerer als ein Vergehen in der Begehungsform als Haupttäter (E. 1.5).

144 IV 17 (6B_1356/2017) from 17. Januar 2018
Regeste: Art. 105 Abs. 1 lit. f und Art. 383 Abs. 1 StPO; durch Verfahrenshandlungen beschwerte Dritte; Sicherheitsleistung im Rechtsmittelverfahren. Von einer Einziehung betroffene, selber nicht beschuldigte Personen nehmen am Strafverfahren als durch Verfahrenshandlungen beschwerte Dritte und damit als andere Verfahrensbeteiligte im Sinne von Art. 105 Abs. 1 lit. f StPO teil. Die Rechtsmittelinstanz darf von ihnen keine Sicherheitsleistung für allfällige Kosten und Entschädigungen verlangen. Art. 383 Abs. 1 StPO ist nicht analog anwendbar (E. 2).

144 IV 294 (6B_689/2016) from 14. August 2018
Regeste: Art. 158 Ziff. 1 StGB. Ungetreue Geschäftsbesorgung. Der Vermögensverwalter macht sich der ungetreuen Geschäftsbesorgung strafbar, wenn er seinen Kunden nicht über die Vergütungen oder Retrozessionen informiert, die er von der Depotbank erhält (E. 3).

146 IV 218 (1B_474/2019) from 6. Mai 2020
Regeste: Akteneinsichtsrecht; Geheimhaltungspflicht betreffend das Verfahren und die davon betroffenen Personen; Kommunikation zwischen der Verteidigung und ihrer Mandantschaft (Art. 73 Abs. 2, 101 Abs. 1, 102 Abs. 1, 108 und 128 StPO; Art. 398 Abs. 2 OR; Art. 12 BGFA). Die Untersuchungsleitung darf der Verteidigung nicht verbieten, die beschuldigte Person als Mandantin über den Inhalt von Dokumenten zu unterrichten, die sich in den Strafakten befinden. Ein solches Verbot würde die Ausübung des Mandates in einer mit den Berufsregeln der Verteidigung nicht zu vereinbarenden Weise einschränken. Eine Verpflichtung gemäss Art. 73 Abs. 2 StPO, über das Verfahren und die davon betroffenen Personen Stillschweigen zu bewahren, kann sich insbesondere nicht auf die interne Kommunikation zwischen der Rechtsvertretung und ihrer Mandantschaft erstrecken, und zwar egal, ob die Rechtsvertretung für eine beschuldigte Person, die Privatklägerschaft oder eine andere verfahrensbeteiligte Person erfolgt. Die Geheimhaltungsmassnahme nach Art. 73 Abs. 2 StPO zielt vielmehr darauf ab, die Kommunikation von geheimen Tatsachen nach Aussen, an nicht verfahrensbeteiligte Dritte, zu unterbinden (E. 3).

147 IV 36 (6B_895/2019) from 15. September 2020
Regeste: Art. 400 Abs. 3 lit. b und Art. 401 StPO; Art. 15 Abs. 2 StBOG; Umwandlung der Berufung in eine Anschlussberufung. Die gleichen Anträge einer Partei können nicht parallel Gegenstand einer Berufung und einer Anschlussberufung zur Berufung einer anderen Partei sein. Eine Berufung kann nach Ablauf der Frist für die Anschlussberufung gemäss Art. 400 Abs. 3 lit. b StPO daher nicht mehr gültig in eine Anschlussberufung umgewandelt werden (E. 2).

 

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