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Art. 18
Entschuldbarer Notstand 1 Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben. 2 War dem Täter nicht zuzumuten, das gefährdete Gut preiszugeben, so handelt er nicht schuldhaft. BGE
83 IV 9 () from 1. März 1957
Regeste: Art.18 Abs. 3, 117 StGB.Fahrlässige Tötung. 1. Wer gilt auf Berg- und Skifahrten, die von mehreren Personen ohne berufsmässigen Tourenleiter gemeinsam unternommen werden, als Führer der Partie? (Erw. 1). 2. Pflichten des Führers (Erw. 1 lit. a und b). 3. Fahrlässige Verletzung der Führerpflichten auf einer ins Hochgebirge und in Gletschergebiet unternommenen Tour (Erw. 2). 4. Rechtserheblicher Kausalzusammenhang zwischen Tat und Erfolg (Erw. 3).
83 IV 137 () from 20. September 1957
Regeste: Art. 125 Abs. 1StGB.Fahrlässige Körperverletzung. a) Verhältnis zu Art. 11 des Bundesgesetzes über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben (Erw. 1). b) Die Verschlimmerung einer bestehenden Krankheit ist Gesundheitsschädigung (Erw. 2). c) Kausalzusammenhang zwischen körperlicher Überanstrengung und Verschlimmerung der Krankheit (Erw. 3). d) Fahrlässigkeit des Dienstherrn (Erw. 4).
84 IV 60 () from 20. Juni 1958
Regeste: Art. 49 Abs. 3 MFV. Aufstellen eines Motorfahrzeuges an einer engen Strassenstelle; Wirkung des Parkverbotes auch ohne entsprechende Signalisation (Erw. 1). Art. 117, 125 Abs. 2, 237 Ziff. 2 StGB. Rechtserheblicher Kausalzusammenhang bei Mitverschulden; Unterbrechung der Ursachenfolge verneint (Erw. 3).
85 IV 76 () from 1. Mai 1959
Regeste: Art. 191 Ziff. 3 StGB. Wann ist der Irrtum über das Alter des Kindes vermeidbar?
85 IV 95 () from 26. Mai 1959
Regeste: 1. Art. 21 FischG, Art. 4 GSchG. Verhältnis dieser Bestimmungen zueinander (Erw. 1). 2. Deliktsfähigkeit der juristischen Personen. a) Die Strafdrohung des Art. 15 Abs. 1 GSchG richtet sich nur gegen natürliche Personen; juristische Personen können wegen Widerhandlungen gegen das GSchG nicht bestraft werden (Erw. 2). b) Die allgemeinen Bestimmungen des StGB schliessen in ihrem Anwendungsbereich die strafrechtliche Verurteilung juristischer Personen aus (Erw. 2 Abs. 4).
85 IV 182 () from 14. September 1959
Regeste: Art. 173 StGB, üble Nachrede. Auch wer sich in Wahrung berechtigter Interessen äussert, entgeht der Strafe nur, wenn er beweist, dass die Ausserung wahr ist oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten.
88 IV 100 () from 22. Oktober 1962
Regeste: Art. 125, 18 Abs. 3 StGB. Fahrlässige Körperverletzung. a) Der Bahnbeamte, der bahninterne Dienstvorschriften über das Ein- und Ausschalten des Stromes auf Freiverladegleisen verletzt, handelt nicht nur der Bahn, sondern auch der Allgemeinheit gegenüber pflichtwidrig (Erw. 2 a). b) Fahrlässigkeit des Bahnbeamten, wenn der verunfallte Bahnbenützer seinerseits Bahnvorschriften missachtet und sich unvorsichtig verhalten hat (Erw. 2 b). c) Adäquater Kausalzusammenhang (Erw. 3).
91 IV 181 () from 23. Dezember 1965
Regeste: Art. 18 Abs. 3 und 117 StGB. Fahrlässige Tötung. 1. Fahrlässiges Verhalten eines Bergführers, der als Leiter eines Gebirgskurses einen im Fels vorgefundenen Haken zum Abseilen verwenden lässt, ohne rechtzeitig für Sicherung zu sorgen (Erw. 1). 2. Adäquater Kausalzusammenhang zwischem diesem Verhalten und dem tödlichen Absturz eines Kursteilnehmers (Erw. 2).
92 IV 20 () from 22. April 1966
Regeste: 1. Art 277 ter Abs. 2 BStP, Art. 18 Abs. 3 StGB. Die vom Kassationshof in einem Rückweisungsentscheid getroffene Feststellung über die zulässige Reaktionszeit des Fahrzeugführers ist rechtlicher Natur und für die kantonale Behörde verbindlich. Eine weniger als eine halbe Sekunde dauernde Unaufmerksamkeit des Fahrzeugführers ist nicht als Fahrlässigkeit anrechenbar (Erw. 2). 2. Art. 33 Abs. 2 SVG, Art. 6 Abs. 1 VRV, Art. 125 Abs. 1 StGB. Das Stehenbleiben des Fussgängers auf dem Fussgängerstreifen darf im allgemeinen nicht als Verzicht auf das Vortrittsrecht ausgelegt werden. Kausalzusammenhang zwischen der Verletzung des Vortrittsrechts eines Fussgängers und der Körperverletzung eines andern, der, für sich allein betrachtet, nicht mehr vortrittsberechtigt gewesen wäre (Erw. 3).
94 IV 34 () from 22. März 1968
Regeste: Art. 13 lit. b UWG. Unrichtige oder irreführende Angaben. 1. Auslegung von Inseraten, in denen ein Radiohändler behauptet, dass er bestimmte Apparate zu den billigsten Preisen der Schweiz verkaufe; massgebend ist der Sinn, den der unbefangene Leser den Angeboten in guten Treuen beilegen darf (Erw. 1). 2. Der Vorsatz der Irreführung ist gegeben, wenn der Täter die Inserate erscheinen lässt, obschon er weiss oder nach den Umständen annehmen muss, das Publikum dadurch zu täuschen (Erw. 2 a). 3. Wer in Inseraten mutwillige Behauptungen aufstellt oder sich von unlauteren Werbemethoden anderer leiten lässt, kann sich nicht auf Rechtsirrtum berufen (Erw. 2 b).
95 IV 139 () from 5. Dezember 1969
Regeste: Art. 117 StGB, Art. 42 Abs. 1 SVG, Art. 85 Abs. 1 und 3 VRV. 1. Pflichtwidriges Verhalten des Lenkers einer 11 t schweren Strassenwischmaschine, die so viel Staub aufwirbelte, dass sie für nachfolgende Fahrer nicht mehr sichtbar war (Erw. 1). 2. Natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang zwischen diesem Verhalten und einem tödlichen Verkehrsunfall (Erw. 2).
96 IV 58 () from 5. Juni 1970
Regeste: Art. 181 StGB, Nötigung 1. Eine solche kann auch durch Androhung einer Unterlassung begangen werden (Erw. 2). 2. In der Drohung, der Strafantrag werde in einem bereits angehobenen Strafprozess nicht zurückgezogen, liegt die Androhung eines ernstlichen Nachteils (Erw. 3). 3. Wer zum Zwecke der Nötigung zwei an und für sich rechtmässige Handlungen miteinander verknüpft, ohne dass zwischen den beiden ein innerer Zusammenhang (Konnexität) besteht, handelt rechtswidrig (Erw. 4).
96 IV 99 () from 3. Juli 1970
Regeste: Art. 18 Abs. 2 StGB. Klarstellung des Begriffs des Eventualvorsatzes.
97 IV 39 () from 1. April 1971
Regeste: Art. 100 Ziff. 3 Abs. 1 und 2 SVG. Strafbarkeit auf Lernfahrten. Fall einer vom Ehemann begleiteten Fahrschülerin, die durch Seitenwind von der Fahrbahn getrieben wird.
97 IV 104 () from 14. Mai 1971
Regeste: Art. 276 Ziff. 1 Abs 1 StGB; Aufforderung zur Verletzung militärischer Dienstpflichten. 1. Begriff der Aufforderung zur Dienstverweigerung (Erw. 3 a, b). 2. Vorsatz (Erw. 4 b).
97 IV 169 () from 3. Dezember 1971
Regeste: Art. 18 Abs. 3, 117 StGB; fahrlässige Tötung, dadurch begangen, dass der Pilot anlässlich eines Fluges mit dem Helikopter nach Feststellung der ungewöhnlich raschen Abnahme des Treibstoffvorrates nicht rechtzeitig landete, was den Absturz des Flugzeuges zur Folge hatte.
98 IV 11 () from 3. März 1972
Regeste: 1. Art. 272 Abs. 1 und 2 BStP. Massgebende Urteilseröffnung für die Staatsanwaltschaft im Kanton Zürich (Erw. 1). 2. Art. 125 Abs. 2 StGB; fahrlässige Körperverletzung, dadurch begangen, dass der Halter eines Motorfahrzeuges dasselbe einem fahrunfähigen Lenker überlässt, der mit einem Fussgänger zusammenstösst. Natürliche Ursächlichkeit, adaequater Kausalzusammenhang (Erw. 3), Verschulden (Erw. 4).
98 IV 65 () from 7. Februar 1972
Regeste: Art. 18 Abs. 2 StGB. Willenselement beim einfachen (direkten) Vorsatz. An den Nachweis des Willens sind beim einfachen Vorsatz die gleichen Anforderungen zu stellen wie beim Eventualvorsatz. Es genügt, dass der deliktische Erfolg mitgewollt ist; er braucht nicht das vom Täter erstrebte Ziel zu sein.
98 IV 168 () from 4. September 1972
Regeste: Art. 18 Abs. 3, 117 StGB. Fahrlässige Tötung. 1. Fahrlässigkeit eines Skilager- bzw. Skitourenleiters im Hochgebirge (Erw. 4). 2. Rechtserheblicher Kausalzusammenhang zwischen Tat und Erfolg (Erw. 3).
100 IV 210 () from 9. September 1974
Regeste: Art. 18 Abs. 3, 117 StGB. Fahrlässige Tötung. 1. Fahrlässigkeit des faktischen Leiters einer Bergsteigergruppe im Hochgebirge (Erw. 2). 2. Rechtserheblicher Kausalzusammenhang zwischen Tat und Erfolg (Erw. 3).
101 IV 62 () from 4. Februar 1975
Regeste: 1. Art. 285 Ziff. 1 StGB. Gewalt gegen Beamte. "Tätlich angreifen" setzt nicht voraus, dass der körperliche Kontakt vom Täter ausgeht; entscheidend ist einzig, dass der Täter als erster gegen den Beamten während einer Amtshandlung tätlich wird (Erw. 2b). 2. Art. 18 Abs. 2 StGB. Vorsatz. Ein bestimmter Beweggrund gehört nicht dazu (wohl aber zur Absicht); das Handlungsmotiv kann denn auch ausserhalb des Vorsatzes liegen (Erw. 2c).
102 IV 94 () from 11. Juni 1976
Regeste: Art. 195 Abs. 2 StGB. 1. Zur Tat gehören auch die Begleitumstände der unzüchtigen Handlung (Erw. 4a). 2. Die Bestimmung setzt voraus, dass für den Täter eine besondere, erhebliche und naheliegende Gefahr für das Leben des Opfers erkennbar war (Erw. 4b). 3. Objektive und subjektive Voraussehbarkeit der Todesfolge (Erw. 5).
103 IV 65 () from 20. April 1977
Regeste: 1. Art. 18 Abs. 2 StGB. Eventualvorsatz ist auch dann gegeben, wenn dem Täter der als möglich vorausgesehene Erfolg an sich unerwünscht ist, er aber des primär erstrebten Erfolges wegen dennoch handelt (Erw. I 2). 2. Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1, Art. 126 StGB. Abgrenzung der einfachen Körperverletzung von der Tätlichkeit (Erw. II 2c).
103 IV 152 () from 1. Juli 1977
Regeste: 1. Kognition des Kassationshofes (Erw. I 4). 2. Art. 117 StGB. Fahrlässige Tötung in einer chemischen Fabrik? Verantwortlichkeit der Betriebschemiker. Rückweisung zur Abklärung der tatsächlichen Verhältnisse (Erw. I 1-5).
103 IV 289 () from 13. September 1977
Regeste: Art. 117 StGB; fahrlässige Tötung durch Unterlassung. 1. Die Frage, mit welch hoher Wahrscheinlichkeit die vom Täter erwartete, aber unterlassene Handlung den tödlichen Unfall abgewendet hätte, fällt in den Rahmen der natürlichen Kausalität und gehört damit in den Bereich des Tatsächlichen (E. 1). 2. Kausalzusammenhang bei Mitwirkung eines äusseren Faktors (Materialfehlers); Rechtserheblichkeit des Zusammenhanges zwischen vorgeworfener Unterlassung und eingetretenem Erfolg bejaht (E. 2). 3. Verschulden (E. 3).
104 IV 18 () from 31. Januar 1978
Regeste: Art. 238 Abs. 2, 18 Abs. 3 StGB, Störung des Eisenbahnverkehrs. 1. Falsche Weichenstellung, die bei Anwendung der nach den Umständen gebotenen und nach den persönlichen Verhältnissen zumutbaren Vorsicht hätte vermieden werden können (E. 2). 2. Auslegung und Anwendung eines allgemeinen Erfahrungsgrundsatzes (E. 3).
104 IV 175 () from 3. Mai 1978
Regeste: Art. 273 StGB. Wirtschaftlicher Nachrichtendienst; Art. 162 StGB. Verletzung des Geschäftsgeheimnisses. a) Geschäftsgeheimnis (Erw. 1b, c). b) Schutzwürdigkeit des Geheimhaltungsinteresses (Erw. 2). c) Zuständigkeit, Art. 7 StGB (Erw. 3). d) Vorsatz (Erw. 4). e) Rechtsirrtum, Art. 20 StGB (Erw. 5). f) Sachverhaltsirrtum, Art. 19 StGB (Erw. 6).
104 IV 206 () from 12. September 1978
Regeste: Art. 8 Abs. 5 und 6 BAV. Die zulässige Nutzlast für ein Sattelmotorfahrzeug entspricht der um die Sattellast verminderten Differenz zwischen Gesamt- und Leergewicht von Sattelschlepper und Sattelanhänger (E. 2).
105 IV 12 () from 1. März 1979
Regeste: Art. 18 Abs. 2, 71 Abs. 2, 148 Abs. 2 StGB. 1. Sowohl beim gewerbsmässigen wie beim fortgesetzten Delikt beginnt die Verjährung erst mit der Ausführung der letzten Teilhandlung (E. 4a). 2. Der Fortsetzungszusammenhang wird nicht unterbrochen, wenn ein gewerbsmässiger Betrüger zunächst mit Eventualvorsatz, in der Folge mit direktem Vorsatz handelt (E. 4b).
107 IV 205 () from 24. September 1981
Regeste: Art. 87 Abs. 3 AHVG. Zweckentfremdung von Arbeitnehmerbeiträgen. 1. Den objektiven Tatbestand dieser Bestimmung erfüllt der Arbeitgeber, der die tatsächlich vom Lohn abgezogenen Arbeitnehmerbeiträge nicht fristgerecht an die Ausgleichskasse überweist. Dass dem Arbeitgeber die dazu erforderlichen finanziellen Mittel fehlten und diese ihm auch nicht von Dritten zur Verfügung gestellt wurden, ist belanglos (E. 2a). Unerheblich ist auch, dass die Forderungen der Ausgleichskasse durch gepfändete Gegenstände gedeckt waren (E. 2b). 2. Ob der Arbeitgeber um die Strafbarkeit der Nichtbezahlung abgezogener Arbeitnehmerbeiträge wusste oder nicht, ist für die Beantwortung der Frage, ob er vorsätzlich handelte, ohne Bedeutung (E. 3).
108 IV 3 () from 28. Mai 1982
Regeste: Art. 117 StGB; fahrlässige Tötung in Form eines unechten Unterlassungsdelikts. 1. Ein medizinischer Laie, der für eine 10tägige totale Fastenkur (inkl. Flüssigkeitsentzug) aufgrund der konkreten Umstände die Verantwortung trägt, übernimmt dadurch eine Schutzfunktion, die seine Garantenstellung begründet. Von ihm ist objektiv zu erwarten, dass er bei Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Schutzbefohlenen einen Arzt beizieht (E. 1). 2. Bei fahrlässigen Erfolgsdelikten, die durch eine Unterlassung begangen werden, ist der Erfolg dem Täter dann zuzurechnen, wenn die erwartete Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der Erfolg höchstwahrscheinlich entfällt (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2).
109 IV 46 () from 10. Januar 1983
Regeste: Art. 305 StGB, Begünstigung. Ein Polizeibeamter, der unter Verletzung seiner dienstlichen Pflicht dafür sorgt, dass eine Strafanzeige nicht weitergeleitet wird, damit dem Betroffenen ein Strafverfahren erspart bleibt, macht sich der Begünstigung schuldig. Er kann sich nicht auf das Opportunitätsprinzip berufen.
110 IV 68 () from 29. Oktober 1984
Regeste: Art. 223 und 125 StGB. Fahrlässige Verursachung einer Explosion und fahrlässige schwere Körperverletzung. Wer als Betriebsleiter einem Dritten Geräte zur Verwendung von Flüssiggas überlässt, ohne ihn über die speziellen Unfallgefahren zu instruieren, verletzt seine Sorgfaltspflicht.
110 IV 74 () from 24. September 1984
Regeste: Art. 122 Ziff. 2 StGB: Schwere Körperverletzung mit Todesfolge. Der Täter, der die Möglichkeit des Todes als Folge der von ihm verursachten Körperverletzungen vorausgesehen hat (Tatfrage), handelt bewusst fahrlässig; wenn er diese Möglichkeit nicht vorausgesehen hat, aber nach den Umständen und den persönlichen Verhältnissen hätte erkennen müssen, dass seine Handlungen zum Tod des Opfers führen können (Rechtsfrage), legt er eine schuldhafte Sorglosigkeit (unbewusste Fahrlässigkeit) an den Tag.
111 IV 15 () from 8. Februar 1985
Regeste: Art. 125 Abs. 2 StGB; Verkehrssicherungspflicht für Skipisten. 1. Ein Skiliftmast mit scharfkantigen Verstrebungen, der sich unmittelbar neben einer präparierten Piste befindet und auf den sich der Hang zuneigt, bildet eine Gefahrenquelle, die zu sichern ist (E. 2). 2. Die Polsterung eines solchen Mastes ist eine zumutbare Sicherungsmassnahme (E. 2 in fine). 3. Der Sturz eines Skifahrers, der mit dem Hinterkopf auf dem Boden aufschlägt und in der Folge regungslos den steilen Pistenhang hinunterrutscht, ist keineswegs ein derart aussergewöhnliches Ereignis, dass damit nicht gerechnet werden müsste (E. 3).
112 V 156 () from 1. Juli 1986
Regeste: Art. 52 AHVG und Art. 82 AHVV. - Durch die Nichtbezahlung und die Verwirkung paritätischer Beiträge der Ausgleichskasse entstandener Schaden. In casu Haftung des Arbeitgebers bejaht. - Beginn der ein- und der fünfjährigen Verwirkungsfrist (Hinweis auf die Rechtsprechung).
113 IA 76 () from 27. März 1987
Regeste: Art. 6 Ziff. 2 EMRK, Art. 4 BV, Art. 158 StPO/VD; Kostenauflage bei Freispruch eines Beschuldigten wegen Unzurechnungsfähigkeit. Das Prinzip der Unschuldsvermutung steht der Auferlegung der Verfahrenskosten an einen Unzurechnungsfähigen nicht entgegen, wenn dieser sie objecktiv verursacht hat und dafür im kant. Recht eine gesetzliche Grundlage vorhanden ist (E. 1b). Art. 158 StPO/VD stellt für die Strafverfahrenskosten eine Billigkeitshaftung des Freigesprochenen auf, analog derjenigen gemäss Art. 54 OR. Sie sieht vor, dass aufgrund von Billigkeitsüberlegungen die Interessenabwägung eine volle oder teilweise Tragung der Kosten durch den Betroffenen rechtfertigt. Die Billigkeit verlangt insbesondere, dass seine finanzielle Lage mitberücksichtigt wird (E. 2a). Die Behörde, die die unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit notwendige Interessenabwägung unterlässt, verletzt Art. 4 BV (E. 2b).
115 IA 406 () from 15. Dezember 1989
Regeste: Gemeindeautonomie; kommunale Baubusse; Überprüfung durch das kantonale Verwaltungsgericht. Verletzung der Gemeindeautonomie. a) verneint in bezug auf die Rüge, das Verwaltungsgericht habe mit der Herabsetzung der durch die Gemeinde ausgefällten Baubusse seine Prüfungsbefugnis überschritten. Sowohl das kantonale Verfahrensrecht als auch Art. 6 Ziff. 1 EMRK erlauben und verlangen eine freie, umfassende gerichtliche Überprüfung des kommunalen Strafentscheides (E. 3a u. b); b) bejaht in bezug auf die Rüge, das Verwaltungsgericht habe in der Sache willkürlich entschieden. Anwendbarkeit der allgemeinen Bestimmungen des StGB auf die nach kommunalem Recht strafbaren Handlungen (E. 4a). Begriff der Gewinnsucht (E. 4b) und des Vorsatzes (E. 4c).
115 IV 189 () from 8. November 1989
Regeste: Art. 117 und 125 StGB; Verkehrssicherungspflicht der Bergbahn- und Skiliftunternehmen. Für Piste und Pistenrand einerseits sowie für Nebenflächen andererseits trifft die Verantwortlichen eine unterschiedliche Verkehrssicherungspflicht (Präzisierung der Rechtsprechung). Vor Gefahren auf Nebenflächen sind Skifahrer durch eine unmissverständliche Signalisation zu schützen, die sicherstellt, dass sie wissen, wo die offiziellen, gesicherten Pisten verlaufen (E. 3). Anforderungen an diese Signalisation, wenn "wilde Pisten" entstehen und auf diesen Lawinengefahr herrscht (E. 3d u. 5). "Abtretungsversuche" als ungenügende Vorkehrungen gegen die Lawinengefahr (E. 4).
115 IV 219 () from 21. September 1989
Regeste: Art. 194 StGB; widernatürliche Unzucht. Eine Person weiblichen Geschlechts, die sich als Mann betrachtet und mit einem unmündigen, mehr als 16 Jahre alten Mädchen unzüchtige Handlungen vornimmt, wobei sie diesem mit Erfolg ihre wahre Geschlechtsidentität verbirgt, macht sich der widernatürlichen Unzucht schuldig.
116 IV 19 () from 26. März 1990
Regeste: Art. 128 StGB; Unterlassen der Nothilfe. Die Rüge, es sei zu Unrecht kantonales statt eidgenössisches Recht angewendet worden, ist im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde zulässig (E. 1). Mit dem Inkrafttreten des neuen Art. 128 StGB haben die Kantone jegliche Gesetzgebungskompetenz in diesem Bereich verloren (E. 3).
116 IV 182 () from 30. November 1990
Regeste: Art. 18 Abs. 3, Art. 117 und Art. 237 Ziff. 2 StGB; fahrlässige Tötung, fahrlässige Störung des öffentlichen Verkehrs; Lawinenunglück. Sorgfaltspflichten der bei Lawinengefahr für das Schliessen einer öffentlichen Strasse Verantwortlichen (Dienstchef einer kantonalen Abteilung für Strassenunterhalt und Strassenmeister). Nach Verweigerung der Mittel für das Einrichten eines Lawinenbeobachtungs- und Sicherungsdienstes beschränkt sich die Sorgfaltspflicht auf das Erstellen eines einfachen Sicherheitsdispositivs (Instruktion der Kantoniere und Erkundigungen bei fachkundigen Informanten).
117 IV 58 () from 31. Januar 1991
Regeste: 1. Art. 19 Ziff. 1 BetmG; unbefugter Umgang mit Betäubungsmitteln. Widerhandlungen gegen Art. 19 Ziff. 1 Abs. 1 bis 6 BetmG sind abstrakte Gefährdungsdelikte, weshalb auch der Transport von Betäubungsmitteln in der Absicht, diese zu vernichten, tatbestandsmässig ist (E. 2 und 2a). 2. Art. 18 StGB; Prinzip des erlaubten Risikos. Ein tatbestandsmässiges Verhalten, das an sich aber eine sozial nützliche Tat darstellt (hier der Transport von Betäubungsmitteln, um diese zu vernichten), ist auch bei Vorsatz nicht rechtswidrig, wenn ein erlaubtes Risiko verwirklicht wird (E. 2b); Abwägung von Nutzen und Risiko nach den Umständen des Einzelfalles (E. 2c).
117 IV 270 () from 13. September 1991
Regeste: Art. 19 und Art. 177 StGB. Beschimpfung unter dem Einfluss eines Sachverhaltsirrtums (E. 2). Art. 49 Abs. 2 OR. Richterliche Zusprechung einer Genugtuung. Es verstösst nicht gegen Bundesrecht, auf die Leistung einer Genugtuung an einen Dritten (z.B. an eine wohltätige Organisation) statt an den Verletzten zu erkennen (E. 3e). Art. 277quater Abs. 2 BStP. Bedeutung der strafrechtlichen Entscheidung für den Zivilpunkt. Der Kassationshof tritt auf die Beschwerde im Zivilpunkt schon dann ein, wenn möglicherweise seine abweichende Beurteilung im Strafpunkt für die Entscheidung im Zivilpunkt von Bedeutung ist; es ist nicht erforderlich, dass insoweit Gewissheit bestehe (E. 3c und d).
119 IV 1 () from 15. April 1993
Regeste: Art. 123 und Art. 126 StGB: Abgrenzung zwischen einfacher Körperverletzung und Tätlichkeit (E. 4). Art. 18 StGB: Was der Täter wusste, wollte oder womit er einverstanden war, sind im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde prinzipiell nicht zu überprüfende Tatfragen. Rechtsfrage ist jedoch, ob im Lichte der von der kantonalen Instanz festgestellten Tatsachen der Schluss auf Eventualvorsatz berechtigt erscheint (E. 5).
119 IV 138 () from 10. Juni 1993
Regeste: Art. 187 Ziff. 4 StGB; sexuelle Handlungen mit Kindern, Irrtum über das Alter, Vermeidbarkeit. Wer unter den Umständen einer "Jugendliebe" nach mehrmaligem, bestimmtem Fragen nach dem Alter des Geschlechtspartners auf die erhaltene (falsche) Antwort vertraut, verletzt seine Sorgfaltspflichten nicht, wenn er keine weiteren Abklärungen über dessen Alter trifft.
119 IV 193 () from 30. August 1993
Regeste: Art. 18 Abs. 2 StGB; Vorsatz; mitgewollter strafbarer Erfolg. Vorsatz ist auch dann gegeben, wenn der Täter den deliktischen Erfolg, mag ihm dieser gleichgültig oder sogar unerwünscht sein, als notwendige Folge oder als Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks in seinen Entschluss miteinbezogen hat (Klarstellung der Rechtsprechung).
119 IV 242 () from 22. September 1993
Regeste: Art. 18 und 305bis Ziff. 1 StGB; Anlegen von Drogengeld, Vorsatz. Gegenstand der Geldwäscherei können alle Vermögenswerte sein, die aus einem Verbrechen herrühren; nicht erforderlich ist, dass sie weiteren Verbrechen dienen (E. 1b). Der Gesetzeswortlaut genügt dem Bestimmtheitsgebot (E. 1c). Das Anlegen von Geld, das aus qualifizierten Betäubungsmitteldelikten stammt, ist jedenfalls dann Geldwäscherei, wenn sich die Art und Weise, wie das Geld angelegt wird, von der einfachen Einzahlung von Bargeld auf ein Konto unterscheidet (E. 1d und e). Wissen um die verbrecherische Herkunft der Vermögenswerte; Inkaufnahme (E. 2).
119 IV 255 () from 10. November 1993
Regeste: Art. 31 Abs. 2 SVG, Art. 18 Abs. 3 und Art. 19 StGB; fahrlässiges Fahren in angetrunkenem Zustand, Bedeutung eines privaten Atemlufttests. Das Ergebnis eines Atemalkoholmessgeräts kann erheblich vom Resultat einer Blutprobe abweichen; Gründe (E. 2a). Dass Abweichungen vorkommen können und genossener Alkohol eine gewisse Zeit braucht, um vom Blut aufgenommen zu werden, gehört zum Allgemeinwissen (E. 2b). Annahme einer Sorgfaltspflichtverletzung, weil der Fahrzeuglenker aufgrund des Testergebnisses, des Allgemeinwissens und der persönlichen Verhältnisse seine Angetrunkenheit hätte erkennen und entsprechend handeln können (E. 2c).
120 IV 300 () from 21. September 1994
Regeste: Art. 18 Abs. 3 StGB; Art. 14 Abs. 1, Art. 37 aGSchG; Einbringen von Stoffen, die zur Gewässerverunreinigung geeignet; fahrlässige Widerhandlung gegen das Gewässerschutzgesetz vom 8. Oktober 1971. Begriff des Gewässers: Das Einbringen eines wassergefährdenden Stoffs in einen Abwasserlauf oder in eine Kläranlage kann strafbar sein, insbesondere wenn der Stoff in der Kläranlage nicht abzubauen ist (E. 3a). Die Einleitung von atrazinhaltigen Abwässern ohne Einleitungsbewilligung ist rechtswidrig (E. 3c). Ein Verstoss gegen eine arbeitsrechtliche Sorgfaltspflicht, die Bestandteil des betrieblichen Sicherheitsdispositivs ist und damit dem Gewässerschutz dient, begründet eine Sorgfaltspflichtverletzung im Sinne des Gewässerschutzgesetzes (E. 3d/aa). Werden mehrere Sicherheitssysteme hintereinander geschaltet, um den Ausfall des primären Systems nach dem Prinzip der Mehrfachsicherung durch ein sekundäres aufzufangen, kann sich der für das eine System Verantwortliche nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen (E. 3d/bb). Entsprechend ist der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Sorgfaltspflichtverletzung des für das primäre Sicherheitssystem Verantwortlichen und dem eingetretenen Erfolg auch dann zu bejahen, wenn die nachgeschalteten Sicherheitssysteme versagen (E. 3e).
120 V 224 () from 29. Juli 1994
Regeste: Art. 37 Abs. 2 und 3 UVG. - Zur Abgrenzung der Bestimmungen von Art. 37 Abs. 2 und 3 UVG (Erw. 2c). - Begriff des Vergehens gemäss Art. 37 Abs. 3 UVG (Erw. 2d). Art. 37 Abs. 3 UVG, Art. 91 Abs. 1 SVG, Art. 12 StGB, Art. 263 StGB. Kürzung oder Verweigerung von Geldleistungen nach Unfällen, die sich beim Führen eines Motorfahrzeuges in angetrunkenem Zustand ereignet haben (Erw. 3). Art. 37 Abs. 3 UVG. - Art. 37 Abs. 3 UVG räumt kein Entschliessungsermessen in dem Sinne ein, dass der UVG-Versicherer frei darüber entscheiden könnte, ob eine Sanktion zu verfügen ist oder nicht (Erw. 4b). - Bestätigung der SUVA-Praxis, wonach bei Unfällen unter Alkoholeinfluss der Kürzungssatz vom Ausmass der Trunkenheit abhängig ist (Erw. 4c).
121 IV 10 () from 20. Februar 1995
Regeste: Art. 18 und 117 StGB; Art. 1 und 3 STEG; Sorgfaltspflicht des Verkäufers eines technischen Gerätes (Hebebühne). Der Verkäufer eines Produkts, dessen Gebrauch mit Gefahren für Leben und Gesundheit verbunden sein kann, handelt pflichtwidrig unvorsichtig, wenn er dieses nicht einer umfassenden Funktionskontrolle unterzieht und auf allenfalls versteckte Mängel prüft (E. 3a).
121 IV 207 () from 13. Juli 1995
Regeste: Art. 2 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG; Art. 270 Abs. 1 BStP; Legitimation des Opfers zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde. Umstände unter denen es nicht notwendig ist, dass das Opfer im Strafverfahren Zivilforderungen aus strafbarer Handlung geltend gemacht hat (E. 1a). Art. 125 Abs. 2 StGB; schwere fahrlässige Körperverletzung. Schwere fahrlässige Körperverletzung, durch einen Polizeibeamten verursacht, der seine Pistole mit gespanntem Hahn in eine halb geöffnete Autotüre hält (E. 2b).
121 IV 249 () from 28. April 1995
Regeste: Art. 123 StGB; vorsätzliche einfache Körperverletzung beim Eishockey, Sorgfaltspflicht, stillschweigende Einwilligung in das Risiko? Einfache Körperverletzung anlässlich eines sportlichen Wettkampfes (hier: eines Eishockeyspiels): ob Eventualvorsatz oder bewusste Fahrlässigkeit vorliegt, hängt unter anderem von der Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung und von der dem Täter bekannten Nähe des Verletzungsrisikos ab; die Sorgfaltspflicht des Spielers bestimmt sich nach den einschlägigen Spielregeln und nach dem allgemeinen Grundsatz "neminem laedere" (E. 3). Wird eine auch den Schutz der Spieler vor Verletzungen bezweckende Spielregel absichtlich oder in grober Weise missachtet, so darf keine stillschweigende Einwilligung in das der sportlichen Tätigkeit innewohnende Risiko einer Körperverletzung angenommen werden (E. 4).
121 IV 286 () from 31. August 1995
Regeste: Art. 18 Abs. 3, 125 Abs. 2 StGB, Art. 32 SVG, Art. 4a Abs. 1 VRV; fahrlässige schwere Körperverletzung, Geschwindigkeitsüberschreitung; Kausalität. Voraussetzungen der Fahrlässigkeit (E. 3). Mit der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit darf nur unter günstigen Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen gefahren werden (E. 4b; Bestätigung der Rechtsprechung). Das überraschende Betreten des Fussgängerstreifens auf einer belebten Strasse zur Mittagszeit ist nicht derart aussergewöhnlich, dass damit schlechterdings nicht gerechnet werden müsste (E. 4b). Bei Kollisionen zwischen einem Personenwagen und einem Fussgänger ist der Erfolg der schweren Körperverletzung schon bei einer geringfügigen Herabsetzung der Fahrgeschwindigkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermeidbar. Fall eines Automobilisten, der mit 50 km/h eine Kollision verursacht hat, deren schwere Verletzungsfolgen bei einer Bremsausgangsgeschwindigkeit von 40 km/h vermeidbar gewesen wären (E. 4c).
122 IV 17 () from 16. Januar 1996
Regeste: Art. 125 StGB; fahrlässige Körperverletzung, adäquate Kausalität; Sorgfaltspflicht des Skifahrers. Skifahrer müssen immer damit rechnen, dass sie in unübersichtlichen Streckenabschnitten auf Hindernisse stossen wie z.B. auf dem Boden sitzende oder hingefallene Pistenbenützer, und ihre Geschwindigkeit so herabsetzen, dass sie an ihnen vorbeifahren können (E. 2b). Wer eine unübersichtliche Pistenkuppe zu schnell überfährt, so dass er dahinter sich befindenden Personen nicht mehr ausweichen kann, riskiert nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung, schuldhaft einen Unfall zu verursachen (E. 2c). Der Umstand, dass sich - aus welchem Grund auch immer - mehrere Personen unterhalb einer Pistenkuppe befinden, stellt nicht ein derart aussergewöhnliches, abwegiges und unvorhersehbares Verhalten dar, das alle anderen Unfallursachen, insbesondere das Auftauchen eines Skifahrers, der zu schnell fährt und nicht mehr anhalten oder ausweichen kann, völlig in den Hintergrund treten lässt (E. 2c).
122 IV 103 () from 1. Februar 1996
Regeste: Widerhandlungen gegen das Kriegsmaterialgesetz; Lieferungen der Firma Von Roll an den Irak. 1. Verfahren. a) Art. 125 ff. und 154 Abs. 1 BStP; vorfrageweise Überprüfung der Anklagezulassung? (E. I/1). b) Art. 85 Abs. 4, 162 und 181 BStP; Grundsätze für das Protokoll (E. I/3). c) Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Verletzung des Beschleunigungsgebotes durch systembedingte Mängel (E. I/4). d) Art. 160 und 164 Abs. 2 BStP; Berücksichtigung von Zeugenaussagen, die vor der Hauptverhandlung gemacht wurden (E. I/6). 2. Widerhandlungen gegen das KMG. a) Art. 1 KMG, Art. 1 Abs. 2 VKM; Kriegsmaterial (E. III). b) Art. 19 Abs. 2 KMG; fahrlässige Tat (E. IV/2). c) Art. 19 Abs. 1 KMG; vorsätzliche Tat (E. IV/3). d) Art. 19 KMG. Ein Unternehmen, das in der Stahlproduktion tätig ist und Bestandteile für Kriegsmaterial herstellt, ist verpflichtet, Sicherheitsvorkehren zu treffen, die nach Möglichkeit von vornherein Widerhandlungen gegen das KMG im Betrieb ausschliessen (E. VI/2 a/bb). Delegation (E. VI/2 a/dd). Pflichten des Konzernchefs (E. VI/2 c). Kausalität der Pflichtverletzung (E. VI/2 d). e) Art. 63 StGB; Strafzumessung (E. VII). f) Art. 20 KMG; Einziehung (E. VIII).
122 IV 225 () from 4. Juni 1996
Regeste: Art. 117 und Art. 18 Abs. 3 StGB, Art. 31 Abs. 1 SVG, Art. 3 Abs. 1 VRV; fahrlässige Tötung, Sorgfaltspflicht, Aufmerksamkeit im Strassenverkehr. Hat der Fahrzeugführer sein Augenmerk im wesentlichen auf bestimmte Stellen zu richten, so kann ihm für andere eine geringere Aufmerksamkeit zugebilligt werden (E. 2b, Bestätigung der Rechtsprechung). Wer am Steuer eines Sattelschleppers aus einem Stopsack heraus eine Strasse geradeaus überqueren will, muss seine Aufmerksamkeit in erster Linie dem vortrittsberechtigten Querverkehr zuwenden. Er ist nicht verpflichtet, danach Ausschau zu halten, ob sich allenfalls ein Mofafahrer in krasser Verletzung der Verkehrsregeln in den Verkehr einfüge (E. 2c).
122 IV 303 () from 26. September 1996
Regeste: Art. 18 Abs. 3 und Art. 117 StGB; fahrlässige Tötung, Sorgfaltspflicht des Lehrers auf einer Bergwanderung. Pflichten des Primarlehrers einer sechsten Klasse auf einem teilweise schneebedeckten Bergwanderweg in felsdurchsetztem Gelände; besonders im Hinblick auf das Traversieren eines abschüssigen Schneefeldes.
123 IV 88 () from 7. März 1997
Regeste: Art. 90 Ziff. 2 SVG, Art. 18 Abs. 3 StGB; grobe Verletzung von Verkehrsregeln durch eine Fahrradfahrerin. Eine erhöhte abstrakte Gefährdung der anderen Verkehrsteilnehmer im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG begründet eine Radfahrerin, die nach 08.00 Uhr bei nassen Witterungsverhältnissen auf eine unübersichtliche Dorfkreuzung zufährt, diese trotz Anhaltemöglichkeit mit geringer Geschwindigkeit bei Gelb überquert, und dabei mit einer korrekt fahrenden Automobilistin zusammenstösst (E. 3). Wer sich derart verhält, mag er auch die Möglichkeit der Schaffung einer Gefahr nicht bedacht haben, handelt rücksichtslos und damit grob fahrlässig (E. 4c).
123 IV 202 () from 5. Dezember 1997
Regeste: Art. 261bis Abs. 1 StGB und 4 StGB; Rassendiskriminierung. Der Tatbestand schützt die Würde des Einzelnen in seiner Eigenschaft als Angehöriger einer Rasse, Ethnie oder Religion. Strafbar macht sich, wer jemanden wegen einer zugeschriebenen Rasse, Ethnie oder Religion diskriminiert, unabhängig davon, ob solche Eigenschaften tatsächlich bestehen (E. 3a). "Aufrufen" ist auch als "aufreizen" zu verstehen (E. 3b). Als öffentlich gilt insbesondere, was sich an einen grossen Adressatenkreis richtet (E. 3d). Subjektiv setzt der Tatbestand vorsätzliches Handeln aus rassendiskriminierenden Beweggründen voraus (E. 4c).
125 IV 242 () from 20. Oktober 1999
Regeste: Schwere Körperverletzung (Art. 122 Abs. 1 StGB); Verbreiten menschlicher Krankheiten (Art. 231 Ziff. 1 StGB); Vorsatz (Art. 18 Abs. 2 StGB). Übertragung des HI-Virus durch ungeschützten Sexualkontakt. Die HIV-Infektion ist schon als solche objektiv eine schwere (lebensgefährliche) Körperverletzung und eine gefährliche übertragbare menschliche Krankheit (E. 2). Vorsatz im konkreten Fall bejaht (E. 3).
125 IV 255 () from 20. Oktober 1999
Regeste: Versuchte Tötung (Art. 22 StBG, Art. 111 StGB). Übertragung des HI-Virus durch ungeschützten Sexualkontakt. Tötungsversuch im konkreten Fall verneint.
126 IV 13 () from 10. November 1999
Regeste: Art. 117, 125 Abs. 1 und 2, 238 Abs. 2 StGB; Fahrlässigkeitshaftung des Vorwarners für einen Eisenbahnunfall. Der auf einer Arbeitsstelle des Baudienstes als Vorwarner handelnde Verbindungsmann, der sich im Funkverkehr nicht vergewissert, ob der Adressat seine Durchsage empfangen und verstanden hat, verletzt die Sprechdisziplin und haftet strafrechtlich für den auf diese Sorgfaltspflichtverletzung zurückzuführenden Eisenbahnunfall.
126 IV 91 () from 6. April 2000
Regeste: Art. 32 Abs. 1 SVG, 4 Abs. 1 VRV; Anpassung der Geschwindigkeit an die Sichtweite. Diese Regel gilt auch auf Autobahnen, insbesondere nachts beim Fahren mit Abblendlicht (E. 4; Bestätigung der Rechtsprechung).
126 IV 198 () from 13. März 2000
Regeste: Jedenfalls dann, wenn Hanfprodukte vertrieben werden, deren Gehalt an THC den gesetzlichen Grenzwert überschreitet, kann der subjektive Tatbestand auch in der Form des Eventualvorsatzes erfüllt werden (E. 2).
129 IV 6 () from 25. September 2002
Regeste: Art. 181 StGB (Nötigung); Art. 32-34 StGB (Rechtfertigungsgründe); Wahrnehmung berechtigter Interessen; Art. 20 StGB (Verbotsirrtum); Art. 48 Ziff. 2, Art. 63 StGB (Strafzumessung). Blockadeaktionen von "Greenpeace"-Aktivisten gegen die Kernkraftwerke Beznau, Gösgen und Leibstadt. Objektiver und subjektiver Tatbestand der Nötigung (E. 2). Prüfung der Rechtfertigungsgründe der Wahrnehmung berechtigter Interessen, der Notstandshilfe, der Putativnotwehr und der Gesetzespflicht (E. 3). Rechtswidrigkeit der Nötigung (E. 3.4-3.7). Voraussetzung für den Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen ist grundsätzlich, dass zuvor der Rechtsweg mit legalen Mitteln beschritten und ausgeschöpft worden ist. Die inkriminierte Handlung muss ein zum Erreichen des angestrebten berechtigten Ziels notwendiges und angemessenes Mittel darstellen und offenkundig weniger schwer wiegen als die Interessen, die der Täter zu wahren sucht. Dies gilt auch, wenn vermeintliche Missstände öffentlich gemacht werden sollen (E. 3.3). Verbotsirrtum (E. 4). Substanziierungsanforderungen der Nichtigkeitsbeschwerde (E. 5). Strafzumessung (E. 6).
129 IV 119 () from 23. Dezember 2002
Regeste: Art. 125 StGB; Sorgfaltspflichtverletzung. Unterscheidung zwischen Begehungs- und Unterlassungsdelikt (E. 2.2). Der Direktor einer Firma, die Kontakte zwischen Sportveranstaltern und potentiellen Kunden vermittelt und entsprechende sportliche Aktivitäten organisiert, verletzt seine Sorgfaltspflicht, wenn er einen Sportveranstalter empfiehlt, der nicht über die notwendigen amtlichen Bewilligungen verfügt (E. 2.3 und 2.4).
129 IV 238 () from 4. April 2003
Regeste: Art. 305bis Ziff. 1, Art. 19 Abs. 1 und Art. 20 StGB; Geldwäscherei, irrige Vorstellung über den Sachverhalt, Rechtsirrtum. Wer fälschlicherweise der Überzeugung ist, aus dem Drogenhandel stammende Vermögenswerte seien wegen Zeitablaufs nicht mehr einziehbar, handelt in einem Sachverhaltsirrtum (E. 3).
129 IV 276 () from 8. September 2003
Regeste: Art. 221, 222 und 335 Ziff. 1 StGB; kantonale Strafbestimmungen im Bereich der Feuerpolizei. Zulässigkeit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde zur Rüge, kantonale Normen griffen in den vom Bundesstrafrecht abschliessend geregelten Bereich ein (E. 1). Befugnis der Kantone, die Missachtung von Vorschriften über die Brandbekämpfung mit Strafe zu bedrohen (E. 2).
129 IV 282 () from 26. Mai 2003
Regeste: Art. 26 Abs. 2 SVG, Art. 4 Abs. 3 und Art. 29 Abs. 2 VRV; Sorgfaltspflichten gegenüber Kindern im Strassenverkehr. Die vom Fahrzeuglenker auf Grund von Art. 26 Abs. 2 SVG gegenüber einem Kind aufzubringende erhöhte Sorgfalt (Misstrauensgrundsatz) ist auch zu beachten, wenn es von einer erwachsenen Person begleitet wird. Der Lenker darf auf korrektes Verhalten nur vertrauen, wenn die Begleitperson das Kind, das eine Strasse überqueren will, erkennbar an der Hand oder in anderer Weise fest hält (E. 2 und 3).
129 V 354 () from 25. Juni 2003
Regeste: Art. 7 Abs. 1 IVG: Kürzung der Leistungen. Die Leistungen werden gekürzt, wenn die versicherte Person die Invalidität durch einen Unfall wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand selbst herbeigeführt hat. Dies gilt selbst dann, wenn der Strafrichter zufolge schwerer Betroffenheit gemäss Art. 66bis StGB von der Strafverfolgung abgesehen hat. In analoger Anwendung der Praxis der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt ist der Umfang der Kürzung auch im Bereich der Invalidenversicherung von der Blutalkoholkonzentration abhängig.
130 IV 7 () from 28. November 2003
Regeste: Art. 125 Abs. 2 StGB; fahrlässige schwere Körperverletzung; Sorgfaltspflichten des Notfallarztes. Anforderungen an die ärztliche Sorgfaltspflicht (E. 3.3 und 4.3). Der Arzt darf sich bei einer Verdachtsdiagnose nicht auf einzelne Auskünfte beschränken, sondern muss sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Informationen berücksichtigen (E. 4.3). Bei Notfällen ist bei der Bemessung der Anforderungen an die Sorgfaltspflicht der zeitlichen Dringlichkeit Rechnung zu tragen (E. 4.3).
130 IV 58 () from 26. April 2004
Regeste: Art. 111 und 18 Abs. 2 StGB; vorsätzliche Tötung; Eventualvorsatz. Abgrenzung von Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit bei einem tödlich verlaufenen Raserunfall (E. 8 und 9).
130 IV 121 () from 17. Juni 2004
Regeste: Art. 322bis in Verbindung mit Art. 27 Abs. 2 StGB; Nichtverhinderung einer strafbaren Veröffentlichung. Allgemeine Grundsätze der letzten Revision des Medienstraf- und Verfahrensrechts. Die Strafbarkeit gemäss Art. 322bis StGB ist subsidiär zu derjenigen des Autors der Veröffentlichung und kommt nur in Betracht, wenn mittels einer solchen Veröffentlichung eine strafbare Handlung begangen wurde (E. 1.3). Beziehung zwischen dem Delikt der Nichtverhinderung einer strafbaren Veröffentlichung und demjenigen der üblen Nachrede (Art. 173 StGB). Der Verantwortliche gemäss Art. 322bis StGB hat das Recht, unter den im Ehrverletzungstatbestand vorgesehenen Bedingungen den Wahrheitsbeweis zu erbringen (E. 1.6). Sein allfälliger guter Glaube ist unter dem Gesichtswinkel der fahrlässigen Begehung gemäss Art. 322bis Satz 2 StGB zu berücksichtigen (E. 1.8). Bei Antragsdelikten ist es nur zulässig, subsidiär gegen den Verantwortlichen gemäss Art. 322bis StGB vorzugehen, wenn vorher gegen den Autor der Veröffentlichung Strafantrag gestellt wurde. Wenn der Autor nicht ermittelt oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden kann, wird von Amtes wegen das Verfahren wegen Nichtverhinderung einer strafbaren Veröffentlichung durchgeführt (E. 2.3).
131 IV 1 () from 27. Oktober 2004
Regeste: Schwere Körperverletzung (Art. 122 Abs. 1 StGB); Verbreiten menschlicher Krankheiten (Art. 231 Ziff. 1 StGB); Vorsatz (Art. 18 Abs. 2 StGB); Versuch (Art. 21 f. StGB). Ungeschützte Sexualkontakte einer HIV-infizierten Person. Die HIV-Infektion ist schon als solche objektiv eine schwere (lebensgefährliche) Körperverletzung (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 1). Vorsatz im konkreten Fall bejaht (E. 2). Eine Verurteilung der HIV-infizierten Person wegen (versuchter) schwerer Körperverletzung fällt ausser Betracht, wenn der Partner in Kenntnis der Infektion und des Übertragungsrisikos freiverantwortlich mit dem ungeschützten Sexualkontakt einverstanden ist und das Geschehen mitbeherrscht (E. 3). Wer durch ungeschützte Sexualkontakte das HI-Virus auf einen andern überträgt, erfüllt auch den Tatbestand des Verbreitens menschlicher Krankheiten (Bestätigung der Rechtsprechung). Das Einverständnis des Partners schliesst insoweit die Tatbestandsmässigkeit und die Rechtswidrigkeit nicht aus (E. 4).
133 IV 1 () from 28. Dezember 2006
Regeste: Versuchte Tötung (Art. 111 i.V.m. Art. 22 StGB); Gefährdung des Lebens (Art. 129 StGB). Versuchte Tötung mangels Eventualvorsatzes verneint im Fall der von einem Fahrzeuglenker auf der Autobahn absichtlich herbeigeführten seitlichen Kollision mit einem andern Fahrzeuglenker. Der Beschuldigte durfte im konkreten Fall darauf vertrauen, dass der Betroffene - wie es auch geschah - den infolge der Kollision leicht ins Schleudern geratenen Personenwagen rasch wieder stabilisieren könne, so dass die seitliche Kollision, von einem geringfügigen Sachschaden abgesehen, folgenlos blieb (E. 4). Gefährdung des Lebens hingegen bejaht (E. 5).
133 IV 9 () from 21. Januar 2007
Regeste: Eventualvorsatz (Art. 18 Abs. 2 StGB) bei Strassenverkehrsunfall mit Verletzungs- und Todesfolgen. Eventualvorsatz hinsichtlich der Todes- und Verletzungsfolgen unter den gegebenen konkreten Umständen verneint im Fall eines Fahrzeuglenkers, der auf einem gerade verlaufenden und übersichtlichen Streckenabschnitt ausserorts seine Geschwindigkeit beschleunigte, als ihn ein anderer Fahrzeuglenker überholen wollte, welcher seinerseits trotz des nahenden Gegenverkehrs sein Überholmanöver nicht abbrach, sondern seine Geschwindigkeit ebenfalls erhöhte, so dass es schliesslich zur Frontalkollision zwischen dem überholenden und dem entgegenkommenden Fahrzeug mit Todes- und Verletzungsfolgen kam (E. 4).
134 IV 149 () from 6. Dezember 2007
Regeste: Art. 125 und 18 Abs. 3 StGB; fahrlässige Körperverletzung; Selbstgefährdung des Verletzten. Wer an einer eigenverantwortlich gewollten Selbstgefährdung lediglich mitwirkt, macht sich grundsätzlich nicht strafbar, wenn sich das mit der Gefährdung bewusst eingegangene Risiko realisiert (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 4). Strafbarkeit der Organisatorin eines Feuerlaufseminars verneint, weil ihre Mitwirkung ohne Einfluss auf das Gefährdungsgeschehen blieb und sie das Verbrennungsrisiko nicht besser erfasste als die Feuerläuferinnen (E. 5).
134 IV 193 (6B_235/2007) from 13. Juni 2008
Regeste: a Willkür in der Beweiswürdigung (Art. 9 BV). Natürlicher Kausalzusammenhang zwischen ungeschütztem Geschlechtsverkehr und HIV-Infektion. Tragweite wissenschaftlicher Gutachten für den Nachweis der direkten Übertragung des HI-Virus (E. 4).
136 IV 55 (6B_238/2009) from 8. März 2010
Regeste: Art. 19 Abs. 2, Art. 47 und 50 StGB; Strafzumessung bei verminderter Schuldfähigkeit; Begründungspflicht. Ausgehend von der objektiven Tatschwere hat der Richter das (subjektive) Tatverschulden zu bewerten. Dabei hat er (auch) die verminderte Schuldfähigkeit zu berücksichtigen. Er muss dartun, in welchem Umfange sich diese verschuldensmindernd auswirkt (E. 5.5 und 5.6). Die Gesamteinschätzung des Tatverschuldens ist im Urteil zu benennen, damit überprüft werden kann, ob die daraus resultierende (hypothetische) Strafe angemessen ist und mit der durch den gesetzlichen Strafrahmen zum Ausdruck gebrachten Abstufung des Unrechtsgehaltes übereinstimmt (E. 5.7). Die tat- und täterangemessene Strafe für eine einzelne Tat ist grundsätzlich innerhalb des ordentlichen Strafrahmens festzusetzen. Dieser ist nur zu verlassen, wenn aussergewöhnliche Umstände vorliegen und die für die betreffende Tat angedrohte Strafe im konkreten Fall zu hart bzw. zu milde erscheint. Die Frage einer Unterschreitung des ordentlichen Strafrahmens kann sich stellen, wenn verschuldens- bzw. strafreduzierende Faktoren zusammentreffen, die einen objektiv an sich leichten Tatvorwurf weiter relativieren, so dass eine Strafe innerhalb des ordentlichen Rahmens dem Rechtsempfinden widerspräche. Die verminderte Schuldfähigkeit allein führt deshalb grundsätzlich nicht dazu, den ordentlichen Strafrahmen zu unterschreiten. Dazu bedarf es weiterer, ins Gewicht fallender Umstände, die das Verschulden als besonders leicht erscheinen lassen (E. 5.8).
138 V 74 (9C_131/2011) from 19. Dezember 2011
Regeste: a Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK; Art. 25 Abs. 2 zweiter Satz ATSG; Unschuldsvermutung, "in dubio pro reo"; Rückerstattung unrechtmässig bezogener Sozialversicherungsleistungen, längere strafrechtliche Verjährungsfrist. Die verfassungsmässigen Anforderungen an die Beweiswürdigung im Strafprozess gelten auch im sozialversicherungsgerichtlichen Rückerstattungsverfahren, wenn es um die vorfrageweise vorzunehmende Prüfung geht, ob sich der Rückforderungsanspruch aus einer strafbaren Handlung herleite, für welche das Strafrecht eine längere Verjährungsfrist als diejenigen von Art. 25 Abs. 2 erster Satz ATSG vorsieht (E. 7). |