Schweizerisches Strafgesetzbuch

vom 21. Dezember 1937 (Stand am 22. November 2022)


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Art. 188

Se­xu­el­le Hand­lun­gen mit Ab­hän­gi­gen

 

1. Wer mit ei­ner min­der­jäh­ri­gen Per­son von mehr als 16 Jah­ren, die von ihm durch ein Er­zie­hungs-, Be­treu­ungs- oder Ar­beits­ver­hält­nis oder auf an­de­re Wei­se ab­hän­gig ist, ei­ne se­xu­el­le Hand­lung vor­nimmt, in­dem er die­se Ab­hän­gig­keit aus­nützt,

wer ei­ne sol­che Per­son un­ter Aus­nüt­zung ih­rer Ab­hän­gig­keit zu ei­ner se­xu­el­len Hand­lung ver­lei­tet,

wird mit Frei­heits­s­tra­fe bis zu drei Jah­ren oder Geld­stra­fe be­straft.

2.230 Ist die ver­letz­te Per­son mit dem Tä­ter ei­ne Ehe oder ei­ne ein­ge­tra­ge­ne Part­ner­schaft ein­ge­gan­gen, so kann die zu­stän­di­ge Be­hör­de von der Straf­ver­fol­gung, der Über­wei­sung an das Ge­richt oder der Be­stra­fung ab­se­hen.

230 Fas­sung ge­mä­ss An­hang Ziff. 18 des Part­ner­schafts­ge­set­zes vom 18. Ju­ni 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2005 5685; BBl 2003 1288).

BGE

98 IV 97 () from 13. Juni 1972
Regeste: 1. Art. 187 Abs. 2 StGB. Die Gewaltanwendung des Täters muss die Widerstandskräfte der Frau in einem solchen Masse lahmlegen, dass irgendwelche Bewegungen, zu denen das Opfer noch fähig ist, das Vorhaben des Angreifers weder zu vereiteln noch zu beeinträchtigen vermögen (Erw. 1). 2. Art. 187 StGB schliesst die Anwendung von Art. 182 Ziff. 2 Abs. 1 StGB aus, wenn zwischen der Freiheitsberaubung und der Notzucht ein derart enger räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass die Handlungen des Täters bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen (Erw. 2).

103 IV 167 () from 29. April 1977
Regeste: Unzucht. Eine Handlung kann nur dann unzüchtig sein, wenn sie den geschlechtlichen Anstand verletzt. Das Vorzeigen des Gesässes ist deshalb nicht unzüchtig, sofern es nicht auf ein geschlechtliches Verhalten hinweist.

107 IV 178 () from 9. Dezember 1981
Regeste: Art. 187 Abs. 2 StGB. Sofern die Frau bei klarem Bewusstsein am Widerstand gehindert wird, muss dem Täter auch während der Unzuchtshandlung die Herrschaft über sein Zwangsmittel verbleiben. Als solches kommt alles in Frage, was geeignet ist, beim Opfer den Zustand der Widerstandsunfähigkeit hervorzurufen.

120 IV 194 () from 17. Juni 1994
Regeste: Art. 187, 191 StGB; Konkurrenz zwischen sexuellen Handlungen mit Kindern und Schändung. Wird ein Kind zu sexuellen Handlungen missbraucht, bezüglich welcher es altersbedingt nicht urteilsfähig ist, so ist zwischen den Art. 187 und 191 StGB Idealkonkurrenz anzunehmen (E. 2b).

126 IV 124 () from 5. Juni 2000
Regeste: Art. 190 StGB; Vergewaltigung in der Ehe; psychisches Unterdrucksetzen. Als Nötigungsmittel kommen fortlaufendes Drangsalieren und anhaltender Psychoterror in Betracht (E. 3b). Der Tatbestand kann erfüllt sein, wenn sich das Opfer in einer ausweglosen Situation befindet, in der es ausser Stande ist, sich zu widersetzen (E. 3c). Der Tatbestand der Vergewaltigung, begangen gegenüber der Ehefrau, beurteilt sich nach den gleichen Kriterien wie eine Vergewaltigung gegenüber einer anderen Frau (E. 3d).

126 IV 136 () from 10. April 2000
Regeste: Art. 219, 189, 190 und 68 Ziff. 1 StGB; Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung; unechte Konkurrenz. Erfüllt ein Verhalten sowohl den Tatbestand der Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht (Art. 219 StGB) als auch den Tatbestand der sexuellen Nötigung (Art. 189 StGB) oder der Vergewaltigung (Art. 190 StGB), so liegt unechte Konkurrenz vor, wobei Art. 219 StGB durch Art. 189 bzw. Art. 190 StGB konsumiert wird.

128 III 113 () from 6. Dezember 2001
Regeste: Eheverbot zwischen Stiefelter und Stiefkind (Art. 95 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB, Art. 12 EMRK). Das Eheverbot zwischen Stiefelter und Stiefkind, das in seiner heutigen Fassung gemäss Art. 95 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB am 1. Januar 2000 in Kraft getreten ist, lässt nach dem Willen des Gesetzgebers die Eheschliessung auch dann nicht zu, wenn aus der Beziehung zwischen Stiefelter und Stiefkind Kinder hervorgegangen sind (E. 2). Das Verbot der Eheschliessung zwischen Stiefelter und Stiefkind ist mit Art. 12 EMRK vereinbar (E. 3-5).

128 IV 97 () from 20. März 2002
Regeste: Sexuelle Nötigung, psychischer Druck (Art. 189 Abs. 1 StGB); Strafzumessung (Art. 63 StGB). Voraussetzungen für die Annahme eines psychischen Drucks bei kindlichen Opfern (E. 2a und b; Bestätigung und Verdeutlichung der Rechtsprechung). Eine sexuelle Nötigung unter Anwendung psychischen Drucks wiegt nicht prinzipiell leichter als eine mit Gewalt oder Drohungen begangene Tat (E. 3a). Vorverurteilungen von Tatverdächtigen durch die Medien sind angemessen strafmindernd zu berücksichtigen. Offen gelassen, ob auch nicht vorverurteilenden Eingriffen durch die Medien bei der Strafzumessung Rechnung zu tragen ist (E. 3b).

131 I 476 () from 12. Oktober 2005
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 i.V.m. Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK; Art. 32 Abs. 2 BV; Art. 5 Abs. 4 und 5, Art. 7 Abs. 2, Art. 10b Abs. 1 und 3 OHG; § 107 Abs. 2 StPO/AG; Anspruch auf Befragung des minderjährigen Opferzeugen; Zeugnisverweigerung. Der Anspruch, dem Belastungszeugen Fragen stellen zu können, ist dann absolut, wenn das Zeugnis für den Schuldspruch ausschlaggebend ist (E. 2.2). Dieser Anspruch wird verletzt, wenn der Zeuge über vier Jahre nach der ersten Befragung jegliche ergänzende Aussage verweigert und das Gericht gleichwohl auf die erste, beweismässig entscheidende Aussage abstellt (E. 2.3.4).

139 IV 84 (6B_434/2012) from 14. Dezember 2012
Regeste: Art. 115, Art. 118 Abs. 1, Art. 119 Abs. 2 lit. a und Art. 382 Abs. 1 und 2 StPO; Legitimation der Privatklägerschaft zur Berufung im Schuldpunkt; Auswirkungen der Gutheissung einer solchen Berufung auf die Strafe. Die Privatklägerschaft ist unabhängig von der Geltendmachung von Zivilansprüchen zur Berufung im Schuldpunkt legitimiert, und sie kann damit nicht nur einen Freispruch, sondern auch die rechtliche Qualifikation der der beschuldigten Person vorgeworfenen Tat durch die erste Instanz anfechten (E. 1.1). Im Fall der Gutheissung der Berufung der Privatklägerschaft im Schuldpunkt muss das Berufungsgericht eine dem abgeänderten Schuldspruch entsprechende neue und gegebenenfalls im Vergleich zur ersten Instanz strengere Sanktion ausfällen (E. 1.2).

 

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