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Art. 193
Ausnützung der Notlage 1 Wer eine Person veranlasst, eine sexuelle Handlung vorzunehmen oder zu dulden, indem er eine Notlage oder eine durch ein Arbeitsverhältnis oder eine in anderer Weise begründete Abhängigkeit ausnützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. 2 Ist die verletzte Person mit dem Täter eine Ehe oder eine eingetragene Partnerschaft eingegangen, so kann die zuständige Behörde von der Strafverfolgung, der Überweisung an das Gericht oder der Bestrafung absehen.236 236 Fassung gemäss Anhang Ziff. 18 des Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2005 5685; BBl 2003 1288). BGE
92 II 15 () from 1. Februar 1966
Regeste: Haftung für Hilfspersonen, Art. 101 OR. Berufung, Anforderungen an den Berufungsantrag (Erw. 1). Begriff des Handelns der Hilfsperson in Ausübung ihrer Verrichtungen (Erw. 2-5).
124 IV 13 () from 12. Januar 1998
Regeste: Art. 197 aStGB; Missbrauch der Abhängigkeit einer Frau. Zwischen einem Psychotherapeuten und seiner Klientin besteht ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne von Art. 197 Abs. 1 aStGB (E. 2c). Art. 9 Abs. 1 OHG; Beurteilung der Zivilansprüche durch das Strafgericht bei Freispruch. Bei einem Freispruch ist das Strafgericht nach OHG nicht verpflichtet, über Zivilansprüche des Opfers zu entscheiden; das OHG schliesst diese Möglichkeit aber nicht aus (E. 3c).
126 I 68 () from 22. Mai 2000
Regeste: Art. 29 Abs. 2 BV; Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK; § 182 StPO/ZH. Heilung einer Gehörsverweigerung; Garantie des unparteiischen Richters; Unvoreingenommenheit. Die Voraussetzungen für die Heilung einer Gehörsverweigerung im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde sind vorliegend erfüllt (E. 2). Keine unzulässige Vorbefassung eines Gerichtes, das sich nach der Hauptverhandlung von der Schuld des Angeklagten überzeugt zeigt, das Urteil aussetzt und die Anklage zur (geringfügigen) Verbesserung zurückweist, wie dies von § 182 Abs. 3 StPO/ZH vorgesehen wird (E. 3, 4).
126 IV 124 () from 5. Juni 2000
Regeste: Art. 190 StGB; Vergewaltigung in der Ehe; psychisches Unterdrucksetzen. Als Nötigungsmittel kommen fortlaufendes Drangsalieren und anhaltender Psychoterror in Betracht (E. 3b). Der Tatbestand kann erfüllt sein, wenn sich das Opfer in einer ausweglosen Situation befindet, in der es ausser Stande ist, sich zu widersetzen (E. 3c). Der Tatbestand der Vergewaltigung, begangen gegenüber der Ehefrau, beurteilt sich nach den gleichen Kriterien wie eine Vergewaltigung gegenüber einer anderen Frau (E. 3d).
128 IV 97 () from 20. März 2002
Regeste: Sexuelle Nötigung, psychischer Druck (Art. 189 Abs. 1 StGB); Strafzumessung (Art. 63 StGB). Voraussetzungen für die Annahme eines psychischen Drucks bei kindlichen Opfern (E. 2a und b; Bestätigung und Verdeutlichung der Rechtsprechung). Eine sexuelle Nötigung unter Anwendung psychischen Drucks wiegt nicht prinzipiell leichter als eine mit Gewalt oder Drohungen begangene Tat (E. 3a). Vorverurteilungen von Tatverdächtigen durch die Medien sind angemessen strafmindernd zu berücksichtigen. Offen gelassen, ob auch nicht vorverurteilenden Eingriffen durch die Medien bei der Strafzumessung Rechnung zu tragen ist (E. 3b).
128 IV 106 () from 20. März 2002
Regeste: Art. 189 Abs. 1, Art. 190 Abs. 1 StGB, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung, psychisches Unterdrucksetzen; Art. 193 Abs. 1 StGB, Ausnützen der Notlage. Anforderungen an das Nötigungsmittel des Unter-psychischen-Druck-Setzens bei erwachsenen Opfern (E. 3a). Ausnützen einer Abhängigkeit. Eine in anderer Weise begründete Abhängigkeit im Sinne von Art. 193 StGB kann zwischen einem Psychotherapeuten und seiner Patientin bestehen. Abgrenzung zwischen therapiebedingter Abhängigkeit und psychischem Druck gemäss Art. 189 und 190 StGB (E. 3b und c).
131 IV 114 () from 25. April 2005
Regeste: Art. 193 Abs. 1 StGB; Ausnützung der Notlage (Abhängigkeit) des Patienten durch einen Psychiater. Zwischen Psychiater und Patient besteht nicht zwingend eine Abhängigkeit im Sinne von Art. 193 StGB. Ob dies der Fall ist und die Steuerungsfähigkeit des Patienten in Bezug auf das Eingehen sexueller Kontakte mit dem Therapeuten erheblich eingeschränkt war, muss nach den Umständen des Einzelfalls geprüft werden (E. 1). Abhängigkeit im konkreten Fall bejaht (E. 2). Offen gelassen, ob ein Ausnützen eines Abhängigkeitsverhältnisses generell auszuschliessen ist, wenn der Anstoss zu den sexuellen Kontakten vom Patienten ausgeht (E. 2.3).
131 IV 167 () from 25. Mai 2005
Regeste: Art. 189 Abs. 1 und Art. 190 Abs. 1 StGB; Nötigung und Vergewaltigung, psychischer Druck. Anforderungen an die Intensität des psychischen Drucks beim erwachsenen Opfer. Bejaht bei Drohungen, die Gewaltakte gegen dem Opfer nahestehende Personen befürchten lassen. Zumutbarkeit von Selbstschutzmassnahmen (E. 2 und 3).
133 IV 49 () from 15. Februar 2007
Regeste: Ausnützung der Notlage bzw. Abhängigkeit (Art. 193 StGB); sexuelle Nötigung (Art. 189 StGB); Schändung (Art. 191 StGB). Angriffe auf die sexuelle Freiheit und Ehre; Systematik des Gesetzes (E. 4). Eine physiotherapeutische Behandlung begründet in der Regel keine Abhängigkeit im Sinne von Art. 193 StGB (E. 5). Der Therapeut, der seine Patientin über den Behandlungsinhalt täuscht und unvermittelt eine sexuelle Handlung an ihr vornimmt, begeht keine sexuelle Nötigung nach Art. 189 StGB (E. 6). Die Patientin ist zum Widerstand unfähig im Sinne von Art. 191 StGB, wenn sie aufgrund ihrer besonderen Körperlage den Angriff des Therapeuten auf ihre geschlechtliche Integrität nicht erkennen kann und überraschenderweise durch diesen sexuell missbraucht wird (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 7).
146 IV 1 (6B_933/2018) from 3. Oktober 2019
Regeste: a Art. 56 Abs. 3 StGB, Art. 184 f. und 189 StPO; Verwertbarkeit und Beweiswert eines forensisch-psychiatrischen Aktengutachtens; Einholung einer Zweitexpertise; fremdanamnestische Erhebungen des Gutachters. Anforderungen an ein Aktengutachten bei verweigerter persönlicher Untersuchung (E. 3.2). Die Einholung eines Zweitgutachtens ist nicht nur in den Fällen nach Art. 189 StPO zulässig (E. 3.3). Bei Angehörigen des Exploranden telefonisch erhobene Auskünfte: Qualifizierung (vgl. Art. 185 Abs. 3 und 4 StPO) offengelassen, zumal die Angaben nicht geeignet waren, zu anderen als gutachterlich-medizinischen Zwecken verwendet zu werden (E. 3.4).
146 IV 153 (6B_1265/2019) from 9. April 2020
Regeste: Art. 189 ff., Art. 187 StGB; Konkretisierung der Rechtsprechung zum Schutz der sexuellen Freiheit von Kindern, insbesondere zur Zwangssituation bei der Ausübung psychischen Drucks durch einen nahestehenden Täter; Bestätigung der Rechtsprechung zur Konkurrenz zwischen den sexuellen Nötigungstatbeständen und sexuellen Handlungen mit Kindern. In Fällen, in denen ein "Nein" eines Kindes zu sexuellen Handlungen nicht zu erwarten ist, weil es diese noch nicht einordnen kann, ist der Tatbestand der Schändung einschlägig. Eine allein altersbedingte Urteilsunfähigkeit ist nur zurückhaltend anzunehmen. Für den Zeitpunkt des Endes der Urteilsunfähigkeit sind die Umstände des Einzelfalles entscheidend. Auf die Festlegung einer fixen Altersgrenze ist weiterhin zu verzichten (E. 3.5.3). Bei gegebener Urteilsfähigkeit kann ein Täter aus dem sozialen Nahraum ein Kind auch ohne aktive Ausübung von Zwang oder Androhung von Nachteilen unter Druck setzen und damit die sexuellen Nötigungstatbestände erfüllen. Der Täter, der dem Kind vorspiegelt, die sexuellen Handlungen seien normal, eine schöne Sache oder als Gefälligkeit zu erbringen, schafft für das Kind eine ausweglose Situation, die von diesen Tatbeständen ebenso erfasst wird. Entscheidend ist, ob vom Kind angesichts seines Alters, seiner familiären und sozialen Situation, der Nähe des Täters, dessen Funktion in seinem Leben, seines Vertrauens in den Täter und der Art und Weise der Vornahme der sexuellen Handlungen erwartet werden kann, dass es sich dem Missbrauch eigenständig entgegensetzt (E. 3.5.5). Lassen sich Kinder im Alter wie vorliegend (achteinhalb- bis zehneinhalbjährig) ohne sich zu wehren in sexuelle Handlungen involvieren, kann daraus nicht auf eine freiwillige Mitwirkung geschlossen werden; es ist eine immer nur vermeintliche Freiwilligkeit (E. 3.5.6). Sichert sich der Täter den Zwangszustand durch das Schaffen einer Geheimnissituation und hält er diese aufrecht, ist ohne Weiteres davon auszugehen, dass die Ausweglosigkeit für das Kind andauert (E. 3.5.8). |