Schweizerisches Strafgesetzbuch

vom 21. Dezember 1937 (Stand am 22. November 2022)


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Art. 229

Ge­fähr­dung durch Ver­let­zung der Re­geln der Bau­kun­de

 

1 Wer vor­sätz­lich bei der Lei­tung oder Aus­füh­rung ei­nes Bau­wer­kes oder ei­nes Ab­bru­ches die an­er­kann­ten Re­geln der Bau­kun­de aus­ser acht lässt und da­durch wis­sent­lich Leib und Le­ben von Mit­menschen ge­fähr­det, wird mit Frei­heits­s­tra­fe bis zu drei Jah­ren oder Geld­stra­fe be­straft. Mit Frei­heits­s­tra­fe ist ei­ne Geld­stra­fe zu ver­bin­den.

2 Lässt der Tä­ter die an­er­kann­ten Re­geln der Bau­kun­de fahr­läs­sig aus­ser Acht, so ist die Stra­fe Frei­heits­s­tra­fe bis zu drei Jah­ren oder Geld­stra­fe.

BGE

101 IV 28 () from 21. März 1975
Regeste: Art. 117 und 229 StGB. 1. Ein Bauunternehmer oder -leiter, der eine Gefahr für Leib und Leben anderer setzt, muss alle notwendigen Massnahmen zur Verhinderung einer Schädigung vorkehren (Erw. 2 lit. a u. b). 2. Frage der adäquaten Kausalität bei Unterlassungsdelikten (Erw. 3).

109 IV 15 () from 10. Januar 1983
Regeste: Art. 117 StGB. Art. 229 StGB. Arbeitsunfall. Fahrlässige Tötung. Verletzung der Regeln der Baukunde. 1. Für die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften hat nicht nur derjenige zu sorgen, der die spezifische Unfallgefahr geschaffen hat, sondern jeder Arbeitgeber von Untergebenen, die erkennbar gefährdet sind. Ein Hinweis auf die Gefahr anstelle der Durchsetzung von Sicherungsmassnahmen genügt nicht (E. 2a). 2. Die Verantwortung des Sorgfaltspflichtigen ist unabhängig von der finanziellen Bedeutung des Arbeitsauftrags (E. 2b).

111 II 429 () from 19. Dezember 1985
Regeste: Verantwortlichkeit des Grundeigentümers (Art. 679 ZGB und 58 OR). 1. Einrede der höheren Gewalt: Begriff und Anforderungen (Erw. 1b). 2. Einrede der Verjährung: Steht die einjährige Frist des Art. 60 Abs. 1 OR während der Ausarbeitung eines gerichtlichen Gutachtens still? Frage offen gelassen, da die bei strafbaren Handlungen geltende längere Frist (Art. 60 Abs. 2 OR) auch auf eine juristische Person anwendbar ist, die den von ihren Organen verursachten Schaden zu ersetzen hat (Weiterentwicklung der Rechtsprechung; Erw. 2). 3. Eine Kausalhaftung schliesst ein zusätzliches Verschulden des Haftpflichtigen nicht aus; je nach den Umständen kann dieses ein Selbstverschulden des Geschädigten aufwiegen oder unbeachtlich werden lassen (Art. 44 Abs. 1 OR; Erw. 3). 4. Welche Massnahmen sich im Rahmen von Art. 679 ZGB zum Schutz gegen künftige Schäden aufdrängen, hat der Richter zu bestimmen; der Richter hat die sich gegenüberstehenden Interessen frei zu würdigen und darauf zu achten, dass er in seinem Entscheid kein Missverhältnis schafft zwischen dem dem klagenden Grundeigentümer erwachsenden Nutzen und den dem haftpflichtigen Grundeigentümer erteilten Auflagen. Der Anspruch auf Errichtung von Schutzbauten auf dem Grundstück, von dem der Schaden ausgeht oder droht, ist unverjährbar; derjenige auf Errichtung einer solchen Baute auf dem Grundstück des Klägers ist schadenersatzrechtlicher Natur und verjährt nach den Vorschriften des Art. 60 OR (Erw. 15b).

114 IV 173 () from 26. April 1988
Regeste: Art. 14 VO über die Verhütung von Unfällen bei Arbeiten an und auf Dächern (SR 832.311.15). 1. Die Nichteinhaltung der gestützt auf Art. 83 UVG erlassenen Vorschriften über technische Massnahmen zur Verhütung von Berufsunfällen indiziert in aller Regel eine Sorgfaltswidrigkeit (E. 2a). 2. Von den Schutzmassnahmen gemäss Art. 14 VO kann nur dann abgesehen werden, wenn keine Arbeiten an der Traufe (wie bspw. das Auswechseln der Dachrinne) bzw. am Dachgesims vorgenommen werden (E. 2b/c, E. 3).

115 IV 45 () from 1. März 1989
Regeste: Art. 229 StGB; Gefährdung durch Verletzung der Regeln der Baukunde. 1. Keine Geltung des Strassenverkehrsrechts auf Bauplätzen ausserhalb öffentlicher Strassen (E. 2a). 2. Der Begriff des Bauwerkes im Sinne von Art. 229 StGB ist weit zu fassen. Zur Ausführung eines solchen gehören auch Bauarbeiten auf dem Vorplatz eines im Rohbau fertiggestellten Gebäudes (E. 2b). 3. Unsorgfältiges Manövrieren mit einem Bagger als Verletzung der Regeln der Baukunde, jedenfalls bei Verwirklichung einer bautypischen Gefahr; sinngemässe Anwendung der Vorschriften des Strassenverkehrsrechts (E. 2c).

116 V 255 () from 14. August 1990
Regeste: Art. 82 Abs. 1, Art. 83, Art. 85 Abs. 1, Art. 92 Abs. 3 und Art. 105 Abs. 2 UVG, Art. 113 Abs. 2 UVV, Art. 66 und Art. 107 VUV, Art. 3 und Art. 4 der Verordnung über die Verhütung von Unfällen bei Bauarbeiten: Von der SUVA angeordnete befristete und rückwirkende Prämienerhöhung als Zwangsmassnahme zur Verhütung von Berufsunfällen in einem Betrieb. - Zuständig zur Beurteilung von Beschwerden gegen den Einspracheentscheid über eine solche Zwangsmassnahme ist das BSV und nicht die Beschwerdeinstanz für die Zuteilung in die Prämientarife (Art. 109 UVG) (Erw. 2 und 3). - Der Entscheid des BSV kann an das Eidg. Versicherungsgericht weitergezogen werden, welches die vorinstanzliche Feststellung des Sachverhaltes von Amtes wegen überprüfen kann (Erw. 2b/bb). - Für die Beurteilung der Richtigkeit der von der SUVA als Durchführungsorgan im Bereich der Verhütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten getroffenen Zwangsmassnahmen hat sich der Sozialversicherungsrichter an die technischen Vorschriften zu halten, welche der Bundesrat aufgrund von Art. 83 UVG erlassen hat bzw. die er gemäss Art. 107 VUV in Kraft belassen hat (Erw. 4a). - Die befristete Prämienerhöhung als Zwangsmassnahme hängt nicht von der Schwere der Verletzung von Unfallverhütungsvorschriften ab (Erw. 4c).

117 II 259 () from 9. Juli 1991
Regeste: Sachgewährleistung des Verkäufers eines Hauses, das er vorgängig auf eigenem Grund als Generalunternehmer für den Käufer erstellt hat. 1. Bedeutung und Gültigkeit einer nicht öffentlich beurkundeten Vereinbarung, mit der sich der zukünftige Verkäufer verpflichtet, ein Haus auf eigenem Grund zu einem bestimmten Gesamtpreis für den zukünftigen Käufer zu erstellen (E. 2a-c). 2. Übernahme der werkvertraglich vereinbarten Sachgewährleistung durch den nach Erstellung des Hauses abgeschlossenen und öffentlich beurkundeten Kaufvertrag: Art. 200 OR gelangt nicht. zur Anwendung (E. 2d-g). 3. Verneinung einer Haftung des Unternehmers und Verkäufers aus unerlaubter Handlung wegen eines angeblichen Verstosses gegen Art. 229 StGB (E. 3).

119 II 127 () from 18. März 1993
Regeste: Regress der Bauunternehmerin gegen die mit ihr nicht vertraglich verbundene Ingenieurfirma. Fehlende Widerrechtlichkeit nach Art. 41 OR bei reiner Vermögensschädigung ohne Verletzung einer Verhaltensnorm, die nach ihrem Zweck vor solchen Schädigungen schützen soll (E. 3). Sinngemässe Anwendung von Art. 51 OR zugunsten der Bauunternehmerin, die für den aus dem Werkuntergang entstandenen Vermögensschaden bisher allein aufgekommen war, obgleich dafür auch die Bauingenieurfirma (infolge Schlechterfüllung des Ingenieurvertrags) und die Bauherrin (aufgrund von Art. 101 OR) einzustehen hatten (E. 4).

126 IV 84 () from 1. März 2000
Regeste: Art. 24 ff. StGB, Art. 90 Ziff. 2 SVG, Mittäterschaft bei Verkehrsdelikten. Mittäter einer groben Verletzung von Verkehrsregeln kann auch sein, wer das Fahrzeug nicht selbst gelenkt hat; so im Besonderen derjenige, welcher die im Zusammenhang mit Versicherungsbetrügen vom Fahrzeuglenker verschuldeten Verkehrsunfälle mitgeplant und gewollt hat (E. 1 und 2).

137 IV 180 (1B_222/2011) from 1. Juni 2011
Regeste: Dauer der Sicherheitshaft; Art. 229 Abs. 3 StPO. Auslegung von Art. 229 Abs. 3 StPO nach seinem Wortlaut; dieser verweist auf die analoge Anwendung der Art. 225-227 StPO. Mit oder ohne vorbestehende Untersuchungshaft darf die Sicherheitshaft für längstens 3 Monate (in Ausnahmefällen für 6 Monate) bewilligt bzw. verlängert werden (E. 3.5).

 

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