Schweizerisches Strafgesetzbuch

vom 21. Dezember 1937 (Stand am 22. November 2022)


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Art. 261

Stö­rung der Glau­bens- und Kul­tus­frei­heit

 

Wer öf­fent­lich und in ge­mei­ner Wei­se die Über­zeu­gung an­de­rer in Glau­bens­sa­chen, ins­be­son­de­re den Glau­ben an Gott, be­schimpft oder ver­spot­tet oder Ge­gen­stän­de re­li­gi­öser Ver­eh­rung ver­unehrt,

wer ei­ne ver­fas­sungs­mäs­sig ge­währ­leis­te­te Kul­tus­hand­lung bös­wil­lig ver­hin­dert, stört oder öf­fent­lich ver­spot­tet,

wer einen Ort oder einen Ge­gen­stand, die für einen ver­fas­sungs­mäs­sig ge­währ­leis­te­ten Kul­tus oder für ei­ne sol­che Kul­tus­hand­lung be­stimmt sind, bös­wil­lig ver­unehrt,

wird mit Geld­stra­fe be­straft.284

284 Straf­dro­hun­gen neu um­schrie­ben ge­mä­ss Ziff. II 1 des BG vom 19. Ju­ni 2015 (Än­de­rung des Sank­tio­nen­rechts), in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2016 1249; BBl 2012 4721).

BGE

86 IV 19 () from 26. Februar 1960
Regeste: 1. Art. 204 Ziff. 1 Abs. 3 StGB. Auch bei Werken der Kunst kommt es darauf an, ob die Darstellung auf den unbefangenen Betrachter unzüchtig wirke; Umstände, welche die Wirkung eines Kunstwerkes beeinflussen können (Erw. 1 und 2). 2. Art. 261 Abs. 1 StGB. Der Ausdruck "in gemeiner Weise" ist objektiver Art und bedeutet, dass die Verletzung der religiösen Überzeugung anderer eine grobe sein muss (Erw. 3-5).

109 IV 129 () from 28. Juni 1983
Regeste: Art. 262 Ziff. 1 Abs. 1 StGB; Störung des Totenfriedens. Verunehrung der Ruhestätte eines Toten in roher Weise.

118 IA 46 () from 14. Februar 1992
Regeste: Art. 4, Art. 49 und Art. 50 BV, Art. 9 EMRK; staatlicher Beitrag aus dem Lotteriefonds an einen Verein. 1. Beginn der Rechtsmittelfrist für Dritte, die nicht Adressaten des angefochtenen Entscheids sind (E. 2). 2. Legitimation: allgemeine Grundsätze (E. 3a); Beschwerdelegitimation zweier Glaubensgemeinschaften gegen einen Beitragsbeschluss des Regierungsrats zugunsten eines privaten, in der Sektenproblematik tätigen Vereins, dessen Aktivitäten sich u.a. auch gegen die Beschwerdeführer richten; Legitimation gestützt auf das in Art. 49 und Art. 50 BV mitenthaltene Neutralitätsgebot des Staates bejaht (E. 3b). Vorliegen eines aktuellen praktischen Interesses (E. 3c). 3. Art. 49 und Art. 50 BV: Tragweite der Glaubens-, Gewissens- und Kultusfreiheit; keine Berufung auf diese Grundrechte, soweit damit die Tätigkeit des - nicht öffentliche Aufgaben wahrnehmenden - Vereins beanstandet wird (E. 4c und d). 4. Tragweite des Neutralitätsgebots des Staates (E. 4e, aa); das Gebot ist vorliegend durch die staatliche Unterstützung eines privaten Vereins nicht verletzt (E. 4e, bb). 5. Geltung des Legalitätsprinzips in der Leistungsverwaltung (E. 5b). Art. 5 des BG betreffend die Lotterien und die gewerbsmässigen Wetten (SR 935.51) als hinreichende gesetzliche Grundlage für Zuwendungen aus dem Lotteriefonds; auch kantonalrechtliche Voraussetzungen für Beitragsleistung sind vorliegend erfüllt (E. 5c).

120 IA 220 () from 2. November 1994
Regeste: Art. 88 OG; Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung von Parteirechten. Der Einzelne ist legitimiert, mit staatsrechtlicher Beschwerde zu rügen, er sei in einem kantonalen Strafverfahren zu Unrecht nicht als Geschädigter zugelassen worden (E. 2a). Art. 4 BV; Art. 261 StGB; Begriff des Geschädigten im zürcherischen Strafverfahren. Es ist willkürlich, in einem Strafverfahren wegen Störung der Glaubens- und Kultusfreiheit (Art. 261 StGB) den in seinen religiösen Überzeugungen Verletzten nicht als Geschädigten gemäss §§ 40 und 395 Abs. 1 Ziff. 2 der Zürcher Strafprozessordnung anzuerkennen (E. 3).

126 IV 20 () from 3. November 1999
Regeste: Art. 261bis StGB; Rassendiskriminierung. Die Leugnung, gröbliche Verharmlosung oder Rechtfertigung von Völkermord erfüllt den Tatbestand von Art. 261bis Abs. 4 StGB auch dann, wenn sich die Äusserung nicht an die direkt betroffenen Gruppen von Personen, sondern an Dritte richtet. Abs. 4 erfasst den direkten Angriff gegen die bezeichneten Personen; Abs. 1-3 betreffen die rassistische Hetze (E. 1a-c). Die Tatbestandsvarianten von Art. 261bis Abs. 4 StGB können auch Äusserungen erfüllen, die, als Frage formuliert, auf eine Leugnung von Völkermord hinauslaufen, sowie Äusserungen, durch welche eine Gruppe von Personen unter Verwendung von Klischees und in der Form von aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten herabgesetzt werden (E. 1d-f).

126 IV 176 () from 21. Juni 2000
Regeste: Rassendiskriminierung (Art. 261bis StGB); Begriff der Öffentlichkeit. Rassendiskriminierende Äusserungen gegenüber einem kleinen, begrenzten Personenkreis sind auch dann nicht öffentlich, wenn das Risiko besteht, dass einzelne Adressaten die Äusserungen an einen grösseren Personenkreis weiterverbreiten könnten. Wer ein rassendiskriminierende Ideologien enthaltendes Buch eines Dritten per Post an sieben ihm bekannte Personen verschickt, macht sich dadurch nicht des öffentlichen Verbreitens von rassendiskriminierenden Ideologien und auch nicht des Versuchs dazu schuldig (E. 2).

126 IV 230 () from 23. August 2000
Regeste: Art. 261bis StGB; Öffentlichkeit eines Verhaltens. Öffentlichkeit im Sinne von Art. 261bis Abs. 4 StGB verneint im Falle eines Buchhändlers, der ein den Holocaust leugnendes Buch in beschränkter Anzahl (weniger als zehn Exemplare) an einem für die Kunden nicht einsehbaren Ort aufbewahrt, hiefür keinerlei Werbung macht und es nur auf Verlangen verkauft (E. 2b).

129 IV 95 () from 7. November 2002
Regeste: Leugnung von Völkermord oder anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Art. 261bis Abs. 4 zweiter Satzteil StGB). Opfer; Legitimation zur Ergreifung von Rechtsmitteln (Art. 2 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG; Art. 270 lit. e BStP). Tritt die letzte kantonale Instanz auf eine Appellation nicht ein mit der Begründung, der Appellant sei nicht Opfer im Sinne des Opferhilfegesetzes, so kann dieser den Nichteintretensentscheid mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde anfechten und geltend machen, die kantonale Instanz habe seine Eigenschaft als Opfer zu Unrecht verneint (E. 2). Die Straftat der Leugnung von Völkermord oder anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist ein Delikt gegen den öffentlichen Frieden. Individuelle Rechtsgüter werden durch Art. 261bis Abs. 4 zweiter Satzteil StGB nur mittelbar geschützt. Bei dieser Straftat gibt es keine Opfer im Sinne des Opferhilfegesetzes, weil die aus der Tat sich ergebende Betroffenheit, auch wenn sie im Einzelfall schwer wiegen mag, keine unmittelbare ist (E. 3).

130 IV 111 () from 27. Mai 2004
Regeste: Rassendiskriminierung (Art. 261bis StGB); Begriff der Öffentlichkeit. Ob Öffentlichkeit im Sinne eines bestimmten Straftatbestands gegeben ist, hängt wesentlich von dem durch die Strafbestimmung geschützten Rechtsgut sowie davon ab, weshalb darin Öffentlichkeit als strafbegründendes Merkmal vorausgesetzt wird (E. 4.3). Öffentlich im Sinne von Art. 261bis StGB sind Äusserungen, die nicht im privaten Rahmen erfolgen. Privat sind Äusserungen im Familien- und Freundeskreis oder sonst in einem durch persönliche Beziehungen oder besonderes Vertrauen geprägten Umfeld. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, hängt von den konkreten Umständen ab, wobei insoweit auch die Zahl der anwesenden Personen eine Rolle spielen kann (Änderung der Rechtsprechung; E. 5.2). Öffentlichkeit bejaht im Falle von Äusserungen an einem Vortrag, der im Rahmen einer geschlossenen Veranstaltung in einer Waldhütte gehalten wurde, an welcher 40 bis 50 geladene Skinheads teilnahmen, die verschiedenen Gruppierungen angehörten (E. 6).

143 IV 77 (1B_320/2015) from 3. Januar 2017
Regeste: Art. 261bis Abs. 4 erster Satzteil StGB; Art. 115 Abs. 1 und Art. 118 Abs. 1 StPO; Rassendiskriminierung, Geschädigtenstellung. Bei Diskriminierung einer Gruppe von Personen (hier: der Juden) kommt den einzelnen Gruppenangehörigen mangels unmittelbarer Betroffenheit keine Geschädigtenstellung zu. Sie können sich deshalb nicht als Privatkläger konstituieren (E. 4).

 

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