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Art. 33
Rückzug 1 Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist. 2 Wer seinen Strafantrag zurückgezogen hat, kann ihn nicht nochmals stellen. 3 Zieht die antragsberechtigte Person ihren Strafantrag gegenüber einem Beschuldigten zurück, so gilt der Rückzug für alle Beschuldigten. 4 Erhebt ein Beschuldigter gegen den Rückzug des Strafantrages Einspruch, so gilt der Rückzug für ihn nicht. BGE
96 IV 64 () from 1. Mai 1970
Regeste: 1. Art. 269 Abs. 1 BStP. Der Angeschuldigte, der einer strafbaren Handlung schuldig erklärt, aber von Strafe befreit wird, kann den Schuldspruch, der Bestandteil des Urteils ist, mit der Nichtigkeitsbeschwerde anfechten (Erw. 1; Änderung der Rechtsprechung). 2. Art. 204 Ziff. 1 StGB. a) Die Vorführung eines Films in einem Kinotheater fällt unter den Begriff der öffentlichen Ausstellung (Abs. 1). Öffentlich ist die Vorführung auch, wenn nur Personen über 18 Jahren zugelassen und die Besucher vor gewagten Szenen gewarnt werden (Erw. 2). b) Der Film "Ich bin neugierig" in der Fassung, die in Biel gezeigt wurde, ist nicht unzüchtig (Erw. 3 und 4).
102 IV 65 () from 2. Juli 1976
Regeste: Art. 111, 33 Abs. 1 StGB. Vorsätzliche Tötung; Putativnotwehr, Angemessenheit der Abwehr.
104 IV 1 () from 12. April 1978
Regeste: Art. 33 StGB. Notwehr. Notwehr setzt voraus, dass der Täter die Handlung, die zu einem deliktischen Erfolg führt, bewusst und gewollt zum Zwecke der Abwehr eines Angriffs vorgenommen hat.
104 IV 53 () from 24. Mai 1978
Regeste: Art. 33, 133 StGB; Raufhandel, Notwehr. In Notwehrlage befindet sich: - wer, zwar angetrunken und sich ungebührlich benehmend, gegen ein unberechtigtes gewaltsames Abführen sich tätlich wehrt (Erw. 2a); - nicht, wer den abziehenden Angreifern Kies nachwirft und von diesen erneut geschlagen wird (Erw. 2b).
104 IV 90 () from 9. Juni 1978
Regeste: Art. 32, 220 StGB, Art. 2 ZGB. Entziehen und Vorenthalten von Unmündigen. 1. Der Elternteil, dem das Besuchsrecht verkürzt wurde, ist nicht berechtigt, den Ausfall eigenmächtig zu kompensieren (E. 1a). 2. Die eigenmächtige Überschreitung des Besuchsrechts schliesst Straflosigkeit wegen erlaubter Selbsthilfe aus (E. 2). 3. Rechtsmissbräuchliche Ausübung des Strafantragsrechts. Voraussetzungen (E. 3).
107 IV 12 () from 16. Januar 1981
Regeste: Art. 33 StGB. Gezielte Schussabgabe auf einen flüchtigen Dieb. 1. Notwehrlage. Der Angriff auf das Eigentum und seine Abwehr im Sinne von Art. 33 StGB dauern an, solange der Berechtigte und der Angreifer unmittelbar im Anschluss an die Tat um den Gewahrsam an der Sache streiten (E. 2). 2. Angemessene Abwehr. Eine einfache Körperverletzung kann im Falle eines schwerwiegenden Angriffs auf das Eigentum gerechtfertigt sein. Zur Abwehr ist auch die Verwendung eines an sich gefährlichen Werkzeugs zulässig, wenn der Abwehrende dieses aufgrund seiner besonderen Fähigkeiten verhältnismässig einsetzen kann (E. 3 und 4).
109 IV 5 () from 9. Februar 1983
Regeste: 1. Art. 122 Ziff. 2 StGB. Voraussehbarkeit der Todesfolge bei Messerstichen in die Brust- und Bauchgegend bejaht (E. 2). 2. Art. 33 Abs. 2 StGB. Wer durch deliktisches Verhalten selber schuldhaft den Angriff verursacht, kann sich für seine unangemessene Abwehr nicht auf entschuldbare Aufregung berufen (E. 3).
109 IV 39 () from 11. April 1983
Regeste: Art. 173, 177 StGB. 1. Aus der prozessualen Behauptungslast folgt nicht das Recht des Anwalts, schlechthin irgendwelche, die Ehre der Gegenpartei berührende und mit dem Prozessthema zusammenhängende Behauptungen aufzustellen, wenn er nach sorgfältiger Prüfung der Unterlagen nicht in guten Treuen annehmen kann, dass sie den Tatsachen entsprechen und rechtsgenügend bewiesen werden können (E. 2e). 2. Wer behauptet, eine Schrift sei das Produkt grösster menschlicher Schlechtigkeit, macht sich dem Verfasser gegenüber der Ehrverletzung schuldig (E. 4a).
115 IV 162 () from 2. August 1989
Regeste: Art. 20, 32, 33 und 125 Abs. 2 StGB, § 28 des Dienstreglementes der Kantonspolizei Solothurn; Schusswaffeneinsatz. Art. 33 und 32 StGB umschreiben die Voraussetzungen der Notwehr beziehungsweise Amtspflicht abschliessend. Der Inhalt der Amtspflicht hingegen ergibt sich aus der gesamten Rechtsordnung und insbesondere dem kantonalen Recht (hier: Dienstreglement der Kantonspolizei). Ob eine Amtspflicht einen Rechtfertigungsgrund darstellt, ist eine Rechtsfrage (E. 2a). Voraussetzungen der Notwehr und Amtspflicht hier verneint (E. 2b und c beziehungsweise E. 2d); ebenso das Vorliegen eines Rechtsirrtums (E. 3).
115 IV 167 () from 29. November 1989
Regeste: Art. 33 Abs. 2 2. Satz StGB: Notwehrexzess, Zustand entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung über den Angriff. Wenn ein solcher Zustand in Betracht fällt, hat die kantonale Behörde klar darzulegen, ob der Täter sich in einer Aufregung oder Bestürzung befand oder nicht und ob diese gegebenenfalls entschuldbar war oder nicht; beide Antworten müssen begründet werden. Rechtsmissbrauch. Namentlich in Anbetracht der Offizialmaxime liegt kein Rechtsmissbrauch vor, wenn ein Angeklagter sich in einem Rekurs über den Wortlaut einer - den Geschworenen unterbreiteten - Frage beschwert, den er selber redigiert hatte (E. 4).
118 IV 254 () from 25. Juni 1992
Regeste: Art. 110 Ziff. 5 Abs. 2, Art. 251 Ziff. 1 StGB; Urkundenfälschung; Selbstbegünstigung mittels eines gefälschten "Unfallprotokolls". 1. Das ausgefüllte und von den am Unfall beteiligten Fahrzeuglenkern unterzeichnete vorgedruckte Formular "Unfallprotokoll" ist eine Urkunde im Sinne von Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1 StGB (E. 3). 2. Das Unterzeichnen des Unfallprotokolls mit einem falschen Namen stellt eine Urkundenfälschung dar (E. 4). 3. Die Absicht, sich mittels einer Urkundenfälschung einer Verurteilung zu entziehen, erfüllt die unrechtmässige Vorteilsabsicht i.S. v. Art. 251 Ziff. 1 StGB (E. 5). 4. Ein zugleich mit strafloser Selbstbegünstigung begangenes anderes Delikt ist uneingeschränkt strafbar (E. 5).
118 IV 291 () from 29. Juli 1992
Regeste: Art. 36a Abs. 2 OG; rechtsmissbräuchliche Prozessführung. Wer aus reiner Schikane auf einem Weg einen Pflock anbringt, um dem Berechtigten die Ausübung des Wegrechts zu erschweren, und in der Folge gegen den Berechtigten, der den Pflock entfernt, unter dem Vorwurf, nicht den Rechtsweg beschritten zu haben, angesichts eines Schadens von wenigen Franken ein Verfahren wegen Sachbeschädigung anstrengt, handelt durch die Einreichung einer Nichtigkeitsbeschwerde gegen das den Berechtigten freisprechende Urteil rechtsmissbräuchlich.
119 IV 25 () from 19. Januar 1993
Regeste: Art. 123 Ziff. 1 StGB; einfache Körperverletzung. Abgrenzung zwischen einfachen Körperverletzungen und Tätlichkeiten (E. 2a).
120 V 224 () from 29. Juli 1994
Regeste: Art. 37 Abs. 2 und 3 UVG. - Zur Abgrenzung der Bestimmungen von Art. 37 Abs. 2 und 3 UVG (Erw. 2c). - Begriff des Vergehens gemäss Art. 37 Abs. 3 UVG (Erw. 2d). Art. 37 Abs. 3 UVG, Art. 91 Abs. 1 SVG, Art. 12 StGB, Art. 263 StGB. Kürzung oder Verweigerung von Geldleistungen nach Unfällen, die sich beim Führen eines Motorfahrzeuges in angetrunkenem Zustand ereignet haben (Erw. 3). Art. 37 Abs. 3 UVG. - Art. 37 Abs. 3 UVG räumt kein Entschliessungsermessen in dem Sinne ein, dass der UVG-Versicherer frei darüber entscheiden könnte, ob eine Sanktion zu verfügen ist oder nicht (Erw. 4b). - Bestätigung der SUVA-Praxis, wonach bei Unfällen unter Alkoholeinfluss der Kürzungssatz vom Ausmass der Trunkenheit abhängig ist (Erw. 4c).
121 IV 207 () from 13. Juli 1995
Regeste: Art. 2 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG; Art. 270 Abs. 1 BStP; Legitimation des Opfers zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde. Umstände unter denen es nicht notwendig ist, dass das Opfer im Strafverfahren Zivilforderungen aus strafbarer Handlung geltend gemacht hat (E. 1a). Art. 125 Abs. 2 StGB; schwere fahrlässige Körperverletzung. Schwere fahrlässige Körperverletzung, durch einen Polizeibeamten verursacht, der seine Pistole mit gespanntem Hahn in eine halb geöffnete Autotüre hält (E. 2b).
122 IV 1 () from 8. Dezember 1995
Regeste: Art. 33 Abs. 1 und 34 Ziff. 1 StGB; Abgrenzung zwischen Notstand und Notwehr; von seiner Frau getöteter Haustyrann. Die Notstandshandlung ist rechtmässig, wenn das geschützte Rechtsgut höherwertig ist als das verletzte; sie ist rechtswidrig, aber entschuldbar oder straflos, wenn die fraglichen Rechtsgüter gleichwertig sind (E. 2b). Unmittelbare Gefahr (E. 3a und b). Nicht anders abwendbare Gefahr (E. 3). Entschuldigender Notstand kann vorliegen bei einer Person, die ihren Peiniger tötet, um der Marter ein Ende zu setzen (E. 4 und 5).
125 V 237 () from 16. März 1999
Regeste: Art. 18 Abs. 1 Satz 2 AHVG: Rentenberechtigung. Kürzung der Witwenrente einer Frau, welche des Totschlags (Art. 113 StGB) an ihrem Ehemann schuldig gesprochen und unter Berücksichtigung der in einem entschuldbaren Putativnotstand erfolgten Tatbegehung zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von achtzehn Monaten mit einer Probezeit von drei Jahren verurteilt worden war.
125 V 307 () from 21. Mai 1999
Regeste: Art. 38 Abs. 1 UVG: Verschulden des Hinterlassenen. Anspruch des überlebenden Ehegatten auf eine Rente der obligatorischen Unfallversicherung verneint im Falle einer Frau, welche des Totschlags (Art. 113 StGB) an ihrem Ehemann schuldig gesprochen worden ist.
129 IV 6 () from 25. September 2002
Regeste: Art. 181 StGB (Nötigung); Art. 32-34 StGB (Rechtfertigungsgründe); Wahrnehmung berechtigter Interessen; Art. 20 StGB (Verbotsirrtum); Art. 48 Ziff. 2, Art. 63 StGB (Strafzumessung). Blockadeaktionen von "Greenpeace"-Aktivisten gegen die Kernkraftwerke Beznau, Gösgen und Leibstadt. Objektiver und subjektiver Tatbestand der Nötigung (E. 2). Prüfung der Rechtfertigungsgründe der Wahrnehmung berechtigter Interessen, der Notstandshilfe, der Putativnotwehr und der Gesetzespflicht (E. 3). Rechtswidrigkeit der Nötigung (E. 3.4-3.7). Voraussetzung für den Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen ist grundsätzlich, dass zuvor der Rechtsweg mit legalen Mitteln beschritten und ausgeschöpft worden ist. Die inkriminierte Handlung muss ein zum Erreichen des angestrebten berechtigten Ziels notwendiges und angemessenes Mittel darstellen und offenkundig weniger schwer wiegen als die Interessen, die der Täter zu wahren sucht. Dies gilt auch, wenn vermeintliche Missstände öffentlich gemacht werden sollen (E. 3.3). Verbotsirrtum (E. 4). Substanziierungsanforderungen der Nichtigkeitsbeschwerde (E. 5). Strafzumessung (E. 6).
131 IV 150 () from 17. Juli 2005
Regeste: Art. 133 Abs. 2 StGB; Straflosigkeit der Teilnahme an einem Raufhandel. Wer als Teilnehmer an einem Raufhandel Schläge austeilt mit dem einzigen Ziel, sich oder einen Dritten zu verteidigen oder Streitende zu trennen, bleibt straflos (E. 2).
132 IV 97 () from 23. November 2006
Regeste: Unteilbarkeit des Strafantragsrückzugs (Art. 31 Abs. 3 StGB). Wird der Strafantrag gegenüber einem Beschuldigten zurückgezogen, so gilt dieser Rückzug für alle Beschuldigten. Dieses Unteilbarkeitsprinzip gilt auch, wenn der selektive Rückzug einzig wegen der Immunität eines Tatbeteiligten erfolgte. In der früheren Rechtsprechung (BGE 80 IV 209 E. 3) erwogene Ausnahmen von der Unteilbarkeit werden verworfen (E. 3).
143 IV 104 (6B_527/2016, 6B_535/2016) from 23. Dezember 2016
Regeste: Art. 32, 33 Abs. 3 und Art. 55a StGB, Art. 11 Abs. 1 und Art. 320 Abs. 4 StPO; Verfahrenseinstellung gestützt auf Art. 55a StGB; Grundsatz "ne bis in idem"; Unteilbarkeit des Strafantrags und des Rückzugs desselben. Die Verurteilung eines Ehegatten wegen Tätlichkeiten zum Nachteil seiner Ehegattin in einem abgetrennten Verfahren wegen Raubes verstösst gegen Art. 55a StGB und den Grundsatz "ne bis in idem", wenn die Strafverfahren gegen die Ehegatten wegen gegenseitiger Tätlichkeiten betreffend den fraglichen Tatzeitraum zuvor in Anwendung von Art. 55a StGB rechtskräftig eingestellt wurden (E. 4). Das Ersuchen um Verfahrenssistierung bzw. die Zustimmung zum Antrag der zuständigen Behörde auf Verfahrenssistierung (Art. 55a Abs. 1 lit. b StGB) und das unbenutzte Verstreichenlassen der Frist für den Widerruf der Zustimmung zur Verfahrenssistierung (Art. 55a Abs. 2 StGB) kommen dem Rückzug eines Strafantrags gleich. Sind Tätlichkeiten des Ehegatten zu beurteilen, an welchen sich Dritte beteiligt haben sollen, ist angesichts des Grundsatzes der Unteilbarkeit der Strafverfolgung bei Antragsdelikten auch das Strafverfahren gegen die Beteiligten einzustellen (E. 5.1-5.3). Aufklärungspflicht der Behörden über die Unteilbarkeit der Strafverfolgung verneint (E. 5.4).
145 IV 190 (6B_1237/2018) from 15. Mai 2019
Regeste: Art. 30 Abs. 1, Art. 33 und 110 Abs. 4 StGB; Art. 10 Abs. 3, Art. 76 ff., 120 und 304 Abs. 1 StPO; Protokollierung des mündlichen Strafantrags; Beweis des gültigen Strafantrags; Desinteresse des Geschädigten am Strafverfahren. Ein mündlicher Strafantrag kann auch in einem Polizeirapport protokolliert werden (E. 1.3). Ein Polizeirapport, in welchem vermerkt ist, dass ein Strafantrag gestellt wurde, ist als Urkunde im Sinne von Art. 110 Abs. 4 StGB zu qualifizieren. Die Unterschrift des rapportierenden Polizeibeamten ist nicht zwingend. Entscheidend ist, dass aus dem Polizeirapport hervorgeht, wer diesen verfasst hat. Ebenfalls nicht erforderlich ist, dass die Anzeige erstattende Person das Protokoll unterzeichnet (E. 1.4). Ob ein gültiger Strafantrag vorliegt, ist vom Staat zu beweisen (E. 1.5.1). Der Verzicht auf die Stellung als Privatkläger gilt nicht als Rückzug des Strafantrags im Sinne von Art. 33 StGB. Wird der Strafantrag nicht ausdrücklich zurückgezogen, ist das Strafverfahren trotz Desinteresse des Geschädigten fortzusetzen (E. 1.5.2). |