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Art. 46
Nichtbewährung 1 Begeht der Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen und ist deshalb zu erwarten, dass er weitere Straftaten verüben wird, so widerruft das Gericht die bedingte Strafe oder den bedingten Teil der Strafe. Sind die widerrufene und die neue Strafe gleicher Art, so bildet es in sinngemässer Anwendung von Artikel 49 eine Gesamtstrafe.36 2 Ist nicht zu erwarten, dass der Verurteilte weitere Straftaten begehen wird, so verzichtet das Gericht auf einen Widerruf. Es kann den Verurteilten verwarnen oder die Probezeit um höchstens die Hälfte der im Urteil festgesetzten Dauer verlängern. Für die Dauer der verlängerten Probezeit kann das Gericht Bewährungshilfe anordnen und Weisungen erteilen. Erfolgt die Verlängerung erst nach Ablauf der Probezeit, so beginnt sie am Tag der Anordnung. 3 Das zur Beurteilung des neuen Verbrechens oder Vergehens zuständige Gericht entscheidet auch über den Widerruf. 4 Entzieht sich der Verurteilte der Bewährungshilfe oder missachtet er die Weisungen, so ist Artikel 95 Absätze 3–5 anwendbar. 5 Der Widerruf darf nicht mehr angeordnet werden, wenn seit dem Ablauf der Probezeit drei Jahre vergangen sind. 36 Fassung gemäss Ziff. I 1 des BG vom 19. Juni 2015 (Änderungen des Sanktionenrechts), in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2016 1249; BBl 2012 4721). BGE
99 IA 262 () from 4. April 1973
Regeste: Persönliche Freiheit; Strafvollzug und Untersuchungshaft. 1. Legitimation zur Anfechtung allgemeinverbindlicher Erlasse (hier: einer kantonalen Verordnung über die Bezirksgefängnisse) (Erw. I). 2. Allgemeine Voraussetzungen für Eingriffe in die persönliche Freiheit (Erw. II). 3. Untersuchungshaft und Strafvollzug als besondere Rechtsverhältnisse; gesetzliche Grundlage der damit verbundenen Freiheitsbeschränkungen (Erw. III). 4. Grundsätzliches über Zweck und Grenzen freiheitsbeschränkender Massnahmen in Untersuchungshaft und Strafvollzug. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichtes (Erw. IV). 5. Verfassungsrechtliche Prüfung einzelner Vorschriften der angefochtenen Gefängnisverordnung (Erw. V, Ziff. 1-20): - Mitnahme persönlicher Effekten in die Zelle (Ziff. 1), - Lichterlöschen (Ziff. 2), - Selbstbeschäftigung und Gemeinschaftsarbeit (Ziff. 3 u. 20), - Verdienstanteil (Ziff. 4), - Freizeitarbeit (Ziff. 5), - Selbstverpflegung (Ziff. 6), - Gaben Dritter (Ziff. 7), - Spaziergänge (Ziff. 8), - Bibliotheksbenützung (Ziff. 9), - Zeitungen, Zeitschriften und Lehrbücher (Ziff. 10 u. 18), - Radioempfang (Ziff.11), - Besuche (Ziff. 12), - Korrespondenzen (Ziff. 13), - Disziplinarstrafen (Ziff. 14-16), - Einzelhaft für Untersuchungsgefangene (Ziff. 17), - Einzelhaft zu Beginn des Strafvollzuges (Ziff. 18).
107 IV 25 () from 9. Februar 1981
Regeste: Art. 46 Ziff. 3 StGB. Recht des in den Straf- oder Massnahmevollzug Eingewiesenen zum freien Verkehr mit seinem Rechtsanwalt oder nach kantonalem Recht anerkannten Rechtsbeistand. Umfang, insbesondere bei Gefangenen mit besonderen Sicherheitsrisiken.
118 IV 108 () from 17. Juni 1992
Regeste: Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Verwahrung eines geistig abnormen Täters. Ein an Schizophrenie mit wahnhaftem Erleben leidender Täter, der im Zustand der Unzurechnungsfähigkeit ein Tötungsdelikt verübt hat, darf nach Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB verwahrt werden, wenn aufgrund des psychiatrischen Gutachtens die Möglichkeit besteht, dass er wegen seiner Krankheit trotz ärztlicher Behandlung weitere Tötungsdelikte begehen könnte.
121 IV 297 () from 19. Oktober 1995
Regeste: Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB; Notwendigkeit einer Verwahrung. Die Verwahrung gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB erfasst einerseits hochgefährliche Täter, die keiner Behandlung zugänglich sind, und anderseits solche, die zwar behandlungsbedürftig und -fähig sind, von denen aber auch während einer Behandlung schwere Delikte zu befürchten wären, wenn sie im Sinn von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ambulant oder in einer Heil- und Pflegeanstalt behandelt würden (E. 2b). Der Richter muss auch bei der zweiten Täterkategorie prüfen, ob eine Verwahrung notwendig ist; er darf nicht allein wegen einer noch vorhandenen Therapiewilligkeit und -fähigkeit von einer Verwahrung absehen (E. 2c).
122 I 222 () from 12. Juli 1996
Regeste: Persönliche Freiheit, Meinungsäusserungsfreiheit, Art. 8 und Art. 10 EMRK; Art. 13d Abs. 2 ANAG; Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht; Zürcher Verordnung über die Polizeigefängnisse. Anfechtbarkeit unveränderter Normen bei der Teilrevision eines Erlasses (E. 1b). Bundesrechtliche Minimalanforderungen an den Vollzug ausländerrechtlicher Administrativhaft (E. 2). Verfassungsrechtliche Prüfung kantonaler Vollzugsbestimmungen betreffend Spaziergang (E. 4), Besuch (E. 5 u. 8), Briefverkehr (E. 6b), Drucksachen (E. 6c) und Arbeit (E. 7).
125 IV 237 () from 16. November 1999
Regeste: Art. 100bis StGB; Einweisung in eine Arbeitserziehungsanstalt; Voraussetzungen. Eine Einweisung ist auch nach schweren Anlasstaten möglich. In dem Masse aber, in dem der junge Erwachsene in Person und Tat dem Erwachsenenstrafrecht zugeordnet werden muss, erhöhen sich die Anforderungen für eine Einweisung. Gefährliche Gewalttäter gehören nicht in diese Anstalt (E. 6b; Konkretisierung der Rechtsprechung).
134 IV 82 (6B_109/2007) from 17. März 2008
Regeste: Art. 2 und Art. 42 Abs. 4 StGB; Anwendung des milderen Rechts im neuen Sanktionensystem; Sanktionierung im Rahmen der sogenannten Schnittstellenproblematik. Darstellung der Grundzüge des neuen Sanktionensystems (E. 3-5). Bei der Wahl der Sanktionsart für Strafen zwischen sechs Monaten und einem Jahr bildet die Zweckmässigkeit ein wichtiges Kriterium (E. 4.1). Systematische Darstellung des intertemporalen Kollisionsrechts (E. 6 und 7). Anwendung von Art. 42 Abs. 4 StGB im Sanktionsbereich der sogenannten Schnittstellenproblematik im Strassenverkehrsstrafrecht (E. 8). Bei unechter Gesetzeskonkurrenz sind konsumierte Übertretungen mit einer zusätzlichen Busse zu bestrafen (E. 8.3).
134 IV 140 (6B_364/2007) from 18. März 2008
Regeste: Art. 46 StGB, Verzicht auf den Widerruf des bedingten Strafvollzugs. Voraussetzungen für den Verzicht auf einen Widerruf (E. 4). Im vorliegenden Fall zu Unrecht verneint (E. 5).
135 IV 146 (6B_765/2008) from 7. April 2009
Regeste: Art. 87, Art. 388 Abs. 1 und 3, Art. 89 Abs. 6 StGB in Verbindung mit Art. 49 Abs. 1 StGB; Übergangsrecht, Gesamtstrafenbildung im Rückversetzungsverfahren, Vollzug der Gesamtstrafe. Die vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts rechtskräftig gewordene Verfügung der Verwaltungsbehörde betreffend die Probezeit bei einer bedingten Entlassung bleibt auch in Bezug auf die verhängte Dauer bestehen. Es erfolgt keine Anpassung an das neue Recht (E. 1). Voraussetzungen und Methodik der Gesamtstrafenbildung im Rückversetzungsverfahren nach Art. 89 Abs. 6 StGB (E. 2.4). Die Gesamtstrafe kann weder bedingt noch teilbedingt ausgesprochen werden (E. 2.4.2).
137 IV 249 (6B_46/2011) from 27. September 2011
Regeste: a Widerruf der bedingten Strafe; Änderung der Vorstrafe zur Bildung einer Gesamtstrafe in Anwendung von Art. 49 StGB (Art. 46 Abs. 1 Satz 2 StGB). Es widerspricht der ratio legis der Bestimmung von Art. 46 Abs. 1 StGB, eine (rechtskräftige) Vorstrafe zulasten des Verurteilten zu ändern. Das Verfahren ist nicht anwendbar, um eine Vorstrafe in eine schwerere Sanktion umzuwandeln (E. 3.4.3).
138 IV 113 (6B_180/2011) from 5. April 2012
Regeste: Art. 49 Abs. 2 StGB; retrospektive Konkurrenz; Kassation des Ersturteils. Für die Frage, ob und in welchem Umfang (d.h. ganz oder teilweise) das Gericht eine Zusatzstrafe im Sinne von Art. 49 Abs. 2 StGB aussprechen muss, ist auf das Datum der ersten Verurteilung im ersten Verfahren (sog. Ersturteil) abzustellen. Demgegenüber ist für die Bemessung bzw. die Höhe der Zusatzstrafe das rechtskräftige Urteil im ersten Verfahren massgebend (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3.4.2). Für die Beantwortung der ersten Frage (Anwendbarkeit des Asperationsprinzips) ist unerheblich, ob das Ersturteil oder ein Urteil der Rechtsmittelinstanz in Rechtskraft erwächst oder ob nach einer Kassation neu entschieden werden muss. Dies gilt auch, wenn im Rahmen der Neubeurteilung zuungunsten des Verurteilten für die gleiche Tat eine härtere Strafe verhängt wird als im Ersturteil (E. 3.4.3). Eine Gesamtstrafe gestützt auf Art. 46 Abs. 1 Satz 2 sowie Art. 62a Abs. 2 und Art. 89 Abs. 6 StGB kommt nicht in Betracht, wenn aufgrund einer erneuten Delinquenz in der Zeit zwischen dem Ersturteil und dem Vollzug der ersten Strafe zwei Freiheitsstrafen zum Vollzug anstehen (E. 4).
141 IV 55 (6B_840/2014) from 6. Februar 2015
Regeste: Widerruf einer bedingten Entlassung. Der Widerruf einer als ursprünglich fehlerhaft erkannten Verfügung betreffend bedingte Entlassung hat sich jedenfalls an den zeitlichen Grenzen von Art. 89 Abs. 4 StGB zu orientieren (E. 3).
142 IV 265 (6B_829/2014) from 30. Juni 2016
Regeste: Art. 49 Abs. 1 und 2 StGB; Zusatzstrafe (retrospektive Konkurrenz). Methodik der Zusatzstrafenbildung; Art. 49 Abs. 2 StGB erlaubt keine erneute Beurteilung der in Rechtskraft erwachsenen Grundstrafe (E. 2.4.1). Die Zusatzstrafe ist die infolge Asperation mit der Grundstrafe reduzierte Strafe für die neu zu beurteilenden Taten (E. 2.4.4).
144 IV 217 (6B_483/2016) from 30. April 2018
Regeste: Art. 49 Abs. 1 StGB; Konkurrenzen (Gesamtstrafenbildung). Die Bildung einer Gesamtstrafe in Anwendung des Asperationsprinzips nach Art. 49 Abs. 1 StGB ist nur möglich, wenn das Gericht im konkreten Fall für jeden einzelnen Normverstoss gleichartige Strafen ausfällt. Dass die anzuwendenden Strafbestimmungen (teilweise) abstrakt gleichartige Strafen androhen, genügt nicht. Geld- und Freiheitsstrafe sind keine gleichartigen Strafen im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB (sog. "konkrete Methode"; Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2.2, 3.3 und 3.4). Eine Gesamtstrafe in Anwendung des Asperationsprinzips setzt in Abgrenzung zum Absorptions- und Kumulationsprinzip voraus, dass das Gericht die (hypothetischen) Einzelstrafen sämtlicher Delikte (zumindest gedanklich) gebildet hat. Die Ausfällung einer Einheitsstrafe im Sinne einer Gesamtbetrachtung aller zu beurteilenden Delikte ist nicht möglich (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 3.5). Der Gesetzgeber hat die Konkurrenzen in Art. 49 StGB abschliessend geregelt. De lege lata ist es weder möglich, eine Gesamtfreiheitsstrafe aus Geld- und Freiheitsstrafen noch aus mehreren Geldstrafen zu bilden (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 3.6).
145 IV 1 (6B_1037/2018) from 27. Dezember 2018
Regeste: Art. 49 Abs. 2 StGB; teilweise retrospektive Konkurrenz; Präzisierung der Rechtsprechung. Hat das Gericht mehrere Taten zu beurteilen, wovon mindestens eine Tat vor der Verurteilung wegen anderer Taten begangen wurde (teilweise retrospektive Konkurrenz), ist für die neuen Taten - d.h. diejenigen, welche nach Rechtskraft der ersten Verurteilung begangen wurden - eine unabhängige Strafe festzulegen. Deshalb ist zwischen Taten, die vor, und solchen, die nach dem Ersturteil begangen wurden, zu unterscheiden. Das Gericht beurteilt zunächst, ob bezüglich der Taten, welche vor dem Ersturteil begangen wurden, mit Blick auf die ins Auge gefasste Strafart, die Anwendung von Art. 49 Abs. 2 StGB in Betracht fällt. Anschliessend legt es für die nach der ersten Verurteilung begangenen Taten eine unabhängige Strafe fest, gegebenenfalls in Anwendung von Art. 49 Abs. 1 StGB. Schliesslich addiert das Gericht die für die vor dem Ersturteil begangenen Straftaten festgelegte Zusatzstrafe oder zu kumulierende Strafe zu derjenigen für die neuen Taten hinzu (E. 1).
145 IV 137 (6B_23/2018) from 26. März 2019
Regeste: a Art. 2 Abs. 2 StGB; lex mitior. Das Bundesgericht prüft nicht, ob das nach Ausfällung des angefochtenen kantonalen Entscheids in Kraft getretene Recht milder ist (E. 2).
145 IV 146 (6B_932/2018) from 24. Januar 2019
Regeste: Art. 46 Abs. 1 Satz 2, Art. 49 StGB; Bildung einer Gesamtstrafe bei Widerruf der bedingten Strafe (Änderung der Rechtsprechung). Am 1. Januar 2018 ist die revidierte Bestimmung von Art. 46 Abs. 1 Satz 2 StGB in Kraft getreten. Bei Widerruf des bedingten Strafvollzugs hat das Gericht nunmehr mit der widerrufenen und der neuen Strafe eine Gesamtstrafe zu bilden. Die Gesamtstrafenbildung setzt voraus, dass die widerrufene und die neue Strafe gleichartig sind (E. 2.1-2.3). Bei der Bildung der Gesamtstrafe ist die neue Strafe als "Einsatzstrafe" in sinngemässer Anwendung des Asperationsprinzips (Art. 49 StGB) durch die widerrufene Strafe zu erhöhen (E. 2.4).
147 IV 108 (6B_780/2019) from 17. August 2020
Regeste: Art. 34 Abs. 3 StPO; nachträgliche Gesamtstrafenbildung. Art. 34 Abs. 3 StPO stellt sicher, dass die materiell-rechtlichen Vorschriften der Gesamtstrafenbildung von der verurteilten Person wirksam durchgesetzt werden können (E. 2.2.1). Das Verfahren gemäss Art. 34 Abs. 3 StPO ist ein Verfahren "sui generis", auf das die Vorschriften über "Verfahren bei selbstständigen nachträglichen Entscheiden des Gerichts" gemäss Art. 363 ff. StPO (sinngemäss) Anwendung finden, soweit Art. 34 Abs. 3 StPO keine abweichende Regelung enthält (E. 2.2.2). Art. 34 Abs. 3 StPO regelt nicht, wie die Gesamtstrafe zu bilden ist; dies ergibt sich ausschliesslich aus der jeweiligen materiell-rechtlichen Norm (Art. 46 Abs. 1 Satz 2, Art. 49, Art. 62a Abs. 2 und Art. 89 Abs. 6 StGB) (E. 2.2.3). Gegenstand des Nachverfahrens gemäss Art. 34 Abs. 3 StPO ist ausschliesslich, die unterlassene Gesamtstrafenbildung durch Asperation der rechtskräftigen Strafen nachzuholen. Das Nachgericht hat weder die Rechtmässigkeit der früheren Verurteilungen noch die Angemessenheit der ausgesprochenen Strafen zu prüfen (E. 2.2.4 und 2.2.5). Die Vollzugsform (bedingt, teil- oder unbedingt) spielt für die Beurteilung der Gleichartigkeit der ausgesprochenen Strafen keine Rolle (E. 3.1-3.4). Die richterliche Fürsorgepflicht kann erfordern, die beschuldigte Person auf eine mögliche oder gesetzlich zwingende Änderung der Vollzugsform infolge der nachträglichen Gesamtstrafenbildung hinzuweisen und ihr die Möglichkeit einzuräumen, den gestellten Antrag zurückzuziehen (E. 3.6). |