Schweizerisches Strafgesetzbuch

vom 21. Dezember 1937 (Stand am 22. November 2022)


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Art. 55

2. Ge­mein­sa­me Be­stim­mun­gen

 

1 Das Ge­richt sieht bei der be­ding­ten Stra­fe vom Wi­der­ruf und bei der be­ding­ten Ent­las­sung von der Rück­ver­set­zung ab, wenn die Vor­aus­set­zun­gen der Straf­be­frei­ung ge­ge­ben sind.

2 Als zu­stän­di­ge Be­hör­den nach den Ar­ti­keln 52, 53 und 54 be­zeich­nen die Kan­to­ne Or­ga­ne der Straf­rechts­pfle­ge.

BGE

91 IV 136 () from 6. Mai 1965
Regeste: Art. 220 StGB, Täterschaft bei Entziehung und Vorenthalten von Unmündigen. Täter kann auch der Ehegatte sein, dem das Kind bei der richterlich bewilligten Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes durch Zuteilung an den andern Ehegatten weggenommen wurde.

94 IV 102 () from 22. November 1968
Regeste: Art. 55 StGB, Landesverweisung. 1. Rückfall: Der Begriff ist der gleiche wie in Art. 67 StGB (Erw.1). 2. Die Landesverweisung verfolgt sowohl einen Strafzweck (daraus Anwendung von Art. 63 StGB) wie einen Sicherungszweck (Erw.2). 3. Bedeutung der persönlichen Verhältnisse (Erw.3).

98 IB 465 () from 22. Dezember 1972
Regeste: Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung eines italienischen Arbeitnehmers. 1. Voraussetzungen des Anspruchs italienischer Arbeitnehmer auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung (Erw. 2). 2. Der Begriff der "schweren Klagen" im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. b ANAG; Anwendung auf den vorliegenden Fall (Erw. 3). 3. Richtlinien für die Ausübung des Ermessens beim Entscheid über die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung; Ermessensmissbrauch (Erw. 4).

101 IV 177 () from 21. Juni 1975
Regeste: Verbotener Nachrichtendienst. 1. Zuständigkeit. Einrichten und Betreiben eines verbotenen Nachrichtendienstes; Zweck des Verbotes. Mittäterschaft, fortgesetzte Delikte (Erw. I). 2. Militärischer Nachrichtendienst zum Nachteil fremder Staaten (Art. 301 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) und der Schweiz (Art. 274 Ziff. 1 StGB); politischer Nachrichtendienst gegen die Schweiz und ihre Einwohner (Art. 272 StGB); wirtschaftlicher Nachrichtendienst, Verhältnis zwischen Art. 273 Abs. 1 und 2 StGB. Schwere Fälle verbotenen Nachrichtendienstes. Verletzung von Geschäftsgeheimnissen, Verhältnis zwischen Art. 162 und 273 StGB (Erw. II/1-5). 3. Urkundendelikte (Art. 251-253 StGB), Wahlfälschungen (Art. 282 Ziff. 1 StGB) und Widerhandlungen gegen das TVG (Art. 42 Abs. 1 lit. a) und gegen das ANAG (Art. 23 Abs. 1), die zur Tarnung eines verbotenen Nachrichtendienstes oder bei dessen Betreiben begangen wurden (Erw. II/6 und 7). 4. Betrug (Art. 148 StGB): Unrechtmässige Bereicherung als unerwünschte Nebenfolge eines verbotenen Nachrichtendienstes (Erw. II/8)? 5. Strafzumessung (Art. 63 und 68 StGB). Anrechnung der Untersuchungshaft (Art. 69 StGB). Landesverweisung (Art. 55 StGB). Einziehung von Gegenständen (Art. 58 StGB) und Verfall von Zuwendungen (Art. 59 StGB), die zur Begehung strafbarer Handlungen bestimmt waren oder diese fördern sollten (Erw. III).

101 IV 371 () from 12. September 1975
Regeste: I. Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951. Die Verletzung des Art. 32 des genannten Vertrages kann mit Beschwerde beim Bundesrat im Sinne von Art. 73 Abs. 1 lit. b VwG gerügt werden (Erw. I). II. Strafprozessuale Beschlagnahme. Verhältnis zum Bundesrecht. 1. Eine aufgrund kantonalen Rechts in einer vom Strafgesetzbuch beherrschten Rechtssache erlassene Verfügung stellt eine der Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 268 BStP unterliegende Bundesstrafsache dar (Erw. 1). 2. Die in Anwendung kantonalen Rechts verfügte Beschlagnahme von Vermögenswerten des Angeschuldigten zur Deckung der Gefangenschaftskosten ist öffentlichrechtlicher Art und kann deshalb nicht mit eidg. Nichtigkeitsbeschwerde angefochten werden (Erw. 3a). 3. Die in einer kantonalen Strafprozessordnung vorgesehene Beschlagnahme von (mit der Straftat in keinem Zusammenhang stehenden) Vermögensstücken des Angeschuldigten zur Sicherstellung privatrechtlicher Schadenersatzansprüche ist bundesrechtswidrig (Erw. 3b). 4. Die strafprozessuale Beschlagnahme von Vermögensstücken des Angeschuldigten widerspricht Art. 59 Abs. 2 StGB nur dann nicht, wenn ausschliesslich solche Gegenstände mit Beschlag belegt werden, welche bei rechtswidriger Aneignung nicht in das Eigentum des Angeschuldigten übergegangen sind (Erw. 4).

103 IB 23 () from 9. März 1977
Regeste: Art. 55 Abs. 2 StGB; probeweiser Aufschub der Landesverweisung. Für den Entscheid über den Vollzug oder den bedingten Aufschub der gerichtlich angeordneten Landesverweisung eines bedingt Entlassenen sind, wenn er die öffentliche Sicherheit nicht gefährdet, einzig die Verhältnisse seiner Resozialisierung massgebend; fremdenpolizeiliche Überlegungen sind für den Strafrichter ohne Belang.

104 IB 275 () from 12. Dezember 1978
Regeste: Art. 55 StGB. Probeweiser Aufschub der Landesverweisung. Die für den Vollzug einer später ausgefällten Hauptstrafe zuständige Behörde ist nicht befugt, über den probeweisen Aufschub der in einem früheren Strafverfahren ausgesprochenen Landesverweisung, die rechtskräftig und vollziehbar geworden ist, zu entscheiden.

104 IB 330 () from 15. Dezember 1978
Regeste: Art. 55 Abs. 2 StGB; Landesverweisung, probeweiser Aufschub. Nicht heranzuziehen sind allgemeine Unterschiede zwischen den Verhältnissen in der Schweiz und im Ausland (Arbeitsmarktbedingungen, Sozialeinrichtungen) (Erw. 2).

105 IB 165 () from 21. September 1979
Regeste: Fremdenpolizeiliche Ausweisung. 1. Das Verhältnis zwischen strafrechtlicher Landesverweisung und fremdenpolizeilicher Ausweisung (E. 5). 2. Angemessenheit der Ausweisung (Art. 11 Abs. 3 ANAG). Die Begehung eines schweren Verbrechens rechtfertigt nicht in jedem Fall die Ausweisung (E. 6).

111 IV 12 () from 16. Januar 1985
Regeste: Art. 55 StGB; Landesverweisung. Der Strafrichter hat bei der Anordnung der Landesverweisung nicht vorfrageweise zu prüfen, ob die Nebenstrafe sich nach den Bestimmungen des Asylrechts durchsetzen lässt oder ob der Täter nach AsylG die weitere Tolerierung seines Aufenthaltes in der Schweiz beanspruchen kann. Allenfalls aus dem Asylrecht sich ergebende Einwände sind erst in jenem Zeitpunkt zu prüfen, in welchem feststeht, dass die angeordnete Landesverweisung nicht infolge Bewährung bei probeweisem Aufschub weggefallen ist, sondern vollzogen werden muss.

112 IV 115 () from 21. August 1986
Regeste: Art. 23 Abs. 1 ANAG, Art. 31 Ziff. 1 des Flüchtlingsabkommens; Art. 96 OG, Art. 269 BStP, Art. 73 VwVG. 1. In einem Strafverfahren wegen illegaler Einreise in die Schweiz ist die Rüge, dass eine Verurteilung wegen rechtswidrigen Betretens des Landes gegen Bestimmungen des Flüchtlingsabkommens verstosse, nicht mit der Beschwerde an den Bundesrat, sondern mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht zu erheben (E. 1). 2. Der Richter kann in einem Strafverfahren selber vorfrageweise über die für die strafrechtliche Beurteilung einer bestimmten Handlung wesentliche Frage der Flüchtlingseigenschaft des Angeschuldigten entscheiden, wenn die Asylbehörden darüber noch nicht befunden haben (E. 4a).

114 IV 95 () from 14. Dezember 1988
Regeste: Art. 55 Abs. 2 StGB; probeweiser Aufschub der Landesverweisung. Diese Bestimmung findet nur Anwendung bei der bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug, nicht auch bei Ablauf der Probezeit für eine bedingt ausgesprochene Freiheitsstrafe.

115 IV 8 () from 24. Februar 1989
Regeste: Art. 112 StGB; Mord. Ein Fanatismus, der bis zur totalen Missachtung des Lebens anderer Menschen führt, bildet eines der spezifischen Merkmale des Mordes, indem er die Geisteshaltung des Täters enthüllt und die besondere und dauernde Gefahr offenbart, die er für diejenigen darstellt, welche seinen Glauben nicht teilen.

116 IV 105 () from 27. April 1990
Regeste: Art. 55 StGB, Art. 32 Ziff. 1 und 33 Flüchtlingskonvention, Art. 3 EMRK, Art. 43 Abs. 1 und 45 AsylG; Landesverweisung, asylrechtliche Ausweisungsbeschränkung und Non-Refoulement-Prinzip. 1. Art. 55 StGB ist gegenüber Flüchtlingen im Lichte der asylrechtlichen Ausweisungsbeschränkung gemäss Art. 32 Ziff. 1 Flüchtlingskonvention und Art. 43 Abs. 1 AsylG auszulegen und anzuwenden, gegebenenfalls also restriktiver (E. 3a). Diese asylrechtliche Ausweisungsbeschränkung ist bei der Aussprechung der Landesverweisung, nicht aber beim Widerruf des bedingten Vollzuges oder beim probeweisen Aufschub nach Art. 55 Abs. 2 StGB zu berücksichtigen; über die Flüchtlingseigenschaft entscheidet der Strafrichter nötigenfalls entsprechend den allgemeinen Voraussetzungen für die Prüfung von Vorfragen (E. 3b und 4e) (Praxisänderung gegenüber BGE 101 IV 375 und Präzisierung der Rechtsprechung in BGE 111 IV 12). 2. Die Anwendung des Non-Refoulement-Prinzips (Art. 33 Flüchtlingskonvention) wird in Art. 45 AsylG - und gemäss Art. 3 EMRK - auf Personen ausgedehnt, die an der Grenze oder im Landesinnern um Asyl nachsuchen (E. 4a und b). Diese asyl- und menschenrechtlichen Gründe gegen eine Landesverweisung dürfen erst bei deren Vollstreckung Beachtung finden; ob sie vorliegen, hat die zuständige Vollzugsbehörde in einem vom Entscheidungsverfahren streng zu unterscheidenden Vollstreckungsverfahren zu prüfen (E. 4f-i) (Bestätigung und Präzisierung der Rechtsprechung in BGE 111 IV 12).

116 IV 283 () from 4. Dezember 1990
Regeste: Art. 55 Abs. 2 StGB; probeweiser Aufschub der Landesverweisung. Der Entscheid, ob und unter welchen Bedingungen der Vollzug der im Strafurteil angeordneten unbedingten Landesverweisung probeweise aufgeschoben werden soll, ist im Zusammenhang mit der gleichzeitig zu beurteilenden bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug zu fällen. Es geht auf dieser Stufe des Vollzugs nur noch um die Verwirklichung des Resozialisierungsgedankens. Fall eines Ausländers, der weder in sein Heimatland ausreist, noch in der Schweiz bleibt, sondern mit seiner Ehefrau den Aufenthalt nahe der Schweizer Grenze nimmt.

117 IV 3 () from 21. Januar 1991
Regeste: Art. 41 Ziff. 1 StGB; bedingter Vollzug der Landesverweisung. Nebst dem Vorleben und dem Charakter des Betroffenen stellt auch die Bewährung am Arbeitsplatz einen wesentlichen Faktor der Prognose dar. Eine Verweigerung des bedingten Vollzugs trotz Bewährung am Arbeitsplatz kommt nur dann in Betracht, wenn im Rahmen einer Gesamtwürdigung schwerwiegende konkrete Gegenindizien derart überwiegen, dass sich keine günstige Prognose stellen lässt.

117 IV 112 () from 23. April 1991
Regeste: 1. Art. 63 StGB; Strafzumessung (E. 1, E. 2). a) Tat- und Täterkomponenten, die bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind. b) Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts. c) Anforderungen an die Begründung der Strafzumessung. d) Fall einer ungenügenden Begründung. 2. Art. 41, Art. 55 StGB; Landesverweisung, bedingter Vollzug. a) Der Umstand, dass ein mit einer Schweizerin verheirateter Ausländer Straftaten verübte, genügt für sich allein nicht, seine Assimilierung in der Schweiz zu verneinen (E. 3a). b) Der bedingte Vollzug der Landesverweisung kann nicht mit dem Hinweis auf die Möglichkeit des probeweisen Aufschubs der Nebenstrafe bei der bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug gemäss Art. 55 Abs. 2 StGB verweigert werden (E. 3b). c) Anforderung an die Begründung der Landesverweisung und der Verweigerung des bedingten Vollzugs (E. 3a und b).

117 IV 229 () from 12. April 1991
Regeste: Art. 55 StGB; Landesverweisung; Rechtsnatur; Zusammentreffen zweier Verweisungen im Vollzug. Bei der Landesverweisung steht nicht der Straf-, sondern der Charakter einer sichernden Massnahme im Vordergrund (E. 1c). Zwei in verschiedenen Urteilen ausgesprochene, noch nicht vollstreckte Landesverweisungen gelangen deshalb nicht nacheinander, sondern gleichzeitig zum Vollzug (E. 1c/cc und 1d).

118 IV 102 () from 24. Januar 1992
Regeste: Art. 41 StGB; bedingte Landesverweisung; Beginn der Probezeit. Die Probezeit für eine bedingte Landesverweisung beginnt mit der Eröffnung des Urteils zu laufen, das vollstreckbar wird. Das gilt auch dann, wenn der Vollzug der gleichzeitig ausgesprochenen Freiheitsstrafe nicht aufgeschoben worden ist.

118 IV 221 () from 20. Mai 1992
Regeste: Art. 97, Art. 101 lit. c OG; Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Soweit die Vereinbarkeit der Vollstreckung der Landesverweisung mit dem Grundsatz des Non-Refoulement in Frage steht, ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (E. 1). Art. 55 StGB; Art. 25, Art. 44 Abs. 2 und Art. 45 Abs. 1 AsylG; Art. 33 Ziff. 1 Flüchtlingskonvention; Vollstreckung der rechtskräftigen Landesverweisung bei einem anerkannten Flüchtling. Mit dem Vollzug der strafrechtlichen Landesverweisung erlischt das Asyl von Gesetzes wegen (E. 2a). Die für die Vollstreckung der Landesverweisung zuständige Behörde ist daher bei der Anwendung des Non-Refoulement-Prinzips an den Asylentscheid nicht gebunden. Anders verhält es sich nur, wenn die zuständige Asylbehörde trotz Abweisung des Asylgesuchs oder Widerruf des Asyls die Flüchtlingseigenschaft des Betroffenen bejaht, d.h. die Wegweisung als unzumutbar erachtet und eine vorläufige Aufnahme angeordnet hat (E. 2c).

121 IV 345 () from 28. November 1995
Regeste: Art. 84 Abs. 1 lit. a, 103 lit. a, 104 lit. a OG; Vollzug einer Landesverweisung. Gegen die Vollzugsverfügung einer Landesverweisung steht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen, mit der jedoch nur die Verletzung des Grundsatzes des "non-refoulement" gerügt werden kann; in diesem Rahmen sind verfassungsrechtliche Rügen zulässig (E. 1a). Schutzwürdiges aktuelles Interesse eines Betroffenen, der bereits aus der Schweiz verwiesen worden ist (E. 1b).

122 II 433 () from 15. November 1996
Regeste: Art. 10 Abs. 1 lit. a und Art. 11 Abs. 3 ANAG in Verbindung mit Art. 16 Abs. 3 ANAV; Art. 3 und Art. 8 EMRK sowie Art. 12 und Art. 13 UNO-Pakt II; fremdenpolizeiliche Ausweisung eines in der Schweiz geborenen und aufgewachsenen Ausländers (sog. "Ausländer der zweiten Generation"). Voraussetzungen der Zulässigkeit der Ausweisung, insbesondere deren Verhältnismässigkeit, nach schweizerischem Recht (E. 2). Vereinbarkeit der auf das Landesrecht gestützten Ausweisung mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz (E. 3).

122 IV 56 () from 28. Februar 1996
Regeste: Art. 55 Abs. 2 StGB; probeweiser Aufschub der Landesverweisung. Wird der Verurteilte aus dem Vollzug der widerrufenen bedingten Hauptstrafe bedingt entlassen, so ist der probeweise Aufschub der teilweise bereits vollstreckten Landesverweisung zulässig (E. 3a).

123 IV 107 () from 20. Juni 1997
Regeste: Art. 55 Abs. 1 StGB und 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB; Art. 32 Ziff. 1 Flüchtlingskonvention; Art. 44 Abs. 1 AsylG; Landesverweisung; Aussprechung gegenüber einem Flüchtling; Anforderungen an die Begründung der Dauer; bedingter Vollzug. Zusammenfassung der Rechtsprechung zur Landesverweisung (E. 1). Zulässigkeit der Landesverweisung eines Flüchtlings im zu beurteilenden Fall bejaht unter Berücksichtigung der asylrechtlichen Ausweisungsbeschränkung (E. 2). Zwischen der Dauer der Hauptstrafe und jener der Landesverweisung besteht in der Regel eine gewisse Übereinstimmung. Verhängt die kantonale Behörde neben einer tiefen Hauptstrafe eine lange Landesverweisung oder neben einer hohen Hauptstrafe eine kurze Landesverweisung, so muss sie das hinreichend begründen (E. 3). Bedingter Vollzug der Landesverweisung. Pflicht zur Gesamtwürdigung aller wesentlichen Umstände (E. 4).

125 II 105 () from 16. Februar 1999
Regeste: Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG und Art. 11 Abs. 3 ANAG in Verbindung mit Art. 16 Abs. 3 ANAV; Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB sowie Art. 55 StGB; Art. 3 EMRK; fremdenpolizeiliche Ausweisung eines Ausländers, der strafrechtlich unbedingt des Landes verwiesen worden ist. Bei unbedingter Landesverweisung verbleibt zwar kein Raum für die Erteilung einer Anwesenheitsbewilligung (vgl. BGE 124 II 289), doch ist weder zwingend die Anordnung einer fremdenpolizeilichen Ausweisung ausgeschlossen, noch wird der entsprechende Beurteilungsspielraum der Fremdenpolizeibehörden eingeschränkt (E. 2). Voraussetzungen der Zulässigkeit der Ausweisung, insbesondere deren Verhältnismässigkeit, nach schweizerischem Recht sowie unter dem Gesichtspunkt des aus Art. 3 EMRK abgeleiteten Rückschiebungsverbots (E. 3).

125 IV 1 () from 15. Januar 1999
Regeste: Art. 19 BetmG, Art. 63 StGB und Art. 55 Abs. 1 StGB, Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG, Art. 4 Abs. 1 BV; Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz durch einen Ausländer, Strafzumessung. Die straferhöhende Berücksichtigung des «Missbrauchs des Gastrechts» verletzt Bundesrecht. Strafrechtliche Landesverweisung und fremdenpolizeiliche Ausweisung als besondere Folgen der Tat eines Ausländers.

128 II 103 () from 4. März 2002
Regeste: Art. 13b und 13c Abs. 1 ANAG, Art. 55 StGB; Ausschaffungshaft zur Sicherstellung des Vollzugs einer strafrechtlichen Landesverweisung. Eine unbedingt ausgesprochene Landesverweisung bildet selbst dann eine genügende Grundlage für die Ausschaffungshaft, wenn noch keine Vollstreckungsverfügung ergangen ist, sofern das Verhältnismässigkeitsprinzip gewahrt bleibt (E. 1).

129 II 215 () from 28. März 2003
Regeste: Art. 8 EMRK, Art. 13 Abs. 1 BV, Art. 5 Abs. 1 und 2 Anhang I FZA, Richtlinie 64/221 EWG, Art. 10 Abs. 1 lit. a und Art. 11 Abs. 3 ANAG; Ausweisung; gegenwärtige, hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Zulässigkeit der Ausweisung eines aus einem EU-Staat stammenden Betäubungsmittelhändlers nach Massgabe des ANAG, von Art. 8 EMRK und Art. 13 Abs. 1 BV (E. 3 und 4) sowie unter dem Gesichtspunkt des Freizügigkeitsabkommens (E. 5-7). Gewährt der Strafrichter einem wegen eines Verbrechens oder Vergehens verurteilten Ausländer für die Nebenstrafe der Landesverweisung den bedingten Vollzug, so hindert dies eine Ausweisung nicht (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3.2); nichts anderes gilt im Falle von straffälligen Ausländern, deren Aufenthaltsregelung in den Geltungsbereich des Freizügigkeitsabkommens fällt (E. 7.4).

129 IV 246 () from 5. Juni 2003
Regeste: Art. 13 Abs. 1 i.V.m. Art. 23 Abs. 1 ANAG; wiederholte rechtswidrige Einreise in die Schweiz; Überprüfung der Rechtmässigkeit einer unbegrenzten Einreisesperre. Dreistufige Überprüfungsbefugnis von Verwaltungsverfügungen durch den Strafrichter (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2.1). Wenn der Beschuldigte darauf verzichtet hat, beim Verwaltungsgericht Beschwerde zu erheben, oder wenn seine Beschwerde dort noch hängig ist, kann der Strafrichter den Verwaltungsentscheid nur auf offensichtliche Rechtsverletzung und offensichtliche Ermessensüberschreitung hin überprüfen (teilweise Änderung der Rechtsprechung; E. 2.2). Prüfung der Rechtmässigkeit eines Entscheids der Bundesverwaltungsbehörde, die einem Ausländer, der sich schwerer Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig gemacht hat, die Einreise in die Schweiz verbietet. Die Angemessenheit des Entscheids kann nicht überprüft werden (E. 2.3).

130 II 176 () from 7. April 2004
Regeste: Art. 1 ANAG; Art. 2 FZA; Art. 5 Abs. 1 und 2 Anhang I FZA; Art. 3 Abs. 1 und 2 Richtlinie 64/221/EWG; Nichtverlängern der Aufenthaltsbewilligung; Freizügigkeitsabkommen; Massnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung; gegenwärtige und hinreichend schwere Gefährdung; Ausländer der sog. zweiten Generation. Fortführung von BGE 129 II 215. Voraussetzungen des Freizügigkeitsabkommens für die Ausweisung oder das Nichtverlängern der Aufenthaltsbewilligung von EU-Bürgern bzw. von deren Familienangehörigen (E. 2-4). Gegenwärtige und hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung als besonderes Kriterium (E. 3.4.1, 4.2 und 4.3.1). Berücksichtigung von Äusserungen der Straf- und Strafvollzugsbehörden zur Wiederholungsgefahr sowie von (noch) nicht abgeurteiltem Verhalten des Ausländers (E. 4.3.3). Behandlung von Ausländern der zweiten Generation im Rahmen des Freizügigkeitsabkommens (E. 4.4).

130 II 493 () from 2. August 2004
Regeste: Art. 5 Abs. 1 und 2 Anhang I FZA; Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 64/221/EWG; Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung gegenüber einem EU-Bürger; öffentliche Ordnung; Rückfallgefahr. Beschwerdelegitimation eines EU-Bürgers (Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG; E. 1). Zusammenfassung der Grundsätze und Voraussetzungen für Massnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung (tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend schwere Bedrohung der öffentlichen Ordnung; Unabhängigkeit der Fremdenpolizeibehörde gegenüber dem Entscheid der Strafbehörden; E. 3-4.2). Delikte wie Förderung der Prostitution (Art. 195 StGB) und schwere Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer rechtfertigen Massnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung (E. 4.3). Würdigung der Rückfallgefahr und Verhältnismässigkeit der Massnahme (E. 4.4-4.6). Beschränkungen bei der Einreichung jedes neuen Gesuchs nach Ablehnung der Aufenthaltsbewilligung (E. 5).

131 II 352 () from 14. April 2005
Regeste: Art. 13 Abs. 1 ANAG, Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 OG, Art. 11 Abs. 1 und 3 FZA, Art. 5 Anhang I FZA; Einreisesperre, Verwaltungsgerichtsbeschwerde, öffentliche Ordnung. Obwohl Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 OG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen eine Einreisesperre ausschliesst, steht sie diesbezüglich Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft offen. Dies ergibt sich aus Art. 11 Abs. 1 und 3 FZA, der dafür ein zweistufiges Beschwerdeverfahren vorschreibt, wobei mindestens die zweite Instanz ein Gericht sein muss (E. 1). Zusammenfassung der Grundsätze und Voraussetzungen für die Einschränkung der sich aus dem Freizügigkeitsabkommen ergebenden Rechte aus Gründen der öffentlichen Ordnung (E. 3). Prüfung der Schwere der verübten strafbaren Handlung und der Rückfallsgefahr: Im konkreten Fall keine gegenwärtige und hinreichend schwere Bedrohung, welche eine Einreisesperre rechtfertigen könnte (E. 4).

135 IV 27 (6B_522/2008, 6B_523/2008) from 27. November 2008
Regeste: Verfahrensrechtliche Umsetzung der Wiedergutmachung (Art. 53 StGB). Wird das bewirkte Unrecht umgehend ausgeglichen, kann die Untersuchungsbehörde von einer Strafverfolgung absehen. Ist die Strafverfolgung bereits im Gang, kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen oder von einer Überweisung an das Gericht absehen. Sind die Wiedergutmachungsvoraussetzungen erst im Gerichtsverfahren gegeben, ist ein Schuldspruch bei gleichzeitigem Strafverzicht auszufällen (E. 2).

144 IV 202 (6B_957/2017) from 27. April 2018
Regeste: Art. 53 StGB; Art. 8 Abs. 4 und 426 Abs. 2 StPO; Tragung der Verfahrenskosten bei einer Strafbefreiung des Täters. Sind die Voraussetzungen von Art. 53 StGB erfüllt, verfügen die Staatsanwaltschaft und die Gerichte, dass kein Verfahren eröffnet oder das laufende Verfahren eingestellt wird (siehe Art. 8 Abs. 4 StPO). Art. 53 StGB setzt eine rechtswidrige Handlung des Täters voraus. Da trotz des Nichteintretens- oder Einstellungsentscheids zwingend eine rechtswidrige Handlung begangen wurde, erscheint es gerechtfertigt, dem Beschuldigten die Verfahrenskosten aufzuerlegen. Die Kostenauflage verstösst nicht gegen die Unschuldsvermutung (E. 2).

 

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