Schweizerisches Strafgesetzbuch

vom 21. Dezember 1937 (Stand am 22. November 2022)


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Art. 61

Mass­nah­men für jun­ge Er­wach­se­ne

 

1 War der Tä­ter zur Zeit der Tat noch nicht 25 Jah­re alt und ist er in sei­ner Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung er­heb­lich ge­stört, so kann ihn das Ge­richt in ei­ne Ein­rich­tung für jun­ge Er­wach­se­ne ein­wei­sen, wenn:

a.
der Tä­ter ein Ver­bre­chen oder Ver­ge­hen be­gan­gen hat, das mit der Stö­rung sei­ner Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung in Zu­sam­men­hang steht; und
b.
zu er­war­ten ist, da­durch las­se sich der Ge­fahr wei­te­rer mit der Stö­rung sei­ner Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung in Zu­sam­men­hang ste­hen­der Ta­ten be­geg­nen.

2 Die Ein­rich­tun­gen für jun­ge Er­wach­se­ne sind von den üb­ri­gen An­stal­ten und Ein­rich­tun­gen die­ses Ge­set­zes ge­trennt zu füh­ren.

3 Dem Tä­ter sol­len die Fä­hig­kei­ten ver­mit­telt wer­den, selbst­ver­ant­wort­lich und straf­frei zu le­ben. Ins­be­son­de­re ist sei­ne be­ruf­li­che Aus- und Wei­ter­bil­dung zu för­dern.

4 Der mit der Mass­nah­me ver­bun­de­ne Frei­heits­ent­zug be­trägt höchs­tens vier Jah­re. Er darf im Fal­le der Rück­ver­set­zung nach be­ding­ter Ent­las­sung die Höchst­dau­er von ins­ge­samt sechs Jah­ren nicht über­schrei­ten. Die Mass­nah­me ist spä­tes­tens dann auf­zu­he­ben, wenn der Tä­ter das 30. Al­ters­jahr vollen­det hat.

5 Wur­de der Tä­ter auch we­gen ei­ner vor dem 18. Al­ters­jahr be­gan­ge­nen Tat ver­ur­teilt, so kann die Mass­nah­me in ei­ner Ein­rich­tung für Ju­gend­li­che voll­zo­gen wer­den.

BGE

88 IV 11 () from 23. März 1962
Regeste: Art. 61 Abs. 4 und Art. 154 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. 1. Die für den Fall des gewerbsmässigen Inverkehrbringens gefälschter Waren obligatorisch vorgesehene Urteilspublikation hat stets unter Namensnennung zu erfolgen (Erw. 3). 2. In welchem Organ das Strafurteil zu veröffentlichen ist, entscheidet sich nach dem mit der Urteilspublikation verfolgten Zwecke (Erw. 4).

92 IV 184 () from 28. Dezember 1966
Regeste: Art. 61 Abs. 1 StGB, Art. 102 Ziff. 2 SVG. 1. Angetrunkenheit am Steuer ist ein so häufiges und gefährliches Vergehen, dass die Veröffentlichung des Urteils zur Abschreckung sowohl des fehlbaren Fahrers wie der übrigen Strassenbenützer im öffentlichen Interesse geboten sein kann (Erw. 1). 2. Die Bestimmungen des Art. 102 Ziff. 2 SVG wollen den Art. 61 Abs. 1 StGB nicht einschränken, sondern vielmehr ergänzen, um zu verdeutlichen, wann auf dem Gebiete des Strassenverkehrsrechtes das öffentliche Interesse an der Veröffentlichung des Strafurteils schon von Gesetzes wegen zu bejahen ist (Erw. 2). 3. Dass Art. 102 Ziff. 2 lit. b SVG sich auf Rückfälle von Angetrunkenheit am Steuer bezieht, schliesst nicht aus, Vorstrafen wegen solcher Vergehen unter dem Gesichtspunkt von lit. a ebenfalls Rechnung zu tragen (Erw. 3). 4. Wer trunksüchtig ist, gehört überhaupt nicht ans Steuer (Erw. 4).

94 IV 85 () from 12. Juni 1968
Regeste: Art. 61 Abs. 1 StGB, Art. 102 Ziff. 2 SVG. 1. Frage offen gelassen, ob Art. 102 Ziff. 2 lit. b SVG sich auch auf die Vereitelung der Blutprobe beziehe (Erw. 1). 2. Die Veröffentlichung des Urteils ist sowohl nach Art. 102 Ziff. 2 lit. a SVG wie nach Art. 61 Abs. 1 StGB gerechtfertigt, wenn ein Führer kaum dreieinhalb Monate nach einer Verurteilung sich wieder bedenkenlos über wichtige Verkehrsverpflichtungen hinwegsetzt (Erw. 2).

96 IV 82 () from 12. Juni 1970
Regeste: Art. 102 Ziff. 2 lit. b SVG. Die Veröffentlichung des Strafurteils wegen Fahrens in angetrunkenem Zustande ist nur dann zwingend vorgeschrieben, wenn sowohl die neue Verfehlung als auch die Bestrafung des Täters in die fünfjährige Frist fallen.

107 IA 52 () from 28. Januar 1981
Regeste: Persönliche Freiheit. Die Veröffentlichung der Namen fruchtlos gepfändeter Schuldner im kantonalen Amtsblatt verstösst gegen die persönliche Freiheit.

117 IV 159 () from 17. April 1991
Regeste: Art. 154 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Gewerbsmässiges Inverkehrbringen gefälschter Waren. Gewerbsmässigkeit verneint in einem Fall, in dem ein Händler von einem Lieferanten 16'000 gefälschte Polohemden bezog, um sie an einen Geschäftspartner weiterzuveräussern, nach dem Scheitern dieses Geschäfts nach Ersatzkäufern suchte und 5'000 Hemden an einen Kunden absetzen konnte.

125 II 569 () from 2. Dezember 1999
Regeste: Art. 3 EAUe; Art. 1 und 2 des Europäischen Übereinkommens zur Bekämpfung des Terrorismus; Auslieferung; beidseitige Strafbarkeit; politisches Delikt. Die Voraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit ist erfüllt bezüglich Tatbeständen, welche die Gründung einer bewaffneten Vereinigung zum Umsturz des Staates, zur Begehung terroristischer Akte, zur Herbeiführung eines bewaffneten Aufstands und zur Propagierung des Bürgerkriegs betreffen, sowie allen damit zusammenhängenden Delikten (E. 5 und 6). Begriff des politischen Delikts, das eine Auslieferung ausschliesst (E. 9a und b). Verhältnis zwischen dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen und dem die Tragweite des politischen Delikts einschränkenden Europäischen Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus (E. 9c). Mit automatischen Schusswaffen verübte Attentate stellen im vorliegenden Fall mit Blick auf Art. 1 lit. e und 13 Abs. 1 lit. c des Europäischen Übereinkommens zur Bekämpfung des Terrorismus keine politischen Straftaten dar (E. 9d). Die Tatbestände, welche die Gründung einer bewaffneten Vereinigung zum Umsturz des Staates betreffen, sind insoweit absolute politische Delikte, für welche die Auslieferung grundsätzlich ausgeschlossen ist, als allein die Bildung einer solchen Vereinigung ohne weitere Vorbereitungsmass- nahmen unter Strafe gestellt wird (E. 9e/aa). Hingegen sind jene Tatbestände im Zusammenhang mit der Gründung einer bewaffneten Vereinigung, deren Begehung auch Taten voraussetzt, keine absoluten politischen Delikte (E. 9e/bb). Die Auslieferung ist im vorliegenden Fall für alle im Ersuchen genannten Delikte - auch für die nicht auslieferungsfähigen absoluten politischen Delikte - zu bewilligen, da sie für den Vollzug einer mehrfach ausgesprochenen lebenslänglichen Freiheitsstrafe verlangt wird, wobei mindestens eine dieser Verurteilungen für auslieferungsfähige Straftaten erfolgte (E. 10).

129 IV 296 () from 6. August 2003
Regeste: Entzug der Jagdberechtigung (Art. 20 Abs. 1 JSG); bedingter Vollzug (Art. 41 StGB). Der Entzug der Jagdberechtigung im Sinne von Art. 20 Abs. 1 JSG ist keine Massnahme, sondern eine Nebenstrafe. Er kann daher bedingt erfolgen (E. 2).

134 IV 121 (6B_347/2007) from 29. November 2007
Regeste: Art. 2 und 64 StGB, Ziff. 2 Abs. 1 der Schlussbestimmungen der Änderung vom 13. Dezember 2002; Art. 7 Ziff. 1 EMRK; Art. 15 Abs. 1 UNO-Pakt II; Geltung des Rückwirkungsverbots für die Verwahrung. Das Rückwirkungsverbot gilt auch für die Verwahrung (E. 3.3.3). Das neue Recht ist hinsichtlich der Anordnung der Verwahrung und der Entlassung aus dieser Massnahme nicht strenger als das alte Recht. Die Schlussbestimmung der Änderung vom 13. Dezember 2002, welche die rückwirkende Anwendung des neuen Rechts auf noch nicht beurteilte Straftäter vorsieht, verstösst daher nicht gegen das Rückwirkungsverbot (E. 3.4).

134 IV 246 (6B_556/2007) from 4. Juli 2008
Regeste: Änderung und Aufhebung ambulanter Massnahmen; Begutachtung. Die Vollzugsbehörde ist zuständig zur Anpassung ambulanter Massnahmen, soweit die Änderung dem Zweck der ursprünglich angeordneten Massnahme entspricht und sich die neue Massnahme in den Rahmen der Behandlung einfügt, wie er im Strafurteil vorgezeichnet ist. Solche Anordnungen sind in Verfügungsform zu erlassen (E. 3.3). Erachtet die Vollzugsbehörde die Fortführung der ambulanten Behandlung als aussichtslos, so stellt sie deren Scheitern mittels anfechtbarer Verfügung fest (vgl. Art. 63a Abs. 2 lit. b StGB). Erwächst diese Verfügung in Rechtskraft, obliegt es dem Gericht zu entscheiden, ob die aufgeschobene Freiheitsstrafe zu vollziehen (Art. 63b Abs. 2 StGB) oder eine stationäre therapeutische Massnahme anzuordnen ist (Art. 63b Abs. 5 StGB). Für das Aussprechen einer anderen ambulanten Massnahme besteht kein Raum (E. 3.4). Aus Art. 56 Abs. 3 StGB ist zu folgern, dass Änderungsentscheide im Sinne von Art. 63b Abs. 2 und 5 StGB gestützt auf ein Gutachten einer sachverständigen Person zu treffen sind. Soweit ein früheres Gutachten mit Ablauf der Zeit und zufolge veränderter Verhältnisse an Aktualität eingebüsst hat, ist eine neuerliche Begutachtung unabdingbar (E. 4.3).

136 IV 156 (6B_750/2009) from 13. Juli 2010
Regeste: Art. 63b StGB; Art. 5 EMRK; Anordnung einer stationären Massnahme nach vollständiger Verbüssung der Freiheitsstrafe. Die Umwandlung einer ambulanten in eine stationäre Massnahme nach vollständiger Verbüssung der Strafe bleibt auch unter dem Geltungsbereich des neuen Massnahmenrechts in klaren Ausnahmefällen und unter strenger Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsgebotes zulässig (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2-4).

142 IV 49 (6B_565/2015) from 10. Februar 2016
Regeste: Art. 61 und 59 Abs. 3 StGB; Unterbringung in einer Einrichtung für junge Erwachsene, Behandlung von psychischen Störungen in einer geschlossenen Einrichtung. Voraussetzungen einer Massnahme für junge Erwachsene gemäss Art. 61 StGB; die zum alten Recht entwickelte Rechtsprechung findet weiterhin Anwendung (E. 2.1.2). Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdeführer gefährlich und dessen Persönlichkeit derart gestört, dass diese nur schwer veränderbar ist; seine Unterbringung in einer Einrichtung für junge Erwachsene ist somit nicht zweckmässig. Unter diesen Voraussetzungen erweist sich die Anordnung einer stationären Massnahme in einer geschlossenen Einrichtung zur Behandlung psychischer Störungen eines jungen Erwachsenen nicht als bundesrechtswidrig (E. 2.4).

145 IV 65 (6B_691/2018) from 19. Dezember 2018
Regeste: Art. 59 Abs. 4 StGB; Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 BGG; Anordnung und Verlängerung einer stationären therapeutischen Massnahme; Beginn der Fünfjahresfrist; Beschwerdelegitimation der Staatsanwaltschaft. Die Interessen "tangierter Behörden" im Zusammenhang mit dem Massnahmenvollzug sind von der Staatsanwaltschaft zu wahren. Diese kann vor Bundesgericht rügen, der Beginn der Verlängerung einer stationären therapeutischen Massnahme nach Art. 59 Abs. 4 Satz 2 StGB sei vom Gericht falsch berechnet worden, auch wenn der Antrag auf Verlängerung der Massnahme von der Vollzugsbehörde ausging (E. 1). Wird die stationäre therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 59 StGB nicht aus der Freiheit heraus angetreten - was der Regel entspricht -, ist für die (Fünfjahres-)Frist gemäss Erstanordnung auf das Datum des in Rechtskraft erwachsenen Anordnungsentscheids abzustellen (E. 2.2-2.7). Für die Verlängerung der stationären therapeutischen Massnahme ist der Zeitpunkt des Ablaufs der (Fünfjahres-)Frist gemäss Erstanordnung bzw. einer allfälligen vorausgegangenen früheren Verlängerung entscheidend. Letzteres gilt auch, wenn der Verlängerungsentscheid vor Ablauf der laufenden Periode erging, d.h. die (Fünfjahres-)Frist gemäss Erstanordnung bzw. der vorausgegangenen Verlängerung im Zeitpunkt des (neuen) Verlängerungsentscheids noch nicht abgelaufen ist (E. 2.8). Zulässigkeit und Grenzen der Verlängerung der Massnahme vor Ablauf der laufenden Periode (E. 2.9)

145 IV 383 (6B_910/2018) from 7. Oktober 2019
Regeste: Art. 65 Abs. 1 StGB; Änderung der Sanktion; zuständige Behörde; Umwandlung einer Freiheitsstrafe in eine stationäre therapeutische Massnahme; Grundsatz "ne bis in idem". Das für die Änderung der Sanktion zuständige Gericht gemäss Art. 65 Abs. 1 StGB ist nicht zwingend dasjenige, das zuvor die Strafe ausgesprochen oder die Verwahrung angeordnet hat. Den Kantonen steht es frei, die Zuständigkeit einem anderen Gericht zu übertragen (E. 1). Eine stationäre therapeutische Massnahme kann nur vor oder während des Vollzugs und gestützt auf Art. 65 Abs. 1 StGB angeordnet werden, wenn die Massnahmevoraussetzungen bereits im Zeitpunkt der Urteilsfällung vorgelegen haben. Berücksichtigt das Gericht Umstände, die erst nach der Urteilsfällung eingetreten sind, verstösst es gegen den Grundsatz "ne bis in idem". Gericht und Sachverständige dürfen nachträglich eingetretene Umstände nur berücksichtigen, um festzustellen, ob die Voraussetzungen für eine stationäre therapeutische Massnahme vorliegen und auch im Zeitpunkt der Verurteilung bereits bestanden haben (E. 2).

146 II 321 (2C_744/2019) from 20. August 2020
Regeste: Art. 62 Abs. 2 und Art. 63 Abs. 3 AIG; Art. 66a Abs. 2 und Art. 66abis StGB; Zulässigkeit eines Widerrufs einer Aufenthaltsbewilligung wenn ein Strafurteil sich mit der Landesverweisung nicht auseinandersetzt. Wird ein Ausländer für Delikte verurteilt, die eine Landesverweisung gerechtfertigt hätten, eine solche jedoch im Strafurteil nicht thematisiert (E. 3), ist davon auszugehen, dass das Strafgericht darauf verzichtet hat, diese Massnahme im Sinne von Art. 63 Abs. 3 AIG zu ergreifen. Die Verwaltungsbehörde kann somit ausschliesslich gestützt auf die betreffende strafrechtliche Verurteilung die Niederlassungsbewilligung nicht widerrufen (E. 4). Der Umstand, dass die strafrechtliche Verurteilung vorliegend für vor und nach dem 1. Oktober 2016 begangene Delikte und somit teilweise für Delikte ausgesprochen wurde, für welche noch keine Landesverweisung erteilt werden konnte, vermag daran nichts zu ändern (E. 5).

146 IV 49 (6B_95/2020) from 20. Februar 2020
Regeste: Art. 61 Abs. 4 Satz 1 StGB; stationäre therapeutische Massnahme für junge Erwachsene, Beginn der vierjährigen Höchstdauer. Der vorzeitige Massnahmenvollzug ist bei der Berechnung der vierjährigen Höchstdauer gemäss Art. 61 Abs. 4 Satz 1 StGB zu berücksichtigen. Abzustellen ist auf das Datum der Bewilligung des vorzeitigen Massnahmenvollzugs (E. 2.4-2.9).

147 IV 209 (6B_1456/2020) from 10. März 2021
Regeste: Art. 63 Abs. 4 StGB; Anordnung einer ambulanten Behandlung von psychischen Störungen; Beginn der (Fünfjahres-)Frist. Wird eine ambulante Behandlung von psychischen Störungen erst nach deren rechtskräftigen Anordnung angetreten, beginnt die Fünfjahresfrist gemäss Art. 63 Abs. 4 Satz 1 StGB bzw. die richterlich festgesetzte Frist mit dem effektiven Behandlungsbeginn zu laufen. Hat die betroffene Person bereits "vorzeitig" - in Freiheit als Ersatzmassnahme oder während der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft bzw. dem vorzeitigen Strafvollzug - mit einer ambulanten Behandlung begonnen, ist für den Fristenlauf grundsätzlich auf das Datum des in Rechtskraft erwachsenen Anordnungsentscheids abzustellen (E. 2.3 und 2.4).

 

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