Schweizerisches Strafgesetzbuch

vom 21. Dezember 1937 (Stand am 22. November 2022)


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Art. 77b105

Halb­ge­fan­gen­schaft

 

1 Auf Ge­such des Ver­ur­teil­ten hin kann ei­ne Frei­heits­s­tra­fe von nicht mehr als 12 Mo­na­ten oder ei­ne nach An­rech­nung der Un­ter­su­chungs­haft ver­blei­ben­de Rest­stra­fe von nicht mehr als sechs Mo­na­ten in der Form der Halb­ge­fan­gen­schaft voll­zo­gen wer­den, wenn:

a.
nicht zu er­war­ten ist, dass der Ver­ur­teil­te flieht oder wei­te­re Straf­ta­ten be­geht; und
b.
der Ver­ur­teil­te ei­ner ge­re­gel­ten Ar­beit, Aus­bil­dung oder Be­schäf­ti­gung von min­des­tens 20 Stun­den pro Wo­che nach­geht.

2 Der Ge­fan­ge­ne setzt sei­ne Ar­beit, Aus­bil­dung oder Be­schäf­ti­gung aus­ser­halb der An­stalt fort und ver­bringt die Ru­he- und Frei­zeit in der An­stalt.

3 Die Halb­ge­fan­gen­schaft kann in ei­ner be­son­de­ren Ab­tei­lung ei­nes Un­ter­su­chungs­ge­fäng­nis­ses durch­ge­führt wer­den, wenn die not­wen­di­ge Be­treu­ung des Ver­ur­teil­ten ge­währ­leis­tet ist.

4 Er­füllt der Ver­ur­teil­te die Be­wil­li­gungs­vor­aus­set­zun­gen nicht mehr oder leis­tet er die Halb­ge­fan­gen­schaft trotz Mah­nung nicht ent­spre­chend den von der Voll­zugs­be­hör­de fest­ge­leg­ten Be­din­gun­gen und Auf­la­gen, so wird die Frei­heits­s­tra­fe im Nor­mal­voll­zug voll­zo­gen.

105 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I 1 des BG vom 19. Ju­ni 2015 (Än­de­run­gen des Sank­tio­nen­rechts), in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2016 1249; BBl 2012 4721).

BGE

134 IV 17 (6B_131/2007) from 22. November 2007
Regeste: a Strafzumessung (Art. 47 StGB) bei qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 Ziff. 2 BetmG). Fall einer Täterin, die knapp 1 Kilogramm Kokain (Reinheitsgrad ca. 55 % bzw. 60 %) entgegennahm, um es auf Provisionsbasis zu veräussern, und welche im Zeitpunkt ihrer Festnahme 22 Gramm reines Kokain verkauft hatte. Eine Freiheitsstrafe von 27 Monaten ist auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Täterin mit den erhofften Einkünften die medizinische Behandlung ihres älteren Sohnes finanzieren wollte, nicht unhaltbar hoch (E. 2).

145 IV 10 (6B_726/2018) from 29. Januar 2019
Regeste: Art. 77b StGB; Voraussetzungen für die Bewilligung der Halbgefangenschaft; Vorrang von Bundesrecht. Mit Art. 77b StGB hat der Gesetzgeber die Kriterien für die Bewilligung der Halbgefangenschaft abschliessend festgelegt, ohne den Kantonen Raum für restriktivere Regelungen zu lassen. Kantonale oder interkantonale Bestimmungen dürfen die Gewährung der Halbgefangenschaft daher nicht davon abhängig machen, dass die verurteilte Person in der Schweiz über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt, da sich eine solche Voraussetzung nicht aus Art. 77b StGB ergibt. Die Behörden können das Fehlen einer Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz höchstens bei der Beurteilung berücksichtigen, ob beim Verurteilen Fluchtgefahr besteht (E. 2).

146 IV 267 (6B_40/2020) from 17. August 2020
Regeste: Art. 5 Ziff. 1 EMRK; Art. 11 BV; Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 KRK; Art. 372 Abs. 1 und 3 StGB; Art. 439 Abs. 2 StPO; Strafvollzug, Vollzugsbefehl, Kindeswohl. Der Strafvollzug ist die zwingende gesetzliche Rechtsfolge der Straftat (E. 3.2.1). Die Trennung der Mutter von ihrem Kind ist eine zwangsläufige, unmittelbar gesetzmässige Folge des Vollzugs der Freiheitsstrafe und der damit verbundenen Nebenfolgen (E. 3.2.2). Das StGB und das kantonale Konkordatsrecht kennen zahlreiche Vollzugsformen für Freiheitsstrafen (E. 3.2.4). Weder die Bestimmungen der BV noch jene der KRK und der anderen menschenrechtlichen Übereinkommen hindern den Vollzug der gesetzmässigen Freiheitsstrafe. Der verurteilte Elternteil ist nicht berechtigt, gegen die Vollzugsverfügung Rechte der Kinder in eigenem Namen geltend zu machen (E. 3.3.3). Soweit die verurteilte Person nicht selber eine Betreuung ihrer Kinder organisiert, wird dies Aufgabe der Kindesschutzbehörde (KESB) sein. Das ist keine Frage des Vollzugsrechts (E. 3.4.3).

 

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