Schweizerisches Strafgesetzbuch

vom 21. Dezember 1937 (Stand am 22. November 2022)


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Art. 90

3. Voll­zug von Mass­nah­men

 

1 Ei­ne Per­son, die sich im Voll­zug ei­ner Mass­nah­me nach den Ar­ti­keln 59–61 be­fin­det, darf nur dann un­un­ter­bro­chen von den an­dern Ein­ge­wie­se­nen ge­trennt un­ter­ge­bracht wer­den, wenn dies un­er­läss­lich ist:

a.
als vor­über­ge­hen­de the­ra­peu­ti­sche Mass­nah­me;
b.
zum Schutz des Ein­ge­wie­se­nen oder Drit­ter;
c.
als Dis­zi­pli­nar­sank­ti­on;
d.112
zur Ver­hin­de­rung der Be­ein­flus­sung von an­de­ren Ein­ge­wie­se­nen durch Ge­dan­ken­gut, das die Aus­übung von ter­ro­ris­ti­schen Ak­ti­vi­tä­ten be­güns­ti­gen kann, so­fern kon­kre­te An­halts­punk­te auf ei­ne sol­che Be­ein­flus­sung vor­lie­gen.

2 Zu Be­ginn des Voll­zugs der Mass­nah­me wird zu­sam­men mit dem Ein­ge­wie­se­nen oder sei­nem ge­setz­li­chen Ver­tre­ter ein Voll­zugs­plan er­stellt. Die­ser ent­hält na­ment­lich An­ga­ben über die Be­hand­lung der psy­chi­schen Stö­rung, der Ab­hän­gig­keit oder der Ent­wick­lungs­stö­rung des Ein­ge­wie­se­nen so­wie zur Ver­mei­dung von Dritt­ge­fähr­dung.

2bis Mass­nah­men nach den Ar­ti­keln 59–61 und 64 kön­nen in der Form des Wohn- und Ar­beitsex­ter­nats voll­zo­gen wer­den, wenn be­grün­de­te Aus­sicht be­steht, dass dies ent­schei­dend da­zu bei­trägt, den Zweck der Mass­nah­me zu er­rei­chen, und wenn kei­ne Ge­fahr be­steht, dass der Ein­ge­wie­se­ne flieht oder wei­te­re Straf­ta­ten be­geht. Ar­ti­kel 77a Ab­sät­ze 2 und 3 gilt sinn­ge­mä­ss.113

3 Ist der Ein­ge­wie­se­ne ar­beits­fä­hig, so wird er zur Ar­beit an­ge­hal­ten, so­weit sei­ne sta­tio­näre Be­hand­lung oder Pfle­ge dies er­for­dert oder zu­lässt. Die Ar­ti­kel 81–83 sind sinn­ge­mä­ss an­wend­bar.

4 Für die Be­zie­hun­gen des Ein­ge­wie­se­nen zur Aus­sen­welt gilt Ar­ti­kel 84 sinn­ge­mä­ss, so­fern nicht Grün­de der sta­tio­nären Be­hand­lung wei­ter ge­hen­de Ein­schrän­kun­gen ge­bie­ten.

4bis Für die Ein­wei­sung in ei­ne of­fe­ne Ein­rich­tung und für die Be­wil­li­gung von Voll­zugs­öff­nun­gen gilt Ar­ti­kel 75a sinn­ge­mä­ss.114

4ter Wäh­rend der le­bens­läng­li­chen Ver­wah­rung wer­den kei­ne Ur­lau­be oder an­de­re Voll­zugs­öff­nun­gen be­wil­ligt.115

5 Für Kon­trol­len und Un­ter­su­chun­gen gilt Ar­ti­kel 85 sinn­ge­mä­ss.

112 Ein­ge­fügt durch Ziff. I 6 des BG vom 25. Sept. 2020 über po­li­zei­li­che Mass­nah­men zur Be­kämp­fung von Ter­ro­ris­mus, in Kraft seit 1. Ju­ni 2022 (AS 2021 565; 2022 300; BBl 2019 4751).

113 Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 24. März 2006 (Kor­rek­tu­ren am Sank­ti­ons- und Straf­re­gis­ter­recht), in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 3539; BBl 2005 4689).

114 Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 24. März 2006 (Kor­rek­tu­ren am Sank­ti­ons- und Straf­re­gis­ter­recht), in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 3539; BBl 2005 4689).

115 Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 21. Dez. 2007 (Le­bens­läng­li­che Ver­wah­rung ex­trem ge­fähr­li­cher Straf­tä­ter), in Kraft seit 1. Aug. 2008 (AS 2008 2961; BBl 2006 889).

BGE

96 IV 9 () from 23. Februar 1970
Regeste: Art. 91, 92 StGB. Verhältnis dieser Bestimmungen zu Art. 95 StGB. Sind die Voraussetzungen zur Einweisung des Jugendlichen in eine Erziehungsanstalt i.S. von Art. 91 Ziff. 1 erfüllt, ist diese Massnahme anzuordnen; an deren Stelle darf nicht eine Strafe ausgesprochen werden.

107 IV 77 () from 7. April 1981
Regeste: Art. 264 BStP, Art. 351 StGB. Vorläufige Abweisung des Gesuchs um Gerichtsstandsfestsetzung, wenn es an den für den Entscheid darüber notwendigen Grundlagen gebricht. Pflicht eines jeden beteiligten Kantons, die sein Gebiet betreffenden Tatsachen soweit zu erforschen, als es für den Entscheid der Anklagekammer des Bundesgerichts nötig ist.

117 IV 251 () from 26. Juli 1991
Regeste: Art. 100 StGB; Erhebungen vor der Einweisung eines jungen Erwachsenen in eine Arbeitserziehungsanstalt. Der deutsche und italienische Wortlaut von Art. 100 Abs. 2 StGB ist massgebend, wonach sowohl die Erhebungen über das Verhalten des Täters, seine Erziehung und seine Lebensverhältnisse als auch das Einholen der Berichte und Gutachten nur soweit erforderlich notwendig sind (E. 2a, b, c). Art. 100 Abs. 2 StGB schreibt die Einvernahme Dritter nicht vor (E. 2d) (Bestätigung der Rechtsprechung)

134 I 221 (6B_241/2008) from 12. Juni 2008
Regeste: Einzelunterbringung und medikamentöse Behandlung im Rahmen des Massnahmenvollzugs; Art. 90 StGB, Art. 3 EMRK, Art. 10 und 36 BV. Art. 90 Abs. 1 lit. b StGB enthält eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Einzelunterbringung einer gefährlichen Person, die sich im Vollzug einer Massnahme nach den Artikeln 59-61 StGB befindet (E. 3.1). Die Einzelunterbringung im Sinne der Verhinderung von Kontakten mit andern Eingewiesenen zum Schutz des Betroffenen und von Dritten ist keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK (E. 3.2). Prüfung der Verhältnismässigkeit einer längeren Einzelunterbringung im Vergleich zu einer Zwangsmedikation (E. 3.3).

134 IV 121 (6B_347/2007) from 29. November 2007
Regeste: Art. 2 und 64 StGB, Ziff. 2 Abs. 1 der Schlussbestimmungen der Änderung vom 13. Dezember 2002; Art. 7 Ziff. 1 EMRK; Art. 15 Abs. 1 UNO-Pakt II; Geltung des Rückwirkungsverbots für die Verwahrung. Das Rückwirkungsverbot gilt auch für die Verwahrung (E. 3.3.3). Das neue Recht ist hinsichtlich der Anordnung der Verwahrung und der Entlassung aus dieser Massnahme nicht strenger als das alte Recht. Die Schlussbestimmung der Änderung vom 13. Dezember 2002, welche die rückwirkende Anwendung des neuen Rechts auf noch nicht beurteilte Straftäter vorsieht, verstösst daher nicht gegen das Rückwirkungsverbot (E. 3.4).

137 V 154 (9C_833/2010) from 16. Mai 2011
Regeste: Art. 21 Abs. 5 ATSG; Art. 59 Abs. 1 und 4 StGB (in der ab 1. Januar 2007 gültigen Fassung); Sistierung der Rente der Invalidenversicherung während des Vollzugs einer stationären therapeutischen Massnahme gemäss Art. 59 StGB. Für die Rentensistierung gestützt auf Art. 21 Abs. 5 ATSG ist allein darauf abzustellen, ob der stationäre Massnahmenvollzug gemäss Art. 59 StGB eine Erwerbstätigkeit zulässt oder nicht. Von der Differenzierung einer gegenüber der Sozialgefährlichkeit im Vordergrund stehenden Behandlungsbedürftigkeit - als Hinderungsgrund einer Sistierung - ist abzusehen (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 6).

139 I 180 (6B_182/2013) from 18. Juli 2013
Regeste: Art. 1, 74 f., 81 Abs. 1 und Art. 90 Abs. 3 StGB, Art. 7 und 10 BV, Art. 7 Ziff. 1 EMRK; Arbeitspflicht im Straf- und Massnahmenvollzug. Die Verpflichtung des Gefangenen zur Arbeit gilt unabhängig von seinem Alter (E. 1). Sie verletzt weder Bundes- noch Verfassungsrecht (E. 2). Die Arbeitspflicht für Eingewiesene gemäss Art. 90 Abs. 3 StGB dient dem Vollzug der Massnahme und stellt keine zusätzliche Bestrafung dar (E. 3).

 

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