Schweizerisches Strafgesetzbuch


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Art. 173232

1. Ehr­ver­let­zun­gen.

Üb­le Nach­re­de

 

1. Wer je­man­den bei ei­nem an­dern ei­nes un­eh­ren­haf­ten Ver­hal­tens oder an­de­rer Tat­sa­chen, die ge­eig­net sind, sei­nen Ruf zu schä­di­gen, be­schul­digt oder ver­däch­tigt,

wer ei­ne sol­che Be­schul­di­gung oder Ver­däch­ti­gung wei­ter­ver­brei­tet,

wird, auf An­trag, mit Geld­stra­fe be­straft.233

2. Be­weist der Be­schul­dig­te, dass die von ihm vor­ge­brach­te oder wei­ter­ver­brei­te­te Äus­se­rung der Wahr­heit ent­spricht, oder dass er ernst­haf­te Grün­de hat­te, sie in gu­ten Treu­en für wahr zu hal­ten, so ist er nicht straf­bar.

3. Der Be­schul­dig­te wird zum Be­weis nicht zu­ge­las­sen und ist straf­bar für Äus­se­run­gen, die oh­ne Wah­rung öf­fent­li­cher In­ter­es­sen oder sonst wie oh­ne be­grün­de­te Ver­an­las­sung, vor­wie­gend in der Ab­sicht vor­ge­bracht oder ver­brei­tet wer­den, je­man­dem Üb­les vor­zu­wer­fen, ins­be­son­de­re, wenn sich die Äus­se­run­gen auf das Pri­vat- oder Fa­mi­li­en­le­ben be­zie­hen.

4. Nimmt der Tä­ter sei­ne Äus­se­rung als un­wahr zu­rück, so kann er mil­der be­straft oder ganz von Stra­fe be­freit wer­den.

5. Hat der Be­schul­dig­te den Wahr­heits­be­weis nicht er­bracht oder sind sei­ne Äus­se­run­gen un­wahr oder nimmt der Be­schul­dig­te sie zu­rück, so hat das Ge­richt dies im Ur­teil oder in ei­ner an­dern Ur­kun­de fest­zu­stel­len.

232Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I des BG vom 5. Okt. 1950, in Kraft seit 5. Jan. 1951 (AS 1951 1; BBl 1949 I 1249).

233 Straf­dro­hun­gen neu um­schrie­ben ge­mä­ss Ziff. II 1 des BG vom 19. Ju­ni 2015 (Än­de­rung des Sank­tio­nen­rechts), in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2016 1249; BBl 2012 4721).

BGE

148 IV 409 (6B_1287/2021) from 31. August 2022
Regeste: Art. 173 ff. StGB; Ehrverletzungen; Äusserungen gegenüber einem Rechtsanwalt. Die Bedeutung von Äusserungen, die ein Mandant gegenüber seinem Rechtsanwalt tätigt, ist nicht auf die gleiche Weise zu beurteilen wie die Bedeutung von Äusserungen, die gegenüber jeder anderen Drittperson gemacht werden. Um die freie und spontane Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant nicht zu gefährden, erscheint es in einem solchen Kontext gerechtfertigt, eine Ehrverletzung nur mit Zurückhaltung zu bejahen. Dies kann der Fall sein, wenn die fraglichen Äusserungen keinen Bezug zu dem Fall haben, in dem der Anwalt tätig ist, und wenn sie letztlich nur darauf abzielen, die betreffende Person als Mensch verächtlich zu machen (E. 2).

149 IV 170 (6B_777/2022) from 16. März 2023
Regeste: Art. 10 und 17 EMRK; Art. 16 BV; Art. 261bis Abs. 4 StGB; Leugnung des Holocaust; diskriminierendes Motiv; Meinungsäusserungsfreiheit im Rahmen einer humoristischen Darbietung; Verbot des Rechtsmissbrauchs. Prüfung der Tatbestandsmerkmale von Art. 261bis Abs. 4 zweiter Satzteil StGB in Beachtung der Freiheit der Meinungsäusserung im Falle der Leugnung des Holocaust im Rahmen einer öffentlichen Aufführung durch einen Komiker, der in der Schweiz insbesondere wegen seiner zahlreichen ausländischen Vorstrafen wegen rassistischer, ethnischer und religiöser Diskriminierung bekannt ist (E. 1).

150 IV 292 (6B_1323/2023) from 11. März 2024
Regeste: Art. 261bis Abs. 1 StGB; Art. 10 EMRK; Art. 16 und 36 BV; Diskriminierung und Aufruf zu Hass aufgrund der sexuellen Orientierung; Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit. Begriffe der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität (E. 2.1.1). Die Bezeichnungen als "militante queere Person" ("militante queer") und als "dicke, militante Lesbe" ("grosse lesbienne militante"), die der Bezeichnung "die Schweizer Seele und der Schweizer Geist, in der grossen Tradition [...] von Jean-Jacques Rousseau" ("l'âme suisse et l'esprit suisse, dans la grande tradition [...] de Jean-Jacques Rousseau") gegenübergestellt werden, stellen eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung dar (E. 2.1.2). Erweckung und Erregung von Hass durch eine herabwürdigende, entmenschlichende und übertrieben derbe Sprache ("langage rabaissant, déshumanisant et outrancier"; E. 2.2.2). Berücksichtigung der Reaktion der Internetnutzer, um die Bedeutung der Nachricht zu ermitteln (E. 2.3). Prüfung der subjektiven Straftatbestandselemente (E. 3). Die Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit des Beschwerdeführers, der sich nicht auf ein Engagement bei einem Presseorgan oder die Ausübung eines öffentlichen Mandats beruft, ist verhältnismässig und erscheint in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, sobald es darum geht, ein auf das Schüren von Hass gegen eine Person aufgrund ihrer sexuellen Orientierung sowie im weiteren Sinne gegen die homosexuelle Gemeinschaft als Ganzes abzielendes Verhalten zu verbieten (E. 4).

 

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