Schweizerisches Strafgesetzbuch


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Art. 84

Be­zie­hun­gen zur Aus­sen­welt

 

1 Der Ge­fan­ge­ne hat das Recht, Be­su­che zu emp­fan­gen und mit Per­so­nen aus­ser­halb der An­stalt Kon­takt zu pfle­gen. Der Kon­takt mit na­he ste­hen­den Per­so­nen ist zu er­leich­tern.

2 Der Kon­takt kann kon­trol­liert und zum Schutz der Ord­nung und Si­cher­heit der Straf­an­stalt be­schränkt oder un­ter­sagt wer­den. Die Über­wa­chung von Be­su­chen ist oh­ne Wis­sen der Be­tei­lig­ten nicht zu­läs­sig. Vor­be­hal­ten blei­ben straf­pro­zes­sua­le Mass­nah­men zur Si­cher­stel­lung ei­ner Straf­ver­fol­gung.

3 Geist­li­chen, Ärz­ten, Rechts­an­wäl­ten, No­ta­ren und Vor­mün­dern so­wie Per­so­nen mit ver­gleich­ba­ren Auf­ga­ben kann in­ner­halb der all­ge­mei­nen An­stalts­ord­nung der freie Ver­kehr mit den Ge­fan­ge­nen ge­stat­tet wer­den.

4 Der Kon­takt mit Ver­tei­di­gern ist zu ge­stat­ten. Be­su­che des Ver­tei­di­gers dür­fen be­auf­sich­tigt, die Ge­sprä­che aber nicht mit­ge­hört wer­den. Ei­ne in­halt­li­che Über­prü­fung der Kor­re­spon­denz und an­walt­li­cher Schrift­stücke ist nicht ge­stat­tet. Der an­walt­li­che Kon­takt kann bei Miss­brauch von der zu­stän­di­gen Be­hör­de un­ter­sagt wer­den.

5 Der Ver­kehr mit den Auf­sichts­be­hör­den darf nicht kon­trol­liert wer­den.

6 Dem Ge­fan­ge­nen ist zur Pfle­ge der Be­zie­hun­gen zur Aus­sen­welt, zur Vor­be­rei­tung sei­ner Ent­las­sung oder aus be­son­de­ren Grün­den in an­ge­mes­se­nem Um­fang Ur­laub zu ge­wäh­ren, so­weit sein Ver­hal­ten im Straf­voll­zug dem nicht ent­ge­gen­steht und kei­ne Ge­fahr be­steht, dass er flieht oder wei­te­re Straf­ta­ten be­geht.

6bis Le­bens­läng­lich ver­wahr­ten Straf­tä­tern wer­den wäh­rend des der Ver­wah­rung vor­aus­ge­hen­den Straf­voll­zugs kei­ne Ur­lau­be oder an­de­re Voll­zugs­öff­nun­gen ge­währt.127

7 Vor­be­hal­ten blei­ben Ar­ti­kel 36 des Wie­ner Über­ein­kom­mens vom 24. April 1963128 über kon­su­la­ri­sche Be­zie­hun­gen so­wie an­de­re für die Schweiz ver­bind­li­che völ­ker­recht­li­che Re­geln über den Be­suchs- und Brief­ver­kehr.

127 Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 21. Dez. 2007 (Le­bens­läng­li­che Ver­wah­rung ex­trem ge­fähr­li­cher Straf­tä­ter), in Kraft seit 1. Aug. 2008 (AS 2008 2961; BBl 2006 889).

128 SR 0.191.02

BGE

149 I 161 (6B_1206/2021) from 30. März 2023
Regeste: Art. 10 Abs. 2, 13 Abs. 1, 36 BV; Art. 8 EMRK; Art. 75 Abs. 3 StGB; Art. 35 lit. j und Art. 89 des Waadtländer Reglements vom 16. August 2017 über die Stellung verurteilter Personen im Straf- oder Massnahmenvollzug (RSPC); Kontrolle der Korrespondenz eines Gefangenen durch die Strafvollzugsanstalt. Abgesehen von den Gründen für die Ordnung und Sicherheit der Strafvollzugsanstalt werden die Beziehungen eines Gefangenen zur Aussenwelt durch den Vollzugsplan geregelt (Art. 75 Abs. 3 StGB und Art. 35 lit. j RSPC). In diesem Rahmen erfordern die positiven Verpflichtungen zur effektiven Achtung des Privatlebens (Art. 13 Abs. 1 BV und Art. 8 EMRK) bei kindlichen Opfern, die dem Risiko von Sekundärviktimisierung, Einschüchterung und Vergeltung ausgesetzt sein können, besondere Schutzmassnahmen bis hinein in die Beziehungen der Personen untereinander. Insbesondere besteht ein gewichtiges öffentliches Interesse (i.S.v. Art. 36 Abs. 1 BV) am Persönlichkeitsschutz von Kindern, als Opfer eines besonders schweren Verbrechens, bei der Kontrolle der Korrespondenz ihres Vaters, der diese Straftaten begangen hat (E. 5).

150 I 50 (7B_471/2023) from 3. Januar 2024
Regeste: Art. 10 Abs. 2, Art. 13 und 36 BV, Art. 8 EMRK, Art. 236 StPO, Art. 74 und 84 StGB sowie Art. 82 des Reglements des Kantons Waadt über den Status verurteilter Personen, die sich im Straf- oder Massnahmenvollzug befinden (RSPC); Prüfung, ob die in Art. 82 Abs. 5 RSPC vorgesehenen Kriterien für Intimbesuche mit Konventions-, Verfassungs- und Bundesrecht vereinbar sind. Unter dem Blickwinkel von Art. 8 EMRK, Art. 13 BV und Art. 84 StGB sind "eheliche" oder intime Besuche in erster Linie den Angehörigen der inhaftierten Person vorbehalten (E. 3.2.1-3.2.5). Die Kantone sind dafür zuständig, das Besuchsrecht inhaftierter Personen zu regeln und festzulegen, welche Personen unter den Begriff der Angehörigen fallen. Im Kanton Waadt gibt Art. 82 Abs. 5 RSPC verurteilten Personen das Recht, unter bestimmten Voraussetzungen Intimbesuche in Anspruch zu nehmen (E. 3.2.6). Im Lichte des durch Art. 8 EMRK, Art. 13 BV und Art. 84 StGB definierten Begriffs der Angehörigen sind die vom Waadtländer Recht vorgesehenen Voraussetzungen für Intimbesuche mit Konventions-, Verfassungs- und Bundesrecht vereinbar (E. 3.2.8).

 

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