Schweizerisches Strafgesetzbuch


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Art. 97

1. Ver­fol­gungs­ver­jäh­rung.

Fris­ten

 

1 Die Straf­ver­fol­gung ver­jährt, wenn die für die Tat an­ge­droh­te Höchst­stra­fe:

a.
le­bens­läng­li­che Frei­heits­s­tra­fe ist: in 30 Jah­ren;
b.
ei­ne Frei­heits­s­tra­fe von mehr als drei Jah­ren ist: in 15 Jah­ren;
c.
ei­ne Frei­heits­s­tra­fe von drei Jah­ren ist: in 10 Jah­ren;
d.
ei­ne an­de­re Stra­fe ist: in 7 Jah­ren.139

2 Bei se­xu­el­len Hand­lun­gen mit Kin­dern (Art. 187) so­wie bei Straf­ta­ten nach den Ar­ti­keln 111, 113, 122, 124, 182, 189−191, 193, 193a, 195 und 197 Ab­satz 3, die sich ge­gen ein Kind un­ter 16 Jah­ren rich­ten, dau­ert die Ver­fol­gungs­ver­jäh­rung in je­dem Fall min­des­tens bis zum vollen­de­ten 25. Le­bens­jahr des Op­fers.140

3 Ist vor Ab­lauf der Ver­jäh­rungs­frist ein ers­tin­stanz­li­ches Ur­teil er­gan­gen, so tritt die Ver­jäh­rung nicht mehr ein.

4 Die Ver­jäh­rung der Straf­ver­fol­gung von se­xu­el­len Hand­lun­gen mit Kin­dern (Art. 187) und min­der­jäh­ri­gen Ab­hän­gi­gen (Art. 188) so­wie von Straf­ta­ten nach den Ar­ti­keln 111–113, 122, 182, 189–191 und 195, die sich ge­gen ein Kind un­ter 16 Jah­ren rich­ten, be­misst sich nach den Ab­sät­zen 1–3, wenn die Straf­tat vor dem In­kraft­tre­ten der Än­de­rung vom 5. Ok­to­ber 2001141 be­gan­gen wor­den ist und die Ver­fol­gungs­ver­jäh­rung zu die­sem Zeit­punkt noch nicht ein­ge­tre­ten ist.142

139 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I 1 des BG vom 21. Ju­ni 2013 (Ver­län­ge­rung der Ver­fol­gungs­ver­jäh­rung), in Kraft seit 1. Jan. 2014 (AS 20134417; BBl 2012 9253).

140 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I 1 des BG vom 16. Ju­ni 2023 über ei­ne Re­vi­si­on des Se­xual­straf­rechts, in Kraft seit 1. Ju­li 2024 (AS 2024 27; BBl 2018 2827; 2022 687, 1011).

141 AS 2002 2993

142 Fas­sung ge­mä­ss Art. 2 Ziff. 1 des BB vom 24. März 2006 über die Ge­neh­mi­gung und die Um­set­zung des Fa­kul­ta­tiv­pro­to­kolls vom 25. Mai 2000 zum Über­eink. über die Rech­te des Kin­des, be­tref­fend den Ver­kauf von Kin­dern, die Kin­der­pro­sti­tu­ti­on und die Kin­derpor­no­gra­fie, in Kraft seit 1. Dez. 2006 (AS 2006 5437; BBl 2005 2807).

BGE

147 IV 274 (6B_786/2020) from 11. Januar 2021
Regeste: a Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Art. 30 Abs. 1 BV; Art. 70 VStrR; Art. 97 Abs. 3 StGB; Strafverfügung; Verjährungsunterbrechung. Bestätigung der Rechtsprechung, wonach eine Strafverfügung gemäss Art. 70 VStrR verjährungsrechtlich im Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB als erstinstanzliches Urteil zu qualifizieren ist, mit deren Erlass die Verjährung nicht mehr eintritt. Die Rechtsprechung verstösst nicht gegen das Recht auf Beurteilung durch ein unabhängiges und unparteiisches Gericht gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 1).

148 V 195 (8C_466/2021) from 1. März 2022
Regeste: Art. 17 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1 und Art. 53 Abs. 2 ATSG; Art. 37 Abs. 3 UVG; Art. 54 StGB; Art. 90 Abs. 2 SVG; Leistungskürzung bei einem Unfall, der bei Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt wurde; Wiedererwägung; Revision. Ist die Staatsanwaltschaft auf eine Strafanzeige wegen Betroffenheit des Täters durch seine Tat (Art. 54 StGB) nicht eingetreten, so erscheint es nicht zweifellos unrichtig im Sinne von Art. 53 Abs. 2 ATSG, wenn die Unfallversicherung in ihrer rentenzusprechenden Verfügung von einer Leistungskürzung nach Art. 37 Abs. 3 UVG abgesehen hat (E. 5.5.3). Die Frage, ob ein Kürzungstatbestand gemäss Art. 37 Abs. 3 UVG gegeben ist, betrifft - anders als etwa die Frage der Arbeitsfähigkeit oder der Adäquanz - einen zeitlich abgeschlossenen Sachverhalt, der einer neuerlichen Überprüfung im Rahmen eines Revisionsverfahrens gemäss Art. 17 Abs. 1 ATSG entzogen bleibt (E. 6.3). Frage offengelassen, ob der vorfrageweisen Prüfung des Straftatbestandes die strafrechtlichen Verjährungsbestimmungen entgegenstünden (E. 6.5).

149 IV 240 (6B_782/2022) from 17. April 2023
Regeste: Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht (Art. 219 StGB); Verfolgungsverjährung, tatbestandliche Handlungseinheit (Art. 98 lit. b StGB). Der in Art. 219 StGB definierte Straftatbestand setzt in der Regel voraus, dass der Täter wiederholt handelt oder seine Fürsorge- oder Erziehungspflicht nachhaltig verletzt, so dass die körperliche oder psychische Entwicklung der minderjährigen Person gefährdet ist (E. 2.2). Die verschiedenen Misshandlungen, die nach Art. 219 StGB strafbar sind, bilden eine tatbestandliche Handlungseinheit. Die Verjährung beginnt damit an dem Tag zu laufen, an dem die letzte Tätigkeit begangen wurde (Art. 98 lit. b StGB; E. 3).

150 II 177 (9C_716/2022) from 15. Dezember 2023
Regeste: Art. 11 und 12 VStrR; Art. 75 ZG; Art. 20 AStG; Art. 56 Abs. 4 und Art. 105 MWSTG; Verhältnis der Nachleistungspflicht gemäss Art. 12 VStrR zu den Abgabeforderungen; Verjährung der Nachleistungspflicht, insbesondere bei Erfüllung des objektiven Tatbestands der Einfuhrsteuerhinterziehung. Art. 12 VStrR verleiht der Bundesverwaltung einen eigenständigen Anspruch auf die Nachleistung von Abgaben, der von der Abgabeforderung separat ist und der unabhängig von dieser nach Art. 11 VStrR verjährt. Die zuständige Verwaltungsbehörde kann wahlweise den einen oder den anderen Anspruch erheben, wobei die Befriedigung des einen zum Untergang des anderen Anspruchs führt, soweit sie sich betragsmässig decken (alternative Anspruchskonkurrenz; Praxispräzisierung; E. 5.1-5.3). Die Nachleistungspflicht wegen objektiver Widerhandlung gegen Art. 96 Abs. 4 lit. a MWSTG (Einfuhrsteuerhinterziehung) kann nicht mehr verjähren, wenn vor Ablauf der Verjährungsfrist von Art. 105 Abs. 1 MWSTG eine Verfügung über die Nachleistungspflicht eröffnet worden ist (E. 5.7 und 5.8).

150 IV 121 (6B_964/2023) from 17. April 2024
Regeste: Art. 6 und 7 Abs. 1 und 3 StGB; Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention); aktives Personalitätsprinzip; Tragweite des Erfordernisses der beidseitigen Strafbarkeit und des Vorbehalts des milderen Rechts im Zusammenhang mit der Verfolgungsverjährung. Weder das Erfordernis der beidseitigen Strafbarkeit (Art. 7 Abs. 1 lit. a StGB), das abstrakt zu verstehen ist (E. 3.2.3), noch der Vorbehalt des milderen Tatortrechts bei der Strafzumessung (Art. 7 Abs. 3 StGB) gebieten es, die am Tatort eingetretene Verfolgungsverjährung einer Vergewaltigungshandlung nach schweizerischem Recht zu berücksichtigen (E. 3.4).

150 V 305 (8C_184/2023) from 29. Mai 2024
Regeste: Art. 25 Abs. 1 und 2 ATSG; Rückerstattung unrechtmässig bezogener Rentenleistungen. Die besondere Praxis zu Art. 25 Abs. 2 ATSG, wonach bei Rückforderung infolge einer Rentenaufhebung in der Regel die Rechtskraft der Rentenaufhebung als fristauslösendes Moment für den Lauf der relativen Verwirkungsfrist gilt, wird aufgegeben. Fortan soll der Beginn der Frist gemäss der mit BGE 110 V 304 eingeleiteten langjährigen Rechtsprechung stets anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls, nach Massgabe der Kenntnisnahme bei gebotener und zumutbarer Aufmerksamkeit, ermittelt werden (E. 6).

 

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