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Art. 181
Coercion Any person who, by the use of force or the threat of serious detriment or other restriction of another's freedom to act compels another to carry out an act, to fail to carry out an act or to tolerate an act, shall be liable to a custodial sentence not exceeding three years or to a monetary penalty. BGE
147 I 372 (1B_285/2020) from 22. April 2021
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 10 Abs. 2, Art. 13 Abs. 2, Art. 16, Art. 22, Art. 36 BV; Art. 197 Abs. 1, Art. 255 Abs. 1 lit. a, Art. 260 StPO; Beschränkung von Grundrechten durch ein DNA-Profil und eine erkennungsdienstliche Erfassung bei der Teilnahme an einer friedlichen Kundgebung. Kritik an der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach ein DNA-Profil nur einen leichten Eingriff in die körperliche Integrität und den Schutz der Privatsphäre darstellt (E. 2.3). Die Aufklärung der Anlasstat erfordert weder ein DNA-Profil noch eine erkennungsdienstliche Erfassung (E. 3). Mit Blick auf allfällige weitere Straftaten ist fraglich, ob ein hinreichend schweres Delikt vorliegt (E. 4.3.1). Jedenfalls fehlt es an erheblichen und konkreten Anhaltspunkten, dass der Beschuldigte in weitere Delikte verwickelt sein könnte (E. 4.3.2-4.3.4). Eine friedliche Protestaktion steht unter dem Schutz der Versammlungs- und der Meinungsäusserungsfreiheit; das DNA-Profil und die erkennungsdienstliche Erfassung erweisen sich als unverhältnismässig (E. 4.4 und 4.5).
147 IV 505 (6B_1498/2020) from 29. November 2021
Regeste: Art. 3 Abs. 2 lit. a, Art. 381 Abs. 1, Art. 391 Abs. 2, Art. 401 StPO; Zulässigkeit der Anschlussberufung; Grundsatz von Treu und Glauben im Strafverfahren. Legitimation der Staatsanwaltschaft, Anschlussberufung zu erheben, um damit das Verbot der reformatio in peius aufzuheben (vgl. Art. 391 Abs. 2 StPO; E. 4.4). Die Anschlussberufung ist nicht zulässig, wenn sie ohne nähere Begründung auf die Frage der Strafzumessung beschränkt bleibt, obwohl die Erstinstanz dem diesbezüglichen Antrag der Staatsanwaltschaft vollumfänglich gefolgt war (E. 4.4.3).
149 IV 183 (1C_104/2022) from 20. Dezember 2022
Regeste: Art. 7 StPO, Art. 110 Abs. 3 StGB; Erfordernis einer Ermächtigung zur Strafverfolgung. Grundlagen des Ermächtigungsvorbehalts (E. 2). Für Privatpersonen, denen öffentliche Aufgaben übertragen werden, gilt das Ermächtigungserfordernis nicht, sofern nicht zwingende Gründe für eine ausnahmsweise Zulassung des Vorbehalts sprechen (E. 3). Weder die Bundesverfassung noch die Europäische Menschenrechtskonvention schliessen einen Ermächtigungsvorbehalt als prozessuale Voraussetzung für eine Strafverfolgung gegenüber Staatsangestellten aus (E. 4).
150 IV 273 (6B_938/2023) from 21. März 2024
Regeste: Art. 49, 179septies und 180 StGB; Konkurrenz zwischen Drohung und Missbrauch einer Fernmeldeanlage. Idealkonkurrenz kann angenommen werden, wenn der Täter das Belästigungspotenzial des Telekommunikationsmittels nicht mit den in einigen Nachrichten ausgesprochenen Drohungen ausgeschöpft hat. Auch wenn die nach Art. 179septies StGB inkriminierte Straftat im Fall von einigen, spezifisch eine Drohung enthaltenden Nachrichten absorbiert wurde, sollte dennoch keine Realkonkurrenz mit sämtlichen missbräuchlichen Kommunikationen, die keine Drohung enthielten, angenommen werden (E. 3.3).
150 IV 360 (7B_583/2024, 7B_653/2024) from 25. Juni 2024
Regeste: Art. 221 Abs. 1bis StPO; Untersuchungshaft; qualifizierte Wiederholungsgefahr. Art. 221 Abs. 1bis StPO verankert einen ausnahmsweise zulässigen Grund für die Anordnung von Untersuchungshaft. Er sieht im Vergleich zu Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO eine qualifizierte Wiederholungsgefahr vor, die als Ausgleich dafür eingeführt wurde, dass im Vergleich zu Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO auf das Vortatenerfordernis verzichtet wird. Der Haftgrund der qualifizierten Wiederholungsgefahr gelangt aber nur unter den restriktiven, kumulativen Voraussetzungen zur Anwendung, die in den lit. a und b von Art. 221 Abs. 1bis StPO aufgeführt sind. Art. 221 Abs. 1bis lit. b StPO verlangt, dass die ernste und unmittelbare Gefahr besteht, die beschuldigte Person werde ein gleichartiges, schweres Verbrechen verüben. Der Begriff des schweren Verbrechens bezieht sich auf die in Art. 221 Abs. 1bis lit. a StPO genannten geschützten Rechtsgüter, d.h. die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer anderen Person. Die Formulierung "unmittelbar" verdeutlicht, dass die von der beschuldigten Person ausgehende Bedrohung akut sein muss, die schweren Verbrechen in naher Zukunft drohen müssen und deshalb die Haft mit grosser Dringlichkeit anzuordnen ist (E. 3.2). Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdeführer, dessen Strafregister keine Einträge aufweist, in Untersuchungshaft zu belassen, da er aufgrund eines psychiatrischen Gutachtens ein unmittelbares Risiko darstellt, ähnlich schwere Verbrechen zu begehen wie jene, die ihm im Strafverfahren vorgeworfen werden, nämlich die schweren Verbrechen der sexuellen Handlungen mit Kindern (Art. 187 Ziff. 1 StGB) und der sexuellen Nötigung (Art. 189 StGB) (E. 3.4). |