Swiss Criminal Code


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Art. 63

3. Out-pa­tient treat­ment

Re­quire­ments and im­ple­ment­a­tion

 

1 If the of­fend­er is suf­fer­ing from a ser­i­ous men­tal dis­order or if he is de­pend­ent on ad­dict­ive sub­stances or in any oth­er way, the court may or­der that he re­ceive out-pa­tient rather than in-pa­tient treat­ment if:

a.
the of­fend­er com­mits an of­fence in which his con­di­tion is a factor; and
b.
it is ex­pec­ted that the meas­ure will re­duce the risk of fur­ther of­fences be­ing com­mit­ted in which his con­di­tion is a factor.

2 The court may de­fer the ex­e­cu­tion of an un­sus­pen­ded cus­todi­al sen­tence im­posed at the same time, a sus­pen­ded cus­todi­al sen­tence due for ex­e­cu­tion fol­low­ing re­voc­a­tion of sus­pen­sion and the re­mainder of a sen­tence due for ex­e­cu­tion fol­low­ing a re­call to cus­tody to give pre­ced­ence to out-pa­tient treat­ment in or­der to take ac­count of the form of the treat­ment. It may or­der pro­ba­tion as­sist­ance and is­sue con­duct or­ders for the dur­a­tion the treat­ment.

3 The com­pet­ent au­thor­ity may or­der the of­fend­er to be treated tem­por­ar­ily as an in-pa­tient if this is re­quired in or­der to ini­ti­ate the out-pa­tient treat­ment. The peri­od of in-pa­tient treat­ment may not ex­ceed two months.

4 The peri­od of out-pa­tient treat­ment may not nor­mally ex­ceed five years. If the con­tinu­ation of the out-pa­tient treat­ment is con­sidered ne­ces­sary at the end of the five-year peri­od in or­der to re­duce the risk of fur­ther felon­ies and mis­de­mean­ours in which a men­tal dis­order is a factor, the court may at the re­quest of the ex­ec­ut­ive au­thor­ity con­tin­ue the treat­ment for a fur­ther peri­od of from one to five years.

BGE

147 IV 409 (6B_257/2020, 6B_298/2020) from 24. Juni 2021
Regeste: Art. 6, Art. 10 Abs. 2, Art. 350 Abs. 2 und Art. 389 StPO; Art. 189 und Art. 190 StGB; Beweiswürdigung, Ermittlungspflicht des Gerichts; Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung, Nötigungsmittel. Das Berufungsgericht muss das entscheiderhebliche Beweismaterial umfassend auswerten und bei zweifelhafter Beweislage, falls vorhanden, zusätzliche sachdienliche Beweise abnehmen (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 5.3). Längeres Zuwarten bis zur Einreichung einer Strafanzeige (vorliegend rund 13 Monate) entspricht einem bei Opfern von Sexualstraftaten verbreiteten Phänomen und spricht nicht gegen die allgemeine Glaubhaftigkeit der Aussagen der Betroffenen (E. 5.4.1). Eine tatbestandsmässige Gewaltanwendung im Sinne von Art. 189 und Art. 190 StGB kann auch dann gegeben sein, wenn das Opfer seinen Widerstand aufgrund der Ausweglosigkeit resp. aus Angst vor einer erneuten Eskalation der Situation irgendwann aufgibt (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 5.5.3).

148 IV 1 (6B_544/2021, 6B_610/2021) from 23. August 2021
Regeste: Art. 59 Abs. 1 und 4, Art. 62a Abs. 1 lit. b, Art. 62c Abs. 1 lit. a, Abs. 3 und 4, Art. 63 Abs. 1, Art. 63a Abs. 2 und 3, Art. 63b Abs. 5 und Art. 64 Abs. 1 StGB; Art. 2 Abs. 2, Art. 29 f., Art. 80 Abs. 1, Art. 197 Abs. 1 lit. a, Art. 393 und Art. 398 Abs. 1-3 StPO; Art. 31 Abs. 1 und Art. 36 Abs. 1 BV; ambulante und stationäre therapeutische Massnahme; Antrag auf nachträgliche Anordnung der Verwahrung infolge Aussichtslosigkeit der stationären therapeutischen Massnahme und Antrag auf originäre Verwahrung infolge neuer Anlassdelikte; Verfahrensvereinigung; Zuständigkeit; Grundsatz der Formstrenge. Eine direkte Umwandlung einer ambulanten Massnahme in eine Verwahrung ist nicht möglich (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3.4.1). Das Gericht hat im Rahmen von Art. 59 Abs. 4 Satz 2 StGB lediglich über die Verlängerung der stationären Massnahme zu befinden. Für die Aufhebung der stationären therapeutischen Massnahme infolge Aussichtslosigkeit ist die Vollzugsbehörde zuständig. Nach rechtskräftiger Aufhebung der stationären therapeutischen Massnahme ist es am erstinstanzlichen Gericht, auf Antrag der Vollzugsbehörde über die Rechtsfolgen zu befinden (E. 3.4.2). Dass das Berufungsgericht im zweitinstanzlichen Entscheid über die Nichtverlängerung der stationären Massnahme nach Art. 59 Abs. 4 Satz 2 StGB zu Unrecht eine ambulante Massnahme anordnete, hinderte die Vollzugsbehörde nicht daran, nach Aufhebung der stationären Massnahme infolge Aussichtslosigkeit beim zuständigen erstinstanzlichen Gericht in Anwendung von Art. 62c Abs. 4 StGB eine nachträgliche Verwahrung zu beantragen (E. 3.4.3). Tragweite des in Art. 2 Abs. 2 StPO verankerten Grundsatzes der Formstrenge (E. 3.5.1). Der Grundsatz der Formstrenge steht einer Gesetzesauslegung und einer richterlichen Lückenfüllung nicht entgegen (E. 3.5.2). Die kantonalen Instanzen sprachen sich zu Recht für eine Vereinigung des Verfahrens auf nachträgliche Verwahrung im Sinne von Art. 62c Abs. 4 StGB mit dem ebenfalls hängigen Verfahren auf originäre Verwahrung infolge neuer Anlassdelikte und für die abschliessende Beurteilung der Frage der Verwahrung im erstinstanzlichen Strafurteil aus. Die Zuständigkeit für die Beurteilung der Verwahrung im Rechtsmittelverfahren liegt damit ausschliesslich bei der Berufungsinstanz (E. 3.6).

148 IV 89 (6B_1397/2019) from 12. Januar 2022
Regeste: Art. 391 Abs. 2 StPO; die erstmalige Anordnung einer ambulanten Massnahme durch das Berufungsgericht verstösst gegen das Verschlechterungsverbot (reformatio in peius). Verzichtet das erstinstanzliche Gericht auf die Anordnung einer beantragten ambulanten Massnahme und hat die Staatsanwaltschaft in ihrer Anschlussberufung deren Anordnung nicht erneut beantragt, verletzt das Berufungsgericht das Verschlechterungsverbot, wenn es eine ambulante Massnahme anordnet (E. 4.1-4.4).

148 IV 393 (6B_1450/2020) from 5. September 2022
Regeste: Art. 24, 139 und 160 StGB; Anstiftung, Hehlerei, Konkurrenz. Die Hehlerei, die von jemandem begangen worden ist, der vorgängig andere zu einem Vermögensdelikt angestiftet hat, stellt eine straflose Nachtat dar. Es besteht keine Konkurrenz zwischen der Anstiftung zum Vermögensdelikt und der nachfolgenden Hehlerei (Änderung der Rechtsprechung; E. 3).

149 I 366 (2C_523/2021) from 25. April 2023
Regeste: Art. 5 Ziff. 1 lit. e und Ziff. 5 EMRK; Art. 59 StGB; Art. 236 Abs. 4 StPO; Frage der Staatshaftung wegen Unterbringung eines Massnahmeunterworfenen in ungeeigneten Einrichtungen. Bestimmung der Dauer, während der der Beschwerdeführer in einer für den Vollzug der angeordneten Massnahme ungeeigneten Einrichtung untergebracht war; Mitberücksichtigung der Phase des vorzeitig angeordneten Massnahmenvollzugs (E. 7). Die resultierende Wartezeit bzw. Organisationshaft von rund 17 Monaten kann unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Falls nicht mehr als vereinbar mit den konventionsrechtlichen Vorgaben betrachtet werden (E. 8).

149 IV 116 (6B_208/2021, 6B_209/2021) from 29. März 2023
Regeste: Art. 237 StGB; Störung des öffentlichen Verkehrs. Opfer im Sinne der Norm kann nur derjenige Verkehrsteilnehmer sein, welcher von der durch den Täter gesetzten Gefährdung zufällig betroffen ist und im Verhältnis zum Täter insofern die Öffentlichkeit repräsentiert (Änderung der Rechtsprechung; E. 5, insb. E. 5.2.4).

150 IV 1 (6B_953/2023) from 15. Dezember 2023
Regeste: Art. 61 StGB; Massnahmen für junge Erwachsene, Untermassverbot. Das aus dem Verhältnismässigkeitsprinzip abgeleitete Untermassverbot, wonach Dauer und Eingriffsintensität der Massnahme im Verhältnis zur aufgeschobenen Strafe nicht zu geringfügig sein dürfen, ist in Zusammenhang mit Massnahmen für junge Erwachsene zu berücksichtigen (E. 2.3.1 und 2.4.2). Längere Freiheitsstrafen, bei denen die maximale Dauer der Massnahme nicht einmal zwei Dritteln der Strafzeit gleichkommt, sind nur ausnahmsweise zwecks stationärer Behandlung auszusetzen, wenn die Erfolgsaussichten besonders günstig sind bzw. ein Resozialisierungserfolg erwartet werden darf, der sich durch den Vollzug der Freiheitsstrafe mit ambulanter Behandlung von vornherein nicht erreichen lässt (E. 2.3.1).

150 IV 360 (7B_583/2024, 7B_653/2024) from 25. Juni 2024
Regeste: Art. 221 Abs. 1bis StPO; Untersuchungshaft; qualifizierte Wiederholungsgefahr. Art. 221 Abs. 1bis StPO verankert einen ausnahmsweise zulässigen Grund für die Anordnung von Untersuchungshaft. Er sieht im Vergleich zu Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO eine qualifizierte Wiederholungsgefahr vor, die als Ausgleich dafür eingeführt wurde, dass im Vergleich zu Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO auf das Vortatenerfordernis verzichtet wird. Der Haftgrund der qualifizierten Wiederholungsgefahr gelangt aber nur unter den restriktiven, kumulativen Voraussetzungen zur Anwendung, die in den lit. a und b von Art. 221 Abs. 1bis StPO aufgeführt sind. Art. 221 Abs. 1bis lit. b StPO verlangt, dass die ernste und unmittelbare Gefahr besteht, die beschuldigte Person werde ein gleichartiges, schweres Verbrechen verüben. Der Begriff des schweren Verbrechens bezieht sich auf die in Art. 221 Abs. 1bis lit. a StPO genannten geschützten Rechtsgüter, d.h. die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer anderen Person. Die Formulierung "unmittelbar" verdeutlicht, dass die von der beschuldigten Person ausgehende Bedrohung akut sein muss, die schweren Verbrechen in naher Zukunft drohen müssen und deshalb die Haft mit grosser Dringlichkeit anzuordnen ist (E. 3.2). Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdeführer, dessen Strafregister keine Einträge aufweist, in Untersuchungshaft zu belassen, da er aufgrund eines psychiatrischen Gutachtens ein unmittelbares Risiko darstellt, ähnlich schwere Verbrechen zu begehen wie jene, die ihm im Strafverfahren vorgeworfen werden, nämlich die schweren Verbrechen der sexuellen Handlungen mit Kindern (Art. 187 Ziff. 1 StGB) und der sexuellen Nötigung (Art. 189 StGB) (E. 3.4).

 

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