Schweizerische Strafprozessordnung
(Strafprozessordnung, StPO)

vom 5. Oktober 2007 (Stand am 1. Juli 2022)


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Art. 264 Einschränkungen

1 Nicht be­schlag­nahmt wer­den dür­fen, un­ge­ach­tet des Or­tes, wo sie sich be­fin­den, und des Zeit­punk­tes, in wel­chem sie ge­schaf­fen wor­den sind:

a.
Un­ter­la­gen aus dem Ver­kehr der be­schul­dig­ten Per­son mit ih­rer Ver­tei­di­gung;
b.
per­sön­li­che Auf­zeich­nun­gen und Kor­re­spon­denz der be­schul­dig­ten Per­son, wenn ihr In­ter­es­se am Schutz der Per­sön­lich­keit das Straf­ver­fol­gungs­in­ter­es­se über­wiegt;
c.76
Ge­gen­stän­de und Un­ter­la­gen aus dem Ver­kehr der be­schul­dig­ten Per­son mit Per­so­nen, die nach den Ar­ti­keln 170–173 das Zeug­nis ver­wei­gern kön­nen und im glei­chen Sach­zu­sam­men­hang nicht sel­ber be­schul­digt sind;
d.77
Ge­gen­stän­de und Un­ter­la­gen aus dem Ver­kehr ei­ner an­de­ren Per­son mit ih­rer An­wäl­tin oder ih­rem An­walt, so­fern die An­wäl­tin oder der An­walt nach dem An­walts­ge­setz vom 23. Ju­ni 200078 zur Ver­tre­tung vor schwei­ze­ri­schen Ge­rich­ten be­rech­tigt ist und im glei­chen Sach­zu­sam­men­hang nicht sel­ber be­schul­digt ist.

2 Die Ein­schrän­kun­gen nach Ab­satz 1 gel­ten nicht für Ge­gen­stän­de und Ver­mö­gens­wer­te, die zur Rück­ga­be an die ge­schä­dig­te Per­son oder zur Ein­zie­hung be­schlag­nahmt wer­den müs­sen.

3 Macht ei­ne be­rech­tig­te Per­son gel­tend, ei­ne Be­schlag­nah­me von Ge­gen­stän­den und Ver­mö­gens­wer­ten sei we­gen ei­nes Aus­sa­ge- oder Zeug­nis­ver­wei­ge­rungs­rechts oder aus an­de­ren Grün­den nicht zu­läs­sig, so ge­hen die Straf­be­hör­den nach den Vor­schrif­ten über die Sie­ge­lung vor.

76 Fas­sung ge­mä­ss Ziff. I 6 des BG vom 28. Sept. 2012 über die An­pas­sung von ver­fah­rens­recht­li­chen Be­stim­mun­gen zum an­walt­li­chen Be­rufs­ge­heim­nis, in Kraft seit 1. Mai 2013 (AS 2013 847; BBl 2011 8181).

77 Ein­ge­fügt durch Ziff. I 6 des BG vom 28. Sept. 2012 über die An­pas­sung von ver­fah­rens­recht­li­chen Be­stim­mun­gen zum an­walt­li­chen Be­rufs­ge­heim­nis, in Kraft seit 1. Mai 2013 (AS 2013 847; BBl 2011 8181).

78 SR 935.61

BGE

118 IA 282 () from 27. August 1992
Regeste: Art. 58 Abs. 1 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 26 KV/SH; Anspruch auf einen unbefangenen Richter. 1. Die Auffassung, der Grundsatz der Gewaltentrennung gemäss Art. 26 KV/SH beziehe sich nur auf die Gewalten derselben Gebietskörperschaft, ist nicht willkürlich und ist mit Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar (E. 3). 2. Den Kantonen ist es nicht verwehrt, die Einhaltung gewisser Vorschriften bei der Ausübung des Anspruchs auf einen unvoreingenommenen, unabhängigen und unparteiischen Richter nach Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu verlangen (E. 5a). Aufgrund der kantonalen Strafprozessbestimmungen war es nicht willkürlich, den Anspruch des Beschwerdeführers auf Ablehnung eines Richters als verwirkt zu betrachten (E. 5b-E. 5e). 3. Verfassung und Konvention stehen einer Verwirkung nicht entgegen (E. 6a). Unverzichtbarer und unverjährbarer Charakter von Art. 58 BV im vorliegenden Fall verneint (E. 6b und E. 6c).

122 I 36 () from 6. Februar 1996
Regeste: Art. 6 EMRK und 2 Abs. 1 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK; kantonale Rechtsmittel gegen ein Abwesenheitsurteil. Eine kantonale Regelung, die gegen ein verurteilendes Abwesenheitsurteil einzig die Aufhebung oder die Revision vorsieht, und welche die Möglichkeit, das Urteil mit einer Beschwerde bei einer zweiten Instanz anzufechten, ausschliesst, verletzt weder die EMRK noch das Protokoll Nr. 7 zur EMRK.

138 IV 225 (1B_397/2012) from 10. Oktober 2012
Regeste: a Art. 171 Abs. 1, Art. 197 Abs. 1 lit. c und d sowie Abs. 2, Art. 248 Abs. 1, Art. 264 Abs. 1 lit. a und c StPO; Berufsgeheimnis, Entsiegelung von Anwaltsakten. Ein in der Sache selbst mitbeschuldigter Anwalt kann untersuchungsrelevante Beweisunterlagen aus dem Mandatsverhältnis nicht dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörde entziehen, indem er Büropartner oder ausländische Korrespondenzanwälte mit dem Fall substituiert (E. 6). Anforderungen an die Darlegung (und Bestreitung) der sachlichen Konnexität zwischen den entsiegelten Aufzeichnungen und dem Gegenstand der Strafuntersuchung (E. 7).

140 IV 28 (1B_231/2013) from 25. November 2013
Regeste: Art. 248 Abs. 1 StPO; Berechtigung zum Siegelungsantrag. Zum Zweck eines wirksamen Geheimnisschutzes ist das Recht auf Siegelung gemäss Art. 248 Abs. 1 StPO auf die Berechtigung, sich nach Art. 264 Abs. 3 StPO gegen eine Beschlagnahme zu wehren, abzustimmen. Berechtigt im Sinne von Art. 248 Abs. 1 StPO, die Siegelung zu beantragen, sind Personen, welche unabhängig der Besitzverhältnisse ein rechtlich geschütztes Interesse an der Geheimhaltung des Inhalts der Aufzeichnungen haben (E. 4.3.4). Die Strafbehörde hat vor der Durchsuchung der Aufzeichnungen von Amtes wegen den geheimnisschutzberechtigten Personen die Möglichkeit einzuräumen, ein Siegelungsbegehren zu stellen (E. 4.3.5).

140 IV 108 (1B_424/2013, 1B_436/2013) from 22. Juli 2014
Regeste: Art. 172 und 264 Abs. 1 lit. c StPO, Art. 17 Abs. 3 BV, Art. 10 EMRK; Verbot der Beschlagnahme von Unterlagen aus dem Verkehr des Beschuldigten mit Medienschaffenden. Das Beschlagnahmeverbot erfasst nicht nur Unterlagen, die sich beim Medienschaffenden befinden, sondern auch solche, die sich beim Beschuldigten oder bei Dritten befinden (E. 6).

141 IV 77 (1B_330/2014) from 21. November 2014
Regeste: Art. 13 BV; Art. 8 EMRK; Art. 171 Abs. 1 und 2, Art. 197 Abs. 1 lit. c und d sowie Abs. 2, Art. 248 und 264 Abs. 1 lit. b und c sowie Abs. 3 StPO; Arzt- und Patientengeheimnis, Entsiegelung von ärztlichen Aufzeichnungen und Unterlagen. Wenn der von den Zwangsmassnahmen unmittelbar betroffene Arzt selbst beschuldigt ist, bildet sein Berufsgeheimnis zwar kein absolutes gesetzliches Beschlagnahme- und Entsiegelungshindernis. Damit erhobene ärztliche Unterlagen von der Staatsanwaltschaft durchsucht und ausgewertet werden dürfen, müssen sie jedoch zunächst einen engen Sachzusammenhang zum Gegenstand der Strafuntersuchung aufweisen bzw. für den angestrebten Untersuchungszweck unentbehrlich sein. Bei der Abwägung der sich gegenüberstehenden Strafverfolgungs- und Geheimnisschutzinteressen ist weiter zu berücksichtigen, dass Zwangsmassnahmen, die auch in die Grundrechte nicht beschuldigter Personen eingreifen, besonders zurückhaltend einzusetzen sind. Bei ärztlichen Aufzeichnungen (insbesondere Krankengeschichten mit Anamnese-, Diagnose- und Therapieverlaufsberichten) fällt ins Gewicht, dass sie regelmässig sehr sensible höchstpersönliche Informationen aus der Intim- und Privatsphäre von Patientinnen und Patienten enthalten, die von Art. 13 BV in besonderem Masse geschützt sind, weshalb nicht pauschal sämtliche vertraulichen Patienteninformationen eines beschuldigten Arztes zur Durchsuchung an die Staatsanwaltschaft freigegeben werden dürfen, solange keine Entbindung vom Arztgeheimnis erfolgt ist. Im Rahmen der Gesamtbeurteilung der Verhältnismässigkeit der konkreten Zwangsmassnahmen ist auch der Schwere der untersuchten Delikte Rechnung zu tragen. Im vorliegenden Fall wurde das kantonale Zwangsmassnahmengericht (in teilweiser Gutheissung der Beschwerde des beschuldigten Arztes) angewiesen, eine Triage der sichergestellten ärztlichen Unterlagen vorzunehmen. Bei den für die Strafuntersuchung unentbehrlichen ärztlichen Aufzeichnungen und Gegenständen hat vor einer Freigabe zur Durchsuchung an die Staatsanwaltschaft eine Anonymisierung der Namen von betroffenen Patientinnen und Patienten zu erfolgen (E. 4 und 5).

142 IV 207 (1B_249/2015) from 30. Mai 2016
Regeste: Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Art. 14 Ziff. 3 lit. g UNO-Pakt II; Art. 113 Abs. 1, Art. 170 Abs. 1, Art. 171, Art. 197 Abs. 1 lit. c und d, Art. 248 Abs. 1, Art. 264 Abs. 1 und Art. 265 Abs. 4 StPO; Art. 7 Abs. 2 GwG; Art. 47 BankG. Strafprozessualer "nemo tenetur"-Grundsatz. Entsiegelung eines sichergestellten bankinternen Memorandums, welches zuvor Gegenstand eines bankenaufsichtsrechtlichen Vorabklärungs- bzw. Auskunftsverfahrens gebildet hat. Untersuchungsrelevanz der versiegelten Unterlage und Verhältnismässigkeit der Entsiegelung (E. 7). Tragweite des Verbots des Selbstbelastungszwangs bei einer beschuldigten Bank. Gesetzliche Aufgabenverteilung und Koordination zwischen der FINMA und der Bundesanwaltschaft bei angezeigten Geldwäschereiverdachtsfällen. Die fragliche bankinterne Unterlage wurde aufgrund eines nicht strafbewehrten Auskunftsbegehrens der FINMA erstellt. Der "nemo tenetur"-Grundsatz steht insofern einer gesetzeskonformen strafprozessualen Sicherstellung einer Kopie der Unterlage bei der beschuldigten Bank nicht entgegen (E. 8). Die von der beschuldigten Bank angerufenen Geheimnisschutzinteressen bilden hier (auch im Lichte der gesetzlichen Selbstbelastungsprivilegien) ebenfalls kein Entsiegelungshindernis (E. 9-12).

143 IV 387 (1B_75/2017) from 16. August 2017
Regeste: Art. 8 EMRK; Art. 13 Abs. 1, 36 Abs. 1 BV; Art. 141 Abs. 2, 197 Abs. 1 lit. a, 248, 282 StPO; Observationen durch Privatdetektive; Verwertbarkeit im Entsiegelungs- und Untersuchungsverfahren. Für systematische private Observationen im Strafprozess besteht keine gesetzliche Grundlage. Die Frage, ob die insofern rechtswidrig erhobenen Beweismittel im Entsiegelungsverfahren verwertbar oder bereits im Vorverfahren auszuscheiden sind, ist nach Art. 141 Abs. 2 StPO zu prüfen. Falls die Beweismittel nicht klarerweise unverwertbar sind, besteht kein Entsiegelungshindernis und ist die abschliessende Prüfung der Verwertbarkeit dem Sachrichter im Endentscheid vorzubehalten (E. 4).

143 IV 462 (1B_376/2017) from 22. November 2017
Regeste: Art. 78 ff., 91, 93 BGG; Art. 248 Abs. 3 lit. a und 393 Abs. 1 lit. c StPO; Art. 171, 197 Abs. 2, 248 Abs. 1, 264 Abs. 1 lit. d StPO; Entsiegelung und anwaltliches Berufsgeheimnis. Zulässigkeit der Beschwerde gegen einen Entsiegelungsentscheid des Zwangsmassnahmengerichts; im Hinblick auf den Anspruch auf rechtliches Gehör darf der Staatsanwaltschaft nicht nur eine eingeschwärzte Version der Beschwerdeschrift an das Bundesgericht übermittelt werden (E. 1). Die Entsiegelungsbehörde entfernt die Akten, die nachweislich unter ein Berufsgeheimnis fallen (E. 2.1). Unter das Anwaltsgeheimnis fällt nur die eigentliche anwaltliche Tätigkeit; davon erfasst werden anvertraute Tatsachen, Unterlagen sowie vertrauliche Mitteilungen, die einen - wenn auch nur losen - Zusammenhang mit der Mandatsführung aufweisen; zu diesen gehören etwa das Bestehen eines Mandats sowie die daraus entstehenden Honorarforderungen (E. 2.2). Geschützt wird folglich auch der Kontakt zwischen dem Betroffenen und seinen Rechtsvertretern, namentlich den im Entsiegelungsverfahren Beauftragten. Grundsätzlich keinen Schutz geniessen hingegen Schreiben, die dem Anwalt nur in Kopie übermittelt werden oder die er von Vertretern Dritter erhält, sowie Handlungen, die der betreffende Anwalt als Verwaltungsrat vornimmt (E. 2.3).

147 IV 27 (1B_545/2019) from 14. Oktober 2020
Regeste: Art. 13, Art. 49 Abs. 1 und Art. 123 Abs. 1 BV; Art. 171 Abs. 1 und 2 lit. a und b, Art. 248 Abs. 1 und Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO; Art. 321 Ziff. 2 und 3 StGB; Arztgeheimnis als Entsiegelungs- und Durchsuchungshindernis; Entbindung vom Berufsgeheimnis; Verhältnis des Bundesrechts zu kantonalen gesundheitsrechtlichen Verwaltungsvorschriften. Kantonale Verwaltungsnormen (wie etwa das schaffhausische Gesundheitsgesetz) dürfen die bundesgesetzlichen Vorschriften über den Schutz der Berufsgeheimnisse und über die strafprozessualen Editions- und Zeugnispflichten nicht unterlaufen. Dies gilt namentlich für die in Art. 171 Abs. 2 lit. b StPO i.V.m. Art. 321 Ziff. 2 StGB abschliessend geregelten Modalitäten einer Entbindung vom Berufsgeheimnis. Mangels einer gesetzeskonformen Entbindung vom Arztgeheimnis verletzte der hier angefochtene Entsiegelungsentscheid das Bundesrecht (Bestätigung und Präzisierung der Rechtsprechung; E. 3 und 4).

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